Fälle zum Zivilprozessrecht Flashcards
Der VorsRiLG R eröffnet die Verhandlung im Verfahren X gegen Y. X hat alle Anwaltsserien von Boston Legal bis Suits rauf und runter gesehen und hält sich daher für juristisch sehr bewandert. Sich von einem Anwalt vertreten zu lassen, sei für ihn völlig überflüssig. Er selbst könne seine Interessen vor Gericht viel besser vertreten.Anwalt A, der Vertreter von Y, sieht das jedoch anders. Er beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils. Wie wird R entscheiden?
Ohne Anwalt kann die Partei vor dem LG keine wirksamen Prozesshandlungen vornehmen (§ 78 ZPO, mangelnde Postulationsfähigkeit), so dass sie als säumig gilt.
Dann ergeht - auch wenn die Partei selbst vor Gericht erscheint - (auf Antrag) ein VU gegen sie.
A verklagt B. In der mündlichen Verhandlung erscheint A zwar, weigert sich aber vollständig zu sprechen. Er sagt nichts aus und stellt nicht einmal einen Antrag. Stattdessen sitzt er nur still da und schaut B böse an. B findet das nicht witzig und beantragt den Erlass eines VU. Mit Aussicht auf Erfolg?
-> Das vollständige Nichtverhandeln steht dem Nichterscheinen gleich, § 333 ZPO.
● Verhandeln setzt jedenfalls einen Sachantrag voraus. Da A hier keinen Sachantrag stellt, ist er säumig.
● Achtung: Nur bei vollständigem Nichtverhandeln! Wenn die Partei zwar verhandelt, aber sich über Tatsachen, Urkunden oder Anträge auf Parteivernehmung nicht erklärt, ist sie nicht säumig, § 334 ZPO.
K1, K2 und K3 verklagen B. K3 erscheint nicht vor Gericht, weil er sich in der Bierwirtschaft bewusstlos getrunken hat.B beantragt daher den Erlass eines Versäumnisurteils. Wovon hängt ab, ob das Gericht dem Antrag des B stattgibt?
●Ein Versäumnisurteil setzt die Säumnis der Gegenpartei voraus (§ 330 ZPO). K3 ist nicht zur Verhandlung erschienen.
●Wenn es sich bei der Streitgenossenschaft von K1, K2 und K3 aber um eine notwendige Streitgenossenschaft handelt, gilt der säumige Streitgenosse als von den Anwesenden vertreten (§ 62 I ZPO).
A erhebt eine Klage gegen B auf Zahlung von 500 EUR. Richter R sorgt dafür, dass dem B die Klageschrift zugestellt wird und fordert ihn zugleich auf, binnen zwei Wochen schriftlich anzuzeigen, dass er sich gegen die Klage verteidigen möchte.Nach drei Wochen ist noch immer keine Verteidigungsanzeige bei Gericht eingegangen. Was wird R tun?
Der Beklagte muss im schriftlichen Vorverfahren seine Verteidigungsbereitschaft binnen zwei Wochen ab Zustellung der Klage anzeigen, § 276 I 1 ZPO.
Tut er das nicht, kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung ein VU erlassen, § 331 III 1 ZPO.
B hat mündlich eine Bürgschaft für seinen moralisch und finanziell bankrotten Bruder S übernommen. S setzt sich ins Ausland ab. Gläubiger G verklagt B auf Zahlung der Bürgschaftssumme. Zur Hauptverhandlung erscheint B nicht. G beantragt daher ein VU. Wie wird das Gericht entscheiden?
Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen sind als zugestanden zu betrachten (sog. Geständnisfiktion, § 331 ZPO).
In diesem Fall rechtfertigen die Tatsachen aber den Klageantrag nicht, weil der Bürgschaftsvertrag formnichtig ist. (Bürgschaften erfordern die Schriftform, § 766 BGB.)
Das Gericht wird den Antrag deshalb zurück- und die Klage als unschlüssig abweisen (→ sog. unechtes Versäumnisurteil; gerade kein VU!).
K verklagt den B und beantragt ein Versäumnisurteil, als dieser nicht vor Gericht erscheint.Das Gericht weist die Klage jedoch ab, weil sie unzulässig oder unschlüssig ist. Wie kann K gegen dieses Urteil vorgehen?
