Diebstahlsdelikte Flashcards
§ 242: Definitionen zu “fremder beweglicher Sache”
- Sache: legaldefiniert in § 90 BGB (körperliche Gegenstände), auch Tiere (§ 90a BGB) - menschliche Körperteile erst mit Abtrennung
- Beweglich: beweglich ist eine Sache, wenn sie tatsächlich fortgeschafft werden kann
- Fremd: fremd ist eine Sache, wenn sie wenigstens auch im Eigentum eines anderen steht (darf weder Alleineigentum des Täters noch herrenlos gem. §§ 959ff BGB sein)
Tathandlung des § 242: Wegnahme
Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams
Prüfung:
- War fremder Gewahrsam vorhanden?
- Wurde neuer Gewahrsam begründet?
- Wurde der fremde Gewahrsam gebrochen?
Gewahrsam
Ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über eine Sache, das von einem Herrschaftsverhältnis getragen ist
- maßgeblich ist die Verkehrsanschauung
- genereller Herrschaftswille ausreichend (muss sich nicht auf konkrete Gegenstände beziehen)
- potentieller Herrschaftswille ausreichend (bei Schlafenden oder Bewusstlosen)
Fallgruppen: Gewahrsam
- Gewahrsam an vergessenen/verlorenen Gegenständen:
- vergessene Gegenstände bleiben im Gewahrsam, solange der Inhaber weiß, wo sie sich befinden, und er sie ohne äußere Hindernisse wiedererlangen kann
- Gewahrsam verlorener Gegenstände geht selbst verloren - innerhalb einer fremden Gewahrsamsphäre gehen sie in den Gewahrsam des jeweiligen Inhabers über; innerhalb einer gewahrsamlosen Sphäre ist keine Wegnahme möglich - Gewahrsam bei mehreren potentiellen Gewahrsamsinhabern:
- haben mehrere Personen nur gemeinsam Zugriff auf eine Sache, besteht Mitgewahrsam (gleichrangig bei gleich weitem Abstand der Mitgewahrsamsinhaber vom Alleingewahrsam)
- asymmetrisches Gewahrsamsverhältnis: eine Person hat bessere faktische Zugriffsmöglichkeit, eine andere jedoch bessere rechtliche Befugnis
- > eA: Konstruktion von über- und untergeordnetem Gewahrsam (ersterer begeht keinen Gewahrsamsbruch, letzterer schon)
- > aA: Alleingewahrsam des übergeordneten Gewahrsamsinhabers
- Angestellte etc: idR hat Arbeitgeber übergeordneten (oder Allein-) Gewahrsam - jedoch Kasse in Alleingewahrsam des Kassierers (dafür verantwortlich)
- > Gewahrsam an Betriebsfahrzeugen: beim Arbeitgeber, wenn er aufgrund räumlicher Nähe und genauen Fahrtroutenplänen die Fahrt überschaut (gleichrangiger Mitgewahrsam) ; bei Fernfahrten oder größeren Fahrten im Gewahrsam des Arbeitgebers
- Verschlossene Behältnisse: bei ortfesten Behältnissen hat Schlüsselinhaber aufgrund seiner faktischen Kontrolle zumindest gleichrangigen Mitgewahrsam; bei beweglichen Behältnissen hat Verwahrer den Alleingewahrsam
Begründung neuen Gewahrsams
Neuer Gewahrsam ist begründet, wenn
-> der Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache
derart erlangt hat,
-> dass er sie ohne Behinderung durch den bisherigen
Gewahrsamsinhaber ausüben
-> und dieser seinerseits nicht mehr über die Sache verfügen kann, ohne die Verfügungsmacht des Täters zu beseitigen
Gewahrsamswechsel durch Schaffung einer Gewahrsamsenklave
Bei kleinen, transportablen Gegenständen gilt:
-> Die Körpersphäre, zu der Kleidung und mitgebrachte Taschen gehören, ist eine soziale „Tabuzone“
-> Dritte können hier nicht ohne weiteres auf die
Gegenstände zugreifen
-> Eingriffe unterliegen einer besonderen
Hemmschwelle; es ist regelmäßig mit besonderen Widerständen zu rechnen
- > Bereits das „Einstecken“ in die Kleidung oder in eine mitgeführte Tasche ist Wegnahme
- unabhängig von einer etwaigen Beobachtung
- Mittel, die den Diebstahl nur aufdecken, etwa
Sicherungsetiketten, hindern die Wegnahme nicht; anders bei Gegenständen, die sich wegen ihrer Beschaffenheit oder ihres Gewichts nur schwer transportieren lassen: allein durch Ergreifen keine Überführung in die eigene Tabusphäre
Gewahrsamsbruch
