Referendariat: Relation Flashcards
Relationstechnik
Sinn und Zweck
- Denk- und Arbeitsmethode zur praktischen Rechtsfindung, die nur im Kopf stattfinden soll und sich nicht im Urteil niederschlägt
- Schnelle und kostengünstige Erledigung des Rechtsstreits
- Vermeidung unnötiger Arbeit und Kosten
- Beweisaufnahme darf nur durchgeführt werden, wenn diese erforderlich ist, aus § 300 I ZPO hergeleitet.
Relationstechnik
Zwingende Regeln der Relationstechnik
- Zulässigkeit vor Begründetheit
- Schlüssigkeit und Erheblichkeitsvorbringen vor Beweiserhebung
- Kläger: Hauptantrag vor Hilfsantrag.
- Beklagter: Hauptverteidigung vor der Hilfsaufrechnung.
Relationstechnik
Prüfungsaufbau
- Prozessstation = Zulässigkeit der Klage
- Sachstation = Begründetheit der Klage
Eine Sachprüfung ist nur möglich soweit die Parteien etwas dargelegt haben (Beibringungsgrundsatz)
a) Klägerstation = Schlüssigkeitsprüfung
Ist die Klage nach dem Vortrag des Klägers begründet?
b) Beklagtenstation = Erheblichkeitsprüfung
Ist die Klage nach dem Vortrag des Beklagten ganz oder teilweise unbegründet?
c) ggfs. Replik des Klägers zu Einreden des Beklagten (iSd ZPO)
Kläger muss die tatsächlichen Voraussetzungen der Einreden bestreiten
Eventuell auch: Duplik des Beklagten und Triplik des Klägers
- Beweisstation
- Entscheidungsstation oder Tenorierungsstation
Wenn weiteres zu veranlassen: Hinweis- oder Beweisbeschluss.
Wenn entscheidungsreif: Welchen Tenor hat das Urteil?
Relationstechnik
Prozessstation
Zulässigkeit der Klage
Auf Einzelheiten wird nur eingegangen, wenn ein Zulässigkeitsproblem oder Besonderheiten (zB Feststellungsinteresse) bestehen.
Sonst gar keine Ausführungen oder ein Satz.
“Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.”
Ist die Klage unzulässig ist sie nach Erteilung eines Hinweises und der Gelegenheit zur Stellungnahme und eventueller Heilung abzuweisen (Prozessurteil) .
Relationstechnik
Checkliste für die Zulässigkeit
A) Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
- § 15 Abs 1 EGZPO iVm § 53 JustG NRW
- Ordnungsgemäße Klageerhebung: § 253 ZPO (+ § 78 ZPO)
- Gerichtsbezogene Sachentscheidungsvoraussetzungen
- Zivilrechtsweg, § 13 GVG
- sachliche Zuständigkeit, §§ 23, 71 GVG, ggf. §§ 38-40 ZPO
- örtliche Zuständigkeit, §§ 12 ff. ZPO, ggf. § 38-40 ZPO
- Parteibezogene Sachentscheidungsvoraussetzungen
- Parteifähigkeit, § 50 ZPO
- Prozessfähigkeit, §§ 51, 52 ZPO
- Prozessführungsbefugnis, § 51 ZPO
- streitgegenstandsbezogene Sachentscheidungsvoraussetzungen
- Rechtsschutzbedürfnis
- keine anderweitige Rechtshängigkeit
- keine entgegenstehende Rechtskraft, § 322 ZPO
- lediglich auf Rüge zu beachten
- Anwaltliche Bevollmächtigung, § 88 Abs. 1 ZPO
- Auslandsangelegenheiten zur Prozesskostensicherheit, §§110ff.ZPO
- Neue Klageerhebung nach Klagerücknahme, § 269 Abs. 6 ZPO
- Schiedsvereinbarung, § 1032 Abs. 1 ZPO
B) Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen
So zB Feststellungsinteresse bei Feststellungsklage, § 256 Abs. 1 ZPO, Klage auf künftige Leistung §§ 257 - 259 ZPO, Urkundenprozess §§592ff. ZPO, Mieterhöhungsklage, § 558 b Abs. 2 BGB
Relationstechnik
Sachstation: Klägerstation
Schlüssigkeitsprüfung
Lassen die vom Kläger dargelegten Tatsachen den Schluss zu, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht.
