Vorlesung 4 Flashcards
Was führte zum Chancenspiegel?
- > Idee der Bertelsmann Stiftung: Zusammenhang von Herkunft und Bildungserfolg konzentriert für eine breite Öffentlichkeit thematisieren, das Thema Chancengerechtigkeit virulent halten
- > Juni 2010: Start des gemeinsamen Projekts der Bertelsmann Stiftung und des IFS, Laufzeit 3 Jahre
- > Theoretische Konzeption des Chancenspiegels, Indikatorenentwicklung und Datenaufbereitung, Erstellen der ersten Publikation – März 2012
Was ist die Zielsetzung des Chancenspiegels?
- > Komprimierte und indikatorenbasierte Darstellung zur Leistungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit der deutschen Schulsysteme
- > Auskunft über Verlauf und Entwicklungen in den Bundesländern zur Förderung von Chancengerechtigkeit
- > Beitragsangebot zum gesellschaftlichen Diskurs (Anregung zu Länderinitiativen schaffen?) -> Angebot eines Beispiels für einen Deutungsrahmen „Gerechtigkeit“ sowie neue Orientierungspunkte zur Diskussion stellen
Warum fragt der Chancenspiegel nach Gerechtigkeit?
- > Gerechtigkeit als Rahmenbedingung für Lebenschancen und gesellschaftliche Wohlfahrt
- > Betonung auf Gerechtigkeit der Schulsysteme im Chancenspiegel verweist auf ethische Dimension institutioneller Bildung -> Prinzip der Verantwortung (Jonas 1979)
- > Der Chancenspiegel möchte von Defizitbeschreibungen ausgehend die normative Diskussion um die Gerechtigkeit der deutschen Schulsysteme anregen
Was stellt die Gerechtigkeit aus Sicht der Eltern dar? (Chancenspiegel)
- > die Folgen des in vielen Studien deutlich gewordenen signifikanten Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und den Bildungsmöglichkeiten der Kinder abzuschaffen
- > Schulen so zu gestalten, dass die individuellen Fähigkeiten aller Kinder erkannt und optimal gefördert werden; Wir brauchen ALLE!
- > die frühe Einführung (ab Klasse 5) von Maßnahmen der Berufsorientierung
- > die Nachhaltigkeit zukunftsorientierter Projekte sicherzustellen
-> die kostenlose Schülerbeförderung, Lernmittelfreiheit und Unterkunft
(bei erforderlicher auswärtiger Unterbringung)
-> die Schulsysteme länderübergreifend kompatibel zu gestalten, um der
geforderten Mobilität der Gesellschaft gerecht zu werden
Auf welche drei Gerechtigkeitsansätze wird zurück gegriffen? (Chancenspiegel)
- > Theorie der Gerechtigkeit nach Rawls bietet Verteilungsregeln (1979, 2006):
- Regeln gesellschaftlicher Institutionen schaffen Fairness
Kein Kind erfährt aufgrund zufälliger Eigenschaften (Herkunft) zusätzliche Nachteile
-> Befähigungsansatz verschiebt Perspektive von Institutionen auf einzelnen Menschen (Sen 2000, 2010):
- Betonung des Stellenwerts der Ausstattung eines jeden Menschen mit einem Set an Fähigkeiten zur freien Gestaltung seines Lebens
- Gerechtigkeit auch unter Einbeziehung von Prozessmerkmalen betrachten (informelles Lernen?)
-> Anerkennungstheorie fokussiert Realisierung sozialer Freiheit mithilfe von Anerkennungsprozessen (Honneth 2003, 2011):
- Rechtsgleichheit, Bedürfnisgerechtigkeit und Leistungsgerechtgkeit als Leitprinzipien der Sphären moderner Gesellschaften
- Interaktion von Schüler-Schüler und Lehrer-Schüler
Was versteht der Chancenspiegel unter Chancengleichheit?
-> Die freie Teilhabe an der Gesellschaft ist in den im Chancen-spiegel verankerten Gerechtigkeitstheorien ein zentrales Ziel und auch leitendes Prinzip für den Chancenspiegel
„Der Chancenspiegel versteht unter Chancengerechtigkeit die faire Chance zur freien Teilhabe an der Gesellschaft, die auch gewährleistet wird durch eine gerechte Institution Schule, in der Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer sozialen und natürlichen Merkmale keine zusätzlichen Nachteile erfahren, durch eine Förderung der Befähigung aller und durch eine wechselseitige Anerkennung der an Schule beteiligten Personen“
-> Gewährleistung von Teilhabe ist dabei eine Mindestanforderung für Bildungsinstitutionen
Was sind die Gerechtigkeitsdimensionen des Chancenspiegels?