●Mit dem Einspruch (§ 338 ZPO) nicht, weil es sich nicht um ein Versäumnisurteil handelt, sondern um ein herkömmliches Prozess- oder Sachurteil.
●Deshalb sind in diesem Fall (wie gewöhnlich) Berufung (§ 511 ZPO) oder Sprungrevision (§ 566 ZPO) die richtigen Rechtsmittel.
Der Beklagte versäumt die mündliche Verhandlung, weshalb ein VU gegen ihn erlassen wird. Er legt Einspruch ein und gewinnt die Klage. Wer muss die Kosten tragen?
● Wer verliert, muss grundsätzlich die Kosten des Prozesses tragen (§ 91 ZPO).
● Der Beklagte trägt aber die Kosten, die durch die Säumnis verursacht wurden, § 344 ZPO.
● Wichtige Ausnahme vom Grundsatz der Kosteneinheit
● § 344 ZPO geht § 95 ZPO vor
Wie lautet der Tenor?
Der Beklagte war im ersten Termin säumig; auf Antrag des Klägers wurde ein entsprechendes Versäumnisurteil erlassen. Der Beklagte legt Einspruch ein, ist aber im Einspruchstermin erneut säumig.
Einspruch zulässig, Antrag gestellt, Schlüssigkeit nicht erneut geprüft
1.Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil wird verworfen.
2.Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte unterliegt im Rechtsstreit. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist kein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegeben und das Gericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Der Beklagte rügt dies nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist. Handelt es sich um eine wiedereinsetzungsfähige Frist?
Ja
Rügefrist steht in § 321a Abs. 2 S. 1 ZPO: „innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen“ → als Notfrist wiedereinsetzungsfähige Frist
Das Amtsgericht hat gegen den Beklagten antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen. Der danach beauftragte Rechtsanwalt des Beklagten versäumt die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil. Fristgemäß stellt er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legt gleichzeitig Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Zur Begründung führt er an, dass er bei einem Unfall schwer verletzt wurde und mehrere Wochen im Koma lag.Hat der Rechtsanwalt die Fristversäumung verschuldet?
Nein →unverschuldet
* Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO
* Maßstab: die üblicherweise von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt
* Unvorhersehbares Ereignis
Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn der Rechtsanwalt die Frist versäumt, weil er in den Urlaub fährt und keine Vertretung organisiert hat?
Verschulden (+)
* Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2
* Maßstab: die üblicherweise von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt
* Der Rechtsanwalt hätte sich um seine Vertretung und Fristeinhaltung bemühen müssen
Die Rechtsanwältin des Beklagten hat ihre stets zuverlässige Bürokraft A gebeten, den Schriftsatz zur Einlegung der Berufung zum Gericht zu schicken. Aus Unachtsamkeit der A fällt der Schriftsatz unter den Schreibtisch und wird von ihr erst eine Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Berufung wiedergefunden.Hat die Rechtsanwältin die Fristversäumung verschuldet?
Nein →unverschuldet
* Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2
* Die Rechtsanwältin hat ihrer Bürokraft fristgerecht den Schriftsatz gegeben
* Keine Zurechnung von Verschulden Dritter (z.B. Bürokraft), § 278 BGB nicht anwendbar
* Bürokraft war stets zuverlässig →kein Organisations-und Überwachungsverschulden der Rechtsanwältin
B ist bedürftig i.S.v. §§114 f. Er kann die Kosten für eine Beauftragung eines Rechtsanwalts im Prozess gegen ihn vor dem Landgericht nicht aufbringen. B versäumt daher eine Frist. Er hat jedoch innerhalb der einzuhaltenden Frist einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag beim zuständigen Gericht gestellt und alles in seinen Kräften Stehende unternommen, damit über den Antrag ohne Verzögerung entschieden werden kann.Ist die Fristversäumung verschuldet?
Nein →unverschuldet
*Wenn die Partei die Kosten ihrer Prozessführung nicht, nur teilweise oder nur in Raten aufbringen kann (§114 Abs. 1 S. 1), hat sie ihre Mittellosigkeit grundsätzlich nicht zu vertreten
*Vollständiger Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der einzuhaltenden Frist
Der im Rechtsstreit in erster Instanz unterliegende Kläger erhält vom Gericht das Urteil …
a)… ohne erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung.
b)… mit fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung. Der Fehler ist für einen sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt nicht erkennbar.Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versäumt die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Gerichts.
