07 Diagnostische Situationen Flashcards
Was sind Klassifikationen?
- Einteilung von Personen in verschiedene Gruppen /Distinkte (sog. kategoriales Messmessmodell)
- Wichtiger Sonderfall: Zwei Gruppen (z.B. erkrankt/nicht-erkrankt, versetzt/nicht-versetzt etc.)
- Entspricht Alltagsverständnis von ”Diagnose“
Wie kann eine Fehlklassifikation festgestellt werden? Was ist ein Beispiel für eine Fehlklassifikation?
- Vergleich zwischen Vorhersage mit ”wirklichem” Zustand (z.B. ob nachher ein Symptom entwickelt wird).
- Manchmal werden Erkrankte negativ, Nicht-Erkrankte positiv getestet (Fehldiagnosen).
–> Bsp. Corona-Schnelltest
Wie kann man beurteilen, wie gut eine Klassifikation ist? Wobei kann es zu Problemen dabei kommen?
- Einfachste und intuitivste Modellfit-Maß: Anzahl der korrekt klassifizierten Fälle (% korrekt).
- Problem bei der Vorhersage von seltenen Merkmalen (z.B. Störungen) mit niedriger Basisrate (sog. Prävalenz).
- Bsp.: Bei einem Merkmal mit einer Prävalenz von 5% hat ein Test, der immer negativ ausfällt, eine Korrektheit von 95%.
Welche (bessere) Alternative gibt es zur Beurteilung der Güte einer Klassifikation außer der Anzahl der korrekt klassifizierten Fälle?
Die Konfusionsmatrix
Was wird in einer Konfusionsmatrix gegenübergestellt? Welche Kombinationen ergeben sich in der Matrix?
In einer Konfusionsmatrix werden vorhergesagte und tatsächliche Werte gegenübergestellt.
o Richtig-positiv (RP)
o Richtig-negativ (RN)
o Falsch-positiv (FP)
o Falsch-negativ (FN)
Wo wären in der Konfusionsmatrix die Einträge bei einer perfekten Klassifikation?
nur Einträge in der Diagonalen
Welche zwei wichtigen Werte lassen sich aus der Konfusionsmatrix berechnen?
- Sensitivität (Richtig-positiv-Rate)
- Spezifität (Richtig-negativ-Rate):
Wie berechnet man die Sensitivität?
RP / (RP+FN)
Wert geteilt durch Randsumme
Wie berechnet man die Spezifität?
RN / (RN+FP)
Was bedeutet es, dass es eine Trade-off-Relation zwischen der Sensitivität und der Spezifität gibt?
- Wenn die Sensitivität erhöht wird, dann wird die Anzahl der falsch-positiven Fälle steigen und damit die Spezifität sinken.
- Wenn die Spezifität erhöht wird, dann wird die Anzahl der falsch-negativen Fälle steigen und damit die Sensitivität sinken.
Wie kann man die Trade-off-Relation zwischen Sensitivität und Spezifität für bestimmte Fälle anpassen? Welche Beispiele gibt es dafür?
- Sowohl Sensitivität als auch Spezifität sollten hoch sein.
- In manchen Fällen ist jedoch einer der Werte ggf. wichtiger:
o Bei sog. Screening-Verfahren sollte die Sensitivität möglichst hoch sein (z.B. Identifikation von Risiko-Kindern).
o Bei schwerwiegenden Entscheidungen sollte hingegen die Spezifität möglichst hoch sein (z.B. Versetzung). - Verschiedene Arten von Testverfahren können miteinander kombiniert werden (zuerst Screening, dann volle Diagnose).
Was beschreibt “Schulfähigkeit”?
Vorhandensein von Voraussetzungen, die für erfolgreiches schulisches Lernen im Klassenverband notwendig sind.
Mithilfe welcher Diagnostik wird die Schulfähigkeit überprüft?
Schuleingangsdiagnostik: Beurteilung der sozialen, emotionalen und kognitiven Kompetenzen für Schulbesuch
Welche Schuleingangsdiagnostik wurde früher häufig verwendet, wohin geht der Trend jetzt?
