Wissenschaftstheoretische Grundlagen II Flashcards

1
Q

Welche Aufgaben erfüllen wissenschaftliche Erklärungen?

A

*Erklärung sozialer Phänomene als Hauptaufgabe empirischer Sozialforschung
*Antworten auf Warum-Fragen
Beispiel: Warum gibt es in der Bundesrepublik Wähler rechtsradikaler
Parteien?

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2
Q

Welche drei Arten von Erklärungsmodellen gibt es?

A

a) deduktiv-nomologische Erklärungen
b) induktiv-statistische Erklärungen
c) unvollständige Erklärungen

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3
Q

a) deduktiv-nomologische Erklärungen

A

(Folie 4, eventuell graphisch dargestellt lernen)

D-N- oder auch H-O-Erklärungsmodell (Hempel/Oppenheimer 1948)

bestehen aus Explanans und Explanandum

  • **Nomologische Hypothese(n)
    (z. B. Wenn A, dann B)

und

Rand- oder Antezedenzbedingungen
(z.B. singulärer Satz „Es gilt A.“)***

ergeben zusammen das Explanans

singulärer Satz, der das zu erklärende
Ereignis beschreibt (z.B. „Es gilt B.“)
ergibt das
Explanandum

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4
Q

Wann sind D-N-Erklärungen gültig?

A

Adäquatheitsbedingungen:
• Explanandum muss eine logische Folge des Explanans sein
• Explanans enthält allgemeines Gesetz (häufig nicht der Fall in
Sozialwissenschaften)
• Explanans muss empirischen Gehalt haben
• die Sätze des Explanans müssen wahr sein

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5
Q

Was ist die Rolle von Logik und mathematischer Formalisierung bei deduktiv-nomologischen Erklärungen?

A

Ableitung von Theoremen und Hypothesen

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6
Q

Was ist die Rolle von empirischer Analyse bei deduktiv-nomologischen Erklärungen?

A

Operationalisierung und Überprüfung des empirischen

Wahrheitsgehalts der Aussagen

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7
Q

Beispiel für deduktiv-nomologische Erklärungen

A

Nomologische Hypothese(n): Arbeitslose wählen
rechtsradikale Parteien.
Rand- oder Antezedenzbedingungen: Herr Müller ist arbeitslos.

singulärer Satz, der das zu erklärende
Ereignis beschreibt :Herr Müller wählt
rechtsradikale Parteien.

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8
Q

b) probabilistische/induktiv-statistische Erklärungen

A

(Folie 8, eventuell graphisch dargestellt lernen)
im Explanans probabilistische Aussage anstelle eines Gesetzes

***I. Wissenschaftliche Erklärungen
probabilistische Hypothese(n)
(z.B. Wenn A, dann mit
Wahrscheinlichkeit p B)

und

Rand- oder Antezedenzbedingungen
(z.B. singulärer Satz „Es gilt A.“)***

singulärer Satz, der das zu erklärende
Ereignis beschreibt (z.B. „Es gilt B.“)
Explanandum***

ergibt zusammen das Explanans

singulärer Satz, der das zu erklärende
Ereignis beschreibt (z.B. „Es gilt B.“)
ergibt das Explanandum

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9
Q

Probleme probabilistischer/induktiv-statistischer Erklärungen im Vergleich zur D-N-Erklärung

A

• Explanandum folgt nicht mehr logisch (sondern nur noch
probabilistisch) aus dem Explanans
• Hypothese nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit bestätigt
(Ereignis B trat mit beobachteter relativer Häufigkeit f(B) auf)
• im strengen Sinne nicht falsifizierbar: probabilistische Hypothese
bezieht sich auf potentiell unendliche Population, beobachtete relative
Häufigkeit allerdings nur auf Untermenge

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10
Q

Beispiel für probabilistische/induktiv-statistische Erklärungen

A

probabilistische Hypothese(n): Arbeitslose wählen mit 40prozentiger Wahrscheinlichkeit rechtsradikale Parteien.

Rand- oder Antezedenzbedingungen: Herr Müller ist arbeitslos.

singulärer Satz, der das zu erklärende Ereignis beschreibt: Herr Müller wählt rechtsradikale Parteien.

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11
Q

c) unvollständige Erklärungen, welche drei Formen gibt es?

A
  • Ad-hoc Erklärungen
  • Erklärungen mit impliziten Gesetzten
  • partielle Erklärungen
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12
Q

Was sind ad-hoc Erklärungen?

