Straftaten gegen das Leben Flashcards
absolute Strafdrohung
Gericht hat keinen Spielraum hinsichtlich der Strafandrohung (vgl. lebenslange Freiheitsstrafe bei § 211)
Tatobjekt der Tötungsdelikte
Schon geborener und noch nicht gestorbener Mensch
Beginn des Lebens
Beginn des Geburtsaktes (dh Einsetzung der sog. Eröffnungswehen) (Schutz durch Fahrlässigkeitsbestrafung; § 222 StGB im Ggs. zu § 218 (gibt keinen Schutz vor Fahrlässigkeit) -> Schutz des Kindes in einem besonders gefährdeten Stadium)
Ende des Lebens
Hirntod (Rspr. und Lehre) (pragmatische Begründung: Vermeidung von Bestrafungen von Ärzten et al. bspw. bei Organentnahmen bei hirntoten Menschen; grundsätzliche Begründung: Erlöschen der individuellen Existenz mit der irreversiblen Inaktivität des Gehirns - personales Zentrum)
Tötung
Lebensverkürzung durch Herbeiführen eines vorzeitigen Todes bzw. garantenpflichtwidrig unterlassene Lebensverlängerung
Modelle der Mordkonzeption
psychologisch: Tötung mit Vorbedacht (bis 1941)
vs.
ethisch: Orientierung an besonderer Verwerflichkeit der Motivation oder der Tatbegehung (seit 1941; Orientierung an Schweizer Entwurf, nicht genuin NS-Gedankengut; NS-Bestandteil: Tätertypenlehre als Hintergrund)
generell: enge Auslegung (schärfster Straftatbestand)
Lebenslange Freiheitsstrafe menschenunwürdig?
Vollzug nur menschenwürdig, “ wenn der Betroffene eine konkrete und grundsätzlich realisierbare Chance hat, zu einem späteren Zeitpunkt die Freiheit wiedergewinnen zu können” (BVerfG) -> § 57 a (bei besonderer Schwere der Schuld: ausgeschlossen) - durchschnittliche Verbüßungsdauer heute: > 18 Jahre
Streit: Ist der normative Zusammenhang zwischen Sanktionsvoraussetzungen und lebenslanger Freiheitsstrafe mit dem GG vereinbar?
BVerfG: gerechter Verhältnis der Strafe zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld (problematisch bei Heimtücke und Verdeckungsabsicht)
Mordlust
Tod des Opfers als einziger Handlungszweck (besondere Verwerflichkeit liegt in der Nichtigkeit dieses Zwecks)
Befriedigung des Geschlechtstriebs
Kasuistik:
- Geschlechtstriebsbefriedigung durch den Akt der Tötung selbst
- Tötung, um sich an Leiche zu vergehen
- Täter nimmt Tötung infolge von Geschlechtsverkehr inkauf
(Ausweitung über Fallgruppen hinaus: Grundgedanke der Unterordnung eines Menschenlebens unter die Befriedigung der Geschlechtslust)
Habgier
Streben nach materiellen Gütern und Vorteilen, das in seiner Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeiten das erträgliche Maß weit überschreitet
(klassisch: Raubmord, Taten gedungener Mörder, Erbschaft/Lebensversicherung)
Niedrige Beweggründe
Motive, die nach allgemeiner Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind
(Bsp: Rachsucht, Neid, Hass, Wut, Eifersucht, Selbstsucht)
Prüfe: Beruhen die Beweggründe ihrerseits auf niedrigen Gesinnung oder sind sie menschlich irgendwie verständlich?
