Strafrecht AT I/ob Flashcards
aberratio ictus
Bei der aberratio ictus tritt der Taterfolg bei einem anderen als dem vom T anvisierten Tatobjekt ein.
Abgrenzungstheorien: Täterschaft/Teilnahme
TATHERRSCHAFTSLEHRE/MATERIELL-OBJEKTIVE THEORIE
Täter ist, wer obj. das “Ob” und das “Wie” der TB-Verwirklichung beherrscht und einen entsprechenden Willen besitzt.
Teilnehmer ist, wer das “Ob” und das “Wie” der Tat vom Willen eines anderen abhängig macht und damit (ohne eigene Tatherrschaft) die Tat veranlasst oder fördert.
FORMELL-OBJEKTIVE THEORIE
Täter ist, wer die tatbestandliche Ausführungshandlung ganz oder teilweise selbst vornimmt.
Teilnehmer ist, wer zur TB-Verwirklichung nur durch eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beiträgt.
SUBJEKTIVE THEORIE
Täter ist, wer einen Tatbeitrag mit Täterwillen leisten. Täterwille besitzt, wer die Tat als eigene will.
Teilnehmer ist, wer einen Tatbeitrag mit Teilnehmerwillen leistet. Teilnehmerwillen besitzt, wer die Tat als fremde will.
Adäquater Kausalzusammenhang
Als adäquat kausal gilt jede Tathandlung, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allg. Lebenserfahrung geeignet ist, einen Taterfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen oder mind. zu begünstigen.
- Mitverschulden Opfer/eines Dritten
- Material-/ Konstruktionsfehler
Aggressivnotstand vs. Defensivnotstand
Ein Aggressivnotstand liegt vor, wenn mit der Notstandshandlung in Rechtsgüter eines unbeteiligten Dritten eingegriffen wird.
Ein Defensivnotstand liegt vor, wenn mit der Notstandshandlung in die Rechtsgüter eines Dritten eingegriffen wird, von dem die Gefahr ausgeht.
Alternative Kausalität
Bei der alternativen Kausalität bewirken mehrere Ursachen den Taterfolg.
Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele, ist jede kausal.
Anstiftung: Bestimmen
> T müsste den Entschluss zu einer rechtswidrigen Tat bei einem anderen hervorrufen.
Dies bedarf einen geistigen Kontakt.
> Das motivierende Verhalten des Anstifters muss kausal für den Tatentschluss sein, wobei eine Mitursächlichkeit ausreicht.
Auch ein Tatgeneigter kann angestiftet werden, solange er zur konkreten Tat noch nicht entschlossen ist.
Beginn der Ausführung
T muss mit der Ausführung der Tat begonnen haben.
Dazu gehört jede Tätigkeit, die nach seinem Tatplan auf dem Weg zur TB-Verwirklichung den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es i.d.R. kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung erschweren oder verunmöglichen (Schwellentheorie).
T muss sich dabei in räumliche und zeitliche Tatnähe begeben und den Point-of-no-return gem. Schwellentheorie überschreiten und eine konkrete Gefährdung des Rechtsgutes bewirken.
Bewusste Fahrlässigkeit
Bei der bewussten Fahrlässigen hält T den Taterfolg für möglich, vertraut aber auf dessen ausbleiben (StGB 12 III in fine).
Direkter Verbotsirrtum
T könnte sich in einem direkten Verbotsirrtum befinden i.S.v. StGB 21
Dazu muss T den SV zwar richtig erkennen, diesen aber zu seinen Gunsten rechtlich falsch würdigen.
T müsste sein Verhalten fälschlicherweise für nicht verboten halten, da er
- die Verbotsnorm nicht kennt
- oder deren Reichweite verkennt
Echtes Unterlassungsdelikt
Echte Unterlassungsdelikte sind bereits im Gesetz als Unterlassung beschrieben (vgl. StGB 127, 128 I).
Garantenstellung ist möglich (Vernachlässigung Unterhaltspflichten) , aber nicht zwingend erforderlich (Unterlassung der Nothilfe).
Einwilligung
T könnte durch Einwilligung gerechtfertigt sein.
