Beleidigungsdelikte Flashcards
Was ist eine Beleidigung?
= Kundgabe eigener Miss- oder Nichtachtung einer Person, die geeignet ist, diese verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
–> durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln; wie ein verständiger objektiver Dritter die Äußerung verstehen würde
bei sexuellen Handlungen und tätlichen Beleidigungen restriktiv: muss selbstständigen beleidigenden Charakter haben (Griff in den Schritt, Anspucken)
häufig mal bei 223 andenken!
ist gerne mal in Klausuren dabei, weil es absoluten Antragsdelikt ist.
Welchen Ehrbegriff haben wir?
Den dualistischen Ehrbegriff = umfasst die soziale (äußere) (186 ff.) und personale (innere) (185) Ehre
Beleidigungsfähige Subjekte?
- natürliche Personen (Alter egal)
- Personengesamtheiten
- Sonderfall: Individualbeleidigung unter einer Kollektivbezeichnung
Voraussetzung für Beleidigungsfähigkeit einer Personengesamtheit?
= Wirken in der Gesellschaft nur möglich, wenn Geltung in der Gesellschaft nicht herabgewürdigt wird
- Erfüllung einer rechtlich anerkannten gesellschaftlichen Funktion
- Fähigkeit, einheitlichen Willen bilden zu können
(Kapitalgesellschaft, politische Partei, Gewerkschaften, Bundeswehr, Polizeidezernate, Ausländerbehörden)
nicht Stammtischrunde oder Familie oder private Vereine
Arg.: § 194 III 2, 3, IV setzt die Beleidigungsfähigkeit voraus; ist keine abschließende Aufzählung, ist grds. nur Strafantragsvorschrift, aber beinhaltet die grundsätzliche Fähigkeit
Voraussetzungen für Individualbeleidigung unter einer Kollektivbezeichnung?
- Bezug zu deutlich aus der Allgemeinheit hervortretendem Personenkreis (sonst verliert sich Beleidigung in Anonymität); klar abgrenzbar und überschaubar
- Mitglieder müssen sich bestimmen lassen
–> kann auch durch zeitlichen und örtlichen Zusammenhang entstehen; durch Vorkommnis oder Situation
Mitglieder einer bestimmten Gruppe werden beleidigt!
-> mehrere Einzelpersonen!
Definition von Tatsachen
Ereignisse, Vorgänge und Zustände der Innen- und Außenwelt der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind
Definition von Werturteilen
Äußerungen, die durch Elemente der Stellungnahme und des Meinens und Dafürhaltens geprägt sind und deren (Un)richtigkeit Sache persönlicher Überzeugung ist
Wie entscheide ich bei gemischten Äußerungen?
Wie entscheide ich bei Satiren?
Den Schwerpunkt ermitteln!
Zwischen Aussagekern und Einkleidung unterscheiden; wenn Aussagekern selbst keine Missachtung enthält, dann wohl okay; Grenze erreicht bei:
- Formalbeleidigung
- Verletzung der Menschenwürde
- Schmähkritik
Kundgabe erforderlich:
= die Kommunikation der ehrenrührigen Aussage; mündlich, schriftlich, symbolisch, gestikuliert, Tätlichkeiten
nicht ausreichend ist die Schaffung einer kompromittierenden Sachlage
Wann liegt insbesondere keine Kundgabe vor?
wenn Beleidigung in beleidigungsfreier Sphäre passiert:
–> Selbstgespräche (keine Außenwirkung, keine Kundgabe, verfassungskonforme Auslegung zugunsten des Persönlichkeitsrechts und eines Raumes freier Entfaltung der Persönlichkeit)
–> innerhalb besonderer Vertrauensverhältnisse auch, Schutz der Privatsphäre, innerhalb der Familie etwa!
Merken: Kein Versuch und keine Fahrlässigkeit
vor allem für Aberratio ictus und ETBI relevant.
Prüfungsschema § 185
I. Tatbestand
obj.
- Werturteil (ggü Betroffenem oder Dritten) oder unwahre Tatsachenbehauptung (ggü Betroffenem; ggü Drittem ist § 187) (bei § 185 gilt Zweifelssatz, wenn unklar, ob unwahr, im Gegensatz zu § 186)
- gegenüber beleidigungsfähigem Subjekt(s.o.)
- Kundgabe
- (ggf. Tätlichkeit als Quali)
subj.
- Vorsatz (auch bzgl Unwahrheit!)
