Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit Flashcards
Allgemeines
- Delikte sind häufig Gegenstand der Klausur
- hier liegt der Schwerpunkt aber oft bei Problemen des Allgemeinen Teils, nicht so sehr bei den Tatbeständen an sich
–> also nicht zu viel Zeit darauf verwenden, weil sehr bekannte Probleme oft!
- oft zusammen mit §§ 239, 240 StGB zusammen (Konkurrenzen zu §§ 223 ff.: Tateinheit, weil unterschiedliche Rechtsgüter geschützt; oder tritt zurück, weil kein eigener Unrechtsgehalt)
- § 223 und § 229 sind relative Antragsdelikte nach § 230: erwähnen!
- kurz halten, aber trotzdem sorgfältig definieren und subsumieren, Standards erfüllen.
- Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit des Menschen
- Versuch nach 223 II, 224 II strafbar
- minder schwerer Fall nach § 224 I möglich!
§ 223: Körperliche Misshandlung
= jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit des Opfers mehr als nur unerheblich beeinträchtigt
- unerheblich, ob das Opfer Schmerzen hat (auch Haare abschneiden ist KV!)
- seelische Beeinträchtigungen als solche genügen nicht, erforderlich sind vielmehr körperliche Auswirkungen (bloßes Ekelgefühl reicht nicht, Hervorrufen von Brechreiz dagegen schon; Vorsatz muss dann aber auch auf Brechreiz gerichtet sein)
—> in Kaiser: unter „Erheblichkeit aus objektiver Sicht prüfen“ ; falls 223 -, dann an 185 Alt. 2 denken. - weiterer Fall: Anrauchen kann aufgrund von Viren, Bakterien, krebserregenden Stoffen auch 223 sein, keine Bagatelle mehr (AG Erfurt)
§ 223: Gesundheitsschädigung
= Hervorrufen, Steigern oder Aufrechterhalten eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden krankhaften Zustands körperlicher oder seelischer Art (etwa HIV-Viren, zugleich §§ 224 I Nr. 1, 5)
psychische Körperverletzung damit auch möglich, muss aber pathologischer Zustand sein (eher schwere Depression); nachvollziehbare und normale psychische Reaktion (leichte Depression) fällt nach BGH demnach nicht darunter; muss mit nicht nur unerheblicher Verschlechterung des körperlichen Zustands verbunden sein.
- auch keine Schmerzen erforderlich
Der ärztliche Heileingriff als körperliche Misshandlung?
hL: wenn Heileingriff lege artis verlaufen ist, dann keine Körperverletzung; jedenfalls nicht, wenn er erfolgreich war
Rspr: Jeder Heileingriff ist körperliche Misshandlung, die nur durch Einwilligung gerechtfertigt werden kann;
Arg.: Selbstbestimmungsrecht des Patienten soll im Vordergrund stehen; gestützt durch §630d BGB, der die Einwilligung nun normiert; Totschlagargument ist, dass der Patient sonst nicht vor eigenmächtigen, aber im Endeffekt erfolgreichen Heileingriffen geschützt wird, sondern nur über §§ 239, 240 StGB, die dem Unrechtsgehalt nicht gerecht werden, weil sie nicht auf körperlichen Integritätsschutz zielen
Prüfung von §§ 223 I, 224 I Nr…
A. §§ 223 I, 224 I Nr... I. Objektiver TB 1. Grunddelikt - körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsschädigung - Kausalität - Objektive Zurechnung 2. Qualifikation gegeben? II. Subjektiver TB - Vorsatz bezüglich des Grunddelikts und der Qualifikationen (bei Nr. 5 reicht Kenntnis der das Leben gefährdenden Umstände; bei Nr. 1 reicht Kenntnis der Gefährlichkeit des Stoffes im konkreten Fall) III. RW/Schuld
§ 224 I Nr. 1 StGB: durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen
–> gesundheitsschädliche Stoffe sehr weit zu verstehen!
