Einführung in die Mathedidaktik in der Sekundarstufe Flashcards

1
Q

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Theorien der kognitiven Entwicklung

klassische Theorien der kognitiven Entwicklung

A
  • Perspektive ausgehend von Jean Piaget:
    Entwicklung kognitiver Strukturen als verinnerlichtes Handeln
    -Aufbau kognitiver Schemata
    -Anwendung durch: J. Bruner (Repräsentationsebenen), H. Aebli (operatives Prinzip)
  • Perspektive ausgehend von Lev S. Vygotsky (1896-1934)
    Entwicklung geistiger Handlungen als verinnerlichtes Sprechen
  • Ausbildung „geistiger Handlungen“
  • Soziale Einbindung von kognitiver Entwicklung
  • Anwendung durch: P. Galperin, J. Lompscher (Lerntätigkeit),…
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Q

Äquilibrationstheorie von Jean Piaget

A
  • Ziel von (schulischem) Lernen:Aufbau eines Netzwerks kognitiver Schemata (kognitive Struktur)
    -> In Schemata sind Informationen über spezifische, häufig auftretende Situationen in abstrahierter Weise
    niedergelegt.
  • Schemata sind hierarchisch organisiert und enthalten Leerstellen.
    z.B. Schema „wiederholtes Addieren“ als Teil eines Schemas „Multiplikation“
  • Lernen als Prozess zwischen…
  • …den Anforderungen der Umwelt und
  • …den kognitiven Möglichkeiten des Individuums.
  • Prozesse zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts
    (lat. Äquilibrium: Gleichgewicht):
    Assimilation und Akkomodation
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3
Q

Assimilation und Akkomodation

A

Mögliche Reaktionen auf (neue) Eindrücke oder Phänomene in der Umwelt

  • Erklärung mittels der vorhandenen Schemata
  • Das Phänomen kann in vorhandenen Schemata eingeordnet werden
  • Es reichert die bestehenden Schemata an (Assimilation)
  • Beispiel:
    Ausgangspunkt: Die Vorstellung (Schema) von „Bruch als Anteil zählbarer Mengen“ (z.B. ¾ von 12 Bonbons) ist bekannt und
    kann angewendet werden.
  • Anteile bestimmen, Bruchteile bestimmen, unbekannte Grundmenge bestimmen,..
    Neue Situation:
    Bruch als Anteil kontinuierlicher Mengen (z.B. ¾ von 12 Liter Limo)
    Mögliche Reaktion:
    12 Liter Limo werden als „zählbare Menge“ aufgefasst (z.B. 12 Ein-Liter-Flaschen).
  • Die Situation wird auf die vorhandene Vorstellung angepasst
  • Anpassung von vorhandenen Schemata
  • Das Phänomen widerspricht vorhandenen Schemata (kognitiver Konflikt)
  • Umstrukturierung oder Ausdifferenzierung (Akkommodation)

Beispiel:
identischer Ausgangspunkt + neue Situation
Die vorhandene Vorstellung kann ggf. nicht mehr genutzt werden.
- Umdeutung der Situation als „10 zu ¾ volle Flaschen“ für manche Lernende wenig offensichtlich.
Mögliche Reaktion:
- Anpassung des Anteilsschemas: Berücksichtigung von Bruchzahlen im Teil-Ganzes-Schema (Ganzes, Teil,
Anteil).

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4
Q

Piagets Grundannahmen zur kognitiven Entwicklung

A
  • Basierend auf klinischen Interviewstudien
  • Die Entwicklung des Denkens bei Kindern verläuft etappenweise (in sogenannten Stadien).
  • Alle Kinder durchlaufen diese Stadien in derselben Reihenfolge.
  • Der Übergang von einem Stadium zum nächsten ist durch Umstrukturierung der kognitiven Schemata
    (Akkommodation) charakterisiert
  • Piaget postuliert allgemeine, domänenübergreifende Stadien:
  • Sensumotorisches Stadium
  • Vorbegrifflich-symbolisches Stadium
  • Stadium des anschaulichen Denkens
  • -> lassen sich als präoperationales Stadium zusammenfassen
  • Konkret-operationales Stadium
  • Formal-operationales Stadium
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5
Q