Aufhebung der tatsächlichen Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers ohne oder gegen dessen Willen (bereits der objektive TB entfällt mit dem Einverständnis des Gewahrsamsinhabers - bloße Kenntnis reicht nicht aus, das Einverständnis muss willensgetragen sein: objektives Vorliegen zur Tatzeit; natürliche Willensfähigkeit des Betroffenen, irrtumsresistent)
-> Möglichkeit des bedingten Einverständnisses besteht (bei Warenautomat: gegen Zahlung)
§ 242: Vorsatz
- bzgl aller objektiven TBM
- Wertung von “fremd”: keine zivilrechtliche Prüfung nötig, Parallelwertung in der Laiensphäre genügt
Zueignungsabsicht
Tatsächliche Zueignung nicht erforderlich
- sich zueignen: eine Sache als eigene in Besitz nehmen
- einem Dritten zueignen: einem Dritten die betreffende Position verschaffen
- Elemente der Zueignung:
- > Aneignung: Einnahme einer eigentümerähnlichen Stellung (Gebrauchmachen der Sache) (braucht lediglich als vorübergehende beabsichtigt werden - mit dolus directus I. Grades)
- > Enteignung: Entziehung der Gebrauchsmöglichkeiten des bisherigen Gewahrsamsinhabers (muss dauerhaft beabsichtigt sein - mit dolus eventualis)
–> Zueignung ist die Absicht der vorübergehenden Aneignung und der dauerhaften Enteignung
Abgrenzung: Aneignung vs. Sachentziehung
Kommt es dem Täter nur darauf an, dem Opfer die Sache zu entziehen, dann liegt keine Aneignungsabsicht vor
-> infrage kommt § 303
Abgrenzung: Enteignung vs. Gebrauchsanmaßung
- Hat der Täter von Anfang an den Plan, die Sache
nach deren Nutzung ohne Weiteres wieder dem
Opfer zur Verfügung zu stellen, fehlt der Enteignungsvorsatz - Der Täter geriert sich angesichts der eng
beschränkten Dauer und Intensität des Eingriffs
nicht als Eigentümer - Die Tat ist dann nur in den Fällen der §§ 248b, 290 StGB strafbar
Gegenstand der Zueignung
- Substanztheorie (Binding, v. Liszt u.a.): Gegenstand der Zueignung ist die Substanz der Sache selbst
- Sachwerttheorie (Frank u.a.): Gegenstand der Zueignung ist der in der Sache verkörperte wirtschaftliche Wert
-> Soll Schutzlücken etwa bei „Sparbuchfällen“ schließen (nimmt Sparbuch nur zwischenzeitlich und hebt in der Zwischenzeit das Ersparte ab)
con: Wegnahme- und Zueignungsobjekt müssen gem. Wortlaut des § 242 identisch sein (sonst Verstoß gegen Art. 103 II)
con: Täter des § 242 muss sich eigentümerähnliche Stellung zumessen - bloßes Bereichern nicht ausreichend (würde zu bloßem Vermögensdelikt werden)
3. Vereinigungs*theorie (h.L.): Gegenstand der Zueignung
ist entweder die Sachsubstanz oder der Sachwert
con: s.o. aus Sachwert-Einbindung
Fallgruppen Zueignungabsicht: Rückgabe der Sache ist von Anfang an nicht beabsichtigt
Jede über die bloße (Sach-)Entziehung/Zerstörung
der Sache hinausgehende Verwendungsabsicht ist
Zueignungsabsicht (bestimmungsgemäßer und nicht
bestimmungsgemäßer Gebrauch)
- bspw. Geldbörse: wenn sofort nach Geldentnahme weggeworfen, besteht keine Aneignungsabsicht
- wenn für Transport der Beute jedoch (+)
Fallgruppen Zueignungsabsicht: Rückgabe der Sache ist von Anfang an beabsichtigt
- Rückgabe unter Leugnung des Eigentumsrechts des wahren Berechtigten beabsichtigt (Buch wird aus dem Regal genommen und direkt dem Ladeninhaber zum Verkauf angeboten) -> ganz hM (+), da der Täter sich als Eigentümer geriert
- Rückgabe unter Anerkennung der Eigentümerstellung des wahren Berechtigten beabsichtigt (Pfandflaschen werden gestohlen und sodann zurückgegeben): hM keine Übertragung des Eigentums an Individualpfandflaschen (kein Vorsatz bezüglich eines Entzuges der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf Dauer des Eigentümers)
Rückführungswille
Substanztheorie/Vereinigungstheorie: Enteignung (-), wenn der Täter zum Zeitpunkt der Wegnahme den Willen hat, die Sache dem Berechtigten ohne wesentliche Brauchbarkeitsminderung zurückzugeben (sog. Rückführungswille)
- Kriterien:
-> Ort, an dem der Täter den Gegenstand zurücklässt
-> Ist der Gegenstand nach Art und Aussehen leicht
auffindbar und ist er gegen unbefugten Zugriff gesichert?