A
  • Erklärung singulärer Ereignisse oder unerwarteter Ergebnisse einer
    Untersuchung durch unbestätigte Gesetze mit oft geringem
    Informationsgehalt.
    Beispiel: FDP hohen Stimmenanteil in BTW 2009. Wieso? Weil …
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13
Q

Was sind Erklärungen mit impliziten Gesetzten?

A
  • Unterstellung eines Ursache/Wirkung-Zusammenhangs
    Beispiel: Frauen wählen häufiger als Männer die CDU/CSU.
    (Wirkungszusammenhang zwischen biologischem Geschlecht und
    Parteipräferenz?)
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14
Q

Was sind partielle Erklärungen?

A
  • beobachtetes Phänomen (konkretes Explanandum) ist nur Teilmenge des
    aus dem Explanans ableitbaren Explanandums
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15
Q

Beispiel für unvollständige Erklärung:

A

nomologische Hypothese: „Wenn Menschen arbeitslos werden,
entwickeln sie antisemitische Einstellungen
und wählen rechtsradikale Parteien.“
Randbedingung: Herr Müller ist arbeitslos.
Beobachtung: Herr Müller wählt rechtsradikale Parteien.

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16
Q

Erklärungen versus Prognosen

A

Erklärung:
- Warum tritt/trat Ereignis B auf?
- Beispiel: Warum gibt es in der Bundesrepublik Wähler rechtsradikaler
Parteien?

Prognose:

  • Welches Ereignis wird in Folge von A auftreten?
  • Beispiel: Was ist die Folge von Arbeitslosigkeit?
17
Q

Unterschied von Erklärung und Prognose hinsichtlich der gegebenen und gesuchten Komponenten im D-N- bzw. I-S-Modell

A

Erklärung
„Gesetz“: gesucht
Randbedingung: gesucht
Explanandum: gegeben

Prognose
„Gesetz“: gegeben
Randbedingung: gegeben
Explanandum: gesucht

/Folie 14

18
Q

Basissatzproblem

A

• empirische Beobachtungen stellen raum-zeitlich gebundene singuläre
Sätze (Basissätze) dar
• Feststellung von Basissätzen beruht auf Annahme der korrekten
Beobachtung der Realität

Typische Probleme:

  • Selektive Beobachtung: Beobachtung konfirmatorischer Evidenz
  • Scheinkorrelationen: Beobachtung nicht-kausaler Zusammenhänge

• Annahme der korrekten Beobachtung der Welt ist aber selbst eine
Hypothese (Beobachtungstheorie, Instrumententheorie etc.), die wahr
oder falsch sein kann
• wie auch alle anderen Hypothesen können auch diese Hypothesen
nicht verifiziert werden
• somit: absolut sichere Falsifikation von Hypothesen nicht möglich

19
Q

Verfahrensvorschlag beim Basissatzproblem

A

Anerkennung von Basissätzen durch scientific community, soweit Beobachtungen intersubjektiv nachvollziehbar sind und dem Stand der Forschungsmethodologie entsprechen

20
Q

Wissenschaftliche Kontroversen

A
  1. Induktives versus deduktiv-nomologisches Vorgehen
  2. Wertfreiheit von Wissenschaft
  3. Erklären versus Verstehen
  4. standardisierte versus nicht-standardisierte Methoden und
    quantitative Methoden versus qualitative Methoden
  5. Konträre Wissenschaftspositionen, Beispiele
  6. Kontroversen um den wissenschaftlichen Fortschritt
21
Q
  1. Induktives versus deduktiv-nomologisches Vorgehen
A

• Induktion: logisches Verfahren, bei dessen Anwendung vom
Besonderen (einzelne Beobachtungen) zum Allgemeinen (→Theorie)
vorangeschritten wird
• Deduktion: Ableitung des Besonderen und Einzelnen vom
Allgemeinen; Erkenntnis des Einzelfalls durch ein allgemeines Gesetz
• aus Sicht des kritischen Rationalismus (Popper) ist Induktion logisch
unmöglich
• Induktionsregeln sind entweder
- empirische Aussagen (Sätze), deren Gültigkeit auf Induktion höherer
Ordnung beruht, dann aber infiniter Regress
- synthetische a priori (vor der Erfahrung liegende) Urteile, deren Gültigkeit
nicht bewiesen werden kann, dann aber Willkür
• induktives Vorgehen im Rahmen der Generierung von Hypothesen
möglich
- als „psychologische Mechanismen bei der Generierung von Hypothesen im
Entdeckungszusammenhang“ (Schnell et al. 2008: 59)
- im Rahmen von explorativen Untersuchungen zu wenig bekannten
sozialen Phänomenen, dann meist qualitative Methoden
• jedoch: induktives Vorgehen oft Teil des wissenschaftstheoretischen
Selbstverständnisses qualitativer/nicht-standardisierter Sozialforschung

22
Q
  1. Wertfreiheit von Wissenschaft
A

Drei Argumentationszusammenhänge im Forschungsprozess
1. Entstehungs- bzw. Entdeckungszusammenhang Was soll …
2. Begründungszusammenhang … wie …
3. Verwertungs- bzw. Wirkungszusammenhang … wozu …
erforscht werden?