Ist die unterbliebene (a) bzw. fehlerhafte (b) Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumung kausal?
zu a) *keine Kausalität →der Rechtsanwalt kennt das Recht
*Vermutung widerlegt
zu b) *Vermutung möglicherweise widerlegt →Umstände des Einzelfalles
*Wenn Belehrungsfehler auch für sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt nicht ohne Weiteres erkennbar →Ursächlichkeit (+)
*Wenn Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch ist
→Ursächlichkeit (-)
*hier: Kausalzusammenhang (+)
Der im Rechtsstreit in erster Instanz unterliegende Kläger erhält vom Gericht das Urteil …
a)… ohne erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung.
b)… mit fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung. Der Fehler ist für einen sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt nicht erkennbar.Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versäumt die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Gerichts.
Ist die unterbliebene (a) bzw. fehlerhafte (b) Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumung kausal?
zu a)* keine Kausalität →der Rechtsanwalt kennt das Recht
* Vermutung widerlegt
zu b) * Vermutung möglicherweise widerlegt →Umstände des Einzelfalles
* Wenn Belehrungsfehler auch für sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt nicht ohne Weiteres erkennbar →Ursächlichkeit (+)
* Wenn Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch ist
→Ursächlichkeit (-)
* hier: Kausalzusammenhang (+)
C versäumt aufgrund ihrer Mittellosigkeit die Frist zur Einlegung der Berufung. Ihr beim zuständigen Gericht eingelegter fristgerechter Antrag auf Prozesskostenhilfe wird bewilligt. Beginnt nun die Wiedereinsetzungsfrist?
Ja
*§234 Abs. 2: „Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.“
*Hindernis: Bedürftigkeit nach §§114 f.
*Das Hindernis der Mittellosigkeit entfällt:
*mit Vermögenserwerb der Partei
*durch eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung der Partei
*durch Bekanntgabe der Bewilligung der Prozesskostenhilfe →hier (Beginn der Wiedereinsetzungsfrist)
A klagt gegen B vor dem Amtsgericht Braunschweig auf Neulieferung einer Küche. Am 23.5.2022 wird dem A das am 9.5.2022 verkündete Urteil zugestellt. Er hat nun einen Monat Zeit, Berufung einzulegen (§ 517 ZPO). Da sich A nicht entscheiden kann, lässt er die Frist für das Rechtsmittel verstreichen.
Ist das Urteil formell rechtskräftig?
Ja. Das klageabweisende Urteil ist am 23.6.2022 um 24 Uhr formell rechtskräftig geworden. Eine Korrektur im Instanzenzug ist nicht mehr möglich.
Folgen: Der Prozess ist beendet. Die Rechtshängigkeit des Streitgegenstands endet. Die rechtskräftige Entscheidung wird unangreifbar (Ausnahmen).
K verklagt B auf Feststellung, dass er Eigentümer eines, aufgrund einer Leihe im Besitz des B befindlichen, Palandt sei. B bestreitet dies und führt aus, er sei der Eigentümer des Buches. Das Gericht erhebt Beweis und kommt zum Ergebnis, dass K Eigentümer und die Klage begründet sei. Dementsprechend tenoriert es die beantragte Feststellung. Das Urteil wird formell rechtskräftig.
Wäre ein Gericht im nachfolgenden Prozess an die Feststellung, dass K Eigentümer des Palandt ist, gebunden?
Ja. Die Feststellung, dass K der Eigentümer des genannten Buches ist, wird von der materiellen Rechtskraft umfasst. Sollte z.B. K später den B auf Schadensersatz verklagen, weil B das Buch beschädigt habe, so wäre das Gericht in dem zweiten Prozess an diese Feststellung gebunden.
A verklagt B vor dem Amtsgericht auf Zahlung von 1.500 Euro aus einem Kaufvertrag. A führt aus, er mache zunächst nur einen Teil der Gesamtforderung in Höhe von 8.000 Euro geltend.
