Teil II, C9: Schadensberechnung I Flashcards
Was ist das Schweizer Pendant zu den deutschen Termini “Haftungsrecht” und “Schadensrecht” + Inhalt? Wo befindet sich die Schadensberechnung?
Haftungsrecht = Voraussetzungen der Haftung = Anspruchsbegründung
Schadensrecht = Art und Umfang des Schadens = Anspruchsbestimmung
-> Enthält Schadensberechnung
= hier im Folgenden behandelt
Zentrale Normen der
1) Schadensberechnung
2) Schadensbemessung
3) Haftungsgrundlagen?
An was ist zu denken?
1) Schadensberechnung: OR 42; 45; 46
2) Schadensbemessung: OR 43; 44
3) Haftungsgrundlagen: OR 41; 97; 422 (GoA); Spezialgesetze; etc.
- > MERKE: 3) muss immer auch “i. V. m.” vorkommen bei einer sauberen Lösung !
Welches ist die Reihenfolge nach der Prüfung der Haftungsgrundlage und aus welchem Grund?
- Schadensberechnung
- Schadensbemessung
- > immer so vorgehen!
- > Grund: Schadensberechnung = oberste Ersatzgrenze; darüber kann der Schadenersatz eh nicht gehen (versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot, VVG 62)
- > Zusammenspiel: Durch die Schadenersatzbemessung wird entschieden, ob der zuvor ziffernmässig festgelegte Schaden ganz oder teilweise auf den Ersatzpflichtigen überwälzt werden kann.
Schadensminderung: Art., Rechtsnatur, in welchem Prüfungsschritt aus welchem Grund behandeln?
= OR 44 I
= Schadenbemessung
- > nicht in Schadensberechnung !! (auch wenn in Doktrin teilweise empfohlen)
- > Grund: bräuchte oft aufwendige Beweisführung (Stichwort Gutachten)
- -> das will man vermeiden, wenn man in der Folge zum Schluss kommen sollte, dass die Schadensbemessung die Verletzung der Obliegenheit der Schadenminderung irrelevant macht
= Obliegenheit; hier geht’s einfach nicht wie in Teil 1 um eine versicherungsrechtliche Obliegenheit, sondern zivilrechtliche Obliegenheit
Pro memoria:
Obliegenheiten sind nicht einklagbar, aber haben für Verletzer Nachteile (meist weniger Schadenersatzanspruch; in Teil 1: weniger Deckung)
Was schauen wir uns im Zuge der Schadensberechnung an?
nach welchen Wertungen den Schaden wie berechnen
≠ mathematische Rechnungen
Welche 2 Schadensarten unterscheiden wir und welche Art von Ersatz + Art. entzieht sich der Schadensberechnung? Woran ist zu denken mit Bezug auf letzteres?
o Personenschaden
o Sachschaden
Hier NICHT: Genugtuungsschaden
o Grund: = immaterielle Unbill = nicht berechenbar
o OR 47; 49 ≠ Anspruchsgrundlagen und damit keine Haftungsnormen !! sondern sind Haftungsbemessungsnormen
Massgeblicher Zeitpunkt der Schadensberechnung (Grundsatz + 2; Ausnahme)?
- Grundsatz: OR 46 II: Zeitpunkt der Urteilsfällung
o Steht zwar nur unter Körperverletzung; gilt aber unbestritten für alle Schadensberechnungen !
o Urteilsfällung = letzte kantonale Tatsacheninstanz
- > Auch in zahlreichen Sondergesetzen so, z. b. Elektrizitätsgesetz
- > Kann natürlich schon zufällig sein; gilt aber trotzdem grds. so
- Wichtige Ausnahme: Versorgerschaden (wir kommen später dazu): es gilt der Todeszeitpunkt
Was ist ein häufiges Sonderproblem beim Zeitpunkt der Schadensberechnung, wenn welche Voraussetzung nicht gegeben ist? Welche 4 Mittel können helfen, wenn diese Voraussetzung eben fehlt?
Voraussetzung: Liquidität des Schadens
Liquiditätsprobleme v. a. bei künftigen Schäden
-> Es wird grds. nur der liquide Schaden ersetzt = meistens der Schaden, der spätestens im Urteilszeitpunkt bereits eingetreten ist
- > Falls Liquidität fehlt:
1. Vorbehalt späterer selbständiger Klage
3. Rektifikationsvorbehalt (Art. 46 Abs. 2 OR; nur bei Körperverletzung)
4. Möglichkeit des Verjährungsverzichts
5. Feststellungsklage (äusserst restriktive Handhabung durch BGer – vgl. etwa BGE 114 II 255)
Liquidität des Schadens: Bedeutung, Bsp., Art.?
