VL 12 Flashcards
Aufgaben der klinischen Diagnostik
• Qualitative und quantitative Beschreibung der (psychischen) Störung
• Klassifikation psychischer Störungen
• Anamnese: Exploration von besonderen lebensgeschichtlichen Bedingungen bei Entstehung/bisherigen Verlauf der Störung
• Beobachtung des Verlaufs bei der Intervention und der Veränderung der Symptomatik (adaptive Diagnostik, Verlaufsdiagnostik)
• Evaluation des Therapieerfolgs
• Prognose
Verfahrenstypen in klinischer Diagnostik
• meist Strukturierte und standardisierte Interviews (SKID)
• Fragebogen & Tests
• Beobachtungsmethoden
• Psychophysiologische und biologische Verfahren (z.B. Biofeedback)
• Projektive Verfahren (z.B. Rorschach Test)
Typische Inhalte des Klinischen Interviews:
• Vorgeschichte
• Krankengeschichte (zb andere Arztbesuche)
• Biographie und Lebensverhältnisse
• Kritische Lebensereignisse
• Gefühle und Kognitionen in Bezug auf krit. Lebensereignisse (müssen ja nicht immer zu psych. Problemen führen)
• Therapiemotivation und Therapieziele
• Erwartungen an die Behandlung
• Erwartungen an Therapeuten
Persönlichkeitsstörungen
Muster von Erleben/Verhalten, das deutlich von Erwartungen der soziokult. Umgebung abweicht und sich in mind 2 Bereichen äussert:
• Kognition
• Affektivität
• Beziehungsgestaltung
• Impulskontrolle
Prävalenzraten:
- 12.16% (sehr hoch)
- Schätzung variierte stark in Abhängigkeit von SP und Erhebungsmethode (“self- vs. expert ratings”)
- Grosse Fehlerbalken
Strukturiertes Klinisches Interview für Persönlichkeitsstörungen (SKID-II):
- In Forschung am weitesten verbreitete Methode zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen
- 2stufiges Verfahren:
• Screening-Fragebogen mit 117 sensitiven Fragen zu den einzelnen PS-Kriterien
• Halbstrukturiertes Interview zu positiv beantworteten Fragen
Kritik am Klassifikationssystem:
- Zugrundeliegendes normatives Modell einer gesunden Persönlichkeit ist unklar
-> Welche normativen Vorstellungen liegen dem DSM-Modell zugrunde?:
• Sei selbständig und unabhängig
• Sei auf realistische Weise von dir selbst überzeugt
• Komme mit anderen Menschen zurecht
• Ertrage Unsicherheit und Unvollkommenheit
• Suche nach dem Guten in Menschen
• Halte dich an Konventionen
• Habe dich selbst unter Kontrolle
• Lass dich emotional auf andere Menschen ein und gehe anständig mit ihnen um
• Geniesse soziale Beziehungen und Aktivitäten
• Habe Vertrauen in andere Menschen
-> kommt aber auch auf Kultur und Alter an - Kategoriale Einteilung ist problematisch, da latente Unterschiede kontinuierlich verteilt sind
- Diagnostische Schwellenwerte (z.B. dass 5 von 9 Kriterien erfüllt sein müssen) wurden willkürlich festgelegt
- Annahme der Gleichwertigkeit aller Kriterien für eine best. PS ist empirisch nicht haltbar
- Zeitl. Stabilität von kateg. PS-Diagnosen ist eher gering ->PS können spontan remittieren!