Variante a: Die Klage wird abgewiesen, weil ein wirksamer Rücktritt vom Vertrag gegeben sei.
Variante b: Der Klage wird stattgegeben, ein wirksamer Rücktritt sei nicht erfolgt.
Nach Rechtskraft des Urteils klagt A gegen B vor dem Landgericht den restlichen Betrag in Höhe von 6.500 Euro ein.
Ist das Landgericht jeweils an das Ersturteil gebunden?
Nein. In beiden Varianten ist das Landgericht hinsichtlich der nun eingeklagten 6.500 Euro nicht an das Ersturteil gebunden. Dieser Teilbetrag war nicht Streitgegenstand im ersten Verfahren. In der Variante a erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils weiterhin auch nicht auf die Feststellung, dass der Vertrag infolge des Rücktritts erloschen ist, in der Variante b auch nicht darauf, dass der Vertrag (noch) Bestand hat.
A verklagt B auf Zahlung des Kaufpreises aus einem Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw. B beruft sich auf Anfechtung wegen arglisitiger Täuschung über die Laufleistung, die A allerdings bestreitet. Im klageabweisenden Urteil wird ausgeführt, dass die Anfechtung erfolgreich sei, weil die Täuschung des A bewiesen worden sei. Nach Eintritt der Rechtskraft verklagt B den A auf Schadensersatz wegen c.i.c. und stützt dies auf die genannte Täuschung, die A erneut bestreitet.
Ist das Gericht in diesem Verfahren an die Tatsache, dass A den B getäuscht hat, gebunden?
Nein. Die materielle Rechtskraft des Urteils umfasst nicht auch die tatsächliche Feststellung, dass A den B getäuscht habe. Danach ist das Gericht im zweiten Verfahren nicht an diese Tatsache gebunden.
Die Klage auf Feststellung, dass B dem K seinen künftigen Unfallschaden ersetzen müsse, wird abgewiesen, da keine Schäden zu erwarten seien. Später treten unerwartet Unfallschäden auf.
Kann K erneut klagen?
Ja. Die Rechtskraft bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung. Erst nach der letzten mündlichen Verhandlung entstandene Tatsachen können deshalb in einem neuen Prozess vorgebracht werden. K kann daher neu klagen, weil nach der letzten mündlichen Verhandlung neue Tatsachen entstanden sind.
C verklagt D vor dem Amtsgericht Braunschweig. Die Klage wird wegen örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen, zumal C keinen Verweisungsantrag nach § 281 ZPO stellt. Das Urteil wird rechtskräftig. Danach erhebt C die inhaltlich identische Klage vor dem Amtsgericht Goslar.
Steht der neuen Klage die materielle Rechtskraft entgegen?
Nein. Wenn die Klage im Vorprozess wegen Unzuständigkeit abgewiesen wurde, dann umfasst die Rechtskraft (nur) die Entscheidung über die fehlende Zuständigkeit dieses Gerichtes.
Ist der prozessuale Mangel beseitigt worden, ist eine neue Klage zulässig.
A verklagt B auf Zahlung von 4.000 Euro aus einem Kaufvertrag. B rechnet hiergegen mit einer Werklohnforderung auf, die 7.000 Euro beträgt.
Variante a: Der Klage wird stattgegeben, weil die Werklohnforderung nicht entstanden sei.
Variante b: Die Klage wird infolge der erfolgreichen Aufrechnung abgewiesen.
Wird die Gegenforderung des Beklagten nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig aberkannt?
Ja. In beiden Fällen wird die Gegenforderung des Beklagten in Höhe von 4.000 Euro rechtskräftig aberkannt, § 322 Abs. 2 ZPO.
Die Rechtskraft der Entscheidung umfasst die Feststellung, dass die Gegenforderung in Höhe von 4.000 Euro nicht (Standardfall) bzw. infolge der wirksamen Aufrechnung nicht mehr (umgekehrter Fall) besteht.
Achtung! In beiden Fällen enthält das Urteil allerdings keine rechtskräftige Feststellung zum Bestehen oder Nicht(mehr)bestehen der Gegenforderung hinsichtlich der überschießenden 3.000 Euro.
