Aktuelle Perspektive - Qualitätsdimensionen von Mathematikunterricht Flashcards
Oberflächenstruktur und Gelegenheitsstruktur - Worauf kommt es eigentlich an?
- Oberflächenstruktur (=Sichtstruktur) von Unterricht
- Offensichtliche Merkmale von Unterricht.
- z.B. Sozialform, Klassengröße, Organisation des Unterrichts,…
- Unterrichtsqualität und Merkmale der Oberflächenstruktur
- z.B. Versuch Leistungsunterschiede durch zeitlichen Anteil verschiedener Sozialformen zu erklären.
- Geringe Zusammenhänge zwischen typischen Merkmalen der Oberflächenstruktur und Lernerfolg.
- Insgesamt gehören zur Oberflächenstruktur Unterrichtsmerkmale, die…
- … direkt und ohne große Interpretation beobachtbar sind.
- …z.B. relativ leicht und oberflächlich beobachtbare Unterrichtsmerkmale und –phasen betreffen,…
- …und keinen direkten theoretischen Bezug zu Lernprozessen aufweisen,…
Gruppenarbeit vs. kooperatives Lernen
Oberflächen und Gelegenheitsstruktur
„Gruppenarbeit“ stark als „Merkmal guten Unterrichts“ propagiert…
- Erwartung: sog. ko-konstruktive Elaboration:
Lernen aus Ideen (und Fehlern) anderer, Lernen durch Erklären, Lernen durch verschiedene Perspektiven.
- Potenzial bestenfalls alle Lernenden zu aktivieren.
- Möglichkeit zur Vermittlung von sozialer Eingebundenheit, Autonomieerleben, bestenfalls
Kompetenzerleben.
- Einüben (weniger: Aufbau) sozialer Fähigkeite
Häufige Ergebnisse
- Positiver Effekt auf affektiv-motivationale Merkmale. Lou et al., 1996; Springer a al., 1999
Aber:
Kein systematischer Zusammenhang des Einsatzes von „Gruppenarbeit“
mit erhöhtem Lernerfolg im Schulkontext erkennbar.
-> Erklärungsansätze
- Ungleiche Beteiligung an der aktiven Wissensverarbeitung?
- Überhaupt nur oberflächliche Auseinandersetzung?
- Wenig Bezug auf Beiträge der Gruppenpartner
Merkmale wirksamen kooperativen Lernens
-
Positive Interdependenz:
Die zu bearbeitende Aufgabe ist von den Lernenden nur gemeinsam lösbar sein,
und dies ist den Lernenden auch bewusst. -
Individuelle Verantwortung:
Jeder ist für den Arbeitsprozess der Gruppe verantwortlich. -
Kommunikation:
Kooperatives Lernen lebt vom Austausch unterschiedlicher Sichtweisen und Lösungsansätze. -
Unterstützen und Einüben sozialer Interaktion:
Kooperatives Lernen setzt ein Minimum an sozialen Fähigkeiten voraus, ggf. ist hier Unterstützung nötig. -
Metakognitive und reflexive Tätigkeiten:
Kooperatives Lernen setzt voraus, dass die Lernenden darüber nachdenken, welche Ideen, Tätigkeiten und Arbeitsschritte hilfreich sind und an welchen Stellen der Arbeitsprozess modifiziert werden muss.
kooperatives Lernen Beispiel
nicht so gut:
Bestimmt mit dem Kontospiel die Ergebnisse der
folgenden Aufgaben:
8 – (-3) = … 8 + 3 = …
8 – 3 = … 8 + (-3) = …
* Löst die Aufgaben gemeinsam mit dem
Kontospiel!
* Jeweils zwei Aufgaben haben dasselbe Ergebnis.
Stimmt das auch bei anderen Zahlen?
* Prüft und erklärt warum das so ist!
Besser:
Bestimmt mit dem Kontospiel die Ergebnisse der
folgenden Aufgaben:
8 – (-3) = … 8 + 3 = …
8 – 3 = … 8 + (-3) = …
* Löse Deine Aufgabe zuerst alleine mit dem
Kontospiel!
* Erklärt Euch gegenseitig Eure Lösungswege!
* Jeweils zwei Aufgaben haben dasselbe Ergebnis. Stimmt das auch bei anderen Zahlen?