- Zuordnung der Kriterien zu den 10 PS-Kategorien entspricht nicht deren empirischer Kovariation -> Mangelnde faktorielle Validität
• Wenig aussagekräftige Prävalenzraten
• Artifizielle Komorbidität
• Hohe Prävalenz der „nicht näher bezeichneten“ PS
• Grosse Heterogenität innerhalb einer Diagnosegruppe
-> Forschungsergebnisse zu einzelnen PS sind schwer interpretierbar
-> PS-Diagnosen sind für individuelle Fallformulierung und Therapieplanung wenig nützlich
-> alternatives DSM5 Modell ausgearbeitet
Kriterium A: Schweregrad
Kriterium B: Art
MMPI-2 (Minnesota-Multiphasic-Personality-Inventory-2)
• Weltweit gebräuchlichstes Persönlichkeitstestsystem für klinischen Bereich
Kritik:
• Viele Items sind Bestandteil mehrerer Skalen, da sie gleich mehrere Patientengruppen von Nicht-Patienten unterscheiden
• Item-Overlap erhöht Interkorrelationen zw. Skalen
• Erschwert Interpretation und Klassifikation
• Theoriefreier Ansatz hat zur Folge, dass Items nicht immer inhaltlich nachvollziehbar sind -> z.B. führt Antwort „Falsch“ auf „Mein Sexualleben ist zufriedenstellend“ zu einem Punkt auf der Psychopathie-Skala
• Generalisierbarkeit muss geprüft werden
• Entwickelt in 40ern in Uni in Minnesota (an USA gebunden)
-> MMPI-2-RF (reconstructed form):
- weniger items, weniger Zeit
- 51 Skalen:
- 3 Skalen höherer Ordnung:
• Internalisierungsstörungen: Mit Stimmung und Affekt verknüpfte Probleme
• Externalisierungsstörungen: Probleme, die mit unkontrolliertem Verhalten verbunden sind
• Denkstörungen: Mit Denkstörungen verknüpfte Probleme
- 9 Validitätsskalen: Zur Erfassung von inhaltsinadäquaten Antworten (fehlende Antworten, Antworttendenzen, Lügenskala, Seltenheitsskala…) und Über-/Untertreibung von Beschwerden
- 23 Spezialproblemskalen: Somatisch-kognitive Probleme, interpersonelle Probleme
- 2 Interessenskalen
- 5 Personality Psychopathology Five-Skalen: Agressivität, Psychotizismus, Unbeherrschtheit, Negative Emotionalität
1 Extraversions/Zurückgezogenheitsskala
-> Reliabilität und Validität nicht die besten aber genügend
-> Theoriefreies Verfahren, nur Faktoranalyse
Indikation
• Selektive Indikation: Zuordnungsproblem, Selektionsstrategie
• Adaptive Indikation: Anpassung der therapeutischen Intervention an den Einzelfall
• Psychotherapie-Indikation: Ist überhaupt Psychotherapie angezeigt?
• Behandlungsbezogene Indikation: Welche psychotherap. Massnahmen sind angebracht? (Differentielle Indikation)
• Adaptive/prozessuale Indikation: Wie können Massnahmen an Einzelfall bzw. Verlauf der Behandlung angepasst werden?
Erfolgskontrolle
Evaluation der Behandlung:
• Indirekte Veränderungsmessung: Erfassung des Ist-Zustands vor & nach der Behandlung
• Direkte Veränderungsmessung: Veränderungsfragebogen nach Behandlung
• Zielerreichungsbeurteilung: inwieweit die zu Beginn vereinbarten Ziele erreicht wurden
• Katamnestische Untersuchung: Überprüfung der Stabilität des Behandlungserfolgs (12M nach Abschluss) (oder Rezidivierung)
Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens (VEV):
• Klienten schätzen erlebte Veränderungen retrospektiv selbst ein (positiv & negativ)
• Beispielitems: »Meine Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen haben zugenommen.«
Kriterium der klinisch bedeutsamen Verbesserung:
3 Möglichkeiten, wie diese Veränderungen operationalisiert werden können:
1. Ausmass der Symptomatik sollte nach Behandlung mind. 2 sd unter Mittelwert Population liegen, bei der Störung vorliegt
2. Symptomatik einer behandelten Person sollte nach Therapie in ihrem Ausmass innerhalb von 2 sd einer nicht gestörten Population liegen
3. Ausprägung der Symptomatik muss nach Behandlung näher am Mittelwert der nicht gestörten Population als am Mittelwert der gestörten Population liegen
Wahre Veränderung:
• Haben sich Patienten nach Intervention tats. im relevanten Merkmal verbessert und wie gross ist diese Veränderung?
• Reliable Change Index (RCI): Differenz der Werte vor und nach der Behandlung geteilt durch den Standardmessfehler der Differenzen
• Kann wie z-Wert interpretiert werden: RC > 1,96 (p < .05) = wahre Veränderung