Vorlesung 8: Beschäftigung in der Schweiz und anderswo (Teil 1) Flashcards

1
Q

Was sind manifeste Funktionen des Bildungssystems? (1)

A

Qualifikations- und Ausbildungsfunktion (Sozialisation)
— Aufgabe der Wissensvermittlung, die in einer modernen Gesellschaft zwischen der Wissensproduktion (Wissenschaft, Allgemeinwissen) und der Wissensverwendung (Wirtschaft, Arbeitsmarkt) liegt
— Erziehung ‚mündiger’ Staatsbürger
→ Instrumente: Unterricht, Curricula und professionelle Instrukteure bzw. Erzieher
Zertifizierungsfunktion (Filtern)
— Bereitstellung begehrter und knapper Güter = Zertifikate, die dann
eine Verteilung auf Berufspositionen möglich machen → Instrumente: Schulnoten und Abschlüsse

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2
Q

Was sind manifeste Funktionen des Bildungssystems? (2)

A

> Selektionsfunktion (Auslese)
— Zusammenhang zwischen Zertifikaten und Leistungen
herstellen
→ Instrumente: Verzweigungen im Bildungssystem sowie Zugangsvoraussetzungen für die jeweilige nächste Bildungsstufe bzw. Verteilung von Anrechten für Ausbildung und Berufsausübung
Allokationsfunktion (Platzierung)
— Herstellung des Zusammenhangs zwischen Zertifikaten und
Zugang zu verschiedenen sozialen Positionen (Berufen, Arbeitsplätzen)
→ Instrumente: formalisierte Bildung und die Definition formaler Bildungszertifikate

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3
Q

Was sind Manifeste Funktionen des Beschäftigungssystems und Funktionsweise der Arbeitsmärkte?

A

> Angebot von Arbeitsplätzen und Nachfrage nach Arbeitskräften
Zuordnung von Qualifikationen zu Arbeitsplätzen
Verteilung von Einkommen, soziales Ansehen und andere
Lebenschancen
Erwerb und Verteilung von wohlfahrtsstaatlichen Anrechten
Beitrag zu Sozial- und Systemintegration

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4
Q

Nenne Bildungsökonomische und arbeitsmarktsoziologische Erklärungen, d.h. individualistische (I) und strukturalistische (S) Erklärungsansätze:

A

> (I) Humankapitaltheorie
(Theodore Schultz, 1961; Jacob Mincer 1974; Gary S. Becker, 1975)
(I) Signal- und Filtertheorie
(Kenneth Arrow, 1973; Michael Spence, 1974; Andrew Weiss, 1995)
(S) Theorie segmentierter Arbeitsmärkte und labour queue model (Doeringer & Piore, 1971; Thurow, 1983; Blossfeld & Mayer 1988)
(S) Insider-Outsider model (Snower und Lindbeck 2001)
(S) Strukturelle und institutionelle Verbindung zwischen Ausbildungssystem und Arbeitsmärkte
(Allmendinger, 1989; Kerckhoff 1995; Shavit & Müller, 1998)
(I) Lohntheorien
(z.B. reservation wage, risk aversion, Sucharbeitslosigkeit, etc.)

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5
Q

Was beinhaltet die Signal- und Filtertheorie?

A

> Erfolgreicher Übergang in den Beruf in Abhängigkeit von Bildungszertifikaten (Rolle formaler Bildungszertifikate im Sinne des „credentialism“ = Glaube an Signifikanz der Zertifikate)
Bildungszertifikat = Signal für die gewünschte Bildungsausstattung (Qualifikationen und Kompetenzen) und antizipierte Produktivität = Mittel für die Selektion von Arbeitskräften
Bildungszertifikat = Signal für gewünschte informelle Charakteristiken („taste for discrimination“) oder extrafunktionale Qualifikationen („creaming out“)
Bildungszertifikat = „screening device“, um Auswahl von Bewerbern zu erleichtern (Senkung der Rekrutierungskosten für den Arbeitgeber)
Funktion von Bildungssystem = Selektion von Arbeitskräfte mit überdurchschnittlichem Produktivitätspotential

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6
Q

Was ist die Theorie der segmentierten Arbeitsmärkte(1)?