* Prüfe und erkläre den anderen an Deiner
Rechnung warum das so ist
-> positive Interdependenz, Kommunikation, individuelle Verantwortung
Unterstützung sozialer Interaktion
- z.B. Rollen verteilen (Leiten des Gesprächs,
Regelwächter, gemeinsames Verständnis aller im
Blick haben, Fortschritt prüfen) - z.B. Ablauf vorgeben: Reihenfolge der Lösungen, Diskussionsbeiträge
Metakognition und reflektive Tätigkeiten
- z.B. Ablauf der Gruppenarbeit im Plenum (kurz) thematisieren.
- z.B. Prüfen des Fortschritts anregen: „Prüft jetzt was Ihr schon bearbeitet habt, und was Euch noch fehlt!“
Gruppenarbeit vs. kooperatives Lernen: Fazit
- Kooperatives Lernen hat Potenzial für wirksames Lernen
-> s.o. „Ko-konstruktive Elaboration“.
„Gruppenarbeit“ alleine ist nicht ausreichend (Oberflächenstruktur)
- Kleingruppen eröffnen die Möglichkeit, dass
alle Lernenden in einen aktiven Austausch eingebunden werden.
- …sicherstellen kann eine Einteilung der Lernenden im Kleingruppen dies nicht.
Kooperatives Lernen erfordert Gestaltung (Gelegenheitsstruktur)
- Merkmale wirksamen kooperativen Lernens (s.o.).
- Fachlich-inhaltlich klar strukturierte Arbeitsimpulse.
- Klare Erwartungen an den Einzelnen (s. Merkmale oben).
- Langfristiger Aufbau von Routinen für die Zusammenarbeit
Unterrichtsgespräch vs. fachlicher Diskurs: Begriffsklärung
Varianten lehrerzentrierter Sozialformen
- Lehrervortrag
- Kleinschrittiges Lehrgespräch (sokratischer Dialog)
- Fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch
- Dialogisches Lernen
Oft genannte Vorteile
- Möglichkeit viele Lernenden aktiv einzubinden.
- Möglichkeit der gemeinsamen Erarbeitung von Inhalten.
- Effiziente Informationsvermittlung durch die Lehrkraft.
Fragend-entwickelnder Unterricht
„The teacher organizes the lesson so that
most of the mathematical work during the
lessons is done as a whole class.
The teacher does not lecture much to the
students; instead, she guides students
through the development of the procedure by
asking students to orally fill in the relevant
information. (…)
The teacher keeps the student and class
moving forward by asking questions about
next steps and about why such steps are
appropriate.”
Kritik an der fragend-entwickelnden Lehrform
- Sie verschließt den Kindern den Mund.
- Sie wendet sich an zu wenige. -> nur wenige Schüler liefern den Großteil der Beiträge
- Die Frage nimmt den Kindern die Arbeit
ab. - Die Frage unterbindet die Zielbewusstheit
des geistigen Tuns. - Die Frage überträgt die Unehrlichkeit des
Fragenden auf die Kinder.
Realität ist auch, dass der Schüler nicht wirklich auf die Fragen antwortet und der Lehrer so indirekt die Aufgabe vorgibt
-> Schüler nicht aktiv beteiligt
-> zu wenig Zeit zum antworten
-> Trichtereffekt, dadurch, dass Lehrer auf komplexe/offene Antwort eine ganz bestimmte Antwort erwartet und an ihr festhält -> sie teilt die Frage immer wieder in Teilfragen und verengt den Handlungsspielraum
Analog: IRF-Muster: Frage, Antwort, Feedback
Merkmale ko-konstruktiver Unterrichtsgespräche
- Anspruch der Fragen der Lehrkraft
…in Bezug auf eingeforderte Begründungen, Zusammenhänge, Erklärungen, Zusammenfassungen,… - Offenheit der Fragen der Lehrkraft
…und ehrliches Interesse für unterschiedliche (mehr oder weniger) korrekte Ideen und Vorschläge der
Lernenden. - Substanz der eingeforderten Schülerbeiträge Umfang und inhaltlicher Gehalt, Argumentationsniveau, Präzision
Wartezeit! - Transaktivität
Wechselseitige Bezugnahme auf Beiträge anderer (Lehrkraft, Lernende)
->höherer Lernerfolg
-> Einschränkungen vor allem dann, wenn viele Lernende in den Unterricht eingebunden werden
Unterrichtsgespräch vs. fachlicher Diskurs: Fazit
Unterrichtsgespräche haben Potenzial für wirksames Lernen
- Effiziente Informationsvermittlung durch die Lehrkraft.
- Gemeinsames Erarbeiten von Inhalten.
- Aktivierung vieler Lernender.
Ein Lehrer-Schüler-Gespräch alleine macht noch keinen Unterschied (Oberflächenstruktur)
- Folgen alle Lernenden dem Unterrichtsgespräch?
- Beteiligen Sie sich aktiv daran?
- Welche inhaltlichen Gedankengänge machen sich die Lernenden selbst zum Unterrichtsgespräch?
Wirksame Lehrer-Schüler-Gespräche erfordern Gestaltung (Gelegenheitsstruktur)
- Geplante, inhaltlich reichhaltige und offene Fragen.
- Ehrliches Interesse am Denken der Lernenden.
- Klares Einfordern und insistieren auf substantiellen Beiträgen.
- Herausfordern von Transaktivität.
Oberflächen- und Gelegenheitsstruktur: Nutzung digitaler Medien
Erwartung:
Digitale Medien zu nutzen verbessert (auf unterschiedlichsten Wegen) fachliches Lernen.
Empirische Ergebnisse
- Dass digitale Medien eingesetzt werden alleine hat nur einen geringen Einfluss auf den Lernerfolg.
- Jedoch mit Mittel positive Effekt auf die affektiv-motivationale Lernermerkmale (Neuigkeitseffekte?!).
- Nur „Digitale Tutorielle Systeme“ zeigen große Effekte auf das Lernen.
- Andere Systeme („drill and practice“, Hypermediasysteme wie Videoportale,…) zeigen kaum Effekte.
- Schulungen in der fachlichen Nutzung steigern die Effekte signifikant.
Erklärung:
Die Nutzung digitaler Medien alleine ist nicht wirksam für das Lernen (Oberflächenstruktur).
- Zentral ist, inwiefern Lernende bei der Arbeit mit digitalen Medien…
…zu eigenen Lernprozessen angeregt bzw. dabei unterstützt werden…
…und inwiefern diese Lernprozesse die wesentlichen fachlichen Inhalte betreffen (Gelegenheitsstruktur).
Oberflächen- und Gelegenheitsstruktur: Offene Lernumgebungen
Begriff und Erwartungen
- Offene Lernumgebungen: Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung der eigenen Lernprozesse.
Inhaltlich (Aufgaben, Schwierigkeitsniveaus) oder organisatorisch (Arbeitsplatz, Lernpartner).
- z.B. Lernzirkel, Auswahl aus verschiedenen Aufgabenblättern,…
- Erwartet: Positive motivationale Effekt.
- Erwartet: Optimale Förderung durch Wahl geeigneter Lernmaterialien und –inhalte.
Empirische Ergebnisse
- Vereinzelt positive Effekte auf affektiv-motivationale Lernermerkmale.
- Kein nachweisbarer Vorteil bezüglich des Lernerfolgs.
Erklärung
- Auswahlmöglichkeiten alleine sind nicht lernförderlich (Oberflächenstruktur).
- Unzureichende Qualität von Aufgaben und Lerneraktivitäten in offenen Lernumgebungen.
- Fähigkeit der Lernenden optimale Entscheidungen zu fällen.
- Verhaltens-Aktivität ist nicht gleich aktivem Lernen (Gelegenheitsstruktur)!
Merkmale wirksamer Gelegenheitsstrukturen
Oberflächlich beobachtbare Unterrichtsmerkmale (Oberflächenstruktur)
- Lange als Indikatoren für wirksamen Unterricht untersucht.
- i.d.R. inkonsistente Befunde.
Tieferliegende Merkmale (Gelegenheitsstruktur)
- Beschreibung auf der Basis eines konstruktivistisch-kognitivistischen Lernbegriffs.
- i.d.R. Einordnung in Angebots-Nutzungs-Modelle
Relevant ist weniger das, was die Lehrkraft konkret tut,…
…sondern, was dies bei den Lernenden potentiell auslöst…
…und wie wirksam dies für erfolgreiches Lernen ist
Untersuchungen:
Lernerfolg hängt ab von…
Individualebene 50-70%
- Klassenebene 10-30% <- Hieran arbeiten LK
- Schulebene 5-14%