Kapitel 2 - Ethik, Moral und Gesetze Flashcards
3 Formen von Ethik
- Metaethik (Betrachtungen über die normative Ethik; z. B. Gibt es moralische Werte?)
- Normative Ethik (Wie soll ich handeln?)
- Angewandte Ethik (Fokussierung auf einen bestimmten menschlichen Lebensbereich und dessen typische Fragestellungen; z. B. Ist aktive Sterbehilfe moralisch zulässig?)
3 Formen von normativer Ethik
- Deontologie
- Utilitarismus
- Tugendethik
3 Arten von Aussagen
- Deskriptive Aussage: “Du hast gelogen.”
- Präskriptive Aussage: “Du sollst nicht lügen.”
- Normative Aussage: “Lügen ist falsch.”
Normative (ethische) Theorien
Normative (ethische) Theorien: Wie sollte die Welt sein? Wie sollen wir handeln?
Leitet aus normativen Überlegungen präskriptive Aussagen ab(Handlungsanweisungen in Form von Imperativen/Sollenssätzen).
- Aus Nicht-Können folgt Nicht-Sollen: Eine normative Theorie ist abzulehnen, wenn es für uns Menschen prinzipiell unmöglich ist, ihren Forderungen nachzukommen (z.B. „Du sollst 10m hoch springen!“).
- Aus Sein folgt kein Sollen (vgl, Humes Gesetz): Eine normative Theorie verliert nicht an Relevanz, wenn Menschen sich häufig oder sogar meistens nicht an ihre präskriptiven Aussagen halten (z.B. wenn wir manchmal lügen folgt daraus nicht, dass man lügen soll).
Umgekehrt gilt, wenn Menschen sich immer entsprechend einer normativen Theorie verhalten, ist die normative Theorie überflüssig. - Normative Theorien bewerten nicht nur Verhalten sondern auch reine Überzeugungen oder Emotionen (z.B. rassistisches Gedankengut ist abzulehnen, auch wenn es sich nicht in entsprechenden Verhaltensweisen äußert).
Ethik vs. Moral
Ethik: Bezieht sich auf die allgemeine Lebensführung (z.B. „Was ist ein gutes Leben?“)
Moral: Unterklasse der ethischen Handlungsvorschriften, die sich auf zwischenmenschliche Verhaltensweisen bezieht (z.B. „Wie soll ich mich gegenüber meinen Mitmenschen verhalten?“). In jüngerer Zeit auch erweitert auf nichtmenschliche Lebewesen bzw. die Natur im Allgemeinen.
Moraltheorien vs. Alltagsmoral
Alltagsmoral: Hat sich durch Erziehung, (religiöse) Weltanschauung, Erfahrungen und persönliche Überlegungen herausgebildet und wird intuitiv verwendet.
* Oft reicht die Alltagsmoral als intuitive Handlungsleitlinie bzw. eine ausgereifte Alltagsmoral kommt ohnehin zu den gleichen oder ähnlichen präskriptiven Regeln wie eine elaborierte Moraltheorie (Überlegungs-Gleichgewicht nach Rawls).
Moraltheorien leiten nicht nur präskriptive Aussagen her sondern in Abgrenzung zur Alltagsmoral begründen sie auch, warum bestimmte normative Überzeugungen richtig sind (z.B. durch Handlungsprinzipien wie den kategorischen Imperativ nach Kant oder das Nützlichkeitsprinzip nach Mill).
3 Nutzen von systematisch ausgearbeiteten Moraltheorien
- In sich selbst widersprüchliche Alltagsmoral: Es gibt Situationen, in denen verschiedene präskriptive Normen im Widerspruch zueinander stehen. Ohne eine
systematische Moraltheorie ist es schwierig, diesen Widerspruch aufzulösen und zu einem angemessenen Verhalten zu kommen (z.B. „Du sollst nicht lügen!“ vs. „Du sollst die Gefühle deiner Mitmenschen nicht verletzen!“). - Neue, komplexe Situationen: Für neue und besonders komplexe Situation hat sich noch keine Alltagsmoral herausgebildet (z.B. Einsatz von Gentechnik; Datenschutz im Internet; Verkehrsunfälle bei autonomen Fahrzeugen etc.).
- Revision der Alltagsmoral: Die Alltagsmoral kann auch falsch sein bzw. durch (kulturelle) Veränderungen überholt werden (z.B. Einsatz von körperlicher Züchtigung in der Erziehung bzw. in der Schule).
