Urkundendelikte (Rengier) Flashcards
Begriff der Urkunde
= jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt
Perpetuierungsfunktion (“verkörperte menschliche Gedankenerklärung)
- (-) bei bloßen Augenscheinobjekten
- (-) bei technischen Aufzeichnungen
- verkörpert: hinreichend fest Verbindung mit einem körperlichen Gegenstand und (hM) visuell wahrnehmbar
Beweisfunktion (“zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt”)
- ausreichend, wenn Beitrag zum Beweis der Tatsache geliefert wird
- (-) bei offensichtlich unechten Dokumenten
- Beweisbestimmung durch subjektiven Willensakt (Absichtsurkunde vs. Zufallsurkunde)
- (-) bei bloßen Entwürfen, Vordrucken, Blanketten, reine Kopiervorlagen
- P: Entwidmungsakte?
Garantiefunktion (“lässt Aussteller erkennen”)
- natürliche oder juristische Person als Garant
- Geistigkeitstheorie: Aussteller ist nicht der körperliche Verfasser der Urkunde, sondern derjenige, der sich nach außen als Urheber bekennt und sich die Erklärung geistig zurechnen lässt/lassen muss
- (+) Schule, Behörde (wenn ausreichend individualisierbar), Wirt bei Bierdeckel
Beweiszeichen und Kennzeichen
- Beweiszeichen (Verkörperung durch Zeichen und Symbole): (+) Beweisfunktion
- > Künstlerzeichen auf Kunstwerk; Nummerschilder; Bierdeckel-Striche; festanhaftende Preisauszeichnungen
- P: Abgrenzun zu Kennzeichen (lediglich Ordnungs- und Unterscheidungsfunktion)
- > Wäschemonogramme; Garderobenmarken; Bibliotheksstempel in Büchern
Zusammengesetzte Urkunde
= wenn eine verkörperte Gedankenerklärung mit einem Bezugsobjekt räumlich fest zu einer Beweiseinheit verbunden ist
(auch Verkehrszeichen)
Gesamturkunde
= Zusammenfügung mehrerer Urkunden auf Dauer dergestalt, dass gerade durch ihre Verbindung ein übergeordneter, also über den jeweiligen Erklärungsinhalt der Einzelurkunden hinausgehender, selbstständiger Beweisinhalt entsteht (besondere Abgeschlossenheitserklärung)
-> Personalakte, Sparbuch
Ausfertigungen, Durchschriften, Abschriften, Fotokopien, Telefax
- Leitfrage: Inwieweit kann/soll das Mehrfachexemplar nach Willen des Ausstellers und nach Verkehrssitte an die Stelle des / neben das Original treten?
- > besonders bei Ausfertigungen, Durchschriften (sollen gerade neben dem Original auch eine Beweisfunktion für denselben Erklärungsinhalt haben)
- > (-) aber bei durch Dritte angefertigte einfache Abschriften (anders: beglaubigte Abschrift: zusammengesetzte Urkunde mit Beglaubigungsvermerk als garantiebegründendes Merkmal)
- > (-) grds. auch bei Fotokopien (P -> mM: faktisch oft wie Urkunden im Rechtsverkehr verwendet -> (+), um Strafbarkeitslücken zu vermeiden) -> Ausnahme nach hM nur bei Herstellung einer vermeintlichen “Originalurkunde”
- > Telefax: Abgrenzung nach Leitfrage: soll Beweisfunktion neben Original zukommen oder bloße Fotokopie?
Urkundenfälschung § 267 - Aufbau
I. TBM 1. Obj TB a) § 267 I Var. 2 -> Vorliegen einer echten Urkunde als Tatobjekt -> Verfälschen b) § 267 I Var. 1 -> Herstellen einer unechten Urkunde c) § 267 I Var. 3 -> Gebrauchen einer unechten Urkunde -> Gebrauchen einer verfälschten Urkunde 2. Subj TB a) Vorsatz b) Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr (dolus directus 1/2 Grades) II. RW III. Schuld IV. Strafzumessung § 267 III V. Qualifikation § 267 IV
§ 267 - Herstellen einer unechten Urkunde
- unecht, wenn sie nicht von demjenigen herrührt, der sich aus ihr als Aussteller der verkörperten Erklärung ergibt (entscheidend: Identitätstäuschung)
- Schutz in das Vertrauen der Echtheit des Ausstellers, nicht (!) bzgl. des Inhalts
- daher (-): Schriftliche Lügen des (echten) Ausstellers
- (+): echter Name, aber verweisender Zusatz ohne Berechtigung (bspw. i.A.) (Diff. bei i.V.: wenn kein Vertretener angegeben wird, Fall der schriftlichen Lüge)
- (+): echter Name, aber notwendige, im Rechtsverkehr zur Differenzierung erforderliche und erhebliche Daten werden geändert (Anschrift, Geburtsdatum)
- (-): bloße Namenslüge (nur Name ist falsch, andere Angaben lassen auf zweifelsfrei auf eine Person schließen)
- > Hotel-Check-In unter falschem Namen
- Stellvertretung: bei zulässiger (-) (Voraussetzungen: rechtliche Befugnis und beiderseitiges Einverständnis) - bei unzulässiger: Prüfung, ob nicht einfach schriftliche Lüge des Vertreters vorliegt
§ 267 - Verfälschen einer echten Urkunde
- Tatobjekt: nur vorhandene echte Urkunde
- Verfälschen = jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde, die den Anschein erweckt, als habe der Aussteller - der unverändert bleiben muss - die Erklärung in der Form abgegeben, wie sie nach der Veränderung vorliegt
- > Veränderung des ursprgl. Beweisinhalts: (-), wenn ursprl. Aussteller gelöscht (und ggf. neuer eingetragen wird) -> Verlust der Urkundeneigenschaft (bzw. neue echte Urkunde)
- > Typischerweise Herstellung einer unechten Urkunde als Folge: Erklärung mit der neuen Beweisrichtung stammt nicht mehr vom ursprgl. Aussteller (im Falle der verschiedenen Aussteller hat also Var. 1 neben Var. 2 keine eigenständige Bedeutung)
P: Verhältnis von Var. 1 und Var. 2, sowie § 274 I und § 303
- Var. 2 konsumiert Var. 1, ebenso §§ 274 I, 303 als typische Begleittaten
P: Kann Aussteller selbst den TB des § 267 I Var. 2 (Verfälschen einer unechten Urkunde) erfüllen?
eA (hM): (+)
pro: Aussteller hat freie Dispositionsbefugnis über Urkunde dann verloren, wenn inzwischen ein anderer ein berechtigtes Beweisinteresse an der Unversehrtheit der Urkunde erlangt hat
pro: nach aA hätte § 267 Var. 2 keinen eigenständigen Anwendungsbereich
aA: § 267 schützt nicht generell das Vertrauen in die Wahrheit von Ausstellererklärungen; Voraussetzung sei immer eine Identitätstäuschung
pro: Ausreichender Schutz durch § 274 I
§ 267 - Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde
- Gebrauchen = demjenigen, der getäuscht werden soll, die Urkunde so zugänglich machen, dass dieser die Möglichkeit hat, sie wahrzunehmen
P: Gebrauchen auch bei mittelbarer Wahrnehmung (bspw. Fotokopie) der unechten / gefälschten Urkunde möglich?
eA: (+)
pro: Strafbedürfnis bei Verwendung von Fotokopien, was unter anderen Varianten mangels Urkundeneigenschaft (nach hM) straflos wäre