Wesentliche Entwicklungsannahmen in Piagets Stadientheorie

A
  • Bekannte Operationen mental repräsentieren und durchführen
    Reale, vorliegende Situation
    -> vorgestellte bekannte Situation
    -> vorgestellte zugängliche Situation (bilden „abstrakter“ Schemata)
    -> Operationen losgelöst von konkreten Situationen
  • Operationen mental kombinieren und umkehren
    Ebenfalls zunehmend losgelöst von realen oder bekannten Situationen.
  • Mehrere Eigenschaftsdimensionen gleichzeitig berücksichtigen
    Fokus auf eine Eigenschaftsdimension -> berücksichtigen mehrerer (ggf. verknüpfter) Eigenschaften.
  • In Piagets Stadientheorie übergreifende Phasen, an feste Altersangaben gebunden (Vorsicht!),
    z.B. konkret-operationales Stadium ab 6/7 Jahre
  • z.B. formal-operationales Stadium ab 12/13 Jahre
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6
Q

Prä-operationales Stadium (2-6/7)

A
  • Denken ist an konkrete (ggf. mentale) Handlungen in bekannten Kontexten gebunden.
  • Abfolgen von Ereignissen
  • Schlüsse von Einzelfall auf Einzelfall (transduktives Schließen)
  • Typische Einschränkungen
  • Keine genauen Begriffe und Kasualbeziehungen
  • Konzentration nur auf eine Eigenschaftsdimension
  • Keine Reversibilität im Denken
  • Denken führt oft zu Widersprüchen mit Phänomenen der Umwel
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7
Q

Konkret-operationales Stadium (6/7-12/13)

A

Denken auf der Basis abstrakterer Operationen
- Nicht allein auf der Basis (vorgestellter oder konkreter) Handlungen.
- Anbindung an konkrete (aber nicht notwendigerweise reale oder bekannte) Situationen notwendig.
- Aus gleichartigen Handlungen können Operationen als Schemata abstrahiert werden.
* Erkennen von kausalen Beziehungen
- hypothetisches Denken, wenn in der Situation Handlungen zugrunde liegen.
- Operationen können dann auch umgekehrt und verkettet (sog. Komposition, Assoziativität) werden.
* Abstrakte Begriffe können gebildet werden

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8
Q

Formal-operationales Stadium (ab 12/13 Jahre)

A

Denken erfolgt auf der Basis bekannter Operationen
…auch ohne Bezug zu konkreten Situationen.
* Lernen neuer Begriffe auf der Basis bekannter Begriffe
…nicht notwendigerweise mit neuer konkreter Handlung.
* Hypothetisch-deduktives Denken möglich
- Umkehrung von Operationen…
- Verkettung von Operationen (Assoziativität, Komposition)…
…ohne Verankerung in einer konkreten oder mental vorgestellten Situation.

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9
Q

Kritik an Piagets Ergebnissen

A
  • Stadien sind grobe Vereinfachungen
  • Altersgrenzen sind problematisch
  • Domänenspezifität der Entwicklung
  • Frühe Kompetenzen
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10
Q

Theorie des Lernens

A

Begriff Lernen: Lernen ist ein Prozess, der zu relativ dauerhaften Veränderungen von Verhalten oder Verhaltenspotentialen aufgrund von Erfahrungen führt

Begriff Unterricht: Unterricht ist ein Angebot, mit dem Ziel möglichst alle Lernenden zum Lernen anzuregen –
und zwar so, dass jede(r) Lernende seine aktuellen Wissensrepräsentationen substantiell weiter entwickeln kann

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11
Q

historische Entwicklung von Lerntheorien

A
  • Behavioristische Lerntheorien (Lernen als Black Box)
  • kognitivistische Lerntheorien:
  • Lernen als Aufbau von Wissensrepräsentationen bzw. Schemata durch Informationsverarbeitung
  • Lehren als Vermitteln von Informationen und Anregen von Verarbeitung
  • konstruktivistische Lerntheorien
  • Lernen als Konstruktion von individuellen Wissensrepräsentationen bzw. Schemata durch (soziale) Erfahrungen
  • Lehren als Organisation von sinnstiftenden Erfahrungen
  • Neurobiologische Lerntheorien (Lernen als Aufbau von Verknüpfungen zwischen Synapsen)
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12
Q