OBJ TB
a) Eine Einwilligung ist nur zulässig bei einem Eingriff in Individualrechtsgüter - O muss Verfügungsbefugnis darüber haben
b) Die Einwilligungsfähigkeit setzt die Urteilsfähigkeit voraus.
Bei Fehlen: Einwilligung der gesetzlichen Vertretung, Patientenverfügung
c) Für eine wirksame Einwilligungserklärung braucht es
- Kundgabe vor der Tat
- Aktualität zur Zeit der Tat
- Freiwilligkeit (d.h. es dürfen keine Willensmängel vorliegen)
- bei medizinisch-ärztlicher Behandlung eine zureichende Eingriffsaufklärung (Diagnose, Verlauf, Risiko)
SUBJ TB
Der Täter muss in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung handeln.
- In eine schwere Körperverletzung oder ein Lebensrisiko kann nur bei Vorliegen verrtetbarer Gründe eingewilligt werden.
- Bei Dauerdelikten muss die Einwilligung über die ganze Zeit vorliegen.
Entschuldbarer Notstand
OBJ TB
a) Notstandslage
- unmittelbar drohende, gegenwärtige Gefahr
- für hochwertiges Individualrechtsgut
b) Notstandshandlung
- Eignung
- Erforderlichkeit (nicht anders abwenbar)
- Presigabe des gefährdeten Rechtsgutes zumutbar?
JA: StGB 18 I
NEIN: StGB 18 II
SUBJ TB
T muss in Kenntnis und aufgrund der Notstandslage (d.h. mit Rettungswillen) handeln.
entschuldbarer Notwehrexzess
Gem. StGB 16 II muss der Abwehrende die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff überschreiten, damit er nicht schuldhaft handelt.
Tendenziell sind damit höchstens asthenische Affekte - Reaktionen aus Angst oder Panik - gemeint.
Erlaubnistatbestandsirrtum (ETI)
T könnte sich in einem SV-Irrtum in der Form eines Erlaubnistatbestandsirrtums (ETI) befinden.
Konkret könnte T in Putativnotwehr gem. StGB 15 i.V.m. StGB 13 I handeln.
Dazu muss T irrtümlich einen SV annehmen, bei dessen Vorliegen die Voraussetzungen der Notwehr gegeben wären.
z.B.:
Putativnotwehr
Putativnotstand
Putativeinwilligung
ETI ist nach den Regeln des SV-Irrtums zu beurteilen (vgl. StGB 13II)
error in persona (vel objecto)
Beim error in persona (vel objecto) tritt der Taterfolg beim anvisierten Tatobjekt ein und T irrt bloss über die Identität oder Qualität des Opfers.
Eventualvorsatz
Beim Eventualvorsatz sieht T den TB-mässigen Erfolg nicht mit Sicherheit voraus, hält diesen jedoch für ernsthaft möglich und nimmt ihn auch in Kauf.
Eine solche Inkaufnahme ist bereits dann gegeben, wenn er sich mit dem Erfolg abfindet, selbst wenn dieser unerwünscht ist.
Eventualvorsatz ist von bewusster Fahrlässigkeit zu unterscheiden.
extensiver Notwehrexzess
Beim extensiven Notwehrexzess überschreitet der Täter die Grenzen von StGB 15 in zeitlicher Hinsicht.
Daher fehlt es eigentlich bereits an einer Notwehrlage, weshalb die h.L. den extensiven Notwehrexzess nicht unter StGB 16I subsumiert.
Diskutierbar: zeitlich geringfügige Überdehnung
Schema: Fahrlässige actio libera in cause (a.l.i.c.)
A. STRAFBARKEIT WEGEN DES JEWEILIGEN DELIKTS
I. TB (nur möglich, falls fahrlässige Herbeiführung unter Strafe)
II. RW
III. fehlende/verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt (StGB 19 I/II)
B. STRAFBARKEIT WEGEN FAHRLÄSSIGER A.L.I.C i.V.m. TB DES JEWEILIGEN DELIKTS
I. TB
1) Sorgfaltspflichtverletzung
- Pflichtwidriges Herbeiführen des Defektzustandes unter Inkaufnahme oder pflichtwidriges Nichterkennen, dass in diesem Zustand eine Straftat begangen wird.