A

> Kritik am Arbeitsmarktmodell der neoklassischen Ökonomie: Angebot und Nachfrage als Ausnahmefall für das Gleichgewicht des Marktes
Empirische Beobachtung:
— keine systematische Anpassung der Gehälter an das tatsächliche Produktivitätsniveau im Berufsverlauf und in allen Beschäftigungsbreichen
— Regulierung der Allokation und Entlohnung durch institutionelle Regelungen und Strukturen
— Sozial selektive Rekrutierung von Arbeitskräften
Hierarchische Karriereleitern und Senioritätsprinzipien:
— Allokation von vakanten Positionen in internen Arbeitsmärkten durch Selektion und Promotion, um Rekrutierungs-, Qualifizierungs- und Fluktuationskosten zu minimieren
— Stimulation der Arbeitsmoral durch Karriereleitern, die sichere Beförderungen in Aussicht stellen (Nicht Beschäftigung für Arbeitsplatz, sondern für Karriere)
— Reduktion der Arbeitsmarktmobilität

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7
Q

Was ist die Theorie der segmentierten Arbeitsmärkte (2)?

A

> Dualer Arbeitsmarkt
— Aufteilung des Arbeitsmarktes in Teilarbeitsmärkte
— primäres und sekundäres Segment bzw. interne und externe Arbeitsmärkte
Primäres Segment = interner Arbeitsmarkt
— qualifikationsadäquate und stabile Beschäftigung
— Einkommen und Aufstiegschancen nach Seniorität
— Belegschaft geschützt vor ökonomischem Konjunkturzyklus
Sekundäres Segment = externer Arbeitsmarkt
— unsichere (befristete) Beschäftigung von niedrig qualifizierten
Arbeitskräfte (last hired, first fired)
— weder Aufstiegs- noch Bildungs- und Weiterbildungsaussichten
— Niedrige Einkommen, schlechte Arbeitsbedingungen
— Regulierung der Beschäftigung nach Marktmechanismen (Angebot & Nachfrage)

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8
Q

Was ist das Labour Queue model

bzw. Theory of Job Competition Model?

A

> Verbindung der Filtertheorie mit Theorie segmentierter Arbeitsmärkte
— Konkurrenz der Berufsanfänger um Eintrittspositionen in spätere
Karriereleitern statt um Einkommen
— Arbeitskräfteschlangen an den „entry ports“ interner Arbeitsmärkte
— Sortierung der Arbeitskräfteschlange durch Arbeitgeber nach Arbeitsproduktivität und Qualifikationsanforderungen (Trainingskosten)
— Bildungszertifikat als Signal und Status für Trainierbarkeit; Bindung der Produktivität und Einkommen an den Arbeitsplatz und dessen Anforderungsstruktur
Beschäftigungs- und Einkommenschancen abhängig von
a) relativen Position in der labour queue (Arbeitskräftewarteschlange), b) Verteilung der Vakanzen auf dem Arbeitsmarkt
c) Eigenschaften und Anforderungen vakanter Positionen
Wettbewerb in der Warteschlange um Vakanzen (Verbesserung durch Bildung, da sonst Verdrängung droht)
Rekrutierung abhängig von Signaling und Filtering sowie von eigentümlicher Rekrutierungsstrategie des Betriebs

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9
Q

Was ist das Insider-Outsider-Model?

A

> Beobachtung:
—keine Anpassung der Gehälter an das tatsächliche Produktivitätsniveau im Berufsverlauf
— Aussetzen des Wettbewerbs auf den Arbeitsmärkten in der neoklassischen Logik
— Bildung von Interessenverbänden in den Arbeitsmärkten
Gewerkschaften als Interessenvertreter von Beschäftigten – und vor allem privilegierten Beschäftigten in internen Arbeitsmärkten („insider“): Asymmetrische Machtverteilung zwischen Beschäftigten und Arbeitssuchenden, d.h. zu Lasten von „outsider“
— Beteiligung der Gewerkschaften an Personalstrategie(„rent-seeking“)
— ErhöhungvonKündigungs-undRekrutierungskosten
— Schutz der Beschäftigten vor Anpassung der Personalpolitik an Betriebs- und Wirtschaftsentwicklung
— Schutz vor Lohnunterbietung durch externe Arbeitskraftanbieter (z.B. Unterschreitung des Tariflohnes durch Arbeitslose billige Arbeitskräfte)

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10
Q

Welche Lohntheorien gibt es?