(Rassismus als Prototyp des niedrigen Beweggrundes)
Heimtücke
Bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung
- > arglos ist, wer bei vorhandener Fähigkeit zum Argwohn einen Angriff auf sein Leben oder einen erheblichen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit nicht erwartet
- > wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit in seiner Abwehrbereitschaft/ -fähigkeit zumindest erheblich eingeschränkt ist
Zeitpunkt der Arg- und Wehrlosigkeit
Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriff (Eintritt der Tat in das Versuchsstadium)
Streit: Arglosigkeit bei vorangegangener Auseinandersetzung
- Frühere Ansicht: (-) wenn Täter dem Opfer in offener Feindschaft gegenübertritt
con: tötungswilliger Täter braucht nur Streit anzufangen, damit Heimtücke ausscheidet (niedrige Aggression soll keinen Freibrief geben für höhere Aggression) - Rspr.: (+), wenn das Opfer beim ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Akt des Täters keinen tätlichen Angriff erwartet
Problem: “Mitleidstötung”
BGH: keine rein subjektive Bestimmung der “feindseligen Haltung” - Täter muss aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren Wertung der Vermeidung schwersten Leidens den Vorrang geben (wenn sich Täter über den erklärten Willen des Opfers hinwegsetzt, scheidet die feindliche Willensrichtung nur dann aus, wenn er in krankhafter Verblendung handelt)
auch nicht bei Mitleidstötung in Krankenhäusern / Altenheimen angenommen
in feindlicher Willensrichtung: ursprgl. eingeführt, um Fälle der Familienschande ohne Mord zu lösen (Familie wird mitgenommen - sollte damals nicht mit Mord bestraft werden, wenn Familienvater den eigenen Suizid überlebt)
Fähigkeit, Argwohn zu hegen
nicht gegeben bei konstitutionell Arglosen: Kleinkinder unter 3 Jahren und Bewusstlose - Ausnahmen:
- Täter schaltet die natürlichen Abwehrinstinkte des Kindes aus
- Täter nutzt die von ihm erkannte Arglosigkeit eines schutzbereiten Dritten zur Tatbegehung aus (Babysitter, Eltern)
- Schlafende sind grds. taugliche Opfer (nimmt Arglosigkeit mit in den Schlaf) - Ausnahme: Schlafender wurde entgegen seinem Willen vom Schlaf übermannt
Grausamkeit
grausam handelt, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen zufügt, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgeht
Streit: Konstellation der vorbereitenden Grausamkeit (Zeigen der Waffen, etc.)
BGH: Grausamkeit kann sich auch aus den Umständen ergeben, unter denen die Tötung eingeleitet und vollzogen werde
con: Wortlaut des § 211 -> grausam “tötet” (Handlungsbezug, Beginn mit Eintritt ins Versuchsstadium!)
Mit gemeingefährlichen Mitteln
Mittel, das eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat
(entscheidend ist nicht die abstrakte Gefährlichkeit, sondern die Eignung und Wirkung in der konkreten Tatsituation)
bspw. Bombenwurf; Steinwürfe von Autobahnbrücken (BGH: entscheidend ist, ob nur die konkret anvisierten Insassen gefährdet sind oder Folgeunfälle mit tödlichem Ausgang drohen)
Besondere Verwerflichkeit des Zwecks: Tötung zur Ermöglichung einer Straftat
genügt, dass die zur Tötung geeignete Handlung vom Täter als Mittel zur Begehung der weiteren Straftat angesehen wird (dolus eventualis ausreichend)
Besondere Verwerflichkeit des Zwecks: Tötung zur Verdeckung einer Straftat
will verhindern, dass eigene oder fremde Tat von den Strafverfolgungsorganen entdeckt oder aufgeklärt wird
( privilegierende Wirkung der Selbstbegünstigung bei anderen Straftatbeständen - Unterschied: bei diesem Mordmerkmal verwirklicht der Täter noch ein zusätzliches Unrecht, bei den anderen TBen bleibt dieses konstant)
Streit: Vorliegen einer anderen Tat bei “Zur Verdeckung einer Straftat”
- BGH: Unterscheidung nach Deliktscharakter der Vortat:
1. zunächst KV-Vorsatz, danach erst Tötungsvorsatz, um KV zu verdecken: Mord
2. von Anfang an Tötungsvorsatz: keine zu verdeckende Vortat (es fehlt an einer anderen Tat)
con: Wer von Anfang an mit Tötungsvorsatz handelt ist besser gestellt als derjenige, der zunächst bloß mit KV-Vorsatz handelt
Klarstellungsfunktion der Tateinheit
Vollendungsdelikt tritt nicht hinter Versuchsdelikt als notwendiges Durchgangsstadium zurück, um zwischen dem folgenlosen Versuch und dem folgenreichen Versuch differenzieren zu können (bspw. vollendete Körperverletzung tritt nicht hinter versuchten Totschlag zurück, sondern wird in Tateinheit aufgeführt, um klarzustellen, dass der versuchte Totschlag nicht ohne Folgen war, wie bspw. beim bloßen Danebenschießen)