Formen der Befragung + Das standardisierte Interview Flashcards
Techniken der sozialwissenschaftlichen Datenerhebung
- Befragung: Datenerhebung durch direkte Kommunikation zwischen
Forscher und Untersuchungsperson
2. Beobachtung: direkte Beobachtung menschlichen Handelns, sprachlicher Äußerungen, nonverbaler Reaktionen und anderer sozialer Merkmale (Kleidung, Wohnformen etc.)
- Inhaltsanalyse: systematische Erhebung und Auswertung von
Texten, Bildern oder Filmen - Nicht-reaktive Methoden: Feldexperimente, Verhaltensspuren,
unaufdringliche Beobachtung, Analyse prozessproduzierter Daten
Wodurch sollte das Erhebungsverfahren (nicht) bestimmt sein?
Wahl eines bestimmten Erhebungsverfahrens sollte durch
Forschungsfrage bestimmt sein, nicht durch persönliche Präferenz der Forscher_in
in Praxis jedoch häufig nicht der Fall
Befragung als „Königsweg der Sozialforschung“?
- Vorteile?
- Nachteile?
Vorteile:
- subjektive Tatbestände (Wissen, Einstellungen, Wertorientierungen, Deutungen, Erwartungen) können am besten direkt erfragt und durch verbale Äußerungen der Befragten erfasst werden
- Erfassung von vergangenen Erfahrungen, Ereignissen, Situationen möglich
- Erhebung von Informationen über unzugängliche, nicht oder nur schwer beobachtbare Situationen
- (scheinbar) leichte Handhabbarkeit
Nachteile:
- Interview als soziale Situation, reaktive Erhebungstechnik
- unter Umständen kognitiv anspruchsvoll für Befragte
Formen der Befragung nach Anzahl der beteiligten Personen
a) Einzelinterview: Interviewer + Befragte(r)
b) Tandeminterview: zwei Interviewer + Befragte(r)
c) Gruppeninterview: Interviewer + zwei/mehrere Befragte
Formen der Befragung nach Strukturierungsgrad
a) wenig strukturiertes Interview (z.B. narratives Interview)
b) teilstrukturiertes Interview (Leitfadengespräch)
c) stark strukturiertes Interview (Fragebogen)
Wenig strukturiertes („qualitatives“) Vorgehen: Kennzeichen
• Interview wird ohne Fragebogen durchgeführt („informelles
Gespräch“)
• Interviewer entscheidet selbst über Anordnung und Formulierung der
Fragen; Formulierung orientiert sich an Bedürfnissen und
Vorstellungen des Befragten (Prinzip des Relevanzsystems des
Befragten)
- Anwendungsbereich: Generierung von Hypothesen; Exploration
- nur face-to-face; Einzel- und Gruppeninterviews möglich
• Vorteile: hohe Flexibilität im Umgang mit den Befragten; vertiefende
Informationen über Forschungsgegenstand
• Nachteile: hoher Zeitaufwand bei Erhebung und Auswertung
(Transkription); keine Vergleichbarkeit der erhobenen Daten
Wenig strukturiertes („qualitatives“) Vorgehen: Vorteile
- hohe Flexibilität im Umgang mit den Befragten
* vertiefende Informationen über Forschungsgegenstand
Wenig strukturiertes („qualitatives“) Vorgehen: Nachteile
•hoher Zeitaufwand bei Erhebung und Auswertung
(Transkription)
•keine Vergleichbarkeit der erhobenen Daten
Teilweise strukturiertes („qualitatives“) Vorgehen: Kennzeichen
• Interview wird anhand vorformulierter Fragen strukturiert
(Gesprächsleitfaden); keine Antwortvorgaben
• Möglichkeit der spontanen Anpassung der Fragenreihenfolge
(Prinzip des Relevanzsystems des Befragten)
- Anwendungsbereich: Generierung von Hypothesen; Exploration
- face-to-face, unter Umständen auch telefonisch (aber eher unüblich)
Teilweise strukturiertes („qualitatives“) Vorgehen: Vorteile
- flexible Anpassung an Befragungssituation
* natürliche Gesprächssituation
