6 Störungslehre KJP Zwangsstörungen 1 Flashcards
Was sind typische zwanghaft anmutende Verhaltensweisen im Kindesalter?
Kindlicher Aberglaube / magisches Denken:
− Präoperationale Entwicklungsstufe (Piaget): Kinder verstehen logische Grundsätze noch nicht
und ihr Denken ist von Egozentrizität geprägt, Wünsche / Gedanken können die reale Welt
verändern
− Beispiele: Schwüre, „step on a crack, you‘ll break your mother‘s neck“, Geburtstagskerzen in
einem Zug auspusten, Glücksbringer…
Rituale:
− Funktion: Sicherheit, Zugehörigkeit, Stabilität
− Beispiel: dieselbe Einschlafgeschichte immer gleich erzählt, derselbe Teller mit demselben
Becher beim Abendessen…
Magisches Denken und Rituale sind:
− …Teil der normalen Entwicklung, kommen häufig im Vorschulalter vor
− …zeitlich begrenzt, dominieren nicht das Verhalten
− …werden nicht als fremdartig / inkongruent erlebt
− …zwar manchmal eine Herausforderung für die Eltern, aber
von Zwangsstörungen durch den Leidensdruck klar abzugrenzen!
Was sind Merkmale von Zwangsstörungen?
− Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen
− Teilweise auch passives Vermeidungsverhalten (z.B. Türklinke nicht berühren) oder
Verheimlichen von Zwangsgedanken
− bei Kindern und Jugendlichen (KiJu) häufig Zwangsgedanken und –handlungen
gemischt
− bei jüngeren Kindern auch isolierte Zwangshandlungen (v.a. bei komorbider Ticstörung:
„not-just-right“
-Zwänge) (Unvollständigkeitsempfinden)
− Bei Jugendlichen teils auch isolierte Zwangsgedanken
− Inhalte sind bei KiJu teilweise altersabhängig und deutlich weniger stabil als bei
Erwachsenen
− Halten stundenlang an und verursachen erhebliches Leiden, z.B. Beeinträchtigung
von Alltag, Schule und sozialen Beziehungen, teils auch körperliche Schäden
− Binden bei KiJu die Familie ein („family accomodation“)
→ hohe Heterogenität in Erscheinungsbild! (Es gibt also keine einheitliche oder typische Erscheinungsform, sondern ein breites Spektrum individueller Ausprägungen.)
Was kennzeichnet Zwangsgedanken?
− Ideen, Gedanken, Vorstellungen und Impulse, die als störend, lästig, ungewollt oder
sinnlos erlebt werden (Ich-Dyston) UND die wiederholt und länger andauernd auftreten
− Widersprechen häufig eigenen Wertvorstellungen, berühren Tabus, verursachen
Angst oder Unsicherheit
− Zwangsgedanken wird Widerstand entgegengebracht, z.B. durch ignorieren,
unterdrücken oder Ausschalten mittels Gegengedanken oder Handlungen
(„neutralisieren“)
− Achtung: dürfen nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden,
vgl. „zwanghaftes“ Kalorienzählen oder Essensrituale bei Essstörungen
Was kennzeichnet Zwangshandlungen?
− Wiederholte, zweckgerichtete und beabsichtigte Verhaltensweisen, die nach
bestimmten Regeln und meist in der gleichen Abfolge ausgeführt werden
− Können offen beobachtbar (z.B. Waschen) oder kognitiv/mental sein (Denken eines
Gegengedankens)
− Können als unfreiwillig erlebt werden („muss das machen“)
− Bei KiJu: auch interpersonelle Zwangshandlungen, z.B. Fragerituale,
Rückversicherungen
− Funktion: nicht sinnvoll (oft aufgrund Anzahl der Wiederholungen), sondern zur
Reduktion von Ängsten oder Spannungen oder der Vermeidung von Katastrophen,
die der Person selbst oder nahestehenden Personen ansonsten zustoßen
− Handlung steht in keiner logischen Beziehung zu dem, was sie bewirken oder
verhindern soll ODER ist eindeutig übertrieben
Welche Zwangsgedanken und Zwangshandlungen treten im Kindesalter häufig auf?