K klagt gegen B auf Schadensersatz in Höhe von 4.000 € wegen eines Verkehrsunfalls in der Kirchstraße in Braunschweig. Dort fuhr B dem K an einer Ampel hinten ins Auto. Als Anspruchsgrundlagen kommen § 823 BGB und §§ 7, 18 StVG in Betracht. Wie viele Streitgegenstände liegen vor?
Es handelt sich um ein und dasselbe Unfallgeschehen und um einen Antrag. Es liegt ein prozessualer Anspruch, d.h. ein Streitgegenstand, vor. Daran ändert sich nichts, wenn der einzige Klageanspruch auf unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird.
Die Klage von K umfasst Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € sowie weitere 2.000 € Reparaturkosten.Wie viele Streitgegenstände liegen vor?
Es ist ein und dasselbe Unfallgeschehen. Hier verfolgt K aber abweichende Rechtsschutzziele, welche er in zwei Anträgen geltend macht. Diese hätten auch in getrennten Prozessen geltend gemacht werden können. Es handelt sich um zwei Streitgegenstände.
Der Kläger macht vor dem AG Braunschweig Schadensersatzansprüche gegen eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung geltend. Ein Jahr später erhebt er Klage auf Schadensersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch vor dem AG Köln. Liegt hier ein einheitlicher Lebensvorgang vor?
Es handelt sich umein identisches Begehren innerhalb desselben Streitgegenstandes. Die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung stellt bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs-und Beratungspflichten aufgespalten werden kann.
K erhebt gegen B vor dem AG Braunschweig eine Klage auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 150 € für einen ZPO Kommentar. Der Prozess verläuft für B nicht wie gewünscht, sodass sich dieser entschließt vor dem AG Helmstedt eine negative Feststellungsklage zu erheben. Es soll das Nichtbestehen des Kaufpreisanspruchs hinsichtlich des ZPO Kommentars festgestellt werden. Liegt Rechtshängigkeit vor?
Hier sind die Streitgegenstände identisch. Der Streitgegenstand der Leistungsklage umfasst auch den der späteren negativen Feststellungsklage. Dies liegt daran, dass in der Leistungsklage der engere Feststellungsantrag (Es wird festgestellt, dass der Antrag besteht) enthalten ist. Der zweite Prozess ist also die Umkehr des ersten Prozesses.
K verklagt B auf Zahlung von 5.000 € als Kaufpreis für einen Pkw. Zwischen den Parteien ist streitig, ob ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Beide haben jeweils einen Zeugen für ihre Darstellung benannt. Zwei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme zahlt B. Er sei zwar nach wie vor davon überzeugt zu gewinnen, aber des Streites nun überdrüssig. Welche Reaktionsmöglichkeiten hat K?
- Klageantrag trotzdem stellen
→Folge: Klagabweisung (unbegründet) auf Kosten des Klägers wg. Erfüllung (§ 362 I BGB) - Klagerücknahme
→Folge: Kostenentscheidung auf Antrag nach § 269 III 2 ZPO. Kl. müsste die Kosten als Verzugsschaden (§ 286 BGB) ggf. in einem 2. Prozess geltend machen. - Klageverzicht
→Folge: Klageabweisung durch Verzichtsurteil auf Kosten des Klägers (§ 91 ZPO) - Nichtauftreten
→Folge: VU gegen den Kläger gemäß § 330 ZPO, Kosten trägt der Kläger - Erledigungserklärung
→Folge abhängig, ob übereinstimmende oder einseitige Erledigungserklärung
Wie wird das Gericht im Fall 1 entscheiden, wenn
a) B sich einer Erledigungserklärung des K anschließt?
= übereinstimmende Erledigungserklärung
Form: in mdl. Vhdl., im Schriftsatz oder zu Protokoll;
Anwaltszwang aufgehoben, § 91a I 1 i.V.m. § 78 III ZPO
Erledigungserklärung des Kl. (Prozesshandlung)
Anschlusserklärung des Bekl. (Prozesshandlung)
→reicht aus, dass er nicht widerspricht (§ 91a I 2 ZPO) o. nur Kostenantrag stellt
K hat B eine Wohnung vermietet. Wegen Zahlungsverzuges hat er B gekündigt und Räumungs-klage erhoben. Eine Woche vor dem Gerichtstermin zieht B aus der Wohnung aus und gibt K die Schlüssel zurück. In der Wohnung befinden sich allerdings noch einige Möbel des B. Außerdem sind die Schönheitsreparaturen nicht durchgeführt worden. Im Termin erklärt B den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragt entsprechende Feststellung durch das Gericht. Außerdem sollen K die Kosten auferlegt werden, weil ein Zahlungsverzug nicht bestanden habe. K begehrt weiterhin Räumung.