-> Diebstahl, wenn die Sache nach dem Gebrauch
wahllos preisgegeben und die Wiedererlangung
durch den Eigentümer dem Zufall überlassen wurde
Selbstzueignung vs. Drittzueignung
- Wer eine Sache nach der Tat einem Dritten verkaufen
oder verschenken will, eignet sich die Sache
selbst zu - Drittzueignung liegt nur vor, wenn der Täter dem
Dritten die Sache auf andere Weise verschafft, z.B.
durch unbemerktes „Zustecken“ des Gegenstandes - Drittzueignung = wenn der Täter dem Dritten die
Aneignung ermöglichen will
§ 242: Rechtswidrigkeit (TBM)
Die Zueignung ist nicht rechtswidrig, wenn ein
fälliger, einredefreier Anspruch auf Übereignung der
weggenommenen Sache besteht
-> Stückschulden: Nur die Wegnahme der konkreten Sache, auf die ein Übereignungsanspruch besteht, ist keine rechtswidrige Zueignung
-> Gattungsschulden (zumeist Geldschulden)
Rspr: beabsichtigr Zueignung ist rechtswidrig, da vor Aussonderung kein Übereignungsanspruch auf konkrete Scheine besteht
hL: beabsichtigte Zueignung nicht rechtswidrig (Auswahlrecht des Schuldners hat bei Geld keine Bedeutung - Geld als reiner Wertsummenträger)
-> dolo agit qui petit quod rediturum est
- RW der Zueignung ist ein objektives TBM und wird nur wegen des Sachzusammenhangs im subjektiven TB besteht
- > Nimmt der Täter an, einen Anspruch auf die konkreten Scheine zu haben, fehlt demnach der Vorsatz
- > Hält er dagegen die Wegnahme als Selbsthilfe lediglich für gerechtfertigt, befindet er sich in einem Verbotsirrtum
§ 243 Besonders schwerer Fall des Diebstahls
Enthält Regelbeispiele für den Bereich der Strafzumessung
- > nur Indikatoren, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung widerlegbar sind
- > Im Anschluss an die Schuld zu prüfen
- > Keine echte Qualifikation, aber AT-Regeln idR analog anwendbar
§ 243 I S. 2 Nr. 1 Räumlicher Schutzbereich
- Umschlossener Raum: Raumgebilde, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden und mit Vorrichtungen umgeben ist, die das Eindringen von Unbefugten abwehren sollen
- > auch Auto!
