Aussagedelikte, Strafvereitelung, Falsche Verdächtigung, Vortäuschen einer Straftat Flashcards
Vereiteln iSd § 258 StGB
= ein Verhalten, das nach seiner Zielsetzung darauf gerichtet ist, die Realisierung des in § 258 I StGB umschriebenen Ahndungs- oder Anordnungsrechts durch eine Besserstellung des Vortäters ganz oder teilweise zu verhindern.
(typisches Verhalten: Versteck gewähren)
Problem § 258:
Reicht für Vereitelung die erhebliche zeitliche Verzögerung der Strafverfolgung aus oder muss Strafverfolgung endgültig verhindert werden?
–> Vollendungszeitpunkt bei § 258 I
A1: Erfolg muss endgültig eintreten;
Arg: zeitliche Verzögerung zu unbestimmt und daher Verstoß gegen Art. 103 II GG; Wortlaut legt das nahe; außerdem gibt es Versuchsstrafbarkeit in Abs. IV, keine Strafbarkeitslücken
hM: liegt schon bei Verzögerung von geraumer Zeit vor
Arg: Wortlaut kann auch “vorerst/vorübergehend vereiteln” heißen; heißt auch “zum Teil”; bei Endgültigkeit würde nur in den seltensten Fällen Vollendung vorliegen
–>Rechtsgut der innerstaatlichen Strafrechtspflege ist auch bei erheblicher Verzögerung beeinträchtigt: erhöhte Gefahr des Beweismittelverlusts
str, was geraume Zeit bedeutet: hL nach § 229 I StPO 3 Wochen
teilweise vereitelt, wenn Strafe am Ende milder ausfällt.
Strafvereitelung, § 258:
Allgemeines
Prüfungsschema
- persönliche Begünstigung durch Strafvereitelung
- geschütztes Rechtsgut ist die Strafrechtspflege
- § 258a ist Quali mit erhöhter Strafandrohung, § 258 III und VI nicht anwendbar
Obj TB:
- rechtswidrige Vortat; Vereitelungshandlung und -erfolg
- Subjektiv: dd. 1. oder 2. Grades notwendig hinsichtlich der Vereitelung; hinsichtlich Vortat genügt dolus eventualis
258 V, VI beachten als persönliche Strafausschließungsgründe !!!
Ist die Anstiftung zu § 258 strafbar, wenn der Vortäter dazu anstiftet?
Nein, schon wegen 258 V und aus Umkehrschluss aus fehlender Regelung wie 257 III 2.
(wenn aber ein völlig Unbeteiligter anstiftet, dann geht es schon)
258
- immer erwähnen, ob Verfolgungs- (I) oder Vollstreckungsvereitelung (II) vorliegt
Verfolgungsvereitelung: Falsche Angaben ggü Strafverfolgungsbehörden; Verweigern von Angaben als Zeuge; Erwirken falscher Aussagen; Verstecken des Täters; Vernichten von Beweismitteln; Fluchthilfe; (NICHT ABER der Rat zu prozessual zulässigem Verhalten etwa bei Strafverteidiger) (NICHT sozialadäquates Verhalten wie ärztliche Versorgung eines Flüchtigen oder bloßes Obdachgewähren eines Straftäters, da sich Verhalten hier nicht gegen Strafrechtspflege richtet)
Vollstreckungsvereitelung: Gefangenenbefreiung; Beseitigen Vollstreckungsakten; Verbüßung Freiheitsstrafe für anderen
- nach BGH ist Zahlung einer Geldstrafe durch Dritten oder Überlassung des Geldes kein 258, weil Vollstreckung ja gerade nicht verhindert wird, nur Strafzweckvereitelung; Ziel der Vollstreckung ist nach den 459 ff. StPO Durchsetzung der Zahlung, mehr nicht
- anders aber, wenn jemand für einen anderen die Freiheitsstrafe absitzt, weil es hier gerade um die individuelle Einwirkung auf den Täter geht
- problematisch ist oft Verhalten des Verteidigers; kein 258 jedenfalls, wenn er sich prozessordnungsgemäß verhält
- wichtig ist Täter- und Angehörigenprivileg, § 258 V, VI !