seit 1998 in Gesetz eingefügt:
- Gift = jeder anorganische oder organische Stoff, der Gesundheit durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung beeinträchtigt (“klassische Vergiftung”)
- Stoffe sind alle natürlich (biologisch) sowie mechanisch/thermisch wirkende Substanzen (Flammen; auch HIV-Viren, Bakterien, Salzsäure, zerstoßenes Glas)
(Achtung: bei HIV schon mit Infektion KV, oft nur Versuch, weil nicht mehr festgestellt werden kann, von wem Ansteckung kommt, daher mangelt es wohl an Kausalität; auch an § 224 I Nr. 5 denken) - das Gift/der Stoff muss im konkreten Fall geeignet sein, die Gesundheit in erheblichem Maße zu schädigen (auch ggf. unschädliche Stoffe des täglichen Lebens: s. Kochsalz Fall; Subsumtion unter Gift.)
–> nur so kann Unrechtsgehalt des §§ 224 gegeben sein; plus Nr. 2 angleichen mit geforderter Erheblichkeitsschwelle: Verbrühen mit heißem Kaffee reicht evtl nicht) - der Vorsatz des Täters muss sich auf die Umstände beziehen, die die Gesundheitsschädlichkeit des Stoffes erzeugen
§ 224 I Nr. 1: Beibringen
= wenn er mit dem Körper derart verbunden ist, dass er dort eine gesundheitsschädliche Wirkung entfaltet; Herstellung einer Körper-Gift-Beziehung, die intern (Schlucken) oder extern (Übergießen) geschehen kann (hM und auch BGH)
- fraglich, weil: im Hinblick auf Nr. 2 könnte man aber auch vertreten, dass Nr. 1 nur das interne Beibringen meint; sonst gar keine Abgrenzung mehr und sehr kleiner eigenständiger Anwendungsbereich von Nr. 1 (bei brennendem Hemd durch Feuerzeug Nr. 1, 2 +, weil Flammen thermisch wirken, und Feuerzeug gefährliches Werkzeug ist)
–> bei Überschneidungen Problematik ansprechen, und dann entweder nebeneinander anwenden, oder hm: Nr. 2 hinter Nr. 1 zurücktreten lassen, da Nr. 1 dann Sonderfall ist und lex
§ 224 I Nr. 2: Waffen
= Waffen sind solche im technischen Sinn (§ 1 WaffG); also Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, durch mechanische oder chemische Wirkung Verletzungen hervorzurufen (Schuss- und Schlagwaffen, chemische Substanzen auch)
- auch geladene Gaspistolen mit nach vorne austretendem Explosionsdruck
- auch geladene (!) Schreckschusspistolen mit nach vorne austretendem Druck (!) fallen nach BGH unter Waffenbegriff
§ 224 I Nr. 2: Gefährliche Werkzeuge
= alle Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und konkreten Art der Verwendung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen hervorzurufen und als Angriffs- oder Verteidigungsmittel verwendet werden (für ärztlichen Heileingriff)
Aggregatzustand grundsätzlich egal; deshalb wird Nr. 1 oft neben Nr. 2 angewandt; kann aber kritisch gesehen werden: diskutieren und in Klausur ansprechen!
Operationsbesteck des Arztes als gefährliches Werkzeug?
Nein, weil dieses nicht als Angriffs- oder Verteidigungsmittel verwendet wird.; erhöhte Gefährlichkeit ist damit nicht gegeben; Selbstbestimmungsrecht der Patientin ist schon durch Annahme des § 223 gewahrt; eine Annahme der Qualifikation ist nicht geboten
Beschuhter Fuß als gefährliches Werkzeug?
Nach der Rechtsprechung genügt es grundsätzlich: körperexterner Gegenstand und Gefährlichkeit erhöht.
Bei besonders festem und schwerem Schuh auf jeden Fall, weil dadurch der Unrechtsgehalt der Körperverletzung erheblich erhöht wird.
Bei normalem Straßenschuh fraglicher, weil der Unterschied zu barfuß (was nicht unter Nr. fällt) nicht so erheblich ist; nach BGH aber gegeben, wenn mit Wucht oder in empfindliche Körperteile getreten wird, weil Gefährlichkeit erhöht wird, größere Trittsicherheit, größere Fläche
–> in Klausur ein bisschen nach Art des Schuhs abgrenzen und SV auswerten, iErg fällt es aber (meistens) darunter, wenn es nicht gerade hauchdünne Ballerinas sind
Eigene Körperteile als gefährliche Werkzeuge? (zB bei professionellem Karatekämpfer?)