• Zwangsgedanken/-bilder:
• Kontamination: z. B. „Türklinke ist voller Keime“
• Symmetrie/Ordnung: z. B. „Das liegt nicht richtig“
• Glücks-/Unglückszahlen: z. B. Vermeidung vermeintlicher Unglückszahlen
• Furcht vor Schlimmem: z. B. Horrorbilder eines Autounfalls
• Zwangshandlungen: • Wasch-/Kontrollzwänge: Nur mit Handschuhen Türklinken berühren, Mutter muss Essen „vorkosten“ • (An-)ordnen: Bleistifte parallel auf Tisch legen • Zähl-/Wiederholungszwänge: Treppenstufen zählen, Kuscheltiere im Bett ordnen • Berührungszwänge: Türrahmen mehrfach abklopfen, bevor man Räume wechselt
Welche Zwangsgedanken und Zwangshandlungen treten im Jugendalter häufig auf?
• Zwangsgedanken/-bilder:
• Religiöse Inhalte/Gewissen: z. B. „Was, wenn ich im Gottesdienst laut fluchen muss“
• (Auto-)aggressive/sexuelle Impulse: z. B. „Ich ersteche meine Schwester mit dem Messer“
• Zwanghaftes Zweifeln: z. B. „Habe ich jemanden mit meinem Fahrrad verletzt?“
• Zwangshandlungen: • Betzwänge: z. B. 5 Mal Vaterunser aufsagen • Kontrollzwänge: Messer wegschließen lassen, Strecke nochmal abfahren
Wie wird F42 im ICD10 definiert?
A. Zwangsgedanken oder -Handlungen mind. Zwei Wochen anhaltend
B. Müssen die folgenden 4 Merkmale erfüllen
1. Werden als eigene Gedanken/Handlungen angesehen, nicht von anderen Personen oder Einflüssen eingegeben
2. Wiederholen sich dauernd, werden als unangenehm empfunden und meist als übertrieben und unsinnig erkannt
3. Betroffene versuchen, Widerstand zu leisten
4. Ausführung eines Zwangsgedankens bzw einer Zwangs
C. Führen zu erheblicher psychosozialer Beeinträchtigung
D. Dürfen nicht besser durch andere psychische Störungen erklärt werden (zB Schizophrenie, affektive Störungen)
-> zusätzlich Subtyp „mit vorwiegend Zwangsgedanken“ (F40.0) DNS „mit vorwiegend Zwangshandlungen“ (F42.1)
Was ist das Problem der Einsicht bei Zwang im KiJu Alter?
ICD-10 fordert Einsicht in die Unsinnigkeit der Zwangssymptome.
− U.a. gefordert als abgrenzendes Merkmal zu psychotischem Erleben (ich-syntone
zwangsartige Vorstellungen und Ideen)
− Bei Kindern aufgrund kognitiver Entwicklung nicht unbedingt erfüllt
− Vgl. Lewin et al., 2010
− Anteil der Patientinnen mit guter
Störungseinsicht nimmt mit Alter zu
− Keine Unterschiede zwischen Patientinnen
mit guter vs. wenig Einsicht bzgl.
Störungsbeginn, Erkrankungsdauer,
familiärer Belastung durch Zwangs-
erkrankungen
Vgl ABB
Was sind die DSM-5 Kriterien für Zwänge?
Auftreten von Zwangsgedanken, Zwangshandlungen oder deren Kombination:
− Zwangsgedanken
1. Andauernd wiederkehrende und anhaltende Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die im
Krankheitsverlauf zumindest zeitweilig als aufdringlich und ungewollt empfunden werden, und
die meist große Angst und Unbehagen hervorrufen.
2. Betroffenen versuchen, diese Gedanken, Impulse oder Vorstellungen zu ignorieren oder zu
unterdrücken oder sie mit Hilfe anderer Gedanken oder Tätigkeiten zu neutralisieren (z.B.
Ausführung einer Zwangshandlung).