- kein Animus iniuriandi
II. RW
- Einwilligung
- § 32
- § 193
III. Schuld
IV. Straffreiheit, § 199
V. Antragserfordernis, § 194 I 1
–> absolutes Antragsdelikt, dh Strafantrag ganz am Anfang im A-Gutachten prüfen.
(zugleich Privatklagedelikte)
P: Irrtum über die Person des Beleidigten (beliebt in Klausuren)
hier error in persona und aberratio ictus unterscheiden: argumentieren!
kann auch in Vorsatz unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs sein.
—> je nach Klausur entscheiden, kann in verschiedenen Konstellationen verschieden sein.
Ergebnisoffen, deshalb einfach entscheiden und argumentieren.
Bei wahren Tatsachenbehauptungen?
§§ 185, 192: Formalbeleidigung
Form: gehässige Einkleidung oder Schimpfwörter
Umstände: va: Reaktualisierung herabwürdigender Geschehnisse und Publikationsexzesse
–> subjektiv muss Täter nur herabwürdigende Umstände kennen, keine Beleidigungsabsicht notwendig
Tätliche Beleidigung, § 185 Alt. 2
–> hier ist tatsächliche Berührung notwendig
gerne neben Körperverletzung mal daran denken.
Prüfungsschema § 186
–> immer Drei-Personen-Konstellation
(unwahrer Tratsch)
I. Tatbestand obj - verächtliche Tatsache ggü Drittem - behaupten oder verbreiten (- Kundgabe)
subj
- Vorsatz
II. Objektive Bedingung der Strafbarkeit
- Nichterweislichkeit der Wahrheit (also wenn Wahrheit nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann; bei Wahrheit nur § 192 möglich, bei Unwahrheit 187)
III. RW und Schuld
IV. Strafantrag, § 194
Prüfungsschema § 187
(unwahrer Tratsch)
I. TB
obj
- unwahre Tatsache gegenüber Drittem
- behaupten oder verbreiten
subj
- Vorsatz
- dolus directus 2. Grades bzgl. Unwahrheit
II. Rw
III. Schuld
IV. Strafantrag, § 194
Konkurrenzen
- bei mehreren Beleidigungen idR Tateinheit
- § 185 tritt ggü 186, 187 zurück
- § 186 tritt hinter § 187 zurück
- §§ 185, 187 in Tateinheit zur Klarstellung, weil einmal innere und einmal äußere Ehre betroffen ist (wenn dem so sein sollte)
Prüfungsschema § 193
–> sauber durchprüfen wie jeden Rechtfertigungsgrund!
andere RF-Gründe bleiben daneben anwendbar
I. Anwendbarkeit
- NICHT auf Tatbestände außerhalb des 14. Abschnitts; keine Analogiefähigkeit
- NICHT bei § 187, kein Recht zur bewussten Lüge
- NICHT bei § 192 (§ 193 a.E.)
- NICHT bei § 185, wenn bewusst unwahre Tatsachenbehauptung (kein Recht zur bewussten Lüge)
II. Objektive Voraussetzungen
- berechtiges Interesse = jeder öffentliche, private, ideelle oder materielle Zweck; wenn es den Äußernden so nahe berührt, dass er sich “zum Verfechter aufwerfen darf” (eigene, auch Belange Angehöriger; va auch Allgemeininteressen wie Strafverfolgung; Politik auch)
- Verhältnismäßigkeitsprüfung: legitimer Zweck, geeignet, erforderlich, angemessen; und da dann umfassende Interessenabwägung am Sachverhalt
(wichtig: für Tatsachenbehauptungen, insbesondere für Presse, besteht Informationspflicht, sonst nicht erforderlich)
–> Abwägung des Persönlichkeitsrecht auf der einen und der Meinung-/Kunst-/etc.-freiheit auf der anderen Seite
III. Subjektive Voraussetzungen
- in Kenntnis und mit Willen zur Interessenwahrnehmung
§§ 188, 192a neu eingefügt, keine besondere Klausurrelevanz
aber merke: nach § 194 I 3 ausnahmsweise relative Antragsdelikte
Klausurfall von § 193:
Beleidigung durch Strafanzeige?
- grundsätzlich TB +
- aber durch § 193 gerechtfertigt
- nur nicht, wenn der Anzeigende die Richtigkeit seiner Strafanzeige nicht hinreichend überprüft hat; dann noch 164, 145d zu prüfen