2. Diagnostik & DD Flashcards
ICD-11
• Obsessive-compulsive or related disorders
o 6B20 Obsessive-compulsive disorders
6B20.0 Obsessive-compulsive disorder with fair to good insight
6B20.1 Obsessive-compulsive disorder with poor to absent insight
6B20.Z Obsessive-compulsive disorder, unspecified
o 6B21 Body dysmorphic disorders
o 6B22 Olfactory reference disorder
o 6B23 Hypochondriasis
o 6B24 Hoarding disorder
o 6B25 Body-focussed repetitive behaviour disorders
6B25.0 Trichotillomania
6B25.1 Excoriation disorder (dermatillomania)
6B25.Y Other specified body-focused repetitive behaviour disorder
6B25.Z Other body-focused repetitive behaviour disorder, unspecified
o Substance-induced obsessive-compulsive or related disorders
o 6E64 Secondary obsessive-compulsive or related syndrome
o 8A05.00 Tourette syndrome
o 6B2Y Other specified obsessive-compulsive or related disorders
o 6B2Z Obsessive-compulsive or related disorders, unspecified
Hording disorder
o Hording disorder is characterised by accumulation of possessions due to excessive acquisition of or difficulty discarding possessions, regardless of their actual value. Excessive acquisition is characterized by repetitive urges or behaviours related to amassing or buying items. Difficulty discarding possessions is characterized by a perceived need to save items and distress associated with discarding them. Accumulation of possessions results in living spaces becoming cluttered to the point that their use or safety is compromised. The symptoms result in significant distress or significant impairment in personal, family, social, educational, occupational or other important areas of functioning.
Olfactory reference disorder
o Olfactory reference disorder is characterized by persistent preoccupation with the belief that one is emitting a perceived foul or offensive body odour or breath that is either unnoticeable or only slightly noticeable to others. Individuals experience excessive self-consciousness about the perceived odour, often with ideas of reference (i.e., the conviction that people are taking notice, judging, or talking about the odour). In response to their preoccupation, individuals engage in repetitive and excessive behaviours such as repeatedly checking for body odour or checking the perceived source of the smell, or repeatedly seeking reassurance, excessive attempts to camouflage, alter, or prevent the perceived odour, or marked avoidance of social situations or triggers that increase distress about the perceived foul or offensive odour. The symptoms are sufficiently severe to result in significant distress or significant impairment in personal, family, social, educational, occupational or other important areas of functioning.
Screening (1)
o Zohar-Fineberg Obsessive Compulsive Screen (ZF-OCS, Fineberg et al., 2003)
1. Waschen und putzen Sie sehr viel?
2. Kontrollieren Sie sehr viel?
3. Haben Sie quälende Gedanken, die Sie loswerden möchten aber nicht können?
4. Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange?
5. Machen Sie sich Gedanken um Ordnung und Symmetrie?
o Zeitökonomisch
o Englische Version: hohe Sensitivität und Spezifizität
o Deutsche Version: deutlich geringer
o Fragen zur Beeinträchtigung bzw. zum Schweregrad hinzunehmen (Wahl et al., 2010)
o Screening-positiv: mind. eine der Fragen mit Ja beantworten sowie Beeinträchtigung
Strukturierte Interviews zur klassifikatorischen Diagnostik (2)
o Strukturiertes klinisches Interview für DSM-5 (SKID) (Beesdo-Baum et al., 2019)
o Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen (DIPS, Kinder-DIPS) (Margraf et al., 2017)
Störungsspezifisches strukturiertes Interview zur Erfassung des Schweregrades der Zwangsstörung (1)
o Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS, CY-BOCS für Kinder)
Fragebogen zu Symptomatik und Subtypen (3)
o OCI-R, VOCI, Padua-R etc.
