03 - Das Selbst Flashcards
Das Selbst überblick
Das Selbst und seine soziale Natur
- Das Selbst, das eine Person ausdrückt und erlebt, ist variabel und vom sozialen Kontext abhängig
- Person entwickelt Eindruck, wer sie ist, aus Interaktionen
- Erlebnisse in Interaktionen
- Reaktionen anderer auf sie
- Werte und Einstellungen, die aus Interaktionen gewonnen
werden - Bedeutung, die Person diesen Interaktionen beimisst
Das Selbst ist somit aktiv sozial konstruiert.
→ Das Selbst ist somit aktiv sozial konstruiert
Konstruktionen und Interpretationen des Selbst (self-construals)
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Die Sicht auf und das Wissen über die eigene Person
- Durch aktiven Konstruktionsprozess geformt
- Spielt sich in Interaktion mit sozialer Umwelt ab
- Durch Ziele motiviert, wie Person sich gern sieht
- Durch aktiven Konstruktionsprozess geformt
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Begrenzungen
- Biologische Faktoren (z. B. Temperament)
- Soziale Erfahrungen (z. B. frühe Bindungserfahrungen, Kultur)
- Fähigkeiten und Fertigkeiten
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Zwei Aspekte des Selbst (William James, 1890/1950)
- „Ich“ und das „Mich“ sind untrennbar, sie beeinflussen sich gegenseitig und werden im gleichen Bewusstseinsstrom entdeckt.
Quellen des Selbstwissens
- Selbsterkenntnis aufgrund eigener Beobachtung: Introspektion
- Selbstwahrnehmungstheorie (self-perception theory) nach Bem (1972)
- Reflektierte Einschätzungen (reflected appraisals)
- Soziale Vergleiche (social comparison)
- Interpersonelle Beziehungen
- Soziale Identität
- > Die Erfahrung eines kohärenten Selbst
Selbsterkenntnis aufgrund eigener Beobachtung: Introspektion
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Introspektion:
- Prozess, durch den man seine eigenen internen (mentalen und emotionalen) Zustände beobachtet, während man sich auf eine bestimmte Weise verhält.
- Einfachste, offenkundigste Methode, Informationen über die eigene Person zu erlangen
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Oft ungenau:
- Vielzahl von Informationen, die gleichzeitig kontinuierlich verarbeitet werden (zum Teil unbewusst und automatisch)
- Unerwünscht Gedanken werden willentlich aus dem Bewusstsein verbannt, beeinflussen das Verhalten aber trotzdem
- Überschätzung eigener positiver Aspekte (Attraktivität, Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten), die Kontrolle dieser, Erfolgswahrscheinlichkeiten und Urteile.
Selbstwahrnehmungstheorie (self-perception theory) nach Bem (1972)
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Kernannahme:
- Individuen erschließen ihre inneren Zustände bzw. Einstellungen aus dem eigenen Verhalten, sofern die inneren Zustände nicht eindeutig sind.
- Nur, wenn die Situation allein das Verhalten nicht ausreichend erklärt.
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Beispiel:
- Nadine wird nicht zu dem Schluss kommen, staubsaugen mache ihr Spaß, wenn der Mitbewohner sie dazu gezwungen hat.
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Anwendung auf Motivation - Personen handeln aufgrund…
- Intrinsischer Motivation: Handlungen, die in sich erfüllend und erfreuend erlebt werden
- Extrinsischer Motivation: Handlungen, die von außen belohnt werden
Reflektierte Einschätzungen (reflected appraisals)
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Reflektierte Einschätzungen:
- Schlussfolgerungen hinsichtlich der Einschätzungen anderer uns gegenüber, zu denen wir gelangen, indem wir die Reaktionen anderer Menschen auf uns beobachten.
- werden in das eigene Selbstkonzept übernommen und beeinflussen zukünftiges Verhalten
- Konzept des Spiegelbildselbst (Looking-glass self) von Cooley (1902): Reaktionen anderer dienen uns als Spiegel
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Bindungstheorie (Bowlby, 1969):
- Personen schließen von frühkindlichen Erfahrungen auf ihre Liebenswürdigkeit und ihren Wert.
- Mead (1934): Der Großteil des Selbstwissens kommt daher, die Perspektive eines „generalisierten Anderen“ einzunehmen:
- Kombination der Perspektiven aller, die an einer Aktivität beteiligt sind
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Studien bestätigen, dass sich Personen so sehen, wie sie meinen, von anderen gesehen zu werden.