Wie ist zu entscheiden?
Bekl. kann den Streitgegenstand nicht bestimmen
→einseitige „Erledigungserklärung“ des Bekl. ist unbeachtlich.
Überlegung: Soll der Antrag des Bekl. als (Feststellungs) Widerklage verstanden werden? (i.d.R. (-))
i.Ü. ist Hauptsache nicht erledigt, weil die Wohnung nicht vollständig geräumt wurde
Folge: Räumungsurteil, soweit Zahlungsverzug bestand
K erhebt Klage auf Zahlung von 550,00 € gegen B. Die Klage geht am 05.01. d. J. bei Gericht ein.
Sie wird B am 16.01. d. J. zugestellt. B hat die geforderte Summe an K am 15.01. d. J. gezahlt. K fragt sich nun, was er machen soll. Welche Möglichkeiten bestehen?
(P) „Erledigung“ (15.01.) tritt zwischen Anhängigkeit (05.01.) u. Rechtshängigkeit (16.01.) ein.
→Erledigungserklärung (-), da Erledigung nicht nach Rechtshängigkeit eingetreten
→Klagerücknahme (+) mit Kostenfolge des § 269 III 3 ZPO = beste Lösung
[auch denkbar: Klageänderung in einen Feststellungsantrag, dass Bekl. die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (Verzugssschaden; Vorteil: Beweisaufnahme); Feststellungsinteresse wg. Kostenerstattung (str., so aber BGH NJW 2013, 2201).]
K erhebt Klage auf Zahlung von 550,00 € gegen B. Die Klage geht am 05.01. d. J. bei Gericht ein. Die Zahlung erfolgte bereits am 04.01., was K aber erst am 06.01. feststellen konnte. Was soll K nun tun?
(P) Erledigung (04.01.) tritt vor Anhängigkeit (05.01.) ein.
hM.: § 269 III 3 ZPO gilt auch dann, wenn der Kl. schuldlos erst nach Einreichung der Klage von der Erledigung Kenntnis erhält (Zöller § 269 Rn. 18c)
a.A.: nur Klageänderung in Feststellungsklage mgl. (vgl. Elzer NJW 2002, 2006, 2008)
K hat gegen B auf Herausgabe eines ZPO-Kommentars (Wert: 195,00 €) geklagt. Nach Rückgabe des Buches erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt und stellen wechselseitige Kostenanträge. Das Gericht hebt die Kosten durch Beschluss gegen-einander auf.
K möchte eine Kostenentscheidung in seinem Sinne erreichen. Ist das möglich; ggf. wie?
sofortige Beschwerde nach §§ 91a II 1, 567 ff. ZPO
aber: § 91a II 2 ZPO zu beachten
→ hier Beschwerde unstatthaft (§§ 511, 567 II ZPO), da Hauptsachewert iHv 195 € nicht > 600 €
Der K klagt gegen den B auf Feststellung, dass dieser verpflichtet ist, ihm den Schaden zu 100% zu ersetzen, der diesem aufgrund eines Verkehrsunfalls in Braunschweig zugefügt hat. Die Bezifferung eines genauen Schadens ist dem K noch nicht möglich. Das Kfz befindet sich derzeit in Reparatur. Nach Zustellung der Klage an B wird das Kfz des K repariert. Der Schaden des K beläuft sich auf 3.000 EUR für die Reparatur und 500 EUR für reparaturbedingten Nutzungsausfall. Durch zugestellten Schriftsatz stellt K seinen Antrag daher um, den B auf Zahlung von 3.500 EUR zu verurteilen. Ist die Klageänderung zulässig?
Ja!