- beim Erfolgsdelikt: Voraussehrbarkeit des wesentlichen Kausalverlaufs, Erfolg, Pflichtwidrigkeitszusammenhang
- Obj. Bedingung der Strafbarkeit ist die Verwirklichung des Delikts im “Defektzustand”
II. RW
III. Schuld
a) Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Herbeiführung des Schuldausschliessungsgrundes
b) Subjektiver Sorgfaltsverstoss bei subj. Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit
Fahrlässigkeit: Gefahrensatz
Da im SV keine spezifische Sorgfaltsnorm gegeben ist, muss T gegen den Gefahrensatz verstossen.
Laut Gefahrensatz muss derjenige, der eine Gefahr für ein fremdes Rechtsgut schafft oder vergrössert, alles Zumutbare vorkehren, um zu verhindern, dass sich die Gefahr realisiert.
Ist das nicht möglich, muss die Tätigkeit insgesamt unterlassen werden.
‣ Verbot fremde RG zu gefährden ‣ Unterlassungpflicht bei Handlungen, die gefährlich, aber sozial nützlich sind
Fahrlässigkeit: obj. Vermeidbarkeit
Der Taterfolg muss objektiv vermeidbar sein.
Dabei wird im Sinne eines hypothetischen Kausalverlaufs geprüft, ob der Taterfolg bei pflichgemässem Verhalten des T ausgeblieben wäre.
Fahrlässigkeit: obj. Vorhersehbarkeit
Der Taterfolg muss für T obj. vorhersehbar sein.
Dazu muss der wesentliche Kausalverlauf und der Erfolg nicht so sehr ausserhalb der Lebenserfahrung stehen, dass mit ihnen nicht gerechnet zu werden brauchte.
Fahrlässigkeit: Sorgfaltsnorm
Sorgfaltsnormen regeln gefährliche Tätigkeiten und finden sich im Gesetz (z.B. SVG, WG) oder in privaten Regelwerken (z.B. FIS-Regeln)
Freiwillige Gefahrengemeinschaft
Eine freiwillige Gefahrengemeinschaft liegt vor, wenn sich mind. zwei Personen zusammenschliessen im Vertrauen auf gegenseitige Hilfe und mit dem Zweck, eine Gefahr gemeinsam zu bewältigen.
Garantenstellung
Gem. StGB 11 II ist Garant, wer aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist, einzugreifen und den Erfolgseintritt abzuwenden.
Kann sich ergeben aus:
> Gesetz
Vertrag
freiwilliger Gefahrengemeinschaft
Ingerenz
Gehilfenschaft
T könnte Gehilfe i.S.v. StGB 25 sein.
Dazu müsste er vorsätzlich und in untergeordneter Stellung die Vorsatztat eines anderen fördern.
2 Arten von Gehilfenschaft
> Physische (Hilfsmittel, Transport, Verschaffen von Infos)
> Psychische (Ermutigen, Tatentschluss stützen/bestärken, Erteilen von Ratschlägen, Versprechen von Hilfe nach Tat)
Gehilfenschaft: Hilfeleisten
Als Hilfeleistung gilt jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung anders abgespielt hätte.
Es braucht also eine Förderkausalität.
Der Gehilfe muss die Erfolgschancen der Haupttat erhöhen.
Nicht nötig ist, dass der Taterfolg ohne den Tatbeitrag entfällt.
Die Hilfeleistung kann entweder physischer oder psychischer (z.B. Ermutigen) Natur sein.
Grob unverständiger Versuch
Es könnte ein grob unverständiger Versuch nach StGB 22 II vorliegen.
Dazu müssen Tatmittel und Tatobjekt offensichtlich völlig ungeeignet sein.
T muss durch sein Handeln einen völligen Unverstand der Lebenswirklichkeit und anerkannter Erfahrungsgrundsätze an den Tag legen.
