Der Erste Weltkrieg Flashcards

1
Q

Rückblick auf das 19. Jahrhundert aus weltgeschichtlicher Perspektive

A

Fünf Merkmale des 19. Jahrhunderts:
1) Asymmetrische Effizienzsteigerung
Bei der Produktion durch Industrialisierung, regional sehr ungleich
im Militär: „Tötungskapazität“ wächst, doch militärische Stärke von Staaten sehr unterschiedlich, Zusammenhang mit Industrialisierung
durch Staatsapparate bezogen auf die eigene Bevölkerung: „obrigkeitliche Regulierungswut“, auch hier unterschiedliche Ausprägung in unterschiedlichen Ländern

2) Mobilität
sehr viel menschliche Migration zwischen etwa 1870 und 1930
Expansion von Welthandel, Kapitalströme
Beschleunigung des Transports, v.a. durch Dampfschiff und Eisenbahn
„Globalisierung“ als „beschleunigte Mobilisierung von Ressourcen über Staats- und Zivilisationsgrenzen hinweg“

3) Asymmetrische Referenzverdichtung
Internationaler Kultur-, Ideen- und Politikaustausch nimmt zu, dabei Hegemonie des Westens/Europas
Große Debatten über Haltung zum Westen in Russland, China, Japan und dem Osmanischen Reich
Kulturtransfer in der Praxis als „Einbahnstraße“ (nur Westen ⇒Nicht-Westen)

4) Spannung zwischen Gleichheit und Hierarchie
Allgemeine Tendenz in Europa zu Rechtsgleichheit und mehr sozialer Durchlässigkeit
Gleichzeitig aber international neue Hierarchien von starken und schwachen Staaten, nichteuropäische Staaten in der Regel ganz unten in der Hierarchie
Auch neue Diskriminierungsmechanismen: bezogen auf Juden, Rassismus

5) Emanzipation
monarchischer Absolutismus in der Krise
europäischer Verfassungsgedanke weltweit populär
Sklaverei im Westen abgeschafft
Emanzipation der europäischen Juden, der Bauern und der Arbeiter
Frauenemanzipation noch nicht

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2
Q

Der Erste Weltkrieg als Zäsur

A

„Katastrophe“ – Hannah Arendt

„Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan, US-Diplomat und Historiker u.a., darunter z.B. Ernst Schulin)

	- Positive Sicht auf das ausgehende 19. Jahrhundert
	- hierbei Zerfall der bürgerlichen Ordnungen und 				Radikalisierung der Politik im Blick

Ende des „langen 19. Jahrhunderts“, Kriegsbeginn 1914: „Anfang vom Ende des alten Europa“ (Schöllgen/Kießling)

Eric Hobsbawm: „Zusammenbruch der (westlichen) Zivilisation des 19. Jahrhunderts“, in seinem Buch: „Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts“

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3
Q
Internationale Politik im Wandel und Aufrüstung: 
Ausgangslage im (späteren) 19. Jahrhundert
A
  • Europäisches Staaten- und Sicherheitssystem mit Vorstellung von Mächtegleichgewicht und mit der viel zitierten Pentarchie (Fünferherrschaft): Großbritannien, Frankreich, Preußen, Russisches Reich und Habsburgermonarchie
  • die Gefahr der Hegemonie einer Macht sollte durch wechselnde Bündnisse eingehegt werden
  • Auch wenn der Frieden seit 1871 „immer bewaffneter wurde“, so galt doch prinzipiell noch das Ideal begrenzter Kriege mit dem Primat der Politik vor dem Militär (Leonhard, Büchse der Pandora, S. 37)
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4
Q

Neue Konstellationen- Hintergründe für Ausbruch und Verlauf des Ersten Weltkrieges

A

1) nationale Frage mit neuer Dynamik, neue Nationalstaaten wollten sich behaupten
2) Machtposition eines Landes bestimmte sich auch durch wirtschaftliche Leistungskraft, Kriege wurden zu „Testphasen“ dafür
3) Massenheere konnten erstmals ausgerüstet werden, allgemeine Wehrpflicht eingeführt (außer GB), zudem umfangreiche Aufrüstung, seit 1911 stiegen Militärausgaben deutlich
4) Imperialistische Expansion, neue Herrschaftstechniken und Waffen ⇒ Maschinengewehre

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5
Q

Spannungsraum Südosteuropa

A
  • Hintergrund „Orientalische Frage“: Macht- und Einflussverlust des Osmanischen Reiches seit 1774
  • Russland als Schutzmacht der Serben
  • Serbien seit 1882 unabhängige Monarchie
  • radikale Nationalbewegungen, die auf Abspaltungen von Österreich-Ungarn und Osmanischem Reich setzten ⇒ Gewaltbereitschaft
  • 1912/1913 zwei Balkankriege
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6
Q

Kriegsverlauf und -ergebnisse

A

Attentat von Sarajevo

Am 28. Juni 1914 wurden der Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Gemahlin bei ihrem Besuch in Sarajevo von Gavrilo Princip ermordet -> „Julikrise“

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7
Q

Kriegsbeginn

A
  • Konflikt Österreich-Ungarn vs. Serbien, deutsche Führung stellte Österreich „Blankoscheck“ aus
  • Ultimatum (23. Juli) und Kriegserklärung (28. Juli) an Serbien
  • Russland als Schutzmacht Serbiens: Generalmobilmachung der russischen Armee (30. Juli)
  • Deutsche Mobilmachung, Kriegserklärung Deutschlands an Russland und Frankreich (1./3. August)
  • Deutscher Einmarsch in das neutrale Belgien -> Großbritannien stößt zu den Alliierten
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8
Q

