Die Klassiker - didaktische Prinzipien Flashcards
Was sind didaktische Prinzipien?
- Leitlininien für die Gestaltung von Unterricht, die das komplexe Unterrichtsgeschehen überschaubar machen sollen
- didaktische Prinzipien sollen bei der Auswahl, Sequenzierung und Aufbereitung von Inhalten Orientierung bieten
- Sie basieren…
…meist auf Grundideen, die zunächst einmal plausibel klingen.
…häufig auf erfahrungsbasierten, aber nicht systematisch geprüften Annahmen.
…teilweise auf empirisch gestützten Theorien des Lernens und Lehrens.
…selten auf empirischer Evidenz zur Wirksamkeit der einzelnen Prinzipien.
didaktische Prinzipien - Warnunngen
- Meist sehr allgemein gehalten und weit interpretierbar
- Didaktische Prinzipien sind Heuristiken, keine Gesetze oder evidenzbasierten Empfehlungen
- Bei einer zu starken Generalisierung der Prinzipien (als „Dogmen“ oder „Rezepte“) können sie den Blick auf
Unterricht auch beschränken. - Einseitiges Fokussieren an wenigen Prinzipien kann einschränkend sein.
- nicht Prinzip irgendwie anwenden, sondern Prinzip in einer
Stunde nutzen, um ein bestimmtes Lernziel zu bearbeiten
Prinzip des intermodalen Transfers: Kernaussage
- Konzeptuelles Wissen zu mathematischen Konzepten und Operationen
besteht zu einem substanziellen Teil darin,
flexibel in wechselnden Repräsentationen (mental und external) verarbeiten zu können.
-> Fähigkeit zum intermodalen Transfer als wesentlicher Teil von Begriffsverständnis. - Konzeptuelles Wissen zu mathematischen Konzepten und Operationen
entsteht auch ganz wesentliche dadurch,
dass strukturelle Beziehungen zwischen verschiedenen Darstellungen analysiert, erkannt und beschrieben werden.
-> Beziehungen zwischen verschiedenen Darstellungen erkennen als Lernprinzip.
eingeschränkter Spezialfall des IMT: EIS-Prinzip
- Bruner unterscheidet drei „Ebenen von Repräsentationen“
- Enaktive Repräsentationen: in einer Handlung, konkret, haptisch
- Ikonische Repräsentationen: in Diagrammen, bildlich, visuell
- Symbolische Repräsentationen: in einem mathematischen Symbolsystem
- Das EIS-Prinzip besagt…
- …dass das Verständnis mathematischer Konzepte damit einhergeht,
sie auf verschiedenen Ebenen darstellen zu können - …und flexibel zwischen verschiedenen Darstellungsebenen
für ein mathematisches Konzept wechseln zu können
Das Operative Prinzip
Kernidee: Denken als verinnerlichtes Handeln
Ursprung:
Grundannahme von Hans Aebli: Aufbau mentaler Operationen in drei Stufen
- konkrete Stufe
- figurale Stufe
- symbolische Stufe
Aktuellere Sichtweise:
- Entscheidend ist nicht das „Abarbeiten“ der Stufen, sondern eine zunehmende Vernetzung von Repräsentationen!
- Zentral ist der „Aufbau mentaler Operationen“ aus „konkreten Handlungen“
Das Operative Prinzip: Mögliche Zwischenschritte beim Aufbau von mentalen Operationen
- Handlung und symbolische Darstellung vernetzen: Das Kind handelt am geeigneten Material
- Mentale Handlung am Material prüfen: Das Kind beschreibt die Materialhandlung mit Sicht auf das Material
- Mentale Handlung mit Verbalisierung: Das Kind beschreibt die Materialhandlung ohne Sicht auf das Material
- Mentale Handlung, symbolische Operation: Das Kind arbeitet auf symbolischer Ebene, übt und automatisiert
Das operatives Prinzip: weitere Grundannahmen
Mentale Operationen werden zu Schemata abstrahiert, u.a. durch…
* Intermodalen Transfer (s.o.)
Durchdringen der Operation in verschiedenen Darstellungen
* Operatives Durcharbeiten
Vielfältige Variation in der Anwendung der Operation.
- Operatives Üben
Üben, welches das Gewinnen von Einsichten in (sog. operative) Zusammenhänge ermöglicht.
- Übergreifend:
Reflektieren und Verbalisieren von Handlungen und Zusammenhänge
Operatives Durcharbeiten
Kernidee: Vielfältige systematische Veränderung von Aufgabenstellungen
- Variation der Fragestellung (Umkehrung, Verkettung)
- Variation des Lösungswegs, multiple Lösungswege
- Variation des Unwesentlichen
Ziel:
Aufbau vernetzten Wissens zu einer Operation bzw. zu dem dahinter stehenden
mathematischen Konzept.