Teilweise strukturiertes („qualitatives“) Vorgehen: Nachteile
- hoher Zeitaufwand bei Erhebung und Auswertung
* schwierige Vergleichbarkeit der erhobenen Daten
Stark strukturiertes („quantitatives“) Vorgehen: Kennzeichen
• standardisierter Fragebogen: festgelegte Fragen und
Antwortvorgaben
• hohe Neutralität des Interviewers: kein explizites Eingehen auf
Bedürfnisse und Vorstellungen des Befragten
- Anwendungsbereich: Überprüfung von Hypothesen
- face-to-face, schriftlich, online oder telefonisch
Stark strukturiertes („quantitatives“) Vorgehen: Vorteile
- niedriger Zeit- und Kostenaufwand bei der Erhebung
- Vergleichbarkeit der erhobenen Daten
- Kontrolle der Erhebungssituation („Ausschalten“ von externen Störvariablen)
Stark strukturiertes („quantitatives“) Vorgehen: Nachteile
•keine Rückfragen bei/durch Befragte_n möglich (Fragen
müssen zweifelsfrei verständlich sein)
•erfordert beträchtliches inhaltliches Vorwissen seitens der Forscher_in
Formen der Befragung nach Form der Durchführung
a) persönliche („face-to-face“) Befragung
b) telefonische Befragung
c) schriftliche Befragung
d) Online-Befragung
Siehe Tabelle Folie 12 für Kombination mit Strukturierungsgrad
Formen der Durchführung
1. persönliches (face-to-face) Interview (mündlich)
- mit Papierfragebogen (Paper and Pencil Interview, PAPI)
- Computer Assisted Personal Interview (CAPI)
Formen der Durchführung
2. telefonisches Interview (mündlich)
- Computer Assisted Telephone Interview (CATI)
Formen der Durchführung
3. postalische Befragung (schriftlich, Selbstausfüller)
- postalischer Papierfragebogen (Self-Administered Questionnaire, SAQ)
- persönliches (face-to-face) Interview (mündlich)
Vorteile:
- Verständnisprobleme können durch Interviewer geklärt werden
- komplexe Antwortskalen, Vielzahl an Antwortvorgaben können durch Visualisierung umgesetzt werden
- Kontrolle der Erhebungssituation (z.B. Reihenfolge der Fragebeantwortung)
- Interviewer kann Beeinflussungen durch Dritte oder Zusatzinformationen protokollieren (Merkmale der Wohnung)
- persönliches (face-to-face) Interview (mündlich)
Vorteile:
zusätzlich bei CAPI:
- Konsistenzüberprüfungen möglich
- Randomisierung der Fragenfolge möglich
- komplexe Filterführung möglich
- sofortige Dateneingabe
- Messung der Antwortgeschwindigkeit
- Einsatz von Bildern/Videos möglich
- persönliches (face-to-face) Interview (mündlich)
Nachteile:
- hohe Kosten (regionale Streuung der Interviewer, Zeitaufwand)
- Interviewer-Effekte
- telefonisches Interview (mündlich)
Vorteile:
- geringere Kosten als bei face-to-face-Befragung
- einfache Stichprobenziehung
- Konsistenzüberprüfungen möglich
- Randomisierung der Fragenfolge möglich
- komplexe Filterführung möglich
- sofortige Dateneingabe
- relativ geringe Interviewereffekte
- weniger Interviewer, bessere Interviewerkontrolle
- telefonisches Interview (mündlich)
Nachteile:
- Undercoverage (kein (Festnetz-)Telefon)
- insbesondere Mobil-Telefon problematisch
- Einsatz visueller Hilfsmittel, Listen etc. nicht möglich (daher z.B. nur wenige verbalisierte Antwortvorgaben)
- unter Umständen ungeeignet zur Befragung von Spezialpopulationen
- zunehmende Probleme aufgrund des Missbrauchs von Umfragen für Werbezwecke durch die Privatwirtschaft und deren Telefonwerbung
- postalische Befragung (schriftlich, Selbstausfüller)
Vorteile:
- geringere Kosten als bei mündlicher Befragung
- reduziertes Problem der sozialen Erwünschtheit