A

> Effizienzlöhne: Asymmetrische Informationsverteilung
— UntertariflicheEntlohnungals„selektiverAnreiz“gegen„shirking“ — ÜbertariflicheEntlohnungals„giftexchange“

> Reservation wage approach
— Neigung für Beschäftigung gegen Mindestentlohnung/Sucharbeitslosigkeit
— Festlegung eines Schwellenwerts (Mindestlohnhöhe)

> Fringe benefits
— Gewährung zusätzlicher Leistungen zu Löhnen als Anreiz für Leistung
— Vergütung von Loyalität zum Betrieb

> Senioritätsentlohnung
— InstitutionelleFestlegungderLöhne
— Verbindung von Leistung und Loyalität für Festlegung der Löhne

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11
Q

In der Schweiz nur mit halber Kraft voraus? Warum Frauen durchschnittlich weniger als Männer verdienen…
> Studie von Engelhardt & Jann (2004):

A

> Erklärung der Einkommensungleichheit durch
Humankapitaltheorie und ihre Erweiterung
— Annahme ungleicher Arbeitsanstrengungen, d.h. unterschiedliche „work effort“ von Männern und Frauen bei gleicher Arbeitszeit
— Geschlechtstypische Arbeitsteilung im Privathaushalt: Berufssegregation als Antizipation dieser Situation
Replikation einer Studie von Bielby & Bielby (1988) mit Daten des Schweizer Arbeitmarktsurveys 1998
Fragestellung: Arbeitsanstrengung als Determinante für Berufssegregation und Einkommen?

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12
Q

Wie sieht der theoretische Hintergrund dazu aus, dass Frauen weniger verdienen als Männer?

A

> Doppelbelastung verheirateter Frauen durch Familie & Haushalt einerseits und Beruf andererseits
— Geringe Arbeitsanstrengung („workeffort“) pro Stunde als Männer
— Antizipation der Doppelbelastung :Wahl von weniger anspruchsvoller und daher geringer entlohnter Arbeit (mit Berufssegregation als weitere Folge)
— Geringere Akkumulation von berufs-und betriebsspezifischem Humankapital infolge der Berufswahl mit Spreizung der Einkommen im Lebensverlauf
— Höhere Löhne lediger Frauen im Vgl. zu verheirateten Frauen
— Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt (z.B.Diskriminierung oder geringere Entlohnung): komparative Vorteile für Männer bei Einkommenserzielung
Folge: Arbeitsteilung im Haushalt, berufliche Segregation und Lohnungleichheit
Gegenevidenz: Bielby & Bielby (1988): keine Kräfteschonung von Frauen bei der Erwerbsarbeit

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13
Q

Was ist das Fazit der Studie von Engelhardt & Jann (2004)?

A

> Theoretische Annahmen
— Humankapital: Geschlechtstypische Aufteilung von Mühe und Anstrengung auf Haus- und Erwerbsarbeit, d.h. geringerer „work effort“ führt zu geringeren Löhnen der Frauen
— Bielby & Biebly (1988): Thesen von G.S. Becker nicht haltbar
Replikation von Engelhardt & Jann (2004)
— Abhängigkeit der Arbeitsanstrengung vom Ausmass der Haushaltsverpflichtungen (Kinderbetreuung), vom Arbeitsangebot (Beschäftigungsgrad, Überzeit im Haushalt) und von der Arbeitssituation (Leitungsfunktion, Selbständigkeit), d.h. pro Humankapitaltheorie
— Effekte von Bildung, Haushaltseinkommen und Frauenanteil in Berufen auf Arbeitsanstrengung, d.h. Gegenevidenz zu Humankapitalansatz
— Differenzen nur in geforderter Arbeitsanstrengung, aber nicht in Arbeitsmotivation, d.h. teilweise pro Humankapitaltheorie
— Eindeutige Gegenevidenz bei Einkommensschätzungen

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