Grundannahmen kognitivistisch-konstruktivistischer Perspektiven

A

Lernen ist ein aktiver Prozess
- Um zu lernen muss der Lernende aktiv werden.
- Damit ist nicht primär Aktivität auf der Verhaltensebene gemeint.
- Zentral ist die aktive kognitive (geistige/mentale) Auseinandersetzung mit den wesentlichen Ideen des zu
lernenden Inhalts.
-> Lernende müssen im Unterricht dazu immer wieder aktiviert werden.

Lernen ist ein konstruktiver Prozess
- Lernen heißt nicht Wissen von anderen oder aus Texten zu übernehmen.
- Wissen muss von den Lernenden selbst re-konstruiert werden.
- Lernen bedeutet sich selbst einen Sinn zu machen aus den Informationen, die man bekommt.
-> Lernende konstruieren das Wissen nicht immer so nach wie es die Lehrkraft präsentiert hat bzw. glaubt
präsentiert zu haben

Lernen erfolgt kumulativ.
- Jedes Lernen ordnet neue Informationen in schon vorhandenes Wissen ein.
- Lernen baut immer auf Vorwissen auf!

Lernen erfolgt selbstreguliert.
- Lernen selbst und eigenständig gestalten
- eigenen Lernprozess selbst regeln und kontrollieren
- Die Erfahrung zeigt, dass Menschen Unterstützung darin brauchen diese Selbstregulation zu erlernen und
immer wieder umzusetzen.
-> Lernende müssen (auch) lernen, ihr Lernen selbst zu planen, zu überwachen, zu reflektieren, und ggf. anzupassen.

Lernen wird durch den situativen, sozialen Kontexten beeinflusst.
- „Wissen“ und „Bildung“ werden in unserer Gesellschaft weitergegeben.
- (Fast) jedes Lernen erfordert ein „Gegenüber“, das neue Informationen und/oder alternative Perspektiven
einbringt.
- Dieses Gegenüber kann, muss aber nicht immer eine Lehrkraft/Meister/Lehrer sein.
-> Lernen erfordert immer sozialen Austausch (über die Lerninhalte wie sie bisher verstanden wurden)

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13
Q

Entwicklung mathematischer Kompetenzen

A

Zunehmend wichtigere EInflussfaktoren:

  • weniger wichtig: Intelligenz, Geschlecht, Arbeitsgedächtnisleistung, Migration
  • mittel wichtig: Überdauerndes Interesse an Mathematik, Fähigkeiten zur Selbstregulation, Wissen der Lehrkraft (Fach, Didaktik)
  • wichtig: Vorwissen zum Unterrichtsinhalt, Interesse am aktuellen Unterrichtsinhalt, Qualität des Unterrichts
  • am wichtigsten: Aktives Auseinandersetzen mit den mathematischen Inhalten
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14
Q

Einflussfaktoren - eher stabile Personenmerkmale

A

Intelligenz
* Sehr hohe Zusammenhänge zwischen Intelligenz und Mathematikleistung.
- Vor allem zu Beginn der Schulzeit enge Verknüpfung.
- Später vor allem über Vorwissen vermittelt.
- Defizite in der Intelligenz können durch Vorwissen kompensiert werden.
- Defizite im Vorwissen können kaum durch Intelligenz kompensiert werden.

Arbeitsgedächtnisleistung
* Rolle von Arbeitsgedächtniskapazitäten u.a. aus der Forschung zu „Rechenschwäche“ gut belegt.
- Vor allem zentralexekutive Fähigkeiten, aber auch visuell-räumliche Komponenten.
- Einfluss vor allem bei komplexeren Anforderungen, weniger bei eingeübten basalen Techniken.