- Klassische Schulfähigkeitstest (z.B. zur visuellen Differenzierung) werden heute nur noch seltenen verwendet.
- Trend, Elemente der Schuleingangsdiagnostik (z.B. Sprachstandstest) im Kindergartenbereich durchzuführen.
- Sammeln von Informationen darüber, welche Förderangebote ein Kind in Kindergarten und Anfangsunterricht benötigt.
Ab wann gilt in Niedersachsen die Schulpflicht?
- Generell Schulpflicht ab dem 6. Lebensjahr (Stichtag 30.9.).
- Meldung 15 Monate vor Einschulung beim Schulträger, dort auch ggf. Sprachstandserhebung.
Welche Ausnahmen von der geregelten Einschulung gibt es in Niedersachsen?
- Ggf. frühere Einschulung, wenn Entwicklungstand dies zulässt.
- Ggf. Zurückstellung für ein Jahr, wenn der Entwicklungsstand keine erfolgreiche Beschulung zulässt.
In welchen Bereichen können Einschränkungen bei Kindern vorliegen, die zu einer späteren Einschulung führen?
o gesundheitlich
o intellektuell
o sozial-emotional
Was gilt für Kinder, die zurückgestellt werden (keine regelkonforme Einschulung möglich)?
- können zum Besuch eines Schulkindergartens verpflichtet werden.
- Ggf. Einschulung mit –> sonderpädagogischen Förderbedarf.
- Die Entscheidung trifft die Schulleitung/Schulamt.
Wie läuft die Schuleingangsuntersuchung in Niedersachsen ab?
- Verpflichtend, meist Durchführung durch Gesundheitsamt.
- Untersuchung des Entwicklungs- und Gesundheitszustands.
o Dokumentation Vorgeschichte, Kontrolle Impfpass, Körpergröße/-gewicht, Hör- und Sehtest.
o Sprachliche, motorische und kognitive Fähigkeiten, Sprache, Zahlen- und Mengenverständnis, Verhalten (meist SOPESS). - Ermittlung schulrelevanter Stärken und Schwächen, ggf. Beratung zu Fördermaßnahmen.
Was bedeutet der Begriff „SOPESS“?
Sozialpädiatrisches Entwicklungsscreening für Schuleingangsuntersuchungen
Wie ist der SOPESS aufgebaut?
- Verschiedene Untertests (Einsatz variabel):
o Selektive Aufmerksamkeit
o Visuomotorik, visuelles Wahrnehmen, Körperkoordination
o Zählen, Simultanerfassung und Mengenvergleich
o Präpositionen, Pluralbildung, Pseudowörter, Artikulation - Jeweils Einteilung in ”unauffällig” und ”auffällig” (mit/ohne Abklärungsempfehlung).
Wann liegt ein sonderpädagogischer Förderbedarf vor?
Liegt vor, wenn Kinder und Jugendliche ”in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht der allgemeinen Schule ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können (KMK, 1994).
–> wenig präziser Begriff, Gruppe sehr heterogen
Wie viele Schüler*innen bekamen 2022 in Nds sonderpädagogischen Förderung? Wie viel Prozent sind das und wie viele davon waren in Regelschulen?
- In Niedersachsen bekamen 2022 60.000 Schüler*innen (8%) sonderpädagogische Förderung, davon 65% in Regelschulen.
- Die Fördermaßnahmen unterscheiden sich jedoch erheblich hinsichtlich Umfang und Dauer.
Welche Arten von sonderpädagogischen Förderbedarf gibt es?
- Lernen
- Sprache
- Emotionale und soziale Entwicklung
- Geistige Entwicklung
- Körperliche und motorische Entwicklung
- Hören
- Sehen
Wie läuft die Diagnose eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs ab?
- Das Verfahren wird von der Schulleitung eingeleitet, die Entscheidung liegt bei lokaler Schulaufsichtsbehörde.
- Gutachten durch eine Lehrkraft der Schule und Förderschullehrkraft.