§ 264 Nr. 2 ZPO (+): Qualitative Klageerhöhung (Übergang von der Feststellungs-/ zur Leistungsklage) ohne Änderung des Klagegrundes
K klagt gegen den bösgläubigen B zunächst auf Herausgabe seines Pkw aus § 985 BGB. K erfährt erst während des Rechtsstreits, dass der Pkw bereits vor Zustellung der Klage an B von dem gutgläubigen C erworben wurde. K verlangt daher nun Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB. Der B widerspricht dieser Änderung. Ist die Klageänderung zulässig?
Ja!
§ 264 Nr. 3 ZPO (+) = Klageanpassung
(P): Änderung des Klagegrundes durch Erwerb des C
Der Lebenssachverhalt darf sich –abgesehen von der nachträglichen Veränderung- nicht ändern
(P): Erwerb des C vor Rechtshängigkeit der Klage
BGH: § 264 Nr.3 ist auch anwendbar, wenn die veränderten Umstände dem Kläger erst nach Rechtshängigkeit bekannt werden, sei es auch infolge von Fährlässigkeit
K klagt gegen B zunächst 10.000 EUR aus Darlehen ein, welches er selbst dem B gewährt habe. Nach Antragsstellung und Verhandlung sowie einer für K ungünstigen Beweisaufnahme darüber, ob K überhaupt Vertragspartner gewesen ist, stellt K die Klage durch zugestellten Schriftsatz um. Sein Kollege A habe dem B das Darlehen gewährt und K mache nun diesen abgetretenen Anspruch über 10.000 EUR geltend. In nächsten Termin stellt K nunmehr den geänderten Antrag. B widersetzt sich der Klageänderung. Ist die Klageänderung zulässig?
Nein!
§ 264 ZPO (-): Änderung des Klagegrundes
§ 263 ZPO (-): Klageauswechslung, aber keine Sachdienlichkeit (Die Beweise, die darüber gewonnen wurden, ob K Vertragspartner des B geworden ist, sind für Klage aus abgetretenem Recht nicht einschlägig!)
K klagt gegen B zunächst 10.000 EUR aus Darlehen ein, welches er selbst dem B gewährt habe. Nach Antragsstellung und Verhandlung sowie einer für K ungünstigen Beweisaufnahme darüber, ob K überhaupt Vertragspartner gewesen ist, stellt K die Klage durch zugestellten Schriftsatz um. Sein Kollege A habe dem B das Darlehen gewährt und K mache nun diesen abgetretenen Anspruch über 10.000 EUR geltend. Im nächsten Termin stellt K nunmehr den geänderten Antrag und weigert sich auch nach Frage des Gerichts (§ 139 ZPO) zur ursprünglichen Klage zu verhandeln. B widersetzt sich der Klageänderung. Nur vorsorglich bestreitet er, von A jemals Geld bekommen zu haben.
Wie ist über den alten Antrag des K zu entscheiden?
Abweisendes Versäumnisurteil gem. §§ 330, 333 ZPO!
Die Klageauswechslung gem. § 263 ZPO ist mangels Sachdienlichkeit unzulässig
RF: Rechtshängigkeit des alten Antrags erlischt nicht
K weigert sich nach Hinweis zum alten Antrag zu verhandeln gem. § 333 ZPO
K verklagt B auf Zahlung von € 5.000,- nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2002. Welches Gericht ist sachlich zuständig?
Abwandlung: Nun sind es € 5.100,- (€ 5.000,- aus Kaufvertrag zuzüglich € 100,- ausgerechnete Verzugszinsen für einen bestimmten Zeitraum). Welches Gericht ist sachlich zuständig?
Grundfall: §§ 23, 71 GVG → AG zuständig (LG ab 5.000,01 EUR), Zinsen sind Nebenforderung und bleiben nach § 4 I ZPO außer Betracht, Formulierung § 3 ZPO ist missverständlich, bei Zahlungsklagen ist der verlangte Betrag maßgeblich, nur in anderen Fällen das – vom Gericht geschätzte – wirtschaftliche Interesse des Klägers
Abwandlung: AG zuständig, Zinsen bleiben auch dann außer Betracht, wenn sie ausgerechnet sind (häufiger Fehler)
K verklagt die Stadt B auf Schmerzensgeld und Schadensersatz i.H.v. insgesamt € 2.300.-, weil er im Winter vor dem Rathaus auf nicht gestreutem Glatteis ausgerutscht ist und sich verletzt hat. Welches Gericht ist sachlich zuständig?