Die Untauglichkeit, die von jedem normal denkenden Menschen ohne Weiteres erkannt werden könnte, muss T nur aus besonderer Dummheit verkannt haben.
Ingerenzprinzip
Gemäss dem Ingerenzprinzip muss derjenige, der eine Gefahr für ein fremdes Rechtsgut schafft oder vergrössert, alles Zumutbare vorkehren, um zu verhindern, dass sich die Gefahr im Taterfolg realisiert.
Indirekter Verbotsirrtum
T könnte sich in einem indirekten Verbotsirrtum i.S.v. StGB 21 befinden.
Dazu muss T den SV zwar richtig erkennen, diesen aber zu seinen Gunsten rechtlich falsch würdigen.
T müsste irrig die Ausnahme von einem ihm bekannten generellen Verbot annehmen aufgrund eines
- Irrtums über das Anerkanntsein eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes
- Irrtums über die Reichweite (Grenzen) eines anerkannten Rechtferitgungsgrundes
Lex specialis: StGB 16
Irrtümer: (unbeachtlicher) Subsumtionsirrtum
Es könnte ein unbeachtlicher Subsumtionsirrtum vorliegen.
Dazu müsste T eine Parallelwertung in der Laiensphäre vollzogen haben.
Ein darüber hinausgehender Subsumtionsirrtum wäre unbeachtlich und wäre höchstens im Rahmen der Schuld zu prüfen.
Irrtümer: Übersicht
zugunsten des Täters
SV-Irrtum
> TB Irrtum
> ETI
> Entschuldigungs-TB-Irrtum
Rechtsirrtum/Verbotsirrtum
> direkter Verbotsirrtum
> indirekter Verbotsirrtum
> (Entschuldigungsirrtum)
zuungunsten des Täters
SV-Irrtum
> (untauglicher) Versuch
> (untauglicher) Versuch (str.)
> Irrtum ohne Einfluss, Täter voll strafbar
Rechts-/Verbotsirrtum
> (strafloses) Putativ-/Wahndelikt
Kumulative Kausalität
Bei der kumulativen Kausalität bewirken erst mehrere Ursachen zusammen den konkreten Taterfolg.
In diesem Fall gilt jede Handlung für sich alleine als kausal.
limitierte Akzessorietät
Gemäss dem Prinzip der limitierten Akzessorietät verlangen Anstifung und Gehilfenschaft eine vorsätzliche, mind. versuchte, rechtswidrige Haupttat.
Mittelbarer Täter
Mittelbarer Täter ist, wer als Hintermann einen Vordermann als handelndes Werkzeug braucht.
Dabei handelt der Vordermann mit einem Vorsatz- oder Schulddefekt.
Diese Tatherrschaft kann in einer Willens- oder Wissensherrschaft bestehen.
Mittelbarer Täter: Willensherrschaft
Bei einer Willensherrschaft übt der mittelbare Täter bestimmenden Einfluss durch willensbrechenden/willensbeugenden Zwang im Sinne einer vis compulsiva aus.
Mittelbarer Täter: Wissensherrschaft
Bei einer Wissensherrschaft übt der mittelbare Täter bestimmenden Einfluss durch Herbeiführen oder Ausnutzen eines Irrtums aus.
Mittäter
Mittäter ist, wer bei Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Delikt vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen tatherrschaftlich zusammenwirkt, sodass er als Hauptbeteiligter dasteht.
Der Mittäter muss einen Tatbeitrag leisten, welcher nach den konkreten Umständen und dem Tatplan für die Deliktsausführung so wesentlich ist, dass die konkrete Tat mit seinem Tatbeitrag steht oder fällt.
Mittäterschaftsexzess
Der gemeinsame Tatentschluss begründet und begrenzt die Mittäterschaft.
Handlungen von Mittätern, welche nicht vom gemeinsamen Tatentschluss getragen sind, können den anderen Tätern nicht zugerechnet werden.
In diesem Fall liegt ein Mittäterschaftsexzess vor.
(Beachte aber: mittels eines nachträglichen Tatentschlusses kann auch in diesen Fällen Mittäterschaft vorliegen)