- Befragte können eher über Fragen nachdenken
- Merkmale und Verhalten der Interviewer haben keinen Einfluss
- postalische Befragung (schriftlich, Selbstausfüller)
Nachteile:
• geringe Ausschöpfungsquote (→ Total Design Method als
Gegenmaßnahme, unter anderem: bestimmte Form des Anschreibens,
Nachfassaktionen)
• Selektionseffekte wahrscheinlich
• Fragebögen müssen relativ einfach konstruiert sein (z.B. keine
aufwendigen Filterführungen)
• keine Kontrolle der Datenerhebungssituation (z.B. keine Überprüfung
der korrekten Auswahl der Zielpersonen möglich; Anwesenheit Dritter
nicht kontrollierbar)
• Adressstichprobe muss verfügbar sein
- Online-Befragung (Email-Befragung oder Web-Survey)
Vorteile:
- geringere Kosten als bei mündlicher und postalischer Befragung
- reduziertes Problem der sozialen Erwünschtheit
- Befragte können eher über Fragen nachdenken
- Merkmale und Verhalten der Interviewer haben keinen Einfluss
- Kombination verbaler, visueller und klanglicher Hilfsmittel
- Konsistenzüberprüfungen möglich
- Randomisierung der Fragenfolge
- komplexe Filterführung möglich
- sofortige Dateneingabe
- Messung der Antwortgeschwindigkeit möglich
- Online-Befragung (Email-Befragung oder Web-Survey)
Nachteile:
• Selektionseffekte sehr wahrscheinlich (Undercoverage, soziale
Selektivität des Internetzugangs/der Internetnutzung, Selbstselektion)
• Stichprobenziehung problematisch:
- Angabe der Inferenzpopulation oft nicht möglich
- oft keine eindeutige Identifizierung von Zielpersonen
- Ziehung von Zufallsstichproben nur in Spezialfällen möglich
• geringe Kontrolle der Datenerhebungssituation (z.B. keine
Überprüfung der korrekten Auswahl der Zielpersonen möglich;
Anwesenheit Dritter nicht kontrollierbar)
Standardisiertes Interview
Kennzeichen der Standardisierung
- Frageformulierungen sind vorgegeben und daher identisch
- in der Regel werden feste Antwortvorgaben benutzt (Ausnahme: offene Fragen)
- feste Reihenfolge der Fragen (Ausnahme: Selbstausfüller, Fragenrotation)
- Konstanthalten der Interview-Situation
- möglichst geringe Reaktivität
- falls Reaktivität, dann möglichst konstant
- Objektivität: Interviewer sind austauschbar aufgrund einheitlichen, neutralen Verhaltens in Interviewsituation (setzt Schulung der Interviewer voraus)
Standardisiertes Interview
Frageformen
- geschlossene Fragen
- offene Fragen
- Hybridfragen (Kombination aus offenen und geschlossenen Fragen)
Frageformen
1. geschlossene Fragen
Kennzeichen: vorgegebene Antwortkategorien
Frageformen
2. offene Fragen
Kennzeichen: keine vorgegebene Antwortkategorien, Protokollierung der freien Antwort
Frageformen
3. Hybridfragen (halboffene Fragen)
Kennzeichen: Kombination aus geschlossener und offener Frage durch
vorgegebene Antwortkategorien einerseits und Möglichkeit der freien Antwort andererseits
Standardisiertes Interview
Vergleich offene und geschlossene Fragen
Siehe Tabelle Folie 29
Standardisiertes Interview
Arten geschlossener Fragen
- Ja/Nein-Fragen (Zustimmungsfragen)
- Alternativfragen (forced-choice Fragen)
- Rating-Fragen
- Ranking-Fragen
- Fragen mit Mehrfachantworten
Arten geschlossener Fragen
1. Ja/Nein-Fragen (Zustimmungsfragen)
Kennzeichen: lediglich zwei Antwortmöglichkeiten (z.B. Zustimmung
versus Ablehnung)
Arten geschlossener Fragen
2. Alternativfragen (forced-choice Fragen)
Kennzeichen: Vorlage von zwei alternativen Aussagen, Befragter muss
sich für eine der beiden Aussagen entscheiden