− Zwangshandlungen
1. Wiederholte beobachtbare Verhaltensweisen (z.B. Händewaschen, Kontrollieren) oder mentale
Handlungen (z.B. Zählen, Wörter lautlos wiederholen, Gegengedanken denken), zu denen sich
die Person als Reaktion auf einen Zwangsgedanken oder aufgrund von streng zu befolgenden
Regeln gezwungen fühlt.
2. Verhaltensweisen oder mentalen Handlungen dienen dazu, Angst oder Unbehagen zu
verhindern oder zu reduzieren oder gefürchteten Ereignissen oder Situationen vorzubeugen;
Verhaltensweisen oder mentale Handlungen stehen in keinem realistischen Bezug zu dem, was
sie zu neutralisieren oder zu verhindern versuchen, oder sie sind deutlich übertrieben.
Beachte: Kleine Kinder könnten noch nicht in der Lage sein, den Sinn dieser Verhaltens-
weisen oder mentalen Handlungen auszudrücken!
DSM5 Kriterien berücksichtigen, dass Kinder evtl. Zwangssymptome nicht als eigene Gedanken erkennen können und ihnen auch nicht unbedingt Widerstand leisten können!
DSM5 Fortsetzung Zwang
− Beanspruchen z.B. mehr als 1 Stunde pro Tag und sind sehr zeitraubend oder
verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen.
− Sind nicht Folge der somatischen bzw. physiologischen Wirkung einer Substanz oder
eines medizinischen Krankheitsfaktors.
− Werden nicht besser durch andere psychische Störung erklärt
− Bestimme, ob:
− Mit Guter oder Angemessener Einsicht: Die Betroffenen erkennen, dass die
zwangsbezogenen Überzeugungen definitiv nicht, wahrscheinlich nicht oder
möglicherweise nicht zutreffen.
− Mit Wenig Einsicht: Die Betroffenen denken, dass die zwangsbezogenen Überzeugungen
wahrscheinlich zutreffen.
− Mit Fehlender Einsicht/Wahnhaften Überzeugungen: Die Betroffenen sind absolut davon
überzeugt, dass die zwangsbezogenen Überzeugungen zutreffen.
− Bestimme, ob: Tic-Bezogen: Die Betroffenen weisen gegenwärtig oder in der
Vorgeschichte eine Tic-Störung auf.
Einsicht ist kein Entscheidendes Kriterium mehr!!! ICD-11 folgt dieser Differenzierung
Was sind Tic-Störungen?
Tics sind Plötzlich auftrennende, sich stereotyp wiederholende motorische Bewegungen oder vokale Äußerungen
Motorisch und einfach:
Muskelzuckungen: Augenblinzeln,
Schulter hochziehen,
Armeschleudern, Nase rümpfen,
Mund aufreißen, Kopfrucken,
Grimassieren, Lippen spitzen,
Fingerbewegungen, Stirnrunzeln
Motorisch und komplex:
Klatschen, sich im Kreis drehen,
hüpfen, sich beugen / strecken,
Objekte / andere Menschen
berühren, sich auf Zunge/ Lippen/ in
Arm beißen, sich kratzen, Augen
nach oben rollen, Papier zerreißen
Vokalisch und Einfach:
Lautäußerungen: husten, spucken,
bellen, schnalzen, grunzen, gurgeln,
schnüffeln
Vokalisch und komplex:
Wörter / Sätze / Kurzaussagen: Sei still,
hör auf, ok ok , ist klar, ist klar. Es geht mir
besser – richtig? Richtig. Jaja, so so aha.
Wie ist die Prävalenz bei Zwangsstörungen?
- Prävalenzraten
variieren bei KJ
zwischen 0.1-3.6%,
bei Kindern geringer
als bei Jugendlichen
− Prävalenz
subklinischer
Zwangssyndrome
deutlich höher (7-
25%) - Jugendalter und 8-12J. Am höchsten -> siehe ABB
Underreporting: Kids können sich nicht gut verbalisieren, Schambehaftet -> underreporting
Wann ist die Erstmanifestation und wie ist die Geschlechterverteilung bei Zwängen?