Deontologie/Pflichtenethik (Kant)
Manche Handlungen sind an sich geboten oder verboten unabhängig von den Folgen der Handlung.
Handlungen müssen aus den moralisch richtigen Motiven auf Basis rationaler Schlussfolgerungen frei gewählt werden. Das impliziert einen freien Willen als Entscheidungsgrundlage. (z. B. grundsätzlich verboten zu töten)
Instrumentalisierungsverbot nach Kant: Man darf sich selbst oder andere nicht als bloßes Mittel zum Zweck gebrauchen: „Rationale Wesen sind Zwecke an sich selbst, und eben darum kommt ihnen ein innerer Wert, d.h. eine Würde, zu.“
Art. 1 des GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ geht unmittelbar auf die Idee Kants zurück.
Kritik der reinen Vernunft: „Unterscheidung zwischen der Welt der Erscheinungen, d.h. der Welt, wie wir sie sinnlich wahrnehmen, und der Welt der Dinge an sich. Eine reine Erkenntnis ist eine solche, die nicht auf empirischen, d.h. aus der Erfahrung entlehnten, Erkenntnissen beruht.“
Kants Argumentationsstruktur
- Allein der gute Wille kann ohne Einschränkungen für gut gehalten werden (Es zählt nur die Motivation für eine Verhaltensweise („der gute Wille“) und nicht die
Konsequenzen einer Verhaltensweise)
V - Was der gute Wille ist, erschließt sich über den Begriff der Pflicht (Es besteht für jeden Menschen (Allgemeingültigkeit) die zwingende Pflicht
(Notwendigkeit) entsprechend des guten Willens zu handeln. Die Pflicht existiert unabhängig von individuellen Neigungen (Kant konzipiert den Menschen als Mischwesen aus rationaler Vernunft und sinnlichen Neigungen, die nicht steuerbar sind. Der Mensch hat jedoch einen freien Willen, so dass er losgelöst von seinen Neigungen entscheiden kann).)
V - Wozu wir verpflichtet sind, wird in Form des kategorischen Imperativs ausgedrückt (Jeder Mensch ist vernunftbegabt. Durch vernünftige Überlegungen sollte jeder Mensch zu der gleichen Handlungsmaxime gelangen: Dem kategorischen Imperativ, der unabhängig von individuellen Neigungen gilt. Wäre der Mensch ein reines Vernunftwesen, würde er immer
moralisch handeln.)
Kategorischer Imperativ (Kant)
Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
* Vollkommene Abstraktion von dem eigenen Standpunkt und Verallgemeinerungsüberlegung
* Bewertung von Handlungsmotiven
Im Vergleich hat “goldenen Regel” keine Aussage über Handlungsmotive
Utilitarismus/Nützlichkeitsethik (Mill)
Grundprinzip: Maximierung des Glücks der größten Anzahl an Menschen. Der moralische Wert einer Handlung wird anhand der Folgen einer Handlung bewertet. Es ist somit eine konsequentialistische Ethik.
* Nützlichkeit/Glück = bringt Lust hervor oder erzeugt zumindest keinen Schmerz.
Nützlichkeitsprinzip: » Die Auffassung, für die die Nützlichkeit oder das Prinzip des größten Glücks die Grundlage der Moral ist, besagt, dass Handlungen insoweit und in dem Maße moralisch richtig sind, als sie die Tendenz haben, Glück zu befördern, und
insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken. «
Anhänger des Empirismus, d.h. dass Wissen aus Erfahrungen abgeleitet wird.
* Großer Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen – sowohl in privater als auch in politischer Hinsicht.
* Verfechter eines politischen Liberalismus (Freiheit des Einzelnen gegenüber dem Staat – sowohl in moralischer als auch ökonomischer Hinsicht).
Lustgewinn - qualitativer Hedonismus (Mill)
Der Lustgewinn wird sowohl quantitativ, als auch qualitativ bemessen. Es gibt unterschiedliche Arten von Lust: sinnliche- und intellektuelle Lust.
“Es ist besser ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein; Besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr.”
Analogieargument Argumentationskette (Mill)
- Das Einzige, was für ein Individuum wertvoll ist, ist sein persönliches Glück. Glück ist das einzige Gut des Menschen, da sich alle anderen Güter des Menschen als Teil oder Determinante des Glücks auffassen lassen.
