Urkundendelikte (Rengier) Flashcards

1
Q

Begriff der Urkunde

A

= jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt

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2
Q

Perpetuierungsfunktion (“verkörperte menschliche Gedankenerklärung)

A
  • (-) bei bloßen Augenscheinobjekten
  • (-) bei technischen Aufzeichnungen
  • verkörpert: hinreichend fest Verbindung mit einem körperlichen Gegenstand und (hM) visuell wahrnehmbar
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3
Q

Beweisfunktion (“zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt”)

A
  • ausreichend, wenn Beitrag zum Beweis der Tatsache geliefert wird
  • (-) bei offensichtlich unechten Dokumenten
  • Beweisbestimmung durch subjektiven Willensakt (Absichtsurkunde vs. Zufallsurkunde)
  • (-) bei bloßen Entwürfen, Vordrucken, Blanketten, reine Kopiervorlagen
  • P: Entwidmungsakte?
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4
Q

Garantiefunktion (“lässt Aussteller erkennen”)

A
  • natürliche oder juristische Person als Garant
  • Geistigkeitstheorie: Aussteller ist nicht der körperliche Verfasser der Urkunde, sondern derjenige, der sich nach außen als Urheber bekennt und sich die Erklärung geistig zurechnen lässt/lassen muss
  • (+) Schule, Behörde (wenn ausreichend individualisierbar), Wirt bei Bierdeckel
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5
Q

Beweiszeichen und Kennzeichen

A
  • Beweiszeichen (Verkörperung durch Zeichen und Symbole): (+) Beweisfunktion
  • > Künstlerzeichen auf Kunstwerk; Nummerschilder; Bierdeckel-Striche; festanhaftende Preisauszeichnungen
  • P: Abgrenzun zu Kennzeichen (lediglich Ordnungs- und Unterscheidungsfunktion)
  • > Wäschemonogramme; Garderobenmarken; Bibliotheksstempel in Büchern
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6
Q

Zusammengesetzte Urkunde

A

= wenn eine verkörperte Gedankenerklärung mit einem Bezugsobjekt räumlich fest zu einer Beweiseinheit verbunden ist
(auch Verkehrszeichen)

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7
Q

Gesamturkunde

A

= Zusammenfügung mehrerer Urkunden auf Dauer dergestalt, dass gerade durch ihre Verbindung ein übergeordneter, also über den jeweiligen Erklärungsinhalt der Einzelurkunden hinausgehender, selbstständiger Beweisinhalt entsteht (besondere Abgeschlossenheitserklärung)
-> Personalakte, Sparbuch

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8
Q

Ausfertigungen, Durchschriften, Abschriften, Fotokopien, Telefax

A
  • Leitfrage: Inwieweit kann/soll das Mehrfachexemplar nach Willen des Ausstellers und nach Verkehrssitte an die Stelle des / neben das Original treten?
  • > besonders bei Ausfertigungen, Durchschriften (sollen gerade neben dem Original auch eine Beweisfunktion für denselben Erklärungsinhalt haben)
  • > (-) aber bei durch Dritte angefertigte einfache Abschriften (anders: beglaubigte Abschrift: zusammengesetzte Urkunde mit Beglaubigungsvermerk als garantiebegründendes Merkmal)
  • > (-) grds. auch bei Fotokopien (P -> mM: faktisch oft wie Urkunden im Rechtsverkehr verwendet -> (+), um Strafbarkeitslücken zu vermeiden) -> Ausnahme nach hM nur bei Herstellung einer vermeintlichen “Originalurkunde”
  • > Telefax: Abgrenzung nach Leitfrage: soll Beweisfunktion neben Original zukommen oder bloße Fotokopie?
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9
Q

Urkundenfälschung § 267 - Aufbau

A
I. TBM
1. Obj TB
a) § 267 I Var. 2
-> Vorliegen einer echten Urkunde als Tatobjekt
-> Verfälschen
b) § 267 I Var. 1
-> Herstellen einer unechten Urkunde
c) § 267 I Var. 3
-> Gebrauchen einer unechten Urkunde
-> Gebrauchen einer verfälschten Urkunde
2. Subj TB
a) Vorsatz
b) Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr (dolus directus 1/2 Grades)
II. RW
III. Schuld
IV. Strafzumessung § 267 III
V. Qualifikation § 267 IV
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10
Q

§ 267 - Herstellen einer unechten Urkunde

A
  • unecht, wenn sie nicht von demjenigen herrührt, der sich aus ihr als Aussteller der verkörperten Erklärung ergibt (entscheidend: Identitätstäuschung)
  • Schutz in das Vertrauen der Echtheit des Ausstellers, nicht (!) bzgl. des Inhalts
  • daher (-): Schriftliche Lügen des (echten) Ausstellers
  • (+): echter Name, aber verweisender Zusatz ohne Berechtigung (bspw. i.A.) (Diff. bei i.V.: wenn kein Vertretener angegeben wird, Fall der schriftlichen Lüge)
  • (+): echter Name, aber notwendige, im Rechtsverkehr zur Differenzierung erforderliche und erhebliche Daten werden geändert (Anschrift, Geburtsdatum)
  • (-): bloße Namenslüge (nur Name ist falsch, andere Angaben lassen auf zweifelsfrei auf eine Person schließen)
  • > Hotel-Check-In unter falschem Namen
  • Stellvertretung: bei zulässiger (-) (Voraussetzungen: rechtliche Befugnis und beiderseitiges Einverständnis) - bei unzulässiger: Prüfung, ob nicht einfach schriftliche Lüge des Vertreters vorliegt
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11
Q