Alter bei Erstmanifestation: bimodale Verteilung
− Beginn vor Pubertät: Durchschnittsalter 10 Jahre (Range 6.9-12.5 Jahre; Garcia et
al., 2009)
− Junges Erwachsenenalter: Durchschnittsalter 23 Jahre (Taylor, 2011)
− ¾ der erwachsenen Betroffenen berichten einen frühen Beginn der Symptomatik
(ca. 20% vor dem 10. Lebensjahr, 60% vor 25. Lj.)
Geschlecht:
− KJP: höhere Rate von Zwangsstörungen bei Mädchen (3:2)
− Erwachsenenalter: ungefähre Gleichverteilung
− Teilweise früherer Störungsbeginn bei Jungen beschrieben
Wie ist der Langzeitverlauf bei Zwängen?
Zu Verlauf mit oder ohne Behandlung sehr unterschiedliche Ergebnisse
Meta-Analyse von Stewart et al. (2004), überwiegend behandelte Patient*innen:
k=16, N=521
− 41% weiterhin Vollbild der Störung
− 60% Vollbild oder subklinische Ausprägung
→ höhere Persistenz assoziiert mit frühem Beginn, längerer Erkrankungsdauer, notwendige
stationäre Aufenthalte
Identifikation unterschiedlicher Verlaufstypen nach durchgeführter Behandlung
(Thomsen, 1994; Wewetzer et al., 2001):
− Remission (27.7% bzw. 29.1%)
− subklinisch (25.5% bzw. 27.3%)
− episodisch (21.3% bzw. 30.9%)
− chronisch (25.5% bzw. 12.7%)
Komorbide Störungen bei Zang
Ruby et al 2000
Angststörungen 19%
Affektive Störung 20%
ADHS 9%
Störung mit oppositionellem Trotzverhalten 9%
Tic-Störung 17%
Tourette-Syndrom 11%
-> in Diagnostik zusätzlich abklären: ASS, Anorexie, nicht-susbtanzgebundene Suchterkrankungen mit pathologischer MEdiennutzung (Jugendalter), Substanzkonsumstörungen (Jugendalter), Persönlichkeitsstörungen (Jugendalter)
Was ist der Subtyp: Tic-bezogene Zwangsstörung?
In DSM-5 Specifier „Tic-Bezogen“: Die Betroffenen weisen gegenwärtig oder in der
Vorgeschichte eine Tic-Störung auf.
Eigener Subtyp?
− Komorbidität v.a. bei Zwangsstörungen mit frühem Beginn, die eher Jungs betreffen
− Phänomenologie: Zwangshandlungen v.a. „Drangphänomene“, z.B. Antippen,
Verschieben, „Just-right“
-Zwänge
− 50% der KiJu mit Tourette Syndrom (=kombinierte vokale und multiple motorische Tics)
entwickeln bis zum Erwachsenenalter Zwänge → gemeinsamer Entwicklungspfad?
− Prognostischer Faktor: KiJu mit Zwangsstörung und Tic-Störung sprechen schlechter auf
SSRIs und KVT an
Andere diskutierte Subtypen beziehen sich z.B. auf Zeitpunkt des Erkrankungsbeginns
(early-onset), neurobiologische und neuropsychologische Profile
Was sind „Just-right“-Zwänge?
Ausgangspunkt: Nicht-genau-richtig-Erleben („not just right experiences, NJRE),
quälende Unzufriedenheit mit eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen, die
deswegen nur schwer abgeschlossen werden können
→Ziel: durch Handlungswiederholungen doch ein „Genau-richtig-Gefühl“ bekommen
Beispiele: empfindungsbasierter Perfektionismus
− Wasser muss beim Händewaschen in genau richtigem Winkel meine Hände treffen
− Schnürsenkel sind nicht mit identischer Spannung gebunden
−
…
Häufiger auftretend:
− In Verbindung mit Symmetrie-/Ordnungs-/Kontrollzwängen
− Bei komorbider Ticstörung
Was berücksichtigt das Multifaktorielle Erklärungsmodell alles? (Zwang)
Multifaktorielles Erklärungsmodell berücksichtigt:
− Neurobiologische,
− Genetische,
− Exogene biologische und
− Psychosoziale Faktoren
Was sagen die genetischen Befunde zu Zwängen?