- Nicht nur:
„Berechne den Flächeninhalt eines Rechtecks mit den Seitenlängen…“
- Sondern auch:
„Gibt es unter allen umfangsgleichen Rechtecken eines mit maximalem Flächeninhalt?“
Operatives Durcharbeiten: Beispiel
Ausgangspunkt:
Löse die Gleichung
2x + 12 = 5x + 3
* Umkehrung der Aufgabe:
Welche Gleichung hat Peter
gelöst?
| -2x
| -3
| :3
x = 3
* Umkehrung der Aufgabe:
Finde Gleichungen mit
der Lösung 3
* Konkretisierungen einfordern:
Finde eine Sachaufgabe
zur Gleichung
2x + 12 = 5x + 3
* Lösungen reflektieren:
Begründe, warum 3 eine
(die einzige) Lösung der
Gleichung
2x + 12 = 5x + 3 ist.
* Variation des Unwesentlichen
2a + 12 = 5 a + 3
Operatives Üben
Operatives Üben bezeichnet Übungsformen, bei denen…
- …nicht nur Operationen isoliert verwendet und trainiert werden, sondern…
- …Beziehungen zwischen diesen Operationen deutlich werden, entdeckt und genutzt werden können.
Ziel
* Fähigkeit zu beweglichem Denken, das die Beziehungen zwischen verschiedenen Operationen nutzt.
z.B. zum geschickten Rechnen, für adaptive Strategiewahl
Wesentliches Merkmal:
* Erkennen, Nutzen, Beschreiben, Prüfen und Begründen von Strukturen.
* Einsicht in Zusammenhänge ist nachhaltig wirksamer als unverstandenes Training von Rechenalgorithmen
Operatives Üben: Beispiel
Jede Kleingruppe hat zwei Würfel mit den Zahlen 1-6 (1-12,…)
Regeln
- Jeder Spieler beginnt mit der Startzahl 5
- Ziel ist, nach 10 Versuchen möglichst nah an der 10 zu sein.
Ablauf
- Jeder Spieler würfelt mit beiden Würfeln
- Er darf aus den beiden Zahlen einen Bruch bilden und diesen zu seiner Zahl addieren, oder subtrahieren.
- Optional: Die jeweiligen Rechnungen werden an einem Zahlenstrahl dargestellt.
Oder: Veränderung von Gleichungen durch Vergrößern bestimmter Werte
Spiralprinzip
Prinzip des kumulativen Lernens
J. Bruner (*1915), basiert auf der Theorie Piagets.
- Grundannahme:
“We begin with the hypothesis that any subject can be taught effectively in some intellectually honest form to
any child at any stage of development.” (Bruner, 1960)
-> nur möglich, wenn man die mathematische Kernidee eines Inhalts trennt von nicht relevanten Inhalten (ggf. auch Fachwörtern, mathematischen Verfahren, speziellen Darstellungen, Notationen) - Das Verständnis von Begriffen und Konzepten auf einem höheren Niveau setzt oft Erfahrungen auf elementareren Niveaus voraus
z.B. Problembewusstsein, konkrete Operationen, Einzelfälle, informelles Verständnis, Vorwissen,…
Spiralprinzip: Beispiel
Warum darf man durch 0 nicht dividieren?
- Idee: Einfache Vorstellungen zu Divisionssituationen
Beispiel: 12 : 4 = 3
- 12 Kinder, jeweils 4 in eine Gruppe. Wie viele Gruppen?
- 12 Kinder, 3 gleich große Gruppen. Wie viele Kinder in jeder Gruppe?
- Idee: Division als iterierte Subtraktion
Beispiel: 12 : 4 = 3
Wie oft muss ich 4 von 12 abziehen, um bei der Null zu landen? - Idee: Division als Umkehrung der Multiplikation
Beispiel: 12 : 4 = 3
- 12 : 4 = 3, weil 3 ⋅ 4 = 12 ist.
- 12 : 4 ist die Zahl, die man mit 4 multiplizieren muss, um 12 zu erhalten.
etc.
Zu was soll das Spiralprinzip anregen?
- …zentrale Ideen zu einem Konzept auf dem jeweiligen Wissens- und Denkniveau fachlich
korrekt zu thematisieren. - …die Ausbildung von Begriffen und Konzepten durch intuitives Erfassen und intuitiven Gebrauch vorzubereiten.
- …die zentralen Ideen eines Faches in der Lernbiographie möglichst früh und später immer wieder aufzugreifen und auszubauen.
Gründe:
- Relevantes Vorwissen früh aufbauen und sichern.
- Zentrale Ideen wiederholt thematisieren und anreichern
Unterprinzipien des Spiralprinzips
- Prinzip der Strukturorientiertheit
-> Orientierung an der inhaltlichen Struktur und Genese des Faches - Prinzip der Stufengemäßheit
-> Orientierung an der kognitiven Entwicklung der Lernenden - Prinzip des vorwegnehmenden Lernens
-> Frühe Behandlung komplexer Inhalte auf einfachem Niveau - Prinzip der Fortsetzbarkeit, Anschlussfähigkeit
-> Ein späterer Ausbau von Inhalten auf höherem Niveau soll ohne Umdenken möglich sein