§ 267 - Verfälschen einer echten Urkunde

A
  • Tatobjekt: nur vorhandene echte Urkunde
  • Verfälschen = jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde, die den Anschein erweckt, als habe der Aussteller - der unverändert bleiben muss - die Erklärung in der Form abgegeben, wie sie nach der Veränderung vorliegt
  • > Veränderung des ursprgl. Beweisinhalts: (-), wenn ursprl. Aussteller gelöscht (und ggf. neuer eingetragen wird) -> Verlust der Urkundeneigenschaft (bzw. neue echte Urkunde)
  • > Typischerweise Herstellung einer unechten Urkunde als Folge: Erklärung mit der neuen Beweisrichtung stammt nicht mehr vom ursprgl. Aussteller (im Falle der verschiedenen Aussteller hat also Var. 1 neben Var. 2 keine eigenständige Bedeutung)
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12
Q

P: Verhältnis von Var. 1 und Var. 2, sowie § 274 I und § 303

A
  • Var. 2 konsumiert Var. 1, ebenso §§ 274 I, 303 als typische Begleittaten
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13
Q

P: Kann Aussteller selbst den TB des § 267 I Var. 2 (Verfälschen einer unechten Urkunde) erfüllen?

A

eA (hM): (+)

pro: Aussteller hat freie Dispositionsbefugnis über Urkunde dann verloren, wenn inzwischen ein anderer ein berechtigtes Beweisinteresse an der Unversehrtheit der Urkunde erlangt hat
pro: nach aA hätte § 267 Var. 2 keinen eigenständigen Anwendungsbereich

aA: § 267 schützt nicht generell das Vertrauen in die Wahrheit von Ausstellererklärungen; Voraussetzung sei immer eine Identitätstäuschung
pro: Ausreichender Schutz durch § 274 I

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14
Q

§ 267 - Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde

A
  • Gebrauchen = demjenigen, der getäuscht werden soll, die Urkunde so zugänglich machen, dass dieser die Möglichkeit hat, sie wahrzunehmen
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15
Q

P: Gebrauchen auch bei mittelbarer Wahrnehmung (bspw. Fotokopie) der unechten / gefälschten Urkunde möglich?

A

eA: (+)
pro: Strafbedürfnis bei Verwendung von Fotokopien, was unter anderen Varianten mangels Urkundeneigenschaft (nach hM) straflos wäre

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16
Q

Konkurrenz

A
  • Wenn Täter bei Herstellen/Verfälschen späteres Verwenden noch nicht vorhatte, Realkonkurrenz
  • Täter hat bei Herstellen/Verfälschen spätere Tat des Gebrauchens zumindest in groben Umrissen geplant -> deliktische Einheit bzw. mitbestrafte Vortat
17
Q

Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr

A

= wer erreichen will, dass ein anderer die Urkunde für echt hält und durch diese irrige Annahme den anderen zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt - wer also mit der falschen Urkunde, ie mit dem verfälschten Teil, irgendwie auf das Rechtsleben einwirken will

18
Q

Fälschung technischer Aufzeichnungen § 268 - Prüfung

A
I. TBM
1. Obj TB
a) Vorliegen einer technischen Aufzeichnung § 268 II
-> nach hM: Informationen müssen in selbständig verkörperten, vom Gerät abtrennbarem Stück enthalten sein
-> nach hM: zT selbstständige Leistung und Bewirkung der Darstellung (-> (-): Fotokopie, Video-/Tonaufnahmen)
b) Tathandlungen
aa) Herstellen einer unechten
bb) Verfälschen 
cc) Gebrauchen
2. Subj TB
a) Vorsatz
b) Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr
II. RW
III. S
IV. Strafzumessung § 268 iVm § 267 III
V. Qualifikation § 268 III iVm § 267 IV
19
Q

§ 268 - Herstellen einer unechten

A
  • unecht = wenn falscher Eindruck erweckt wird, die Aufzeichnung sei das Ergebnis eines von Störungshandlungen unbeeinflussten selbsttätigen Aufzeichnungsvorgangs
  • menschlicher Eingriff erforderlich (vgl. § 268 III); kein bloßes Ausnutzen
20
Q

§ 268 - Verfälschen

A

= wenn die vom Gerät automatisch hergestellten Zeichen durch nachträgliche Veränderung einen anderen Erklärungswert erhalten

21
Q

§ 269 - Fälschung beweiserheblicher Daten

A
  • visuell nicht unmittelbar wahrnehmbare Daten (= alle codierten oder codierbaren Informationen)
  • Prüfung im Rahmen eines hypothetischen Vergleich mit dem Parallel-TB des § 267
  • Häufigster Fall des § 269 I Var. 1: unbefugtes Abheben von Geld (mit fremder Codekarte): Eingabe der Geheimzahl (vgl. § 675U BGB - nur berechtigter Karteninhaber; über seine Identität wird getäuscht)
22
Q

§ 274 - Urkundenunterdrückung

A
  • “gehören” meint nicht Eigentumsverhältnisse, sondern Beweisführungsrecht
  • > daher auch Eigentümer möglicher Täter, wenn anderer Beweisführungsrecht innehat
  • > Polizei hat kein Beweisführungsrecht - Ausweise etc gehören nur Inhaber
  • vernichtet = so zerstört, dass das ursprgl. Beweismittel nicht mehr existiert
  • beschädigen = Beeinträchtigung in Beweiswert
  • Unterdrücken = Benutzung wird dem Beweisführungsberechtigten zumindest vorübergehend vorenthalten
  • Subj: Nachteilsabsicht = jede intendierte Beeinträchtigung eines fremden Beweisführungsrechts (auch Vermögensnachteil denkbar, aber Zusammenhang mit eingeschränktem Beweisführungsrecht muss bestehen)