Familiarität:
- Bei einigen Pat.gruppen hoch d.h. Familienmitglieder ersten und zweiten Grads häufig klinisch oder subklinisch betroffen (3-12-fach erhöhtes Risiko) - reine Genetik, sehr hoch, muss in Anamnese abgefragt werden
Meta Analyse verfügbarer Zwillingsstudien zur Hertabilität:
- bei KiJu: 45-65%
- Bei Erwachsenen: 27-47%
Kandidatgene:
- keine eindeutigen Aussagen zu spezifischen Kandidatgenen mit hohen Effektstärken!
- am ehesten: serotonerge, dopaminerge und glutamaterge Systeme
Erkläre das neurobiologische Modell zu Zwang!
Siehe ABB
- Zusammenspiel von Umwelt- und genetischen Faktoren• Genetische Faktoren (z. B. Genvarianten und Genexpression):
• Diese schaffen eine Anfälligkeit (Vulnerability) für OCD, indem sie die neuronale Funktion beeinflussen, insbesondere in den Neurotransmittersystemen (z. B. Glutamat, Serotonin, Dopamin).
• Umweltfaktoren (z. B. perinatale Ereignisse, Stress, Trauma):
• Diese können als Trigger wirken, die eine bereits bestehende genetische Anfälligkeit aktivieren und den Ausbruch von OCD-Symptomen fördern.
• Beispielsweise könnte ein traumatisches Ereignis die Serotonin- und Dopaminregulation stören, was die Funktion des neuronalen Regelkreises zwischen Kortex, Thalamus und Striatum beeinträchtigt. - Rolle der Neurotransmitter• Glutamat: Überaktivität dieses Neurotransmitters kann zu einer Übererregung im Thalamus und Striatum führen, was sich in zwanghaftem Verhalten äußert.
• Serotonin: Dysregulation im serotonergen System kann obsessive Gedanken fördern, da Serotonin in der Regulation von Impulsen und Stimmungen eine wichtige Rolle spielt.
• Dopamin: Eine gestörte Dopaminfunktion kann die Belohnungs- und Motivationssysteme beeinflussen und zwanghafte Handlungen verstärken.
• Diese Neurotransmitter interagieren miteinander, und ein Ungleichgewicht kann die neuronalen Schaltkreise zwischen den beteiligten Gehirnregionen (Kortex, Striatum, Thalamus) stören. - Neuronale Substrate und Regelkreis• Kortex: Hier entstehen obsessive Gedanken und Überlegungen. Überaktivität in diesen Bereichen führt zu einer ständigen kognitiven Beschäftigung mit Zwangsgedanken (z. B. „Habe ich das Licht ausgeschaltet?“).
• Thalamus: Verarbeitet sensorische und motorische Signale und sendet diese zurück an den Kortex. Eine Überaktivität führt dazu, dass bestimmte Reize überbewertet werden, z. B. die Wahrnehmung von „Kontamination“.
• Striatum: Kontrolliert Gewohnheiten und Verhaltensmuster. Dysfunktionen können dazu führen, dass zwanghafte Handlungen (z. B. wiederholtes Händewaschen) schwer zu unterbrechen sind.
• Ein gestörter Regelkreis zwischen diesen Regionen verstärkt obsessive Gedanken und zwanghafte Handlungen, da das Gehirn nicht in der Lage ist, zwischen wichtigen und irrelevanten Signalen zu unterscheiden. - Wie die OCD-Dimensionen getriggert werden• Symmetry (Symmetrie):
• Kann durch sensorische Reize wie Unordnung ausgelöst werden. Eine Überaktivität im Kortex und Striatum verstärkt den Wunsch, Objekte zu organisieren, bis sie „perfekt“ sind.
• Taboo thoughts (Tabugedanken):
• Intrusive Gedanken, die durch Stress oder emotionale Konflikte ausgelöst werden, aktivieren den Kortex. Eine mangelhafte Impulskontrolle (bedingt durch Serotonindysfunktion) führt dazu, dass diese Gedanken übermäßig verarbeitet werden.
• Contamination (Kontamination):
• Trigger können Schmutz oder Krankheitserreger sein. Diese Reize werden im Thalamus und Kortex überbewertet, was zu zwanghaftem Verhalten wie Händewaschen führt.