- Allerdings weicht diese Sichtweise häufig davon ab, wie andere sie tatsächlich wahrnehmen.
Soziale Vergleiche (social comparison)
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Soziale Vergleiche:
- Sich selbst mit anderen vergleichen, um die eigenen Fähigkeiten und Meinungen einzuschätzen.
- Geschieht automatisch und oft unbewusst
- Festinger (1954):
- Personen neigen dazu, sich mit ähnlichen anderen zu vergleichen, wenn sie sich ihrer Fähigkeiten und Meinungen nicht sicher sind – wenn objektive Standards fehlen
- Liegen objektive Standards vor → trotzdem soziale Vergleiche
- Personen schätzen ihre Fähigkeit bei einem niedrigen, aber überdurchschnittlichen Punktewert besser ein als wenn sie einen hohen, aber unterdurchschnittlichen Wert erhalten.
- Manchmal auch motivationale Funktion
- Sich an jemand besserem zu orientieren, kann inspirieren (Aufwärtsvergleich)
- Sich mit jemand schlechterem zu vergleichen, kann erbauen (Abwärtsvergleich)
Interpersonelle Beziehungen
- Prägen Sicht auf sich selbst unterschwellig
- Auch in Abwesenheit der anderen Person
- Vorstellen, was andere sagen, tun oder wie sie einen sehen würden („privates Publikum“)
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Persönlich bedeutsame Personen beeinflussen, was als angemessenes Verhalten angesehen wird. (Baldwin et al., 1990)
- Katholische Frauen sahen ein aufleuchtendes Licht, das (ohne ihr Wissen) ein Foto enthielt (subliminares Priming) mit einem missbilligenden Gesichtsausdruck
- des Papstes oder
- eines unbekannten Psychologen.
- Ergebnis: Nach dem Bild des Papstes, nicht aber nach dem des Unbekannten schätzten sich die Frauen weniger moralisch und ängstlicher ein
- Katholische Frauen sahen ein aufleuchtendes Licht, das (ohne ihr Wissen) ein Foto enthielt (subliminares Priming) mit einem missbilligenden Gesichtsausdruck
- Personen bilden relationale Schemata
- Mentale Modelle mit typischen Interaktions- und Gefühlsmustern gegenüber einer persönlich bedeutsamen Person.
- Bereits durch einzelne Aspekte aktiviert, die an die Person erinnern
- Ähnelt eine neue Bekanntschaft dieser Person, verhält/ fühlt man sich ihr gegenüber teils wie gegenüber der bedeutsamen Person
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Neue Bekanntschaften können das eigene Selbst-Wissen erweitern (Aron et al., 1995)
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Versuch:
- Studierende gaben über 10 Wochen 5 Mal an, ob sie sich verliebt hatten und mit welchen Adjektiven sie sich beschreiben würden.
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Ergebnis:
- Personen, die eine neue Beziehung eingegangen waren, wiesen größere Vielfalt in ihren Selbstbeschreibungen auf – sie erweiterten ihr Selbstkonzept um Eigenschaften des neuen Partners/der neuen Partnerin
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Versuch:
Soziale Identität
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Soziale Identität:
- Personen nehmen nicht nur bedeutsame Andere in ihr Selbstkonzept auf, sondern auch die sozialen Gruppen, mit denen Sie sich identifizieren – Geschlecht, Ethnizität, Religion, Beruf, politische Zugehörigkeit, …
Selbstkategorisierungstheorie:
- Unterscheidung in „Wir“ und „die Anderen“
- Variation, ob personale oder soziale Identität salient ist
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Theorie der Sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1979):
- Personen haben Bedürfnis nach positiver sozialer Identität. Grenzen ihre Gruppe („ingroup“) vorteilhaft von anderen Gruppen („outgroups“) ab.
Die Erfahrung eines kohärenten Selbst
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Autobiographische Erinnerungen:
- Rückerinnerungen an Ereignisse in unserem Leben und an die Art und Weise, wie wir sie erlebt haben.
- Verbinden Vergangenheit mit Gegenwart
- Schaffen ein Gefühl von Kontinuität
- Lebhafte Erinnerungen werden leichter erinnert
- „Erste Male“
- „Blitzlicht“-Erinnerung: lebhafte Momentaufnahme, als etwas hoch Emotionales geschah
- …und sind resistenter gegen Vergessen
- Beinhalten sowohl objektive Genauigkeit als auch verzerrte Rekonstruktionen
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Das Selbst als Narrativ:
- Geschichten, die eine Person aus den autobiographischen Erinnerungen zusammenwebt.
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Funktionen
- verleihen Erlebnissen Sinn
- integrieren Ziele
- deuten Konflikt
- geben Erklärungen für Veränderung
- entfalten sich immer weiter
- sind sehr subjektiv und selektiv im Inhalt
- von kulturellen Normen beeinflusst
- Geschichten von amerikanischen, erwachsenen Probanden eher Individuum-zentriert; chinesische Probanden integrierten historisches Geschehen und bedeutsame Beziehungen stärker (Wang & Conway, 2004)
Funktionen des Selbst - Organisational
- Kognitive Repräsentationen von Selbstwissen
- Kognitive Aspekte des Selbst-Systems
- Affektive Repräsentation von Selbstwissen
- Entwicklung des Selbstwertgefühls
- Kontextfaktoren beeinflussen das Selbstwertgefühl
- Kultureinflüsse auf Inhalt und Struktur des Selbst
Kognitive Repräsentationen von Selbstwissen
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Selbstkonzept:
- Kognitive Repräsentation unserer Selbstkenntnis, die aus der Summe aller Überzeugungen besteht, die wir über uns selbst haben.
- Gibt eigener Erfahrung (u. a. Beziehungen zu anderen Menschen) Kohärenz und Bedeutung
-
Umfasst alle…
- Eigenschaften
- sozialen Rollen
- Werte
- Ziele
- Ängste
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Selbst-Schemata:
- Mentale Strukturen, die uns dabei helfen, die Verarbeitung selbstbezogener Informationen zu organisieren und anzuleiten.
- Studie von Markus (1977)
- VP beurteilten, inwieweit
- mit Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit verbundene Begriffe sie selbst beschrieben und
- diese Aspekte für ihre Selbst-Beschreibung wichtig waren.
- Markus fand Bezeichnungen für die Personen
- Schematisch im Bereich Un-/Abhängigkeit: VP, für die die einzelnen Begriffe sehr beschreibend und wichtig für ihr Selbstkonzept waren. Sie besaßen zu diesem Bereich ein Selbst-Schema.
- Aschematisch im Bereich Un-/Abhängigkeit: Personen, für die die Begriffe nicht beschreibend oder sonderlich wichtig waren. Ihnen fehlte ein entsprechendes Selbst-Schema.
- VP beurteilten, inwieweit
Kognitive Aspekte des Selbst-Systems
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Ideal-Selbst (erwünschtes Selbst) – Wünsche und Bestrebungen
- Wünsche und Hoffnungen, wer man sein möchte
- GegensatzdazuistdastatsächlicheSelbst:wermanzuseinglaubt
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Soll-Selbst – Pflichten und Verantwortlichkeiten
- Aspekte, von denen man selbst oder das eigene Umfeld annehmen, dass man sie erfüllen muss
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Mögliches Selbst – Potential
- Erfüllt eine Motivationsfunktion
- Ideen für die Zukunft („Ich möchte Berufsberater* in werden.“)
- Vermeidungsziele („Ich gehe joggen, um nicht unsportlich zu werden.“
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Explizites Selbst-Wissen
- Entsteht durch Selbstreflektion oder willentliche Gedankenprozesse
- Ist daher kontrollierbar
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Implizites Selbst-Wissen
- Bestehtunbewusst
- Ist daher weniger kontrollierbar
- und Stärker automatisch als explizites Selbst-Wissen
Affektive Repräsentation von Selbstwissen
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Selbstwertgefühl:
- Gesamtbewertung, die wir auf einer Positiv-negativ- Dimension in Bezug auf uns selbst vornehmen
- Setzt sich aus Bewertungen der eigenen Person in verschiedenen Bereichen zusammen
- Aussehen, Schulleistungen, sportliche Erfolge,…
- Beeinflusst „top-down“ wie sich eine Person in spezifischen Bereichen sieht
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Trait-SWG über Lebensspanne relativ stabil
- Trotz Altersverschiebungen in Entwicklungsphasen
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State-SWG aus variablen Selbstbewertungen
- Beeinflusst von temporären Erfahrungen (Erfolge und.Misserfolge)
- Implizit als automatische oder unbewusste Bewertung der eigenen Person (erfassbar z.B. mit einem IAT)
- Explizit als Ergebnis von Reflexion und willentlich gesteuertem Nachdenken
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Stabilität des SWG ist bei verschiedenen Menschen unterschiedlich
- schwankt bei Personen mit instabilerem SWG stärker in Abhängigkeit täglicher Ereignisse