- § 258a kann von Richtern, Staatsanwälten, Polizeibeamten begangen werden, nicht jedoch Anwälten
- Strafvollzugsbeamte begehen kein § 258, 13 I, wenn sie Misshandlungen von Häftlingen durch andere Bedienstete nicht melden, weil ihnen diesbezüglich (!) keine Garantenpflicht obliegt (ok, aber i.Erg. schwierig, meine Meinung)
P: Erlaubtes Verteidigerverhalten für 258?
Ist Verteidigerverhalten noch erlaubt oder erfüllt es den Tatbestand des § 258?
Hier muss man das Spannungsverhältnis der Rollen des Strafverteidigers darstellen: Einerseits ist er “Organ der Strafrechtspflege”, andererseits jedoch auch “Interessenvertreter eines potentiellen Straftäters”
Nach Rspr zB überschritten bei:
- Beseitigen oder Verfälschen von Beweismitteln
- Manipulieren von Zeugen
- Zurückhaltung von Akten zur Verfahrensverschleppung
- Einwirken auf Mandanten zur Erklärung von bewusst falschen Angaben
- Weitergabe von Akten zur Gefährdung des Untersuchungszwecks
nicht überschritten zB bei:
- Abraten von Selbstanzeige oder von Aussage
- Anraten zur Geltendmachung von Rechten
- selbstständige Befragung von Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung
- Vortragen zweifelhafter Behauptungen des Mandanten, ohne eigene Kenntnis vom Gegenteil
–> Wertungsfrage!
Strafvereitelung im Amt, § 258a
- unechtes Amtsdelikt (allgemein strafbar, aber bei Amtsträgern höheres Strafmaß) und Quali zu 258
- für Teilnehmer gilt § 28 II !
typische Fälle:
- Polizeibeamter will den Anzeigenden zur Rücknahme der Anzeige bewegen, weil er bewusst wahrheitswidrig Aussichtslosigkeit betont
- Nichtannahme (§ 13) von Strafanzeigen durch Polizeibeamten
- Verschweigen (§ 13) von privat bekannt gewordenen Straftaten von einigem Gewicht (hier aber Abwägung zwischen APR und öffentlichem Interesse, jedenfalls bei Katalogtaten des § 138 wohl anzunehmen)
- subjektiver TB gleiche Anforderungen; Amtsträger muss zusätzlich bewusst sein, jemanden trotz entgegenstehender amtlicher Verpflichtung vor Strafe zu bewahren
- auch hier gilt 258 V, nicht jedoch Angehörigenprivileg aus 258 VI
Wer ist eine zur Eidesabhahme zuständige Stelle iSd § 154?
NUR das Gericht, nicht die Staatsanwaltschaft oder die Polizei, (§ 161a I 3 StPO für StA; § 163 III 3 StPO für Polizei)
hier muss auch die Eidabnahme überhaupt gesetzlich zugelassen sein, und die den Eid abnehmende Person hierzu gesetzlich ermächtigt sein (NICHT Rechtspfleger nachh § 4 II Nr. 1 RPflG, und nicht Referendare § 10 S. 2 GVG)
Allgemeines über Delikte gegen die Rechtspflege:
- vor allem Standardprobleme relevant
- §§ 153 ff, 145d, 164, 258 als Block
- wenn jemand falsch vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft falsch aussagt, kommen die §§ 153 ff. nicht zur Anwendung (s. §§ 161a I 3, 163 III 3 StPO); nur die anderen Delikte denkbar
- §§ 153 ff. auch nie zulasten des Angeklagten: der darf zur eigenen Verteidigung lügen; auch kein 258, da 258 V; nur 145d, 164 denkbar
- §§ 153 ff. sind abstrakte Gefährdungsdelikte (es kommt also nur auf die falsche Aussage an sich an, nicht, dass sie auch Gegenstand der gerichtlichen Feststellungen wird)
- geschütztes Rechtsgut: die innerstaatliche Rechtspflege: öffentliches Interesse an wahrheitsgemäßen Tatsachenfeststellungen
- § 154 ist Qualifikation des § 153; Täter des § 154 kann jedermann sein, nicht nur Zeugen und SV
- Versuch des § 154 strafbar: Verbrechen! (§ 12 I)
- Versuch des § 153 nicht strafbar; auch kein Fahrlässigkeitsdelikt möglich, s. § 161
- Tätigkeitsdelikte; eigenhändige Delikte (deshalb keine Mittäterschaft oder mittelbare Täterschaft; für mT aber § 160 normiert)
P1: Wann ist eine Aussage falsch iSd §§ 153 ff. ?
