4. Gesundheits- und Risikokommunikation Flashcards
Begriffsklärung
Der aus Gesundheit und Kommunikation zusammengesetzte Begriff verweist darauf, dass hier zwei verschiedene, interdisziplinäre Wissenschaftsbereiche - die Gesundheits-wissenschaften und die Kommunikationswissenschaften - mit ihren jeweils eigenen Perspektiven und Forschungstraditionen aufeinander treffen. Dabei besteht auch heute noch weithin Uneinigkeit darüber, was unter dem Begriff GK konkret gefasst werden soll. Dies gilt für die begrifflichen Definitionen wie auch die konkreten Interaktionen, die unter diesem Begriff subsumiert werden können.
Risiko- und Gesundheitskommunikation aus psychologischer Perspektive (Renner et al., 2007, S. 252) stellt folgende Frage:
Wie können gesundheitsbezogene Kognitionen, Risiko- und Gesundheitsverhaltensweisen durch direkte (persönliche) oder indirekte (medienvermittelte) Kommunikation gesundheits- bezogener Information beeinflusst werden (im Rahmen individuumsbezogener Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention)?
Begriffsklärung 2
„Unter dem Begriff der Psychoedukation werden systematische, didaktisch-psychotherapeutische (didaktisch: die Kunst der geeigneten Wissensvermittlung) Maßnahmen zusammengefasst, die dazu geeignet sind, Patienten und ihre Angehörigen über die Krankheit und ihre Behandlung zu informieren, das Krankheitsverständnis und den selbstverantwortlichen Umgang mit der Krankheit zu fördern und sie bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen.
Die Wurzeln der Psychoedukation liegen in der Verhaltenstherapie, wobei aktuelle Konzepte auch Gesprächspsychotherapeutische Elemente in unterschiedlicher Gewichtung enthalten. Im Rahmen einer Psychotherapie bezeichnet die Psychoedukation denjenigen Bestandteil der Behandlung, bei dem die aktive Informationsvermittlung, der Austausch von Informationen unter den Betroffenen und die Behandlung
allgemeiner Krankheitsaspekte im Vordergrund stehen.“
Ziele von Gesundheitskommunikation
- Verhaltensänderung (Reduktion von Risikoverhalten, Förderung
von Gesundheitsverhalten)
– Beispiel: „Herr Sorge soll körperlich aktiver werden“ - Informierte Entscheidung ermöglichen
– Beispiel: Corona-Impfung
– oft im Rahmen von Arzt-Patienten-Kommunikation
– relevant und notwendig für Kosten-Nutzen-Abwägung - Verbesserung des Wissensstandes (Health literacy)
– Beispiel: Informationen über Depression
– Förderung der Inanspruchnahme gesundheitlicher Dienste
Die ethische Dimension von Gesundheitskommunikation:
Menschen haben das Recht und einen ethisch begründeten Anspruch auf Selbstbestimmung. Sie wollen bei gesundheits- oder krankheitsbezogenen Entscheidungen mitentscheiden. Besonders relevant ist dies für Maßnahmen, die sich an gesunde Menschen richten (zum Beispiel Krebsfrüherkennungs- untersuchungen), für Maßnahmen mit zweifelhafter Nutzen- Schaden-Bilanz oder für chronische Erkrankungen mit ungewissem Verlauf wie Krebserkrankungen oder Multiple Sklerose (MS).
Qualitätskriterien für Evidenzbasierte Patienteninformation:
- Informationen zum natürlichen Verlauf der Erkrankung (Beschwerdebild und Prognose der Erkrankung ohne Intervention)
- vollständige Nennung aller Optionen, gegebenenfalls einschließlich der Möglichkeit, auf eine Intervention (vorerst) zu verzichten
- Wahrscheinlichkeiten für Erfolg, Nichterfolg und Schaden zu den anstehenden medizinischen Interventionen
- patientenrelevante Zielparameter
- das Fehlen von Evidenz
- für diagnostische Maßnahmen: Daten zu möglichen falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnissen.
Bedeutung von Gesundheitskommunikation
Bedeutung von Gesundheitskommunikation
Kommunikation von Risiken
* Wie ist der Begriff Risiko definiert?
- Das objektiv vorhandene Risiko ist definiert als die Auftretenswahrscheinlichkeit eines negativ bewerteten Ereignisses (z.B. Krankheit, Nebenwirkung, etc.)
– Beispiel: Das Lebenszeitrisiko für Depression meint die objektive Wahrscheinlichkeit, im Verlauf des Lebens an einer Depression zu erkranken. Dieser Wert wird durch epidemiologische Studien geschätzt. - Das subjektiv wahrgenommene Risiko wird nach Slovic (1987) durch die wahrgenommene Schrecklichkeit und die Unbekanntheit eines Ereignisses bestimmt.
- In den sozial-kognitiven Modellen des Gesundheitsverhaltens besteht die Risikowahrnehmung aus dem subjektiv empfundenen Schweregrades des Schadens und der persönlichen Verwundbarkeit.