5 Fragenögen (Items, Beschreibung, Dauer)
Fragebogen Items Beschreibung Dauer
> Obsessive Compulsive Inventory (OCI-R) 24 Kontrollieren, Wachen, Neutralisieren, Zwangsgedanken, Ordnen, Horten 5 min
> Padua Inventory-R 41 Impulse, Wachen, Kontrollieren, Ordnen, Rumination 7 min
> Hamburger Zwangsinventar (HZI) 188 Handlungszwang, Gedankenzwang 30 min
> Obsessive Beliefs Questionnaire (OBQ) 44 Verantwortlichkeit, Gefahrenüberschätzung, Perfektionismus, Kontrolle von Gedanken, Wichtigkeit von Gedanken, Intoleranz von Unsicherheit 12 min
> Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) 20, 70 Interview: Zwangshandlungen, Zwangsgedanken, Checkliste 20 min
Differentialdiagnosen (6 + 4)
zwanghafte Persönlichkeit Depression GAS Hypochondrie Schizophrenie körperdysmorphe Störung
\+ Trichotillomanie Dermatillomanie Pathologisches Horten Impulskontrollstörungen
Differentialdiagnose (Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Komorbidität): zwanghafte Persönlichkeit
o Gemeinsamkeit
Beschäftigung mit Sauberkeit, Ordnung, Genauigkeit
Perfektionismus, Fehlervermeidung
Ritualhaftes Verhalten (z.B. Kontrolle von Abläufen)
o Unterschied
Charakteristische Verhaltensweisen nicht durch Intrusionen und Angst- bzw. Anspannungsanstieg ausgelöst
Ich-synton („ich will das so“)
Größere Stabilität, Beginn frühes Erwachsenenalter
Kein Widerstand, kein Gefühl des Gezwungenseins
Zwanghafte PS sehr konstant und stabil, Zwangsstörungsausprägung fluktuiert über Zeit
o Komorbidität
3-47% (besonders bei Beginn in Kindheit), aber kein Kontinuum zwischen zwanghafter PS und Zwangsstörung
Differentialdiagnose (Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Komorbidität): Depression
o Gemeinsamkeit
Grübeln, Schuldgefühle, Angst
o Unterschied
Keine neutralisierende Rituale
Grübeln (vs. Zwangsgedanken): eher ich-synton, stimmungskongruent (z.B. Schuld), kein Widerstand, vergangenheitsbetont
Sekundär oder primär? Komorbidität häufig!
Zwangssymptome im Rahmen einer Depression: zeitgleiches Auftreten (ca. 20-40% der depressiven Patienten)
Differentialdiagnose (Gemeinsamkeiten, Unterschiede): GAS
o Gemeinsamkeit
Sorgen = wiederkehrende Befürchtungen, schwer kontrollierbar (ähnlich ZG), Angst, Vermeidungsverhalten und Rückversicherung
o Unterschied
Themen der Sorgen/Gedanken unterscheiden sich: Sorgen über alltägliche Belastungen bei der GAS vs. typische Themen bei OCD
Sorgen sind ich-syntoner, weniger aufdringlich und intensiv
Gedanken weniger intensiv, weniger aufdringlich
Keine ausgeprägten Zwangshandlungen/Rituale
Differentialdiagnose (Gemeinsamkeiten, Unterschiede): Hypochondrie
o Gemeinsamkeit
Furcht, Krankheit zu haben oder zu erkranken
Rückversicherung
o Unterschied
Erleben körperlicher Missempfindungen
Ausgeprägte Gesundheitsängste, übertriebenes Gesundheitsverhalten oder maladaptive Vermeidung = Beschäftigung mit Krankheit / Gesundheit ist dominant
Weniger Rituale bei Hypochondrie
Hypochondrische Patienten haben starkes Bedürfnis, sich bezüglich Leiden mitzuteilen; Zwangsstörung wird eher verheimlicht
Differentialdiagnose (Gemeinsamkeiten, Unterschiede): Schizophrenie
o Gemeinsamkeit
Bizarr wirkende Ideen, magisches Denken, sozialer Rückzug
Zwangsgedanken können bizarr sein
o Unterschied
Wahn ich-synton, Gedanken meistens externen Kräften zugeschrieben
Mangelnde Einsicht, kein innerer Widerstand (ich-synton)
Zwangsgedanken sind repetitiv und es bestehen Zweifel
Kein innerer Widerstand in Schizophrenie gegen Gedanken
o Zwänge kein Schutz vor einer psychotischen Störung
Schizophrenie-Risiko entspricht dem von Personen ohne psychische Störung sorgfältige diagnostische Abklärung (v.a. bei aggressiven Zwangssymptomen, spontanem Krankheitsbeginn und kritischem Alter)
Differentialdiagnose (Gemeinsamkeiten, Unterschiede): Körperdysmorphe Störung
o Gemeinsamkeit
Wiederholte unrealistische Befürchtungen
Repetitives, teilweise ritualisiertes Verhalten
Kontrollverhalten
o Unterschied
Intrusionen beziehen sich nur auf das Aussehen
Gedanken sind thematisch begrenzt auf das eigene Aussehen
4 weitere DD
o Trichotillomanie und Dermatillomanie: Rituale und Handlungen bezüglich Haare oder Haut, Kontrollhandlungen
o Pathologisches Horten: Symptome des pathologischen Hortens richten sich ausschließlich auf die anhaltende Schwierigkeit, Dinge wegzuwerfen oder sich von diesen zu trennen. Es verursacht deutliches Leiden, wenn Objekte entsorgt werden und geht mit einer exzessiven Anhäufung von Dingen einher. Keine Zwangsgedanken (z.B. Unvollständigkeitserleben)
o Impulskontrollstörungen: Kleptomanie, pathologisches Glücksspiel
Herausforderungen für Gesprächsführung
• Ich-Dystonie bzw. Einsicht
o Scham: v.a. bei religiösen, aggressiven oder sexuellen Zwangsgedanken
o Ambivalenz: häufig kognitive Einsicht, aber keine emotionale (20min Händewaschen, sind zwar übertrieben, aber es könnten keime an den Händen sein)
• Zwangsspezifische Ängste können Patienten hindern zu sprechen
o Aussprechen oder Aufschreiben der Gedanken (z.B. mein Kind könnte auf dem Schulweg verunglücken) könnte die tatsächliche Gefahr eines Unglücks heraufbeschwören
• Vermeidungsverhalten
o Z.B. Stifte anfassen, Türe, Hand geben etc.