Der Sachvortrag ist nur dann schlüssig, wenn die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht in der Person des Klägers als entstanden erscheinen zu lassen (Maßgeblicher Zeitpunkt: letzte mündliche Verhandlung).
- Was begehrt der Kläger?
Das Klageziel ergibt sich aus dem Klageantrag. Unklarheiten müssen ausgelegt werden, Grenze: § 308 I ZPO “ne ultra petitia”.
- Woraus kann der Anspruch geltend gemacht werden?
- Such die AGL. - Legt der Kläger genug Tatsachen dar?
Keine Ermittlung von Amtswegen (Beibringungsgrundsatz)
Jede Partei hat die tatsächlichen Voraussetzungen der Normen, aus denen sie eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet, darzulegen und, sofern streitig, zu beweisen.
- Nur Tatsachen sollen dargelegt werden, Rechtsansichten und Ausführungen sind nur Anregungen an das Gericht.
- Der Kläger soll alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorbringen.
- Der Umfang der Darlegungslast ist dynamisch: Einzelheiten sind nicht erforderlich, eine bloße Behauptung reicht.
Wird der Vortrag durch Bestreiten unvollständig muss substantiiert werden (Vertiefen und Konkretisieren), § 138 Abs. 2 ZPO
- Der Schlüssigkeitsprüfung wird alles zugrundegelegt was der Kläger an Tatsachen darlegt, gleich ob es ihm nützt oder schadet.
- Streitiges Vorbringen wird als wahr unterstellt.
- Es sind sämtliche in Betracht kommenden AGL zu prüfen.
Ist die Klage unschlüssig, wird sie, nach Erteilung eines Hinweises und Gelegenheit zur Stellungnahme und Ergänzung des Vortrags, abgewiesen.
Die Klage kann auch nur zum Teil “im Übrigen” abgewiesen werden.
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Sachstation: Beklagtenstation
Erheblichkeitsprüfung
Das Vorbringen des Beklagten ist erheblich, wenn es geeignet ist, die Klage ganz oder teilweise zu Fall zu bringen.
- Bestreiten
- ausdrücklich oder konkludent leugnen, § 138 Abs. 3 ZPO
- qualifiziertes Bestreiten mit Tatsachen
- Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO
- salvatorisches Bestreiten ist als Leerformel unzulässig. - Gegenrechte (Einwendungen und Einreden)
Vortrag zu anspruchshindernden, vernichtenden oder hemmenden Gegennormen.
- Ist die Tatsache rechtlich brauchbar?
Bei Bestreiten: Ist es zulässig, wirksam und rechtzeitig, §§ 282, 296, 296a ZPO
Tatsachen sind zu prüfen ob sie die Entstehung des Anspruchs verhindern oder ob sie ein Gegenrecht begründen.
- Ist genügend dargelegt?
Der Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Tatsachen, mit rechtshindernder, vernichtender, hemmender Wirkung.
- Ist die Tatsache gesamterheblich?
Es reicht nicht aus wenn nur eine AGL durch den Vortrag des Beklagten fällt, wenn die Klage durch eine andere AGL Erfolg hat.
- Es wird alles zugrunde gelegt was der Beklagte dargelegt hat, ob günstig oder ungünstig.
- Streitiges Vorbringen wird als wahr unterstellt.
Ist keine Tatsache gesamterheblich, so ist die Klage begründet.
Ist eine Tatsache beweiserheblich, so ist darüber Beweis zu erheben.q
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Sachstation: Beweisstation
Wird nur erreicht wenn die Parteien über entscheidungserhebliche Tatsachen streiten.
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Tenorierungs- und Entscheidungsstation
Die Bezeichnung und der Inhalt der Prüfung richtet sich danach ob die Sache entscheidungsreif ist - dann Tenorierung. Sonst: Entscheidung.