- dafür spricht, dass die Gefährlichkeit der Körperverletzung tatsächlich erhöht ist, weil der Karatekämpfer/Boxer sein Körperteil wie eine Waffe verwenden kann: Unrechtsgehalt des § 224 könnte daher erfüllt sein
- jedoch setzt § 224 I Nr. 2 seinem Wortsinn nach einen körperexternen Gegenstand voraus; ein anderes Verständnis verstieße gegen das Analogieverbot; würde zuungunsten des Täters wirken; daher Verstoß gegen Art. 103 II GG und daher verfassungswidrig; Auffangtatbestand des Nr. 5 steht hierfür bereit, Ausdehnung daher nicht notwendig, gar unzulässig
Unbewegliche Gegenstände als gefährliche Werkzeuge? (Bsp.: Hauswand)
- dafür spricht, dass es keinen Unterschied machen darf, ob das Opfer in Richtung des Gegenstands geschleudert wird oder andersrum: Wirkweise ist die gleiche
- aber auch hier steht der natürliche Wortsinn des § 224 I Nr. 2 entgegen, der auf einen beweglichen bzw. bewegbaren Gegenstand hinweist, Analogieverbot greift auch hier; Verstoß gegen Art. 103 II GG, auch Nr. 5 dafür
(beachte: bei beweglichen Gegenständen ist es aber dann egal, ob diese zum Körper des Opfers geführt werden oder andersrum)
Anfahr-Fälle: Es stellt sich die Frage, ob es für § 224 I Nr. 2 Alt. 2 genügt, wenn jemand mit dem Auto angefahren wird, die KV aber erst durch Aufprall auf Boden entsteht.
A1: BGH: Wenn die Verletzung nicht unmittelbar durch den Aufprall des Fahrzeugs, sondern erst durch den Sturz entsteht, dann ist für Nr. 2 Alt. 2 kein Raum (Wortlaut “mittels”: sonst Überschreitung des natürlichen Wortsinns und Verletzung des Analogieverbots)
A2: Lit: auch mittelbare Verursachung der Verletzungen durch einen beweglichen Gegenstand muss genügen, weil Gefährlichkeit erheblich erhöht ist; Wortlaut steht nicht entgegen, da uneindeutig.
–> der Wortlaut “mittels” sagt, dass die KV durch den beweglichen Gegenstand lediglich vermittelt werden muss; Täter verwendet also Gegenstand für KV, die sich nur so auswirken kann; ist zu technische, kleinliche, formalistische und unlogische Differenzierung des BGH
(einleuchtendes Bsp: wenn Katapult gegen Menschen schnellt, dann ist es § 224, wenn Mensch aber in Katapult eingespannt wird und auf Straße aufprallt, ist es kein § 224; ergibt keinen Sinn)
–> Im Ergebnis: Differenzieren, ob sich die Kräfte des KfZ im Erfolg verwirklichen, oder ob wirklich nur Sturz zu KV führen soll (Lit. aber überzeugender)
§ 224 I Nr. 3: Hinterlistiger Überfall
= Überfall ist jeder plötzliche und unerwartete Angriff auf einen Ahnungslosen
= Hinterlistig ist ein Überfall, wenn die Angriffsabsicht vom Täter planmäßig berechnend verdeckt wird, um Verteidigungsmöglichkeiten zu erschweren
- bloßer Hinterhalt oder Ausnutzen des Überraschungsmoments reicht nicht, muss mehr sein; muss zur Verschleierung des Vorgehens weitere Maßnahmen treffen
- va bei vorgetäuschter Friedfertigkeit
- nicht gleichgesetzt mit Arglosigkeit! Angriff von hinten reicht nicht, Anschleichen auf leisen Sohlen reicht aber; hinterlistig auch das verdeckte Beibringen von Schlafmitteln und KO-Tropfen; Heimtücke ist weiter als hinterlistiger Überfall
Hinsichtlich der Hinterlist ist subjektiv Absicht erforderlich (nur so kann sie erfüllt sein)