23
Q
  1. Wertfreiheit von Wissenschaft, die Position von Max Weber
A
  1. Entstehungs- bzw. Entdeckungszusammenhang: immer wertend, da
    Auswahl einer Fragestellung aus einer (potentiell) unendlichen Menge
    von Forschungsfragen
  2. Begründungszusammenhang: soll wertfrei sein, d.h. wissenschaftliche
    Aussagen sollen objektiv und nicht durch subjektive
    Werthaltungen beeinflusst sein
  3. Verwertungs- bzw. Wirkungszusammenhang: Verwertung der
    Ergebnisse durch Dritte, somit wertend; Wissenschaftler/in sollte als
    Experte nicht für Verwirklichung der eigenen normativen Zielvorstellungen
    eintreten (als Mensch aber schon)
24
Q
  1. Wertfreiheit von Wissenschaft, Kontroversen:

A. Werturteilsstreit (Anfang des 20. Jahrhunderts)

A

Max Weber gegen Werner Sombart und Gustav Schmoller
Grundeinwand gegen Weber:
- Besonderheit des sozialwissenschaftlichen Objektbereichs
- Wissenschaftler/in immer Teil des Untersuchungsgegenstands: Mitglied
der Gesellschaft, geteilte Sprache mit geteilten Sinn- und Wertverweisen
- Wahl der Begriffe ist wertend
- Wahrheit von Aussagen bezieht sich dann immer auch auf wertende Vorstellungen
und nicht ausschließlich auf empirische Übereinstimmung

25
Q
  1. Wertfreiheit von Wissenschaft, Kontroversen:

B. Positivismusstreit (60er Jahre des 20. Jahrhunderts)

A

Karl Raimund Popper/Hans Albert (Kritischer Rationalismus) versus Theodor W.
Adorno/Jürgen Habermas (Frankfurter Schule)

Position der Vertreter des kritischen Rationalismus:
- Wertfreiheit als Postulat für sozialen Kontext des Wissenschaftsbetriebs
- wertfreie Erhebung der faktischen Realität als einzig gültige Möglichkeit
der Überprüfung von Theorien
- Einheit der Methode von Natur- und Sozialwissenschaften:
Methodenmonismus

Position der Vertreter der Frankfurter Schule (kritische Theorie):
- wertfreie, nur an Empirie ausgerichtete Überprüfung von Theorie
beschränkt sich auf Einzelaspekte, wirkt daher herrschaftsstabilisierend
und hat ein rein technisches Erkenntnisinteresse, das Kontrolle und
Verfügbarkeit über Menschen ermöglicht (und ist daher positivistisch)
- wichtig ist aber: Frage nach lebenspraktischem Sinn und Wünschbarkeit
- Beurteilung von Theorien anhand übergeordneter Kriterien (z.B. Freiheit)
anstatt einzig und allein anhand der Empirie

26
Q

Folgen des Positivismusstreits:

A
  • aus verschiedenen methodologischen Positionen entwickelten sich
    Vorlieben für Forschungsmethoden, somit Verfestigung der
    Methodenspaltung
  • analytisch-nomologische Position: vorwiegend quantitative Methoden,
    Betonung des Methodenmonismus
  • hermeneutisch-dialektische Position: vorwiegend qualitative Methoden,
    Betonung des Methodendualismus (spezielle Methoden der
    Sozialwissenschaften im Vergleich zu Naturwissenschaften)
27
Q
  1. Erklären versus Verstehen
A

Max Weber: Soziologie als „eine Wissenschaft, welche soziales
Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen
Wirkungen ursächlich erklären will.“ (aus: Wirtschaft und Gesellschaft)