- > Sonderfall des Wohnungseinbruchsdiebstahl ist als Sonderfall in § 244 I Nr. 3 als Qualifikation geregelt
- Einbrechen: Gewaltsames Öffnen von Umschließungen, die dem Eintritt in den umschlossenen Raum entgegenstehen (Betreten nicht erforderlich - auch Raumgebilde insgesamt kann gestohlen werden)
- Einsteigen: Täter muss durch den Einsatz nicht unerheblicher Geschicklichkeit auf einem dafür nicht bestimmten Weg in den geschützten Raum gelangen (bloßes Hineinbeugen genügt nicht, fester Stützpunkt im Raum muss erlangt sein)
- falscher Schlüssel: Falsch ist ein Schlüssel, der im Augenblick der Tat zur Öffnung des betreffenden Verschlusses nicht oder nicht mehr bestimmt ist
- > gleiches gilt für entwidmete Schlüssel
- -> die nur für eine bestimmte Zeit übertragen sind
- -> oder bei willentlicher Entwidmung - diese ist anzunehmen, sobald der Diebstahl des Schlüssels bemerkt wird
- Anderes Werkzeug: Werkzeug, das auf den Mechanismus des Verschlusses einwirkt (Dietriche, Haarnadeln)
§ 243 I 2 Nr. 2
Umschlossenes Behältnis: Umschlossener Raum, der nicht zum Betreten durch Menschen bestimmt ist
- > nicht gegeben bei schon offenen Behältnissen zum Tatzeitpunkt
- > nicht gegeben bei befugtem Verwender vom Schlüssel für das verschlossene Behältnis
§ 243 I 2 Nr. 2
- Umschlossenes Behältnis: Umschlossener Raum, der nicht zum Betreten durch Menschen bestimmt ist
- > nicht gegeben bei schon offenen Behältnissen zum Tatzeitpunkt
- > nicht gegeben bei befugtem Verwender vom Schlüssel für das verschlossene Behältnis
- andere Schutzvorrichtungen: Gegenstände, die dazu geeignet und bestimmt sind, die Wegnahme einer Sache zumindest zu erschweren, ohne diese zu umhüllen
-> muss tatsächlich zu Sicherung gegen Wegnahme (!) bestimmt sein
(falsche Münzen in Automat: keine Überwindung der Schutzvorrichtung, sondern Überlistung)
§ 243 II
- Gegenindikation zu § 243 I (zunächst Prüfung der §§ 243 I, um Prüfung nicht abzuschneiden)
- nicht anwendbar § 244
- Grenze der Geringwertigkeit ca. 50 €
- > Probleme:
1. Auseinanderfallen von Tätervorstellung und objektiver Geringwertigkeit - > Die Sache ist objektiv geringwertig, der Täter hält sie aber für wertvoll (-> versuchter Diebstahl in besonders schwerem Fall)
- > Die Sache ist objektiv wertvoll, der Täter denkt aber, dass sie geringwertig ist (-> Vorsatzausschließender Irrtum)
Denkbare Versuchsprobleme bei §§ 242ff.
- Diebstahl wurde nur versucht, das Regelbeispiel bereits vollendet
- Sowohl der Diebstahl als auch das Regelbeispiel
Diebstahlsversuch mit vollendeten Regelbeispielen
keine Bedenken gegen das Eingreifen des Regelbeispiels - Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls in besonders schweren Fall gem. §§ 242 I, II, 22, 243
Beide Tatbestände (242 und 243) sind im Versuchsstadium steckengeblieben
- > hL: § 243 in diesem Fall nicht anwendbar
- für Strafzumessungsregeln (243) sind die Versuchsvorschriften gar nicht anwendbar
- -> Eintritt der Regelwirkung von vollständiger Verwirklichung des Beispiels abhängig
- > Rspr. und tlw. Lit: auch § 243 kann versucht werden
- Abgrenzung zwischen Qualifikationen und Regelbeispielen: bloße Frage der Gesetzgebungstechnik
- Hinsichtlich des Vesuchs sind die Regelbeispiele daher wie Tatbestände zu behandeln (Abgrenzung reine Formalität)
con: Analogie zu Ungunsten des Täters (con Art. 103 II GG)
Vollendeter Diebstahl und “versuchtes Regelbeispiel”
- hL: nur Strafbarkeit wegen einfachen Diebstahls (Strafzumessungsregeln sind nicht versuchsfähig)
- Rspr.: Bislang nocht nicht entschieden
Unmittelbares Ansetzen bei noch nicht versuchtem Diebstahl aber “versuchtem Regelbeispiel”
- Zur Wegnahme wurde noch nicht angesetzt - reicht Ansetzen zum Regelbeispiel aus? (Täter will in Büro einbrechen, um Tresor aufzubrechen und Geld wegzunehmen. Wird beim Versuch, die Tür mit dem Dietrich zu öffnen, erwischt)
- > Nein, Regelbeispiele wollen den Bereich strafbarer Handlungen nicht erweitern, sondern das Unrecht des Täters charakterisieren
- Gleiches gilt für § 244 StGB
Konkurrenzen
§§ 242, 243 verdrängen die mitverwirklichten §§ 123, 303 im Wege der Konsumtion
noch etwas