Geschlecht
* - In Deutschland konsistent signifikante, aber geringe Unterschiede zugunsten der Jungen.
Tendenziell stärker fallende Leistungen in der männlichen Teilstichprobe über Kohorten hinweg.
- International eher heterogenes Befundmuster.
- Neurobiologische Erklärungen können weitgehend ausgeschlossen werden.
- Plausibler ist die Wirkung über distale Variablen (Geschlechterstereotypen, Eigenschaften wie
Gewissenhaftigkeit,…)

Migration
- Erklärungswege: Kulturelles Kapital vs. Sprachliche Kompetenzen.
- Spezifische Leistungsnachteile: durch
mangelnde Sprachkenntnisse erklärbar

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15
Q

Einflussfaktoren - veränderliche Personenmerkmale

A

Vorwissen zum Unterrichtsinhalt
- Inhaltlich relevantes Vorwissen ist einer der besten Prädiktoren für Lernerfolg.
- Plausibel aus der Sicht konstruktivistischer Lerntheorien (Erfahrung)

Vorwissen als „Beherrschen von (Rechen-)Techniken“ (sog. prozedurales Wissen)
* Automatisierung und Vernetzung v.a. zur kognitiven Entlastung bei weiteren Lernprozessen.

Vorwissen als begriffliches Verständnis (sog. konzeptuelles Wissen)
* „Tief verarbeitetes, vernetztes“ Wissen in verschiedenen Darstellungen als wesentliche Basis für die
Konstruktion neuen Wissens.
-> Kapitel Begriffserwerb

Überdauerndes Interesse an Mathematik
- Wiederholt berichtet wird abnehmendes Interesse an Mathematik im Laufe der Schulzeit.
- Nur niedrige Zusammenhänge zur Mathematikleistung.
- Auf höhere Mathematikleistungen folgt i.d.R. höheres Interesse.
- Höheres überdauerndes Interesse führt nicht direkt zu höheren Mathematikleistungen.
- Relevant ist sind Wertüberzeugungen zum konkreten Inhalt in der jeweilige Lernsituation.
- dennoch wesentliches Ziel des Unterrichts
* Ähnliches gilt für das mathematische Selbstkonzept als überdauernde Kontrollüberzeug

Metakognitive Fähigkeiten
- Lernen und Probleme lösen sind selbstregulierte Prozesse.
- Metakognition ist die Fähigkeit diese Prozesse selbst erfolgreich zu steuern
(z.B. Planen, Überwachen & Anpassen, Reflektieren)

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16
Q

Einflussfaktoren - familiärer Kontext

A

Diskutierte Einfussfaktoren
- Sozio-ökonomischer Status und kulturelles Kapital, Bildungsaspiration
- Migrationshintergrund
- Familiensprache und Sprachkenntnisse

  • Mögliche Erklärung: Humankapitaltheorie
  • Kulturelles Kapital kann zur Unterstützung von Lernprozessen nutzbar gemacht werden.
  • Kulturelles Kapital wird z.B. durch Migration reduziert
  • Mögliche Erklärung: Rolle von Sprachkompetenzen
  • Weicht die Familiensprache von der Unterrichtssprache ab, so behindert das den Kompetenzwerb
  • Sprachkompetenzen in der Unterrichtssprache erklären diese und weitere Unterschiede im
    mathematischen Kompetenzerwerb
17
Q

Einflussfaktoren - Lernangebot und Lernprozess

A

Professionswissen der Lehrkraft
-> Qualität des Unterrichts
-> Eigene aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten
- Von der Lehrkraft selbst direkt beeinflussbare Wirkungskette.
- Zentral ist die aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten.
- Weniger aussagekräftig sind oberflächliche Merkmale der Lernumgebung (Gruppenarbeit oder nicht,
Klassengröße).

18
Q

Zusammenfassung

A

Mathematische Kompetenzen entwickeln sich im Zusammenspiel von…
* Individuellen Lernvoraussetzungen
z.B. Vorwissen, Metakognition,…
* Merkmalen des individuellen Lebenskontexts
z.B. Migration, soziales Umfeld,…
* Merkmalen der Lernumgebung
z.B. Qualität des Mathematikunterrichts