Teil I. C2: Grundlagen VVG Flashcards
Will das VVG jemanden schützen? Gibt es einen Vertragszwang? Welche Interessen sind zu berücksichtigen, wann laufen sie zusammen?
- VVG = Konsumentenschutz
- > Mit relativ zwingenden und zwingenden Normen
- Vertragsfreiheit, kein Versicherungszwang (beidseitig!)
- Interessen Versicherungsnehmer (VN) sind meist deckungsgleich mit denen aller Versicherten, aber nicht immer
Prinzip der Versicherung von Risiken?
Risiken müssen (örtlich und zeitlich) begrenzbar sein;
-> Versicherung funktioniert nicht, wenn alle VN gleichzeitig Risikofall erleiden -> Diversifikation
Wie sieht der Deal zwischen VR und VN aus (3 + 3 Unterpunkte)?
VR: Risikoübernahme
- > Versicherte Gefahr (gefährdetes Element)
- > Versichertes Interesse (gefährdetes Element)
- > Versicherte Leistung (Versicherungssumme)
VN: Prämie
= Dauerschuldverhältnis
Wie kommt der Versicherungsvertrag (VV) zustande? Formvorschrift?
Antrag und Annahme, VVG 1
-> geht noch davon aus, der VN den Antrag stellt; heute kriegt man aber nach dem Ausfüllen eines Online-Formulars mal einige Offerten zugeschickt
Antrag VN formfrei möglich
Formfreiheit der Annahmeerklärung des Versicherers (z.B. Zusendung einer Police)
Bindungsfrist des Antragstellers?
VVG 1 I: 14 Tage
VVG 1 II: Falls ärztliche Untersuchung nötig, 4 Wochen
VVG 1 III+IV: Modalitäten
- > Zweck: Zeit für den Versicherer zur Prüfung des Risikos
- > Wobei, es gibt auch Bereiche, wo Risiko VN keine Rolle spielt (z. b. Reiseversicherung)
Essentialia negoti des VV (5)?
- Versicherte Gefahr
- Versichertes Interesse
- Leistung des Versicherers
- Prämie
- Vertragsdauer
Was hat der VR dem VN bekannt zu machen, wenn letzterer den VV beantragt oder annimmt? Was, wenn er das nicht tut?
VVG 3 = Informationspflicht Versicherer
Inhalt: Abs. 1
VVG 3a, Verletzung der Informationspflicht: Befristetes Kündigungsrecht für Versicherungsnehmer
= klassisches Konsumentenschutzrecht
Was ist das Schema bei der Anzeigepflicht?
s. Schema in Kursnotizen S.12:
VVG 4: Anzeigepflicht bei Vertragsabschluss
VVG 6: Verletzung der Anzeigepflicht?
-> ja: Kündigung innert Frist von 4 Wochen (VVG 6 II, Wahlrecht VR)?
–> nein: Vertrag bleibt bestehen, Leistungspflicht gegeben
–> ja: Vertrag wird aufgelöst. Schadeneintritt vor oder nach Auflösung?
—-> Nach Auflösung: Keine Leistungspflicht
—-> Vor Auflösung: Verletzung kausal für Eintritt oder Umfang des Schadens (VVG 6 III)?
——> Nicht kausal: Leistungspflicht
——> kausal: Keine Leistungspflicht
Anwendungsbereich der Anzeigepflicht?
- Persönlich: Antragsteller
- Zeitlich: Vorvertraglich (ab Antrag bis Vertragsschluss)
Rechte und Pflichten von VVG 4 ff.?
- Fragerecht VR
- Anzeigepflicht VN
Was ist eine Gefahrstatsache? Was sind indizierende Umstände?
- Gefahrstatsachen = Tatsachen, dies sich auf das Risiko oder auf die Gefahr auswirken. In zwei Arten möglich:
o Schadeneintrittsgefahr
o Schadenumfangsgefahr
indizierende Umstände: haben Einfluss auf das Risiko (z. B. Bauart eines Hauses für Feuergefahr etwa Beton- vs. Holzhaus)
Was ist das Fragerecht des Versicherers? Voraussetzungen?