o Händewaschen anbieten
• Perfektion und Weitschweifigkeit: Zeit und Geduld (notfalls darauf später noch einmal eingehen)
Wertschätzung, Transparenz, Direktheit + 4 Strategien
• „Viele der Patienten, die in die Therapie kommen, empfinden es als sehr schwer, über ihre Zwänge zu sprechen. Sie haben Angst, nicht verstanden oder gar für verrückt gehalten zu werden. Wir wissen, wie unerträglich solche Zwangsgedanken und -handlungen sind. Manche Patienten haben Angst, ihren Liebsten etwas anzutun, sie z.B. zu erstechen oder vor die U-Bahn zu schubsen. Andere sind von obszönen Vorstellungen geplagt, wie z.B. Sex mit Kindern zu haben. Viele haben „gute“ und „schlechte“ Zahlen und fühlen sich gezwungen, Dinge in bestimmter Anzahl oder Abfolge zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass es auch Ihnen sehr schwerfällt, über ihre Zwänge zu sprechen. Ist das so?“
- Typisches herausstellen (Scham, Einschränkung der Kontakte, Beziehungsprobleme, Bsp. für Rituale)
- Verständnis äußern (Vermeidung und Neutralisieren sind verständlich)
- Gute Ansätze aufgreifen (z.B. das ist bemerkenswert, dass Sie es trotzdem schaffen Ihr Haus zu verlassen)
- Glaubwürdigkeit (keine übersteigerten Versprechen, Besserung möglich, aber Therapie anstrengend, viel üben, nicht leicht)
- Um Suggestion zu vermeiden, kann es evtl. besser sein, spezielle Beispiele zu vermeiden, sondern allgemeiner zu umschreiben, um Schamschwelle zu senken die Gedanken zu teilen; am Anfang ist es ok Vermeidungsverhalten zu akzeptieren, Konfrontation kommt etwas später
Bespiele:
• Typisches Herausstellen
„Das ist ganz typisch für die Zwangsstörung, dass einem Gedanken in den Kopf kommen, die man eigentlich um jeden Preis vermeiden will“
„Die Angst vor … ist sehr häufig bei Patienten mit einer Zwangsstörung“
• Emotionen, Symptome, Konsequenzen vorwegnehmen
„Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich manchmal sehr verzweifelt fühlen“
„Das geht den meisten Menschen so, die unter solchen Zwangsgedanken leiden, dass noch nicht einmal ihr eigener Partner genau über alles informiert ist“
• Logik des Verhaltens betonen
„Wenn ich Angst hätte, dass meiner Tochter etwas passieren könnte, würde ich auch alles unternehmen, um das zu verhindern“
„Auch wenn Sie selbst Ihr Verhalten manchmal für übertrieben halten, ist es verständlich, dass Sie auf Nummer sicher gehen wollen“
• Loben, Stärken betonen, gute Ansätze aufgreifen
„Ich finde es bewundernswert, dass Sie unter solchen Schwierigkeiten noch zur Arbeit gehen.“
„Es ist bemerkenswert, wie Sie es dennoch schaffen, die Mahlzeiten vorzubereiten“
Typischer Gesprächsablauf (Erstsitzung) (7 steps)
- Begrüßung & offene Fragen
- Nachfrage: Wo, Wann, Wie der Zwänge
- Typisches Herausstellen
- Logik des Verhaltens betonen
- Loben, Stärken betonen, gute Ansätze aufgreifen
- Entpathologisieren
- Emotionen, Symptome, Konsequenzen vorwegnehmen