• in diesem Sinne ist Verstehen des subjektiven Sinns sozialen
Handelns Voraussetzung ursächlicher Erklärung sozialer Prozesse
• Verstehen = Sinnzuschreibung
• selbst erklärtes Erkenntnisprinzip rekonstruktiver Sozialforschung
(z.B. symbolischer Interaktionismus, Ethnomethodologie): untersuchtes
Phänomen bzw. Geschehen von innen heraus zu verstehen
• Bedeutungsgenerierung durch Zuschreibung eines subjektiv
gemeinten Sinns
• Verstehen jedoch stets ein Fremdverstehen
• Verstehensprozesse sollten daher:
- methodisch kontrolliert sein, d.h. methodischen Verfahrensregeln
unterliegen
- intersubjektiv nachvollziehbar sein

(quasi hermeneutisch-dialektische Position
• extreme Sicht: Sozialwissenschaften haben qualitativ anderen
Gegenstandsbereich als Naturwissenschaften und brauchen daher
auch eigene Methodologie (Methodendualismus)
• Methode der Rekonstruktion des Handlungssinns anstatt Erklärung
menschlichen Handelns als eigentlicher Kern der Sozialwissenschaften
• qualitative Verfahren als (einzig) geeignetes Mittel

28
Q
  1. Erklären versus Verstehen

• aus analytisch-nomologischer Perspektive:

A
  • Anerkennung der symbolischen Strukturiertheit, der Prozesshaftigkeit
    sowie der Intentionalität sozialen Handels
  • dies rechtfertigt jedoch nicht Ablehnung allgemeiner Erklärungsmodelle
  • Handlungstheorien, die es ermöglichen, die Alltagstheorien des Akteurs
    (subjektive Situationsdefinition, Handlungsziele, Mittel) zu rekonstruieren
  • Technik des Verstehens wichtige heuristische Quelle für Generierung von
    Hypothesen und Theorien
29
Q
  1. standardisierte versus nicht-standardisierte Methoden und quantitative Methoden versus qualitative Methoden
A

• Richtungsstreit in den Sozialwissenschaften
• wird oft gleichgesetzt:
- standardisiert=quantitativ
- nicht-standardisiert=qualitativ
• aber: standardisierte nicht zwangsläufig quantitative Methoden
• quantitative/qualitative Methoden: Unterschied vor allem in der Art der
Datenauswertung (z.B. statistische Verfahren versus Diskursanalyse)
• standardisierte/nicht-standardisierte Methoden: Unterschied
spätestens bei der Datenerhebung
• Wahl des Vorgehens/der Methode sollte keine ideologische Frage
sein (ist es aber häufig)
• inhaltliches Problem sollte die Wahl der Methode bestimmen und
nicht umgekehrt die Auswahl einer Methode die inhaltliche Bearbeitung
eines Phänomens
• je nach Fragestellung empfiehlt sich Auswahl verschiedener
Forschungsmethoden, häufig auch Methodenkombination (klassisches
Beispiel: Marienthal-Studie) (Folie 33)

30
Q

Gegenüberstellung standardisierte und nicht-standardisierte Methoden

A

Standardisiert

1) Fragestellung und Hypothesen vorab
festgelegt

2) Schluss von Stichprobe auf Grundgesamtheit/große Zufallsstichproben (oder Randomisierung in Experimenten)
3) Datenerhebung so standardisiert wie möglich

4) Forscher meist selbst nicht in Datenerhebung
involviert („armchair sociology“)

5) Auswertung mittels statistischer Modellierung

Nicht-standardisiert

1) Offenheit, „Dummheit als Methode“ (Hitzler)

2) Typenbildung, gewonnen aus Einzelfällen,
daher kleine Stichproben gemäß Theoretical
Sampling

3) Keine oder geringe Vorstrukturierung der
Datenerhebung

4) Datenerhebung durch Forscher „im Feld“

5) Auswertung durch sinnrekonstruierende
Verfahren

31
Q

Gegenüberstellung standardisierte und nicht-standardisierte Methoden

A

Standardisiert // Nicht-standardisiert

Datengrundlage: Numerisch // Nicht-numerisch
Stichprobenumfang: meist groß // meist klein, Fallstudien
Vorgehen: Eher deduktiv // Eher induktiv
Wissenschaftstheoretisches Selbstverständnis: Eher Erklären // Eher Verstehen
Orientierung an: Naturwissenschaften // Geisteswissenschaften

32
Q
  1. standardisierte versus nicht-standardisierte Methoden und

quantitative Methoden versus qualitative Methoden, FAZIT

A

• Vorgehensweisen bzw. Methoden der nicht-standardisierten
Sozialforschung heterogen und schwer zu überblicken
• mit beiden Methodenrichtungen sollten Sozialwissenschaftler/innen
vertraut sein
• in der Praxis allerdings schwierig, aufgrund zunehmenden Grades an
Spezialisierung