Entscheidungsstation:
Bei einer nicht entscheidungsreifen Sache ist das weitere Vorgehen herauszuarbeiten: Beweis-, Hinweis- und/oder Auflagenbeschluss.
Tenorierungsstation:
Urteilstenor bestehend aus
- Hauptsacheentscheidung
- Kostenentscheidung
- Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
- Zulassung eines Rechtsmittels
Prozessmaximen
Dispositionsmaxime = Verfügungsgrundsatz
Beginn, Art, Gegenstand und Ende des Verfahrens wird von den Parteien bestimmt.
Beginn: Klageerhebung nach § 253 ZPO oder durch Rechtsmittel wenn schon ein erstinstanzliches Verfahren besteht.
Arten:
- Normales Zivilverfahren § 253 ZPO,
- Mahnverfahren § 688 ff. ZPO,
- Urkunds- Scheck- und Wechselverfahren § 599,
- Selbstständiges Beweisverfahren (Tatsachenfeststellung durch eigene Energie),
- Einstweiliger Rechtsschutz §§ 916, 935 ZPO
Gegenstand: Durch Antrag bestimmt. Der Richter ist an den Antrag gebunden, § 308 I ZPO.
Zulässig bleibt ein Minus, zB Klageabweisung im Übrigen.
Beendigung:
- Rücknahme, § 269 ZPO
- Vergleich, § 794 I Nr. 1 ZPO,
- Urteil / Beschluss weg. Erledigung
- Anerkenntnis, § 307 ZPO
- Klageverzicht, § 366 ZPO
- Versäumnisurteil, § 330 ZPO
Prozessmaximen
Verhandlungsmaxime = Beibringungsgrundsatz
Die Parteien entscheiden welche Tatsachen in den Rechtsstreit eingebracht werden.
Durchbruch:
- Richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht, § 139 ZPO
- informatorische Anhörung der Parteien, § 141 ZPO
- Vorlageanforderung von Urkunden, § 142 ZPO
- Augenscheinnahme/Sachverständige von Amts wegen, § 448 ZPO
- Parteivernehmung von Amts wegen, § 448
- Freie Beweiswürdigung, § 286 ZPO
Prozessmaximen
Mündlichkeitsgrundsatz
Es ist nur verwertbar was mündlich in die Verhandlung eingebracht wurde. Anträge sind nur Vorankündigungen, auf die jedoch Bezug genommen werden kann, § 137 III, § 128 II und III ZPO
Es ist grundsätzlich eine mündliche Verhandlung erforderlich, § 128 I ZPO
Ausnahme:
- Schriftliches Verfahren nach Zustimmung der Parteien, § 128 III ZPO
- Entscheidung nach Aktenlage, wenn die eine Partei nicht erscheint, §§ 251a, 331a ZPO
- Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren, § 331 III ZPO
- Verfahren nach billigem Ermessen bei einem Streitwert bis 600 Euro, § 495a ZPO (auf Antrag: mündliche Verhandlung erforderlich).
Prozessmaximen
Unmittelbarkeitsgrundsatz, §§ 309, 355 ZPO
Verhandlung und Beweisaufnahme erfolgen unmittelbar vor dem erkennenden Gericht.
Ausnahmen:
- Beauftragter Richter, § 361
- Ersuchter Richter, § 362
- Videoverhandlung, § 128a
ZB Beweisaufnahme durch den beauftragten Richter. Augenscheinnahme oder Zeugenvernehmung.
Prozessmaximen
Öffentlichkeitsgrundsatz, §§ 169 - 175 GVG
Die mündliche Verhandlung ist im Rahmen der Möglichkeiten öffentlich.
Ausnahme: Familiensachen und Ausschluss der Öffentlichkeit
Prozessmaximen
Konzentrationsmaxime = Beschleunigungsgrundsatz
Die Verhandlung soll möglichst schnell und in einem umfassend vorbereiteten Termin erfolgen.
Hierzu dienen Fristen und die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (Präklusion nach § 269 I).
§§ 216, 275, 276.