• Hoarding (Sammeln):
• Kann durch Verlustangst oder emotionale Bindung an Objekte ausgelöst werden. Dysfunktionen im Striatum fördern das zwanghafte Horten. - Wechselwirkungen• Umweltfaktoren können Neurotransmitter beeinflussen:
• Chronischer Stress kann die Serotonin- und Dopaminregulation negativ beeinflussen, wodurch der neuronale Regelkreis zwischen Kortex, Striatum und Thalamus noch stärker gestört wird.
• Genetische Anfälligkeit verstärkt die Reaktion auf Trigger:
• Personen mit bestimmten Genvarianten reagieren empfindlicher auf Umweltstressoren, wodurch sich die Symptome schneller und intensiver entwickeln können.
• OCD-Symptome verstärken sich gegenseitig:
• Obsessive Gedanken (z. B. Angst vor Kontamination) lösen zwanghafte Handlungen (z. B. Händewaschen) aus. Diese Handlungen werden durch kurzfristige Erleichterung verstärkt, wodurch der gestörte Regelkreis aufrechterhalten wird.
Fazit:
Die Darstellung zeigt, wie genetische und Umweltfaktoren, Neurotransmitter und neuronale Regelkreise miteinander verwoben sind. Jede dieser Komponenten kann als Trigger oder Verstärker wirken, wodurch die OCD-Symptome in verschiedenen Dimensionen (Symmetrie, Tabugedanken, Kontamination, Horten) auftreten oder sich verstärken.
Erkläre das Frontostriatale / Kortikostriatale Modell!
Die Abbildung zeigt das Frontostriatale/kortikostriatale Modell und vergleicht die normale Funktion dieses neuronalen Regelkreises mit der Dysfunktion bei Zwangsstörungen (OCD). Hier eine detaillierte Beschreibung und die Zusammenhänge:
- Normales frontostriatales Modell (a, links)• Beteiligte Strukturen:
• OFC (Orbitofrontaler Kortex) und ACC (Anteriorer cingulärer Kortex): Verarbeiten emotionale und kognitive Informationen, wie Entscheidungsfindung und Fehlererkennung.
• Striatum: Zentral in der Bewegungs- und Verhaltenskontrolle.
• Thalamus: Leitet sensorische Informationen weiter und beeinflusst motorische Befehle.
• GPe (Globus pallidus externus), GPi (Globus pallidus internus), SNr (Substantia nigra reticulata) und STN (Subthalamischer Nukleus): Modulieren die Signale zwischen Striatum und Thalamus.
• Direkter Pfad (Direct pathway):
• Exzitatorisch (durchgezogene Linien): Fördert die Aktivierung des Thalamus, um eine Handlung auszuführen.
• Dieser Weg wird genutzt, wenn eine Handlung gewollt oder notwendig ist.
• Indirekter Pfad (Indirect pathway):
• Inhibitorisch (gestrichelte Linien): Hemmt den Thalamus, um unangemessene Handlungen zu verhindern.
• Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass unwichtige oder störende Signale unterdrückt werden.
• Zusammenspiel:
• Die Balance zwischen direktem und indirektem Pfad sorgt für die angemessene Steuerung von Handlungen und Impulsen. - Frontostriatales Modell bei OCD (b, rechts)• Veränderungen bei OCD:
• Der exzitatorische Signalfluss vom OFC und ACC zum Striatum ist verstärkt (dickerer roter Pfeil). Dadurch werden obsessive Gedanken und Handlungsimpulse übermäßig aktiviert.
• Die inhibitorischen Pfade, die über den indirekten Pfad laufen, sind geschwächt. Dies führt dazu, dass störende oder überflüssige Signale nicht effektiv unterdrückt werden können.
• Der Thalamus erhält dadurch verstärkte Rückkopplung und aktiviert den Orbitofrontalen Kortex erneut, wodurch ein Teufelskreis aus übersteigerten Gedanken und Handlungen entsteht.