VVG 4 III: «in bestimmter, unzweideutiger Fassung»
TBM:
1) Fragen müssen im ZH mit Gefahr sein und
2) sie müssen in einer allg. verständlichen Sprache sein (häufig ja/nein Fragen)
Sind folgende Bsp. zulässig unter dem Fragerecht des Versicherers:
«Haben Sie kürzlich einen Arzt zu Rate gezogen?»
«Standen Sie in den letzten 5 Jahren in längerer ärztlicher Behandlung?»
«Leiden Sie an Lumbago?»
«Leiden Sie an einer der aufgezählten Krankheiten […] oder einem anderen ernst zu nehmenden Leiden?»
«Haben Sie kürzlich einen Arzt zu Rate gezogen?»
o Bsp. 1 auf Slide: «kürzlich»? -> gem. Gericht lässt einen Schluss auf die Gegenwart zu; umfasse auch 6-7 Wochen; daher zulässige Frage i. S. v. VVG 4 III (= bestimmte und eindeutige Frage)
«Standen Sie in den letzten 5 Jahren in längerer ärztlicher Behandlung?»
o Bsp. 2: “längere“? -> Nicht zulässig (≠ bestimmte und eindeutige Frage)
«Leiden Sie an Lumbago?»
o Bsp. 3: “Lumbago?» -> gem. Gericht nicht bekannt genug
«Leiden Sie an einer der aufgezählten Krankheiten […] oder einem anderen ernst zu nehmenden Leiden?»
o Bsp. 4: “ernstzunehmend»? -> unzulässig
Was ist die Rechtsfolge, wenn eine Frage des VR unzulässig ist?
Falls Frage unzulässig, keine Rechtsfolge bei mangelhafter Beantwortung
Pflicht zur Anzeige des VN: Inhalt (3), Formvorschrift (1) und Grenze (1)?
Inhalt:
-> VN muss sämtliche Fragen beantworten – aber nur solche, die ihm der Versicherer stellt. Von sich aus muss er nichts angeben
- > Dies mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt
- > Umfasst alles, was bekannt ist oder bekannt sein müsste = objetkvierter Massstab
Schriftform im Antragsformular
Grenzen: Persönlichkeitsschutz
-> aktuell: Gendaten vom VN zur Vfg. Zu stellen? Derzeit sicher noch keine Pflicht
Wie definiert sich die “Erheblichkeit” einer Tatsache? Wann wird sie vermutet?
VVG 4 II + III: Hypothetischer Wille im konkreten Fall: «Hätte der Versicherer in Kenntnis der Wahrheit den Vertrag gleich abgeschlossen?» -> Kausalität zum “Underwriting-Entscheid”
Erheblichkeit vermutet, wenn Frage gestellt (VVG 4 III); Beweis Gegenteil möglich
Ist in den folgenden Fällen die Erheblichkeit gegeben:
Private Unfallversicherung: Selbständiger Handwerker litt vor 9 Jahren unter Rückenschmerzen mit Arbeitsunterbruch von 3 Monaten
Lebensversicherung: Gelegentlicher Konsum von Cannabis als Student vor 10 Jahren (vgl. BGE 136 III 334, Pra 2011, 134)
Auto-Kaskoversicherung: Häufigster Lenker eines Autos ist ein Ausländer
Private Unfallversicherung: Selbständiger Handwerker litt vor 9 Jahren unter Rückenschmerzen mit Arbeitsunterbruch von 3 Monaten
= erheblich (Gegenteil angesichts langen Zeitraums vertretbar)
Lebensversicherung: Gelegentlicher Konsum von Cannabis als Student vor 10 Jahren (vgl. BGE 136 III 334, Pra 2011, 134)
= unerheblich
-> Im Urteil: Erheblichkeit verneint, da 1/3 aller Jugendlichen kiffen; es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Versicherer mit 1/3 der Bevölkerung keinen Vertrag abschliessen würde
Auto-Kaskoversicherung: Häufigster Lenker eines Autos ist ein Ausländer
= erheblich (allerdings Entscheid von 1985)