Liquidität des Schadens Schadens = Schaden, der zum Urteilszeitpunkt mit der erforderlichen Genauigkeit und Sicherheit berechnbar ist
-> Z. B. Beschädigung Taxi/ Umsatzeinbussen während Reperaturdauer – falls Ausfälle absehbar = liquider Schaden
Was sieht das Gesetz vor bei Körperschäden, was ist die Schwierigkeit dabei? Welche 2 Gefahren ergeben sich daraus und welche 3 Mittel könnten helfen?
OR 46 I = bei Körperverletzung und Tod gibt das Gesetz selbst die Ersetzung von künftigem Erwerbsschaden vor – so muss er nicht ständig wieder eingeklagt werden
Schwierigkeit: Verbesserung oder Verschlimmerung bei Körperverletzung sind immer möglich ≠ Liquidität des Schadens
- > 2 Gefahren:
1. Wenn ich aufgrund derselben Lebenslage später wieder einklage, gilt res iudicata (= Einrede im Zivilprozess)
- Verjährung
– Gegen Gefahr 2 gibt es aber 4 Möglichkeiten:
- 1 Vorbehalt späterer selbständiger Klage
- 2 Rektifikationsvorbehalt (Art. 46 Abs. 2 OR; nur bei Körperverletzung)
- 3 Möglichkeit des Verjährungsverzichts
- 4 Feststellungsklage (äusserst restriktive Handhabung durch BGer – vgl. etwa BGE 114 II 255)
Vorbehalt späterer selbständiger Klage:
- Geltungsbereich;
- wie geltend machen;
- Ziel;
- Voraussetzung;
- Frist?
o Gilt bei allen Schadensarten;
o Antragsbedürftig (= beim Gericht Antrag stellen)
o Ziel: für noch gar nicht beurteilte Schäden eine neue Klage ermöglichen, die sich aus dem gleichen Lebenssachverhalt ergibt
o Voraussetzung: keine Liquidität des Schadens (pro memoria: d. h. unzureichender SV, um Schaden zu beurteilen)
o Frist: während Verfahren Antrag stellen, sonst keine Frist
Rektifikationsvorbehalt:
- Art.;
- Geltungsbereich;
- Inhalt (was will dieser Vorbehalt korrigieren);
- wie geltend machen;
- Ziel + Unterschied zum Vorbehalt späterer selbstständiger Klagen;
- Frist?
o OR 46 II
o Nur bei Schädigungen im ZH mit Körperverletzung
o Schaden aus Körperverletzung, der sich aber dann als unrichtig herausstellt, wie er prognostiziert wurde
-> zugunsten Schädigers oder Geschädigten
o Ziel & Unterschied zum Vorbehalt späterer selbstständiger Klage: Schon beurteilte Schäden, die man aber später noch berichtigen kann
o Verwirkungsfrist (= Anspruchsdahinfallen infolge Zeitablaufs) von 2 Jahren (OR 46 II; Spezialgesetz)
- > kann nicht unterbrochen werden
- > Nicht auswendig zu lernen, sondern aus Gesetz nehmen können; z. B. Elektrizitätsgesetz
- > Pro memoria:
- -> Verjährung = Weiterbestand der Forderung; abwendbar, indem der Beklagte die Verjährungseinrede erhebt
Möglichkeit des Verjährungsverzichts :
- Voraussetzung;
- wie geltend machen;
- wo am sinnvollsten;
- Frist?
- Benötigt Zustimmung der Gegenseite
- Antragsbedürtig (nicht v. A. w.)
- Macht Sinn v. a. bei Kindern, wo Situation extrem unsicher
- Nicht erforderlich: TBM OR 141, denn nach bisheriger Rspr. nicht für die ausservertragliche Haftung anwendbar
- -> Nach diesem Art. könnte nicht auf die Verjährung zum Voraus verzichtet werden
Wie steht es um die Feststellungsklagen in der Schweiz, Deutschland und Österreich? Wie hat sich das BGer im Grundsatz dazu in jüngerer Rspr. gestellt?
Voraussetzungen für Feststellungsklage sehr restriktiv; man sagt, wo irgendwie möglich, via Leistungsklage vorzugehen, da der Richter ja auch die Möglichkeit habe, den Schaden zu schätzen
A & D: Lösung via Feststellungsklage, d. h.
- > Man klagt zunächst auf Leistung hinsichtlich bereits bekannter Schadenspositionen
- > Dann noch Feststellungklage, worin auf Feststellung geklagt werden soll, dass für den Schaden vom bspw. 12. Februar der Geklagte einzustehen hat
Dieses Problem wurde durch jüngste BGer-Rspr sogar noch ein wenig verschärft; s. später
Beweislast und -mass: Grundregel?