• Direkter Pfad (Direct pathway):
• Überaktiviert, was die Durchführung von zwanghaften Handlungen (z. B. Händewaschen oder Wiederholungen) begünstigt.
• Indirekter Pfad (Indirect pathway):
• Reduzierte Hemmung führt dazu, dass inadäquate Signale nicht effektiv unterdrückt werden, wodurch Zwangsgedanken dominieren. - Zusammenhänge und Folgen• Bei OCD ist das Gleichgewicht zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Signalen gestört:
• Der Orbitofrontale Kortex erhält verstärkte Rückkopplung aus dem Thalamus, was obsessive Gedanken weiter antreibt.
• Das Striatum fungiert als Vermittler zwischen den Gehirnregionen, ist aber durch die Überaktivierung des direkten Pfads überfordert.
• Der indirekte Pfad, der normalerweise als Bremse fungiert, ist geschwächt und verliert seine Funktion.
• Diese Störungen erklären die Unfähigkeit von Betroffenen, obsessive Gedanken und zwanghafte Handlungen zu unterbrechen. Der Regelkreis wird immer wieder „angefeuert“, ohne dass eine ausreichende Hemmung erfolgt. - Klinische Bedeutung• Dieses Modell zeigt, warum OCD schwer zu kontrollieren ist: Die verstärkte Aktivität im direkten Pfad treibt zwanghafte Handlungen voran, während die Hemmung durch den indirekten Pfad versagt.
• Therapeutisch könnte hier beispielsweise die Wiederherstellung des Gleichgewichts (z. B. durch Medikamente, die die Neurotransmission modulieren, oder durch Verhaltenstherapie) ansetzen, um die Überaktivierung im Regelkreis zu reduzieren.
Was sind exogene biologische Ursachen/immunologische Faktoren: PANDAS?
PANDAS: Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal Infections
Zwangs-/Ticstörungen mit
- frühem (3.-12- Lj) UND apruptem Beginn
- Oft dramatische Symptomentstehung oder -Verschlechterung
- Oft Episodisch (Symptome bilden sich (vAzwischendurch wieder zurück)
- Symptombeginn oder Zunahme stehen in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Strepptokokkeninfektion (V.a. Beta-hämolysierende Streptokokken)
-> vermutete Ursache: KReuzreaktion von primär gegen Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A gerichteten Antikörper gegen die Basalganglien
Aktuelles Forschungsthema: PANS (Pediatric achte Onset Neuropsychiatric Syndrome)
Empfehlung der Leitlinie: Patienten mit akut auftretenden Symptombild aus dem Zwangsspektrum, neurokognitiven und motorischen Symptomen sollen umfassend klinisch und apparativ abgeklärt werden !!
Was sind psychische Risikofaktoren bei Zwangsstörungen?
Familie:
− Familiäre Häufung von Angst- und Zwangsstörungen → psychologische
Transmission?
− Elterliche Modelle von ängstlich-vermeidendem Bewältigungsstil?
Auslöser: Zusammenhang zu auslösenden kritischen / traumatischen
Lebensereignissen oft vermutet, wenig eindeutige Hinweise, aber:
− Bei 38% der betroffenen KiJu können auslösende Ereignisse identifiziert werden
(Rettew et al., 1992)
− Bei betroffenen KiJu höhere Anzahl traumatischer Ereignisse und höhere Rate an
PTBS als in der Allgemeinbevölkerung (Lafleur et al., 2011)
Was sagt die Zwei-Faktoren-Theorie bzw. Das Erklärngsmodell klassischer Lerntheorie?
Erklärt Stabilität, aber nicht die Entstehung von Zwangsstörungen!
A: Auslösende Situation (Türklinke berührt) -> B: Zwangsgedanke (Ich bin verseucht) -> C: Angst, Scham, Ekel -> Kognitives Ritual/Zwangshandlung (Händewaschen) -> Zwei Ausprägungen ->Reduktio von Angst, Scham, Ekel -> gleichzeitig: Fehlende Realitätstestung (nicht in der Lage, dass zu überschreiben mit neuer Erfahrung)
A (Auslöser/aktivierendes Ereignis; Action); B (Beurteilung/Beliefs); C (Consequences/ Emotion, Verhalten)