Arten geschlossener Fragen
3. Rating-Fragen
Kennzeichen: Bewertung von Aspekten anhand einer Skala mit
abgestufte Antwortvorgaben
Arten geschlossener Fragen
4. Ranking-Fragen
Kennzeichen: Ordnen von Aspekten in einer Reihenfolge
Arten geschlossener Fragen
5. Fragen mit Mehrfachantworten
Kennzeichen: Mehrere Antwortmöglichkeiten zugelassen
• lediglich andere Form der Darstellung wiederholter geschlossener
Fragen
• Mehrfachnennungen müssen als solche (für Befragte oder Interviewer)
gesondert gekennzeichnet werden:
z.B. Hinweise „Mehrfachnennungen möglich“
Standardisiertes Interview
Fragentypen
- Einstellungs- oder Meinungsfragen
- Überzeugungsfragen
- Verhaltensfragen
- Eigenschaftsfragen
Standardisiertes Interview
Fragentypen
1. Einstellungs- oder Meinungsfragen
• beziehen sich auf den Aspekt der Wünschbarkeit eines Umstandes
oder auf die negative/positive Beurteilung eines bestimmten Statements
• Ausdruck der Beurteilung sowohl in der Fragestellung als auch in der
Antwortvorgabe möglich
• typische Formulierungen: „erwünscht/unerwünscht“, „lehne ab/stimme
zu“
• Problem: (theoretische) Unklarheit über die Auswirkungen von
Einstellungen auf das Verhalten
Standardisiertes Interview
Fragentypen
2. Überzeugungsfragen
• fragen danach, was Befragte für wahr oder falsch halten
• können sich auf die Überprüfung von Wissen oder auf
Problembereiche beziehen, auf die es keine „richtige“ Antwort gibt
• beziehen sich auf Wahrnehmung und Einschätzung vergangener,
gegenwärtiger oder zukünftiger Realität
• typische Formulierungen: „falsch/richtig“, „wahr/falsch“
Standardisiertes Interview
Fragentypen
3. Verhaltensfragen
• beziehen sich auf Handlungen und Verhalten bzw. auf Überzeugungen
des Befragten hinsichtlich des eigenen Verhaltens („berichtetes Verhalten“)
• Unterschied zu Überzeugungsfragen: Bezug zu eigenem Verhalten
oder Erfahrungen, nicht auf Ansichten oder kognitiv erfahrene Sachverhalte
• Problem: potentielle Diskrepanz zwischen tatsächlichem und
berichtetem Verhalten
Standardisiertes Interview
Fragentypen
4. Eigenschaftsfragen
• Fragen nach Eigenschaften und soziodemographischen Merkmalen
der Befragten (Alter, Geschlecht, Ausbildung, usw.)
• meist routinemäßige Erhebung
• häufige Verwendung als erklärende Variablen für Einstellungen,
Überzeugungen und Verhaltensweisen
Standardisiertes Interview
Antwortskalen mit Rangordnung
- Häufigkeitsskalen
- Intensitätsskalen
- Bewertungsskalen
- Wahrscheinlichkeitsskalen
- Kunin-Skalen
- Leiter-Skalen
(siehe auch Abbildungen Folie 48-51)
Standardisiertes Interview
Antwortskalen, Variationsmöglichkeiten
- Verknüpfung von verbalem mit numerischem Anker
- Verknüpfung von verbalem mit numerischem Anker ohne verbale
Mittelkategorien - Größe der Skala: Beispiel 4-, 5-, 7-stufige Skala
- gerade versus ungerade Anzahl an Kategorien
Vor- und Nachteile einer Mittelkategorie:
• Vorteil: Möglichkeit des Ausdrucks mittlerer Ausprägungen
• Nachteil: Mehrdeutigkeit der Mittelkategorie (mittlere Ausprägung
versus Meinungslosigkeit/Tendenz zur Mitte bei Unentschiedenen) - Wertebereich
(siehe Abbildungen Folie 52-56)
Antwortskalen, Variationsmöglichkeiten
Entscheidungskriterien
• Vor- und Nachteile von verschiedenen Varianten von Antwortskalen
• Frage nach der optimalen Wahl einer Antwortskala kann nicht
pauschal beantwortet werden
• Zweckmäßigkeit einer Antwortskala sollte aufgrund von Reliabilitäts und
Validitätstests entschieden werden