- Es gibt kein einheitliches Vorgehen und große Freiheiten bei der Wahl der diagnostischen Methoden. Häufig werden selbsterstellte Instrumente verwendet, deren diagnostische Qualität unbekannt ist.
- Die norm-orientierte Messung der Intelligenz spielt jedoch häufig eine wichtige Rolle
Wann wird die Zuteilung zu den verschiedenen Schulformen vorgenommen und welche Kritik gibt es daran?
- Im Vergleich zu anderen Ländern wird die Zuteilung zu verschiedenen Schulformen in der BRD vergleichsweise früh vorgenommen (4. Klasse).
- Kritik: Frühe Selegierung begünstigt soziale Ungleichheit bei Übergangsentscheidungen.
- Hypothese: Kinder aus niedrigen Schichten besuchen nicht das Gymnasium, obwohl sie es könnten.
- Große Unterschiede zwischen Bundesländern in der Art und Verbindlichkeit der Übergangsempfehlung.
Welche Selektionseffekte gibt es in Bezug auf den Übergang zur Sekundarstufe?
- Primärer Selektionseffekte: Unterschiede, die auf Unterschiede in der kog. Leistung in den verschiedenen Klassen zurückzuführen sind.
- Sekundäre Selektionseffekte: Unterschiede, die auf Unterschiede im Übergangsverhalten unabhängig von der kog. Leistung zurückzuführen sind.
Wie ist der Forschungsstand in Bezug auf den Übergang zur Sekundarstufe? (Insbesondere Schülerschaft in verschiedenen Schulformen)
- Schülerschaft in verschiedenen Schulformen unterscheiden sich in ihrer sozialen Zusammensetzung.
- Diese Verteilung ist v.a. auf primäre, direkte Leistungsunterschiede zurückzuführen.
- Diese Effekte werden durch sekundäre Effekte unterstützt, die jedoch nur in leistungsbezogenen Grenzfällen relevant werden.
- Häufig ”umgekehrter” Selektionseffekt: Kinder aus höher Schicht besuchen Gymnasium trotz schlechter Leistungen.
Wie ist der Übergang in die Sekundarstufe in Niedersachsen geregelt? (Wert trifft wie die Entscheidungen?)
- Freie Entscheidung durch die Erziehungsberechtigten.
- Zwei Beratungsgespräche durch die Grundschule.
- Nur auf Wunsch der Eltern Schullaufbahnempfehlung.
- Basiert auf:
o Leistungsstand (Notendurchschnitt und Noten in Deutsch, Mathematik, Sachunterricht).
o Lernentwicklung in Grundschule
o Arbeits- und Sozialverhalten
o Erkenntnisse aus Gespräch mit Eltern
Seit wann gibt es in DE Bildungsstandards?
2004 hat die Kultusministerkonferenz verbindliche Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (MSA) und für den Hauptschulabschluss (HSA) verabschiedet.
Was legen Bildungsstandards fest?
- Sie gelten in allen Ländern und legen fest, welche Kompetenzziele die Schüler*innen bis zum Ende der Sekundarstufe I erreicht haben sollen.
- Es handelt sich um Leistungsstandards, die in Auseinandersetzung mit Fachinhalten erworben werden. Sie lassen sich mit Hilfe von guten Lernaufgaben entwickeln.
In welchen Bereichen (Fächern/Stufen) gibt es bereits Bildungsstandards?
- Primarstufe: Deutsch, Mathematik.
- Sekundarstufe I: Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, Fremdsprachen.
- Sekundarstufe II: Entwicklung für Kernfächer abgeschlossen.
- Grundlage für zentrale Prüfungen in Sek I (HSA, MSA) und Sek II (Zentralabitur).
Was sind die Ziele von Bildungsstandards?
- Sie dienen der Orientierung aller Beteiligten (vor allem der Lehrkräfte, aber auch der Eltern und der Schüler*innen) auf verbindliche Zielerwartungen.
- Sie unterstützen in ihrer Entwicklungsfunktion einen Unterricht, der kompetenz-orientiert ist und die aktive Auseinandersetzung der Schüler:innen mit den Lerngegenständen fördert.
- Sie bilden die Basis für Leistungsüberprüfungen (Assessments), um Problembereiche zu erkennen und rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können.
Welche Kompetenzstufen gibt es bei den Bildungsstandards und was bedeuten sie?
- Mindeststandards sind das Minimum, das alle Schüler:innen erreichen sollen. Sie unterschreiten die Regelstandards, jedoch können Schüler:innen mit entsprechender Unterstützung erfolgreich in die berufliche Erstausbildung integrieren werden.
- Regelstandards sind die Kompetenzen, die bis zum Ende der Sek. I erreicht werden sollen.
- Regelstandard plus ist der Leistungsbereich, der über dem Regelstandard liegt und die Zielperspektive für die Weiterentwicklung von Unterricht ist.
- Optimalstandards sind Leistungen, die bei sehr guten individuellen und unterrichtlichen Lernvoraussetzungen erreicht werden können.
Was ist VERA? Wann und von wem wird VERA durchgeführt? Was ist das Ziel von VERA?
- flächendeckende Lernstandserhebung, insb. Fächer Mathematik und Deutsch
- Vollerhebung 3. und 8. Klasse
- Durchführung: Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
- Ziel: Flächendeckende und jahrgangsbezogene Kompetenzen
Wie wird VERA entwickelt?
- Testaufgaben werden von Lehrkräften erarbeitet und in mehreren Schritten pilotiert (Vorlaufzeit: ca. 2 Jahre)
- Fachdidaktische Prüfung: Beurteilung auf Passung zu Bildungsstandards
- Statistische Prüfung: Testtheoretische Eignung (Schwierigkeit, Trennschärfe, Dimensionalität)
Wie wird VERA ausgewertet?
- Dezentrale Auswertung: Durchführung und Scoring durch Lehrkräfte
- Vergleichsperspektiven:
- Norm-orientiert: Vergleich mit allen anderen Klassen und dem Landesdurchschnitt; roh und sog. ”fairer” Vergleich (Kontrolle für Klassenzusammensetzung)
- Kriteriums-orientiert: Vergleich zu Fähigkeitsniveau, wie er in den Bildungsstandards definiert wird (direkter Bezug zu Lehrplänen)
Auf welchen Ebenen findet die Rückmeldung von VERA statt?
o Schüler*in (zur Besprechung mit Eltern)
o Klasse
o Schule
Warum nimmt Nds nicht (mehr) an VERA teil?
- In allen anderen Bundesländern wird VERA regelmäßig durchgeführt (teilweise mit abweichenden Namen).
- Vor allem aufgrund von Widerstand von Lehrkräften, welche die Ergebnisse nicht immer verstehen und zur Unterrichtsentwicklung nutzen.
- Um diesen Problem anzugehen sollten angehende Lehrkräfte in ihrer Ausbildung besser ausgebildet werden und die Potenziale von Vergleichsarbeiten verstehen lernen.
Klausurfrage: Erläutern Sie die primären und sekundären Selektionseffekte, die beim Übergang zur Sekundarstufe bezüglich des soziodemografischen Hintergrunds auftreten können.
- Primärer Selektionseffekte: Unterschiede, die auf Unterschiede in der kog. Leistung in den verschiedenen Klassen zurückzuführen sind.
- Sekundäre Selektionseffekte: Unterschiede, die auf Unterschiede im Übergangsverhalten unabhängig von der kog. Leistung zurückzuführen sind.
- Schülerschaft in verschiedenen Schulformen unterscheiden sich in ihrer sozialen Zusammensetzung (mehr Kinder mit hohem verbalen IQ auf Gym und mehr Kinder aus Oberschicht gehen auf Gym)
- Diese Verteilung ist v.a. auf primäre, direkte Leistungsunterschiede zurückzuführen.
- Diese Effekte werden durch sekundäre Effekte unterstützt, die jedoch nur in leistungsbezogenen Grenzfällen relevant werden.
- Häufig ”umgekehrter” Selektionseffekt: Kinder aus höher Schicht besuchen Gymnasium trotz schlechter Leistungen.