- nach Rspr nach der objektiven Theorie bestimmt = Aussage ist falsch, wenn sie inhaltlich nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (Auseinanderfallen von Wort und Wirklichkeit)
- die subjektive Theorie geht davon aus, dass Aussage falsch ist, wenn sie sich nicht mit dem Vorstellungsbild des Aussagenden deckt (Auseinanderfallen von Wort und Wissen)
(- die Pflichttheorie stellt darauf ab, ob der Aussagende bei kritischer Prüfung der Erinnerung bzw. der Wahrnehmung das Auseinanderfallen von Aussageinhalt und Wirklichkeit hätte erkennen können)
Stellungnahme:
- für objektive Theorie spricht Existenz von 161 ff. : bei subjektiver Theorie hätten die 161 ff. sehr schmalen Anwendungsbereich; auch ist § 160 mit der subjektiven Theorie nicht erklärbar, weil der Vordermann sonst schon keine falsche Aussage tätigen würde; außerdem ist die Rechtspflege nur verletzt, wenn tatsächlich falsche Aussage vorliegt; einheitlicher Maßstab; Beweisgründe
–> MERKE: oft wird für §§ 153, 154 der Vorsatz fehlen; dann aber an 161 denken bei 154
–> ACHTUNG: wenn Richter nur nach der Vorstellung des Zeugen fragt, dann fallen objektive und subjektive Theorie denknotwendig zusammen. (dann wird Zeuge sein Vorstellungsbild regelmäßig richtig abgeben!)
P2: Umfang der Wahrheitspflicht ? Bei Spontanäußerungen
–> Stellt die Äußerung eine Aussage iSd 153 ff. dar?
- grundsätzlich sämtliche Aussagen, die Gegenstand der Vernehmung sind
- str: auch Tatsachen, die dem gerichtlichen Beweisbeschluss nicht unterfallen (also spontane und beiläufige, freiwillige Angaben)?
- -> Zählt die Äußerung noch zum Vernehmungsgegenstand?
- hM/Rspr: Nein, weil Beweisbeschluss den Vernehmungsgegenstand vorgebe; nur durch nachträgliche richterliche Erweiterung des Beweisthemas (etwa durch nochmalige Bestätigung der Aussage auf Aufforderung des Richters) X
- mM: auch Spontanäußerungen, wenn sie aufgrund prozessualer Verwertbarkeit die gerichtliche Tatsachenfeststellung gefährden; Arg: abstrakte Gefährdungsdelikte, die die Reinheit der Tatsachenfeststellung schützen
–> Stellungnahme: Bestimmtheitsgebot für Zeugen nur durch hM gewahrt !
aber auch mal an Versuch dann hier denken. II in Abgrenzung zu straflosem Wahndelikt
P3: Meineid Jugendlicher
?
- Eidesfähigkeit nach § 60 StPO muss gegeben sein (nicht bei unter 18-Jährigen!) (16-Jährige im Zivilprozess § 393 ZPO) sind wegen ihrer Jugend noch nicht eidesfähig
Was ist, wenn sie doch vereidigt werden und die Eideseinsicht trotz ihrer Jugend besitzen?