33
Q
  1. Konträre Wissenschaftspositionen, Beispiele

A) Falsifikationismus: Karl R. Popper

A

• Wissenschaftstheorie des kritischen Rationalismus:
„Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung
scheitern können“ (aus: Logik der Forschung)
- Wissenschaftler sollen möglichst „kühne“ Hypothesen mit hohem
Informationsgehalt konstruieren
- Hypothesen sollen harten Bewährungsproben, d.h. einer Vielzahl von
empirischen Widerlegungsversuchen ausgesetzt werden.
- Hypothesen, die Falsifikationsversuchen widerstanden haben, werden
(vorläufig) beibehalten
- Wissenschaftliche Erkenntnis ist immer vorläufig (unendliche Menge
potentieller Falsifikatoren)
- Wissenschaftsfortschritt durch Wettbewerb der Ideen

34
Q
  1. Konträre Wissenschaftspositionen, Beispiele

B) Konstruktivismus

A

• verschiedene Varianten (radikaler Konstruktivismus, sozialer
Konstruktivismus)
• Grundgedanke: erkannter Gegenstand wird erst vom Betrachter
selbst durch den Vorgang des Erkennens konstruiert
• wenn Realität unbekannt, entfällt die Möglichkeit, Aussagen darüber
zu treffen, ob diese oder jene Theorie die Realität besser beschreibt
• daher: objektive Wissenschaft kann es nicht geben

35
Q
  1. Kontroversen um den wissenschaftlichen Fortschritt

A) Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (Thomas Kuhn)

A

• historische Beobachtung: Theorien werden nach Falsifikation nicht
einfach aufgegeben
• wissenschaftlicher Fortschritt verläuft nicht in Sinne einer kumulativen
Wissensvermehrung
• ein Paradigma (vorherrschendes Denkmuster) wird erst durch
Verdrängung durch anderes Paradigma ersetzt
• stark an Naturwissenschaften orientiert (z.B. klassische Physik nach
Newton versus Relativitätstheorie nach Einstein)

• 2 Phasen des wissenschaftlichen Arbeitens:

  • Phase normaler Wissenschaft:
    °Orientierung an einem dominanten Paradigma
    °„Rätsellösen“: schrittweise Verbesserung von Theorien im Rahmen des gegebenen Paradigmas
    °Falsifikationen führen nicht zur Abkehr vom Paradigma, höchstens zur Modifikation
  • Phase außergewöhnlicher Wissenschaft:
    °Krise des dominanten Paradigmas aufgrund von „Anomalien“ oder neuen Entdeckungen
    °Paradigmenwechsel: Ablösung des alten durch neues Paradigma
    °altes und neues Paradigma sind unvergleichbar (inkommensurabel)
36
Q
  1. Kontroversen um den wissenschaftlichen Fortschritt

B) Methodologischer Anarchismus (Paul Feyerabend)

A

• methodologische Regeln werden häufig missachtet, dennoch oder
gerade deswegen gibt es wissenschaftlichen Fortschritt
• Wissenschaftler sollen möglichst methodologische Regeln und
Hypothesen einführen, die gut bestätigten Theorien widersprechen
• sichere, endgültige Erkenntnis ist nicht möglich (siehe
Basissatzproblem)
• daher: „anything goes“ (verstanden als Methodenpluralismus)

37
Q
  1. Kontroversen um den wissenschaftlichen Fortschritt

C) Methodologie von Forschungsprogrammen (Imre Lakatos)

A

• Falsifikation nicht das einzige Entscheidungskriterium für Beurteilung
von Theorien
• Aufgabe einer Theorie erst dann, wenn „bessere“ Theorie vorhanden
• zwei alternative Theorien (A und B) können anhand dreier Kriterien
verglichen werden:
a) B hat einen Gehaltsüberschuss gegenüber A (d.h. B kann neue
Phänomene erklären)
b) B erklärt auch Tatsachen, die von A erklärt werden
c) Gehaltsüberschuss von B hat sich bereits empirisch bewährt
• Theorien sind allerdings nie isoliert, sondern immer Teil eines
Forschungsprogramms (Theoriensystem und Methodenregeln)
• Forschungsprogramme bestehen aus
- hartem Kern (zentrale Kerntheorie)
- Schützgürtel aus Hilfstheorien (Instrumententheorie, Annahmen über
mögliche Störfaktoren)
• Falsifikationen führen zunächst zur Abänderung der Hilfstheorien
• wissenschaftlicher Fortschritt: Konkurrenz von Forschungsprogrammen, progressive Problemverschiebung