Integrationskraft
Wie gut gelingt es den Schulsystemen, Kinder und Jugendliche zu integrieren?
Beispielindikatoren:
Diagnose von Förderbedarf, Inklusionsanteilen, Exklusionsquote, Ganztagsnutzung
Durchlässigkeit
Wie durchlässig sind die Schulsysteme?
Beispielindikatoren:
Relative Chancen auf Gymnasialbesuch, Wechsel zwischen Schulformen, Klassenwiederholungen
Kompetenzförderung
Wie gut gelingt es den Schulsystemen, alle Lernenden zu fördern und Kompetenzen auszuschöpfen?
Beispielindikatoren:
Lesekompetenz der Leistungsstärksten u. der Leistungsschwächsten, Migrationshintergrund und Bildungserfolg, soziale Herkunft und Bildungserfolg
Zertifikatsvergabe
Wie gerecht ist die Zertifikatsvergabe der Schulsysteme?
Beispielindikatoren:
Absolventen mit Hochschulreife, Abgänger ohne Schulabschluss, Zusammenführung Kompetenzerwerb und Hochschulreife
Wie gestaltete sich das methodische Vorgehen? (Chancenspiegel)
- Insgesamt 24 Einzelindikatoren berücksichtigt zur Analyse in den vier Gerechtigkeitsdimensionen
- Einteilung der Länder in Gruppen: obere 25%, untere 25%, mittlere 50% je Einzelindikator
- Sowohl Mittelwert als auch Spannweite der Gruppen abgetragen
- Nennung der Länder alphabetisch
- > Kein Bundeslandranking, sondern Fokus auf Vergleich der oberen und unteren 25%)
- >Sensibilisierung für (große) Unterschiede
Wie war das Vorgehen bei den Ergebnissen des Ländervergleichs? (Chancenspiegel)
- > Vorgehen:
- > Berücksichtigung von insgesamt 15 Indikatoren aus allen vier Dimensionen
- > Vergabe von Punkten je Land nach erreichtem Platz je Einzelindikator in der Dimension (Platz 1=1 Pkt., Platz 16=16 Pkt., usw.)
- > Aufsummierung aller erreichten Punkte je Land in den vier Dimensionen gesamt
- > Erneute Gruppeneinteilung der Länder nach Abschneiden in obere 25%, mittlere 50% und untere 25%
Wie sind die Ergebnisse des Ländervergleichs? (Chancenspiegel)
- Kein Land in allen 4 oder in 3 Dimensionen in der oberen Gruppe
- Drei Länder (Hamburg, Saarland, Sachsen) zweimal in der oberen Gruppe vertreten, hierbei ist aber nur das Saarland ohne einen gleichzeitigen Platz in der unteren Gruppe
- Kein Land in allen 4 Dimensionen in der unteren Gruppe
- Sachsen-Anhalt dreimal Platz in der unteren Gruppe, allerdings in
der vierten Dimension in der Spitzengruppe vertreten
-> In keinem Bundesland kann von einem hinreichend gerechten Schulsystem ausgegangen werden
-> Befunde deuten auf unterschiedliche Entwicklungspotenziale in den Ländern zur Herstellung von mehr Chancengerechtigkeit in den Schulsystemen hin
Was sind die Baustellen der Gerechtigkeit?
- Lehrerbildung – fehlendes Professionsbewusstsein (Fächer können keine Bezugsdisziplin für die Profession sein)
- Fehlende systembezogene Personalentwicklung
- Föderalismus – ja und nein
- Problem der organisierten Verantwortungslosigkeit
- Wenig Interventionsbereitschaft
- Scheinsteuerung (stärker an harten Fakten orientiert steuern)
- Integrierte Sozial, Raum- und Bildungspolitik
- Wildwuchs bei der Selbstorganisation des Systems eingrenzen
- Reduzierung von Sitzenbleibern aufgrund Gefährdung des Verlusts der
Vierzügigkeit - Übergangsquoten entsprechen lediglich Schulangebot vor Ort