Kriegsziele

A
  • Deutsches Reich: „Septemberprogramm“ von Reichskanzler Bethmann Hollweg: im Westen Teile Frankreichs, Belgiens und Luxemburg
  • Im Osten Ansprüche auf Polen, Litauen und Kurland
  • besonders bei Militärs Vorstellung von einem deutschen ‚Großraum‘ im Osten

Russisches Reich: neben Abwehr deutscher Ansprüche im Westen Kontrolle der Meerengen, gegen Osmanisches Reich gerichtet

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9
Q

Kriegsziele

A
  • Alliierte: Aufteilung der nahöstlichen Provinzen des Osmanischen Reiches in britische und französische Sphäre
  • Völker Südosteuropas „befreien“ und Türkei endgültig zurückdrängen
  • USA: auch ökonomisches Interesse an Kriegsende, bei 14 Punkte-Programm von Präsident Wilson auch absolute Freiheit der Seeschifffahrt im Hintergrund
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10
Q

Die Ostfront

A

Nach anfänglichen russischen Vordringen Gegenbewegung der Mittelmächte, Front dann lange relativ stabil
Am 3. März 1918 Friede von Brest-Litowsk

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11
Q

1918

A
  • Deutsche Großoffensive im Westen, hier neben Briten und Franzosen bis November 1918 zwei Mio. Amerikaner, deutsche Niederlage
  • im November Waffenstillstandsverhandlungen abgeschlossen, hier im Wesentlichen schon Versailler Friedensvertrag vom 28. Juni 1919 festgeschrieben
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12
Q

Kriegsfolgen

A
  • Imperien zerfallen: Österreich-Ungarn, das Russische Reich und das Osmanische Reich
  • Radikalisierung der Politik, gesteigerte Gewaltbereitschaft
  • Auswirkungen auf die politische Kultur -> autoritäre und totalitäre Regime der Zwischenkriegszeit
  • Auflösung der Kolonialreiche beginnt
  • Aufstieg der neuen Weltmacht USA
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13
Q

Politik und Gesellschaft im Krieg: Deutschland, Frankreich und Russland :

Übergreifendes Muster

A
  • zunächst Schulterschluss der Parteien, „Burgfrieden“
  • Einschränkungen von parlamentarischen Rechten und Meinungsfreiheit, Rechtsruck (Deutschland und Frankreich)
  • dann angesichts der Kriegsbelastungen Radikalisierung und Destabilisierung
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14
Q

a) Deutschland

A

–> Zentraliesierung, Zensur und Rechtsdruck

–> militärische entscheidungsträger machen Politik

–> Novemberrevolution 1918: Versuch der Gründung einer sozialistischen Republik

führte zu Sturz der Monarchie im Deutschen Reich und Entstehung der Weimarer Republik

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15
Q

b) Frankreich

A

–> Geschlossenheit der politischen Klasse inklusive Sozialisten

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16
Q

Fazit

A
  • Charakteristisch waren anfängliche nationale Kriegsbegeisterung und ein politischer „Burgfrieden“ als Zusammenschluss politischer Kräfte angesichts der Herausforderung des Krieges
  • Im Laufe des Krieges schwand angesichts von wirtschaftlichen Problemen und Kriegsopfern die Begeisterung, ab 1916 „Durchhalte-Gesellschaften“
  • Der Krieg führte zur Destabilisierung bzw. Aushöhlung der vorherigen politischen Ordnungen.
  • Besonders gegen Ende des Krieges gewannen rechte wie linke radikale Positionen an Zulauf, insgesamt wurde der politische Liberalismus geschwächt.
17
Q

Kriegsschuldfrage und Fischer-Kontroverse

A
Fritz Fischer (1908-1999) in den 1960er Jahren („Griff nach der Weltmacht“):
Deutsche Regierung habe auf den Krieg hingearbeitet und den ‚entscheidenden‘ Teil der historischen Verantwortung zu tragen; letztes Ziel sei dabei die ‚Hegemonie Deutschlands über Europa‘ gewesen, wies zudem auf Kontinuitäten zum Nationalsozialismus hin

Gerhard Ritter (1888-1967), Nationalkonservativer; lehnte Fischers Analyse rundweg ab, sprach von „Selbstverdunkelung des deutschen Geschichtsbewusstseins“ seit 1945

18
Q

Heutige dominierende Einschätzung

A
  • Weder Angriffs- noch Verteidigungskrieg
  • deutsche Politik: „hochriskante Krisenstrategie“, „die die Möglichkeit eines großen Kriegs bewußt in Kauf nahm, ohne diesen allerdings unbedingt herbeiführen zu wollen“ (Schöllgen/Kießling S. 194)
  • Joachim Radkau spricht von „Angstlust“ der deutschen Politik (teils zögerlich, teils offensiv)
  • Heute Perspektive geographisch wie zeitlich ausgeweitet: internationale Perspektiven, längere Vorgeschichte
19
Q

Fazit

A
  • Hintergrundfaktoren für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren die Politik der nationalstaatlichen Selbstbehauptung, die Verschränkung von wirtschaftlicher und militärischer Potenz, allgemeine Aufrüstung und Ausweitung der Heere sowie der Imperialismus.
  • Der Erste Weltkrieg beendete das „lange 19. Jahrhundert“ als relativ friedliche Phase mit bürgerlich-liberaler Ordnung und führte zum Zerfall der großen Imperien in Europa.
  • Er war (mit Vorläufern) der erste globale Krieg und der erste „moderne“, „totale“ Krieg mit folgenden Charakteristika: millionenfache menschliche Verluste, Industrialisierung des Krieges, große Bedeutung der Massenmedien und Einbezug der Massengesellschaft.