BGH hat Strafbarkeit bejaht, weil durch Falschaussage die Strafrechtspflege gefährdet ist (abstrakte Gefährdungsdelikte!!); aber nur, wenn Eideseinsicht besteht, im Einzelfall.
Lit: Altersgrenze im Gesetz als unwiderlegliche Vermutung, dass Jugendlichen unter 16/18 Jahren die Einsicht fehlt, daher nicht strafbar
Straftatbestand des § 153 StGB
- vor Gericht: sämtliche inländischen staatlichen Rechtsprechungsorgane in all ihren Funktionen (nicht nur Strafgerichte)
- NICHT Polizei oder Staatsanwaltschaft (§§ 161a I 3, 163 III 3 StPO): hier keine Strafbarkeit nach §§ 153 ff., sondern nur 145d, 164, 258
- nur Zeugen (48 ff. StPO) oder Sachverständige (72 ff. StPO) (nicht Beschuldigter, nicht Partei im Zivilprozess)
- Vorsatzdelikt, dh der Vorsatz des Täters muss auf die Falschheit der Aussage gerichtet sein; nicht gegeben, wenn Täter glaubt, dass das, was er sagt, objektiv wahr ist; dann allenfalls Fahrlässigkeit, aber diese ist straflos (161 nur bei 154-156)
- vollendet ist die Tat erst mit Abschluss der Aussage/der Vernehmung, die sich über mehrere Gerichtstermine ziehen kann; wenn die falsche Aussage vorher berichtigt wird, liegt ein strafloser Versuch vor, und § 158 ist nicht anwendbar
- Angeklagter ist kein tauglicher Täter = nemo tenetur se ipsum accusare (dieser kann nur 164, 145d)
Meineid und eidesgleiche Bekräftigung, §§ 154, 155
- auch hier nicht Polizei oder Staatsanwaltschaft; Beachtung der wesentlichen Formerfordernisse, §§ 64 ff. StPO, §§ 481 ff. ZPO
- was ist, wenn Verfahrensfehler vorliegen? (wie etwa Belehrungspflicht verletzt oder verbotene Vernehmungsmethoden?, aber auch Verletzung der Formerfordernisse des Eides)
- hM: kein Einfluss auf die Strafbarkeit
- -mM: keine Strafbarkeit, kein Schutz der Rechtspflege, wenn diese gegen ihre eigenen Regeln verstoße; Aussagedelikte und Prozessrecht so eng verschränkt (Tatbestandslösung)
- -> iErg ist Schutzgut die Rechtspflege als tatsächliche, mangelhafte Erscheinung und dem Gericht sind die Verfahrensfehler regelmäßig noch nicht bekannt, sodass Tatsachenfeststellung behindert werden kann, kann aber auf Ebene der Strafzumessung Berücksichtigung finden (Strafzumessungslösung = Strafmildernden)
- Vorsatz setzt auch hier die Kenntnis der Falschheit der Aussage voraus und dass der Täter davon ausgeht, dass die Aussage vom Eid gedeckt ist und ggü der zuständigen Stelle abgegeben; wenn -, dann § 161 !
- vollendet im Falle des Nacheids (bei Zeugen § 59 II, Sachverständige § 79 II) mit vollständiger Ablegung der Eidesformel.
- Versuch hier aber dann §§ 154, 22, 23 denkbar, Täter muss aber zum Sprechen der Eidesformel angesetzt haben
- beim Voreid (Dolmetscher § 189 I 1) setzt man mit Beginn der falschen Aussage zum Versuch an, mit Abschluss der Aussage tritt Vollendung ein
- Rücktritt vom 154, 22, 23 bei Voreid: führt zu Straflosigkeit, versuchter 153 ist nicht strafbar
- Rücktritt vom 154, 22, 23 bei Nacheid: führt zu Rücktritt von 154, aber 153 ist noch gegeben! (hier aber dann ggf. rechtzeitige Berichtigung nach § 158)
Beachte: § 157 StGB: Aussagenotstand
persönlicher Strafmilderungsgrund iRd Strafzumessung relevant
auch mal an § 35 StGB denken