V - Moral fragt, was wertvoll ist aus der Perspektive der moralischen Gemeinschaft, d.h. der Menge aller Menschen.
V - Was wertvoll aus der Perspektive der moralischen Gemeinschaft, d.h. der Menge aller Menschen ist, ist das Maximum von dem, was für das Individuum gut ist, nämlich Glück.
V - Moral fragt nach dem größten Maß an Glück für die moralische Gemeinschaft.
Kritik am Utilitarismus (Mill)
- Glücksskala: Annahme, dass man Nutzenwerte bzw. Glückspunkte tatsächlich vergeben könne. (Anzunehmen, es gäbe eine absolute Glücksskala, ist jedoch nicht sonderlich plausibel. Eher sollte man davon ausgehen, man könne vergleichend feststellen, ob ein Zustand mehr Glück beschert als ein anderer. Dies wird jedoch mehr eine grobe Schätzung als eine exakte Bestimmung sein.)
- Gruppengröße: Je größer die Gruppe wird, desto schwieriger ist, abzuwägen, welche Folgen eine Handlung für ein spezielles Individuum hat. (Daher wird man in der Praxis das allgemeine Glück abschätzen, ohne jeden einzelnen Glückswert der betroffenen Individuen zu bestimmen. So vergleicht man zwei Handlungen miteinander und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und schätzt ab, welche bessere Folgen hat.)
- Vorhersehbarkeit der Handlungsfolgen: Annahme man könne tatsächlich die Folgen einer Handlung
vorhersehen. (Natürlich können wir häufig die Folgen einer Handlung abschätzen, jedoch können sich
aus einer Handlung auch Konsequenzen ergeben, an die man nicht denkt oder die man zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorhersehen kann. Demnach wird in der Praxis eine Folgenabwägung immer nach »bestem Wissen und Gewissen« ablaufen. Bewertet man eine Handlung im Nachhinein, fällt dies häufig einfacher, da man über zusätzliches Wissen verfügt, d.h. man weiß, welche Folgen tatsächlich aufgetreten sind.) - Allgemeines Glück: Die letzte hier erwähnte Problematik bezieht sich auf die ungenaue Bestimmung der Aussage »allgemeines Glück«. (Wer fällt alles in die Referenzgruppe von »allgemein«? Betrachte ich nur das Glück der direkt von meiner Handlung Betroffenen? Oder kalkuliere ich auch Effekte auf andere Menschen mit ein? Betrachte ich nur die deutsche Gesellschaft oder alle Menschen weltweit
und ihr Glück? Und was ist mit den künftigen Generationen? Sollte ich sie nicht auch in meine
Betrachtung mit einbeziehen? Wo ziehe ich die Grenze? Mill schenkt darüber hinaus nicht nur dem
menschlichen Glück Beachtung, sondern erwähnt an einer Stelle explizit, dass wir auch für das
Glück aller fühlenden Wesen, d.h. auch der Tiere, verantwortlich sind.)
Dem Utilitarismus fehlen moralische Handlungsmaxime (Mill)
Beispiel: »The Survival Lottery«:
Stellen wir uns in Anlehnung an Harris Folgendes vor: Wir haben zwei Patienten Y und Z. Y benötigt dringend ein neues Herz und Z eine neue Lunge, ansonsten werden beide sterben. Leider gibt es keine Möglichkeit, für beide ein Organ zu finden. Nun kommt ein junger,
gesunder, sportlicher Mann in die Notaufnahme, da er sich einen Arm gebrochen hat. Zufälligerweise stellt sich heraus, dass er den passenden Gewebetypus hat, so dass seine Organe perfekt für unsere beiden Kranken wären. Diese haben beide ein vorbildliches
Leben geführt, haben eine große Familie und noch kleine Kinder. Der junge Mann hat keine
nahen Verwandten und kaum Freunde, die ihn vermissen könnten.
Aus dem Handlungsutilitarismus scheint zu folgen, dass der Arzt moralisch dazu verpflichtet ist, den jungen Mann zu töten, um seine Organe an die beiden Patienten zu verteilen, da dadurch das allgemeine Glück maximiert wird. Dies ist eine Folge aus dem
Handlungsutilitarismus, die viele strikt ablehnen, da hier das Recht auf Leben verneint wird. Jemanden zu töten, auch unter der Voraussetzung, andere dadurch zu retten, scheint an sich eine unmoralische Handlung zu sein.