- Kann das Risiko eines Schadens durch eine konkrete Maßnahme verringert werden, spricht man von einer Risikoreduktion.
Wahrscheinlichkeiten vs. natürliche Häufigkeiten
Häufig werden Risiken als relativer Risikoanstieg oder Risikoreduktion kommuniziert. Ein Beispiel aus dem Spiegel:
„Pro 50 Gramm verarbeitetem Fleisch, die jemand an einem Tag verzehrt, steige das relative Darmkrebsrisiko um 18 Prozent
Allgemein betrachtet haben relative veränderungen des Risikos
folgende Struktur:
* „Maßnahme X reduziert das Risiko für Y um 25%“
* „Wenn Sie X tun/sind, haben Sie ein doppelt so hohes Risiko für Y“
Wahrscheinlichkeiten vs. natürliche Häufigkeiten
Häufig werden Risiken als relativer Risikoanstieg oder Risikoreduktion kommuniziert. Ein Beispiel aus dem Spiegel:
„Pro 50 Gramm verarbeitetem Fleisch, die jemand an einem Tag verzehrt, steige das relative Darmkrebsrisiko um 18 Prozent
Allgemein betrachtet haben relative veränderungen des Risikos
folgende Struktur:
* „Maßnahme X reduziert das Risiko für Y um 25%“
* „Wenn Sie X tun/sind, haben Sie ein doppelt so hohes Risiko für Y“
Wahrscheinlichkeiten vs. natürliche Häufigkeiten
Beispiel „Contraceptive Pill Scare“ in Großbritannien 1995
In October 1995, the U.K. Committee on Safety of Medicines issued a warning that third-generation oral contraceptive pills increased the risk of potentially life- threatening blood clots in the legs or lungs twofold—that is, by 100%. The news caused great anxiety, and distressed women stopped taking the pill, which led to unwanted pregnancies and abortions.
* Häufigkeit von Thrombosen bei jeweils 7000 Frauen:
– Die Pille A nahmen: 1
– Die Pille B nahmen: 2
– Relativer Risikozuwachs: 100% (doppelt so hoch) – Absoluter Risikozuwachs: 0,014% (1 von 7000)
Wahrscheinlichkeiten vs. natürliche Häufigkeiten
Beispiel „Contraceptive Pill Scare“ in Großbritannien 1995
In October 1995, the U.K. Committee on Safety of Medicines issued a warning that third-generation oral contraceptive pills increased the risk of potentially life- threatening blood clots in the legs or lungs twofold—that is, by 100%. The news caused great anxiety, and distressed women stopped taking the pill, which led to unwanted pregnancies and abortions.
* Häufigkeit von Thrombosen bei jeweils 7000 Frauen:
– Die Pille A nahmen: 1
– Die Pille B nahmen: 2
– Relativer Risikozuwachs: 100% (doppelt so hoch) – Absoluter Risikozuwachs: 0,014% (1 von 7000)
Wahrscheinlichkeiten vs. natürliche Häufigkeiten
Merke!
Risikoinformationen in Form von natürlichen Häufigkeiten (z.B. „1 von 1000 Frauen sterben durch die Teilnahme am Screening weniger an Brustkrebs“) werden besser verstanden als solche in Form von Wahrscheinlichkeiten (z.B. „das Risiko an Brustkrebs zu sterben reduziert sich durch die Teilnahme am Screening um 20%“)
– weniger Missverständnisse bei der Interpretation der Zahl – weniger Über- oder Unterschätzungen
– Dies gilt für Laien und Experten
– EinGrunddafürist,dassdieBezugsgrößeklarist.
Verbale vs. numerische Quantifizierungen
- Verbale oder numerische Quantifizierungen: Welche Darstellung ist zu empfehlen:
– Schwerwiegende Nebenwirkungen sind selten.
– Schwerwiegende Nebenwirkungen treten bei einem von 10000
Behandelten auf. - Bei verbalen Quantifizierungen wie häufig, selten, manchmal, wahrscheinlich etc. ist der Interpretationsspielraum größer als bei numerischen Quantifizierungen
- Missverständnisse treten häufiger auf
- Die Interpretationen sind auch kontextabhängig: „selten“ wird bei
schweren Nebenwirkungen anders interpretiert als bei leichten
– (z.B. Blindheit vs. Kopfschmerzen; Fischer & Jungermann, 2003) - Kommunikationsempfehlung:
– Für eine transparente Kommunikation sollten verbale
Quantifizierungen durch numerische ergänzt werden.
Beispielsweise Code Medikamentennebenwirkungen:
– Sehr häufig: mehr als 1 Behandelter von 10 (>10%)
– Häufig: 1 bis 10 Behandelte von 100 (<10%)
– Gelegentlich: 1 bis 10 Behandelte von 1.000 (1-0,1%)
– Selten: 1 bis 10 Behandelte von 10.000 (0,1-0,01%)
– Sehr selten: weniger als 1 Behandelter von 10.000 (<0,01%)
– Nicht bekannt: Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar