kognitive Aktivierung Flashcards
Kritikpunkte am aktuellen Matheunterricht
Herausforderungen
Kritik:
* Fokus auf Routinen
* Mangelnde Vernetzung
* geringe Anwendbarkeit
* Interessensverfall
Herausforderungen:
* Wenig Anregung zur vertieften Verarbeitung
* Bearbeitung von Lernaktivitäten mit Oberflächenstrategien
* Oberflächliches Verständn als unzureichende Basis für weiteres Lernen und Nutzung von Wissen
* Ungünstige Überzeugungen dazu, was gutes Lernen und fachliches Arbeiten ausmacht
* Überforderung und Unterforderung kann tiefe und aktive Verarbeitung einschränken.
Einordnung Angebots-Nutzungsmodell
Kognitvie Aktivierirung fällt unter Unterricht (Angebot)
entsprechende Lernaktivitäten (Nutzung) wäre dann aktive und tiefe kognitive Verarbeitung
Wirkungen (Ertrag) wären z.B. fachliche Kompetenzen
Begriffsklärung- Worum geht es?
- Unterricht, der Schülerinnen und Schüler anregt, Inhalte während des Unterrichts vertieft zu durchdenken, selbst konstruktiv mit den behandelten Informationen zu arbeiten.
- Aufgaben stellen die zur vertieften Verarbeitung anregen, Vorwissen aktivieren und inhaltlich reichhaltige Unterrichtsgespräche führen.
- Passung des kognitiven Niveaus zwischen den von der Lehrkraft gestellten Aufgaben
und den von den Schülerinnen und Schülern gegebenen Antworten. - Allgemein:
Lernsituationen, die das Potential besitzen, Schülerinnen und Schüler anzuregen
sich inhaltlich intensiv mit Lernaufgaben auseinanderzusetzen.
Lösungsansatz kognitive Aktivierung
- Anregen „höherer Denkprozesse“
z.B. Informationen neu darstellen und formulieren, multiple Lösungswege, Begründungen finden,
Zusammenhänge analysieren, Ideen vergleichen. - Aktivierung von relevantem Vorwissen
z.B. relevantes Vorwissen vorbereiten und ggf. wiederholen. - Anknüpfen an und Weiterentwickeln von Schülervorstellungen
z.B. typische Fehler analysieren, Fragen und Lösungswege aus dem Vorwissen entwickeln, an informelle Strategien der Lernenden anknüpfen, Unterschiede zum Vorwissen herausarbeiten, Aufbau auf den
vorhandenen Vorstellungen zu Begriffen. - Nicht-rezeptives Lernverständnis (Lernen als Konstruktion bzw. Elaboration)
z.B. kein „Einschleifen“ von Lösungsschemata ohne Begründungen, keine künstliche Einschränkung des
Denkens auf „enge, vorgegebene Bahnen“ (z.B. nur eine Lösungsstrategie). - Kognitiv aktivierende Unterrichtsgespräche
z.B. reichhaltige Fragen, einfordern von Begründungen, Transaktivität, Gegenüberstellung von Ideen und
Meinungen - Kontrastieren und Vergleichen
z.B. Strategien der Lernenden auf Korrektheit und Effizienz vergleichen,
Beispiele und Begriffsrepräsentanten kontrastieren um Eigenschaften erkennbar zu machen. - Verteiltes und verschachteltes Lernen
z.B. verteilt: Inhalte wiederholt aufgreifen;
verschachtelt: Verschiedene Inhalte gemeinsam vertiefen und üben, z.B. Addition und Substraktion sowie
Multiplikation und Division von Brüchen, gemischten Zahlen, Dezimalbrüchen,… - Aktivierende Unterstützung von Feedback
z.B. Aktivierung bei substantiellen Probleme, schnelle Hilfe bei eher randständigen Fehlern (z.B. Techniken).
d.h. Unterstützung, die Lernenden nicht „die Arbeit abnimmt“, sondern sie befähigt weiter am Thema und ihrem Verständnis zu arbeiten.
Kognitive Aktivierung bedeutet nicht zwingend….
- …dass Lernende möglichst viel „sichtbare Aktivität“ entfalten.
- z.B. Handeln mit konkretem Material, herumlaufen, hantieren mit Objekten oder Geräten,…
- Kognitive Aktivität ist nicht zwingende dasselbe wie „physische Aktivität“.
Es geht darum, sich eigene ernsthafte Gedanken zu machen. - …dass Lernende die wesentlichen Inhalte des Unterrichts selbst entdecken müssen.
Wichtig ist, dass die Lernenden sich mit den neuen Ideen aktiv auseinandersetzen. Sie dafür erst selbst zu finden muss nicht immer der effizienteste Weg sein. - …dass ausschließlich sehr schwierige Aufgabenstellungen gestellt werden,
und die Lernenden diese dann ohne weitere Hilfe bearbeiten sollen.
Es geht nicht um die Schwierigkeit, sondern um die Art der Auseinandersetzung. Auch oder besonders zu Aufgabenstellungen, die realistisch bewältigt werden können, kann man sich vertiefte Gedanken machen. - …dass keine Fähigkeiten mehr automatisiert werden dürfen.
Routineaufgaben effizient, bestenfalls flexible und adaptiv lösen zu können und Basiswissen schnell
verfügbar zu haben ist nach wie vor ein wichtiges Ziel von Unterricht.
z.B. kann die Suche nach einem möglichst effizienten Lösungsweg kann durchaus zur kognitiven Aktivierung
beitragen
Theorie-ICAP Modell
Interaktiv: Schülerinnen und Schüler sprechen mit einem Partner, mindestens auf einem konstruktiven Niveau (z.B. mit anderem Schüler über die wesentliche
Aussagen eines Texts diskutieren)
Konstruktiv: Schülerinnen und Schüler generieren zusätzliche Informationen,
über die in den Lernmaterialien gegebenen
(z.B. umformulieren und Notizen zum Text machen)
Aktiv: Schülerinnen und Schüler arbeiten mit den gegebenen
Informationen, ohne diese selbst anzureichern(z.B. Textstellen nach einfachen Kriterien markieren)
Passiv:
Schülerinnen und Schüler empfangen Informationen, keine zusätzliche Handlung
(z.B. zuhören, einen Text leise lesen)
Potential für kognitive Lernaktivität bzw. kognitive Aktivierung steigt von passiv zu interaktiv.
Zusammenfassung der empirischen Ergebnissen
- Der Anteil der Aufgaben im Mathematikunterricht mit niedrigem kognitiven Niveau ist teilweise noch sehr hoch.
- In Klassen, in denen im Unterricht viel auf kognitive Aktivierung geachtet wird, schneiden die Schülerinnen und Schüler in Leistungstests besser ab.
…auch unter Kontrolle der mittlere Vorleistung der ganzen Klasse. - Die Zusammenhänge sind nicht erkennbar unterschiedlich für Lernende mit hohem oder niedrigen Interesse.
- Um Unterricht kognitiv aktivierend zu gestalten, wird v. a. fachdidaktisches Wissen benötigt.
Tiefe Verarbeitung anregen: Grundidee
Lernen ist mehr als „Abspeichern“.
- Erfahrungen und präsentierte Informationen werden nicht einfach nur übernommen und „abgespeichert“.
- Tiefe Verarbeitung betrifft das Verknüpfen von neuen Informationen untereinander und mit zugrunde liegendem, erklärendem mathematischen Wissen (Prinzipien, Definitionen, Sätze, Vorstellungen,…).
* Dies kann auf unterschiedliche Art angeregt werden.Notwendig ist aber zuerst einmal hohes „Aufgabenpotential zur kognitiven Aktivierung“
“Doing Mathematics” vs. Problemlösendes Arbeiten, Neues Entdecken
“Doing Mathematics”
Bekanntes mit Bezug zu erklärenden Konzepten anwenden
Bekanntes ohne Bezug
zu erklärenden Konzepten anwenden
Auswendiglernen
“Problemlösen”
z.B. Bekanntes Wissen auf neue Art nutzen,
oder auf neue Art kombinieren,
Konzepte zum Begründen nutzen.
z.B. Bekanntes Wissen anwenden
auf vertraute Problemtypen,
ohne Verknüpfung zu Konzepten.
z.B. Fakten reproduzieren oder memorieren,
Fakten raten oder in vertrauten Kontexten
anwenden.