AGL: § 839 BGB, Art. 34 GG,
nach Streitwert zwar AG zuständig, wg. § 71 II Nr. 2 GVG ist streitwertunabhängig das LG zuständig wg. pflichtwidriger Unterlassung einer Amtshandlung (Organisation der Streupflicht)
Ausnahme: AG zuständig bei Verkehrsunfall ohne inneren Zusammenhang mit Ausübung eines Amtes
K verklagt B auf Zahlung ausstehenden Mietzinses i.H.v. € 10.000.- für ein Wirtshaus (Parterre) mit Wohnung im 1. Stock in der Stadt X, weil B die Miete für 5 Monate nicht gezahlt hat. Welches Gericht ist sachlich und örtlich zuständig?
sachlich: hM: Schwerpunktstheorie (Th/P § 23 GVG Rn. 12). Danach ist das Amtsgericht nur dann sachlich zuständig, wenn der Schwerpunkt des Vertrages bei der Wohnraummiete liegt.
örtlich: § 29a I ZPO – AG Bezirk, in dem die Räume liegen
K verklagt B vor dem Amtsgericht auf Zahlung von € 3.000,-. Nach ein paar Monaten erweitert er die Klage auf € 6.000,-. Welches Gericht ist sachlich zuständig?
Streitwert bei Einreichung der Klage entscheidend, § 4 I ZPO,
Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO) führt grds. nicht dazu, dass das LG zuständig wird, § 261 III Nr. 2 ZPO (sog. perpetuatio fori)
Aber: § 506 ZPO – bei Verweisungsantrag wird an das LG verwiesen. Wenn kein Verweisungsantrag gestellt wird, wird das AG durch rügelose Einlassung zuständig (§ 39 ZPO), und zwar auch dann, wenn der Amtsrichter den Beklagten nicht über die Folge belehrt hat (denn § 39 S. 2 nennt nur § 504 ZPO und nicht auch § 506 ZPO, str.)
K verklagt B vor dem Landgericht auf Zahlung von € 6.000,-. Nach ungünstig verlaufener Beweisaufnahme reduziert er die Klage auf € 3.000.-. Welches Gericht ist sachlich zuständig?
Der Rechtsstreit bleibt beim Landgericht, §§ 4 I, 261 III Nr. 2 ZPO, da eine dem § 506 ZPO entsprechende Norm fehlt.
wenn das LG tätig wird, obwohl das AG zuständig wäre, hält die ZPO die Beteiligten nicht für benachteiligt (denn am LG gibt es Anwaltszwang, die (nicht den Regelfall bildende) Kollegialbesetzung sowie den Rechtszug zum OLG; vgl. auch § 513 II ZPO)
K ist in Braunschweig von einem PKW angefahren worden. Der Fahrer aus Hannover führte einen PKW des H aus Berlin, der bei der Versicherungs-AG V mit Sitz in München versichert ist. K möchte alle zusammen verklagen. Anspruchsgrundlagen des K gegen seine Anspruchsgegner? Ist das möglich?
AGL: § 7 StVG (Halter), § 18 StVG, § 823 BGB (Fahrer), § 115 I Nr. 1 VVG (Pfl-Vers.)
allg. Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO): an drei verschiedenen Orten
besonderer Gerichtsstand: § 20 StVG und § 32 ZPO am Unfallort, beachte BGH NJW 2003, 828 umfassende Prüfungsbefugnis des nach § 32 ZPO zuständigen Gerichts innerhalb des einheitl. prozessualen Anspruchs (Erst-Recht-Schluss aus § 17 II GVG)
Klage K gegen B über 8000 €. Dem Kläger werden:
a) 2000 € zugesprochen,
b) 4000 € zugesprochen;
im Übrigen wird die Klage jeweils abgewiesen.
Wie lautet die Kostenentscheidung?
a)
§ 92 I 1 (Alt. 2) ZPO: Quotelung – „Der Kläger hat ¾, der Beklagte ¼ der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“
b)
§ 92 I 1 (Alt. 1) ZPO – zwei Möglichkeiten – „Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.“ / „Von den Kosten des Rechtsstreits trägt jede Partei 1/2.“