- OR 42 I wiederholt ZGB 8: Existenz und Umfang des Schadens zu beweisen durch den Erheber der Ansprüche
- Mass: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
Welche Beweiserleichterung gibt es, wenn der Schaden nicht liquide ist?
OR 42 II, Schätzung des Richters
= Bedeutet gleichzeitig Senkung des Beweismasses: hohe Wahrscheinlichkeit genügt
-> pro memoria: “hohe Wahrscheinlichkeit” bedeutet viel mehr als 51%
Keine Beweilastumkehr !
Wo wird OR 42 II direkt, wo analog angewendet (je 1 + 1 pro memoria)?
Direkt: Schätzung des Umfangs des Schadens
Analog: für Schadenseintritt (Unterschied zum Rektifikationsvorbehalt, wo Schaden schon eingetreten) und die Schadensexistenz
-> pro memoria: in beiden Fällen Schätzung durch den Richter, wofür hohe Wahrscheinlichkeit als Beweismass genügt
Wovon befreit OR 42 II den Geschädigten NICHT?
Substantiierungspflicht: unstrittig, dass trotz 42 II der Geschädigte möglichst alle Beweise liefern muss, die für die Festsetzung des Schadens nötig sind, d. h. Verträge, Ausbildungsurkunden, etc.
Was ist die Obergrenze der Substanziierungspflicht?
Man darf aber die Substanziierungspflicht nicht soweit hochschrauben, dass die Schätzung durch den Richter obsolet wird
1) Welche Möglichkeit hat der Geschädigte bei einem Schaden, der schon eingetreten ist, der aber derzeit noch schwierig zu bestimmen ist?
2) Welche Möglichkeiten hat der Geschädigte bei einem Schaden, dessen Eintritt absehbar, aber noch ausstehend ist? Wieso könnte der Geschädigte eines dieser Instrumente bevorzugen?
1)
Bei einem anderen als einem Körperschaden (selten?):
- > Vorbehalt späterer selbstständiger Klage
- > Verjährungsverzicht
Bei einem Körperschaden:
- > Vorbehalt späterer selbstständiger Klage
- > Verjährungsverzicht
- > Rektifikationsvorbehalt (OR 46 II)
- > Schätzung durch den Richter (OR 42 II)
2)
Bei einem anderen als einem Körperschaden (selten?):
-> Vorbehalt späterer selbstständiger Klage
-> Verjährungsverzicht
Bei einem Körperschaden:
- > Vorbehalt späterer selbstständiger Klage
- > Verjährungsverzicht
- > Schätzung durch den Richter (OR 42 II)
–> OR 42 II zu bevorzugen, weil er schon Entschädigung erlaubt und nicht jahrelang gewartet werden muss, bis der Schaden liquide ist
Was bedeutet es für Geschädigte mit unsicheren Schadensverläufen, wenn das BGer wie in seiner jüngsten Rspr. von 2019 die Hürden für die richterliche Schätzung i. S. v. OR 42 II erhöht?
- Die Festellungsklage wie in D oder A ist nicht möglich
- Wenn jetzt OR 42 II, das dafür eigentlich gewissermassen “kompensiert”, restriktiver angewendet werden soll, bleibt eigentlich nur noch:
- Einerseits zumindest gefühlt ewiges Zuwarten; und
- Das Damoklesschwert der Verjährung
Grundsatz, Formel + Art. des Vorteilsausgleichs; in welchen Prüfschritt gehört es?
OR 44
- > Auch VorteilsANRECHNUNG genannt
- > verdeutlicht, wo es hingehört: Schadensberechnung (1. Schritt)
Grundsatz:
(Vermögens-)Vorteile werden dem Bruttoschaden abgezogen = hilft dem Schädiger
FORMEL:
Brutto-Schaden (Differenztheorie)
- gegenwärtiger oder künftiger (Vermögens-)Vorteil des Geschädigten
= massgeblicher Schaden (= Grundlage für die Ersatzbemessung)
Was sind die 2 Arten der Vorteilsanrechnung + je 1 Bsp.?
- Mein Vermögen wurde infolge schädigendes Ereignis nicht vermindert
- >Bsp.: Durch X werde ich ins Krankenhaus befördert/ bleibe dort -> während dieser Zeit erspare ich z. B. Verpflegung -> diese Vorteile sind anzurechnen - Mein Vermögen hat nur infolge schädigendes Ereignis und des Ersatzes gewachsen (umgekehrt)
- > Z. B. X beschädigt mir Sachen/ muss sie ersetzen/ die haben noch Restwert -> kann ein solcher Vorteil angerechnet werden? -> dazu kommen wir gleich;
- > war Frage an Klausur im “letzten Jahr” (2019?)
Woraus ergibt sich die Vorteilsanrechnung, ausser OR 44?
- Differenztheorie
- Bereicherungsverbot