Tiefe Verarbeitung anregen: Beispiele für Aufgabenpotential zur kognitiven Aktivierung
Aufgaben mit dem Potenzial höhere kognitive Prozesse einzufordern.
- z.B. Zusammenhänge erkennen und beschreiben.
- z.B. Kontrastieren und vergleichen.
- z.B. Begründungen finden.
- z.B. (auch) Lösungswege, Formulierungen für Aussagen,… selbst finden.
- z.B. vorgegebene Lösungen, Lösungswege, Beispiele, Aussagen,… prüfen, analysieren, erklären, vergleichen,…
Generell Aufgaben, die über Routinen (ABI Reproduzieren) hinausgehen.
- ABII: Zusammenhänge herstellen
- ABIII: Reflektieren und Verallgemeinern
Explizite Verknüpfungen mit dem Vorwissen herstellen.
- Analogien bilden (Wo war das so ähnlich? Woher kennen wir so etwas?)
- Mit Vorwissen begründen
Verschiedene Eigenschaften oder Grundvorstellungen zu einem Inhalt verknüpfen.
- z.B. Wie kann ich unterschiedlich beschreiben, was ein Parallelogramm ist?
- z.B. Welche unterschiedlichen Situationen kann man mit proportionalen Funktionen beschreiben?
Beziehungen zwischen Darstellungen untersuchen, beschreiben und begründen.
- z.B. Woran erkenne ich, dass der Proportionalitätsfaktor 2 ist, wenn ich den Graphen, eine Wertetabelle,
den Funktionsterm,… ansehe?
- z.B. Was passiert im Graphen, wenn ich am Funktionsterm diesen Wert größer/kleiner mache?
Auf der Basis des eigenen Vorwissens neue Informationen konstruieren oder ergänzen.
- z.B. Aussagen auf Gültigkeit prüfen, eigene Vermutungen formulieren und prüfen.
- z.B. Zusammenhänge und Beobachtungen in eigenen Worten beschreiben.
- z.B. Begründungen für beobachtete Phänomene, Lösungswege,… formulieren.
Unterschiedliche (multiple) Lösungen oder Lösungswege generieren und vergleichen.
* z.B. Wie kann ich zwei „gemischte Zahlen“ subtrahieren? Welche Strategie ist wann geschickt?
Kriterien-tiefe Verarbeitung anzuregen beinhaltet…
Aufgaben mit dem Potenzial höhere kognitive Prozesse einzufordern.
s.o.
Erwartung an kritisches und offenes Denken
- z.B. richtige und falsche Antworten zur Diskussion stellen, und nicht vorschnell abschließend bewerten.
- z.B. mehrere, alternative Lösungen oder Lösungswege einfordern, vergleichen.
- z.B. auch einmal eine unlösbare Aufgabe stellen.
Reichhaltige Fragen im Unterrichtsgespräch
- z.B. lieber wenige offene substantielle Fragen mit Nachdenkzeit, als viele triviale Fragen ohne Nachdenkzeit.
- z.B. Fragen, die ehrliches Interesse an den Ideen der Kinder ausdrücken.
Tiefe Verarbeitung wird z.B. eher behindert durch…
- …Aufgaben, die allein mit Oberflächstrategien oder Anwenden offensichtlicher Routinen lösbar sind.
- …einengende Vorgaben zu geforderten Vorgehensweisen und Lösungsschemata.
- …häufige Fragen, die lediglich auf ein von der Lehrkraft erwartetes Stichwort abziele
Tiefe Verarbeitung anregen: aus der Forschung
Studien zu den im Unterricht eingesetzten Aufgaben.
- Potential der Aufgaben zur kognitiven Aktivierung im Mathematikunterricht gering.
- Höheres Aufgabenpotential im Unterricht geht mit höherem Lernerfolg einher.
Videostudien und Fallanalysen zum Mathematikunterricht.
- Lehrkräfte nutzen im Unterrichtsgespräch nicht immer das Potential von Aufgaben, aktive Auseinandersetzung anzuregen. Das Potential der Aufgaben bleibt ungenutzt.
- Höherer Lernzuwachs in Klassen, in deren Unterricht mehr kognitive Aktivierung beobachtet wird.
- Sogenanntes „Trichtermuster“ weit verbreitet (s. Kap. 6).
Studien zu Fragen von Lehrkräften im Unterrichtsgespräch.
- Wartezeit nach Fragen (3 Sek.) i.d.R. zu kurz für eine aktive Verarbeitung.
- Längere Wartezeiten können zu höherem Lernerfolg führen, weil dann i.d.R. reichhaltigere Fragen gestellt
werden.
Mögliche Voraussetzungen für erfolgreiche kognitive Aktivierung.
- Voraussetzung der Lernenden bzw. Berücksichtigung durch die Lehrkraft.
- Fachdidaktisches (und fachliches) Wissen und konstruktivistische Überzeugungen der Lehrkräfte.
- Zuversicht der Lehrkraft in die Wirksamkeit ihres Handelns
Anforderungen fokussieren: Hintergrund
- Aufgaben, die tiefe Verarbeitung anregen sollen, sind häufig anspruchsvoll.
Besonders für Lernende mit weniger günstigen Lernvoraussetzungen (z.B. Vorwissen, Selbstkonzept). - Anforderungen in der realen Unterrichtspraxis
Insgesamt geringe Umsetzung „tiefer Verarbeitung“, häufig Vereinfachung von Anforderungen im
Unterrichtsgespräch. - Mögliche Ursache:
Vermutete oder reale Überforderung der Lernenden bei komplexeren Anforderungen?
Oder ist es eine Sache der Dosierung? - Aus der Instruktionsforschung
- Plausible U-förmige Verbindung zwischen Umfang der lernförderlichen Anforderungen und dem Lernzuwachs.
- Irrelevante Anforderungen reduzieren
den Lernzuwachs zusätzlich.
Anforderungen fokussieren: Grundidee
Notwendige Balance
- Zu hohe Anforderungen führen zu Überforderung und behindern Lernprozesse.
- Zu niedrige Anforderungen sind nicht wirksam für verständnisvolles Lernen.
*
Zentrale Leitfrage bei der Unterrichtsgestaltung
Welche Anforderungen der Aufgaben sind wirklich für das Lernen notwendig?
lernrelevante Anforderungen:
Welche Denk- und Problemlöseprozesse sind notwendig, damit die Lernenden in Bezug auf das Lernziel Fortschritte machen?
z.B. Begründen, Explorieren, Beschreiben,
Zusammenhänge erkennen, (aktiv)
nachvollziehen
nicht direkt relevante Anforderungen:
Welche Denk- und Problemlöseprozesse
erfordert die Aufgabe,…
* …die nicht zwingend für den Lernfortschritt
nötig sind
* …und diesen ggf. sogar behindern?
z.B. ein komplexes, zu lernendes Verfahren selbst (er-)finden, völlig neue fachliche Ideen
entwickeln
Anforderungen fokussieren: Aus der Forschung -> wirksame Ansätze
Verfahren lernen: Lösungsbeispiele statt selbst lösen.
- Lernende analysieren Musterlösungen anhand gezielter Fragen,…
- …anstatt ohne ausreichendes Vorwissen zu versuchen „das Rad selbst zu erfinden“.
Notwendig: Aktivieren zu aktiver Auseinandersetzung, z.B. durch Selbsterklärungen.
Lernen mit eigenen und fremden Texten: Sprachunterstützung.
- Unterstützung beim selbständigen Formulieren durch sprachliche Hilfen.
- Schwierige Textmerkmale (Wörter, Satzkonstruktionen) in Texten vermeiden oder thematisieren.
Wünschenswerte Erschwernisse: Herausforderungen gezielt einsetzen.
- Aufgaben, die problemlösendes Arbeiten an den zentralen Ideen herausfordern…
…aber gleichzeitig ausreichend Struktur zur fachlichen Orientierung bieten.
- z.B. Aufmerksamkeit auf zentrale fachliche Fragen lenken durch „productive failure“:
Nicht-perfekte Ansätze der Lernenden als Ausgangspunkt für systematische Betrachtung