Versammlungsrecht Flashcards
P: Übertragbarkeit polizeirechtlicher Figuren ins Versammlungsrecht (Zweckveranlasser, Nichtstörer-Inanspruchnahme)
- Grds: Höhere Voraussetzung aufgrund der großen Bedeutung von Art. 5 und Art. 8 GG
- Zweckveranlasser: stark umstritten
con: Bedeutung des Art. 8 gerade auch zur Ermöglichung des geistigen Meinungskampfs
pro (Rspr.): anerkannt zumindest in den Fällen, in denen die Gefahr subjektiv prioritär bezweckt wird bzw. notwendig/zwangsläufig herbeigeführt wird - Nichtstörer: nur wenn eine gegenwärtige Gefahr für wichtige RG besteht und es der Polizei unmöglich ist, die Gefahr durch Inanspruchnahme des Störers oder durch eigene Mittel abzuwehren (hohe Anforderungen an Polizei: muss genügend Kräfte bereit halten, um bspw. Gegendemonstrationen einzudämmen)
Versammlung und Versammlungsbegriffe
- nach Art. 8 I GG: grds. jedes Zusammenkommen mehrerer Menschen zu einem gemeinsamen Zweck
- > weiter Versammlungsbegriff: jeder Zweck
pro: offener Wortlaut - > enger Versammlungsbegriff: gemeinsame Meinungsbildung muss bezweckt sein
- > engster Versammlungsbegriff: gemeinsame Meinungsbildung zu öffentlicher Angelegenheit muss bezweckt sein (BVerfG)
pro: historisch sollen gerade Veranstaltung mit für die Staatsgewalt “gefährlicher” Zielsetzung vor dieser besonders geschützt sein - > Brokdorf-Formel: garantiert ist Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung
- nach VersG: grds. als Konkretisierung im Lichte des Art. 8 GG zu bestimmen - aber Unterschiede:
1. Keine Beschränkung des Berechtigtenkreises (auch Nicht-Deutsche)
2. Keine SB-Restriktionen
3. VersG betrifft aber nur öffentliche Versammlungen - Jedenfalls:
(-) rein oder weit überwiegend kommerzielle Veranstaltungen, bloße Spaßveranstaltungen
(+) Spontanversammlung
(-) Ansammlung von Personen, die bloß bezwecken soll, eine andere Versammlung zu verhindern - Öffentliche V: V, zu der jedermann Zutritt hat
P: Reichweite der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts
- Kein Eingriff aufgrund einer polizeilichen Ermächtigung möglich, soweit ein unmittelbarer Eingriff in die Versammlung selbst vorliegt
- > versammlungsspezifische präventive Maßnahmen gegen eine schon oder noch bestehende öffentliche Versammlung nur auf Grundlage des Versammlungsrechts
pro: Wille des Gesetzgebers, der abschließende Regelung treffen wollte - > bspw. versammlungsspezifische Gefahr (-) bei bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen
- Mangels Sondervorschriften: Vollstreckung erfolgt nach PolR
- Telos des Versammlungsrechts: keine Polizeifestigkeit besteht gegen Störungen im Umfeld einer Versammlung oder nach Beendigung derselben (vor Versammlung: Ausdehnung des Schutzbereichs zur Vorbereitung der Versammlung - Versammlungsermöglichung)
- > hM: allgemeines PolR, aber strengerer Prüfungsmaßstab
con: PolG zitiert Art. 8 nicht (-> dagegen con: solange nicht der Kernbereich der Versammlungsfreiheit betroffen ist und Maßnahmen dem Schutz der Versammlung dienen, BVerwG) - > aA: § 15 I VersG
con: § 15 I bezieht sich nur auf Versammlung im Ganzen, nicht auf einzelne Personen
P: EGL für Minusmaßnahmen im VersG
- hM: keine abschließende Regelung durch VersG - Minusmaßnahmen sind unter den Voraussetzungen des § 15 III nach den Rechtsfolgen des allgemeinen PolR möglich
pro: vor Versammlung: “Auflagen”, während der Versammlung nur Auflösung -> Art. 8 und Art. 20 III gebieten jedoch, dass auch während der Versammlung zu milderen Maßnahmen gegriffen werden kann (Erst-Recht-Schluss) - aA: EGL im § 15 I
pro: Wortlaut beschränkt Maßnahmen nicht auf vor der Versammlung - > dagegen con: dann könnte auch das “Verbot” aus § 15 I als “Verbot während der Versammlung”, also als Auflösung gelesen werden, was jedoch § 15 III überflüssig machen würden -> Systematik spricht daher für zeitliche Differenzierung
- wA: allgemeines PolR
con: wegen grds. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts sind andere EGL zuerst im VersG zu suchen
con: allg PolR erfüllt Zitiergebot nicht, VersG (§ 20) schon
P: Maßnahmen bei nicht öffentlichen Versammlungen
- eA (hM): allgemeines PolR
pro: VersG bezieht sich nur auf öffentliche Versammlungen, vgl. § 1 VersG
con: nicht-öffentliche Versammlung idR weniger gefährlich als öffentliche Versammlung, jedoch dürften dann aufgrund des PolR leichter Maßnahmen gegen diese ergriffen werden
pro: verfassungskonforme Auslegung möglich, da auch nicht-öffentliche Versammlung von Art. 8 GG erfasst
-> nur gerechtfertigt, wenn Versammlungsrecht für Versammlung (unter freiem Himmel, Art. 8 II GG !) nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird in geschlossenen Räumen dem Schutz GR Dritter oder anderer Werte mit Verfassungsrang dient - aA (aA): VersG analog
con: keine planwidrige Regelungslücke - > dagegen con: keine Indizien für bewusste Nichtregelung, vielmehr: § 21 VersG, der öffentliche und nicht-öffentliche Versammlungen regelt, geht von einer Verbotsmöglichkeit von nicht-öffentlichen Versammlungen aus, ohne dass eine entsprechende Befugnis gegeben wäre
- > unbewusste Nichtregelung und damit Regelunglücke
P: § 15 VersG: Öffentliche Ordnung als Anknüpfungspunkt für Versammlungsverbote
- BVerfG:
- > Öffentliche Ordnung als unbestimmter Rechtsbegriff dürfe nicht dazu genutzt werden, Versammlungsfreiheit in weitem Umfang einzuschränken (Brokdorf II)
- > Gefahr für öffentliche Ordnung kann sich nur aus Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergeben, nicht aus dem Inhalt der Äußerung
- -> wenn Bürger sich bedroht oder eingeschüchtert fühlen
Rspr. zum Versammlungsrecht
- Private haben Versammlung hinzunehmen, wenn sie Platz dem Publikumsverkehr geöffnet haben (Abwägung zwischen Eigentumsfreiheit und Versammlungsfreiheit)
- Widmung für Versammlungsortswahl entscheidend, jedoch ist die konkrete Nutzungssituation - bspw. Öffnung für den kommunikativen Verkehr - zu beachten (Friedhof-Entscheidung)
- Versammlungen zur Infrastruktur für Hauptversammlung nur als Versammlung, wenn es sich um notwendigen Bestandteil handelt (G20-Protestlager)
- Auch Kamera-Monitor-Maßnahmen (keine Aufzeichnung) und Identitätsfeststellungen sind als Eingriffe zu bewerten, indem andere sich abgeschreckt fühlen könnten, an der Versammlung (weiter) teilzunehmen
Prüfung: Versammlung
- Weitergeltung des Bundes-VersG, Art. 125a GG
- Sachlicher Anwendungsbereich
a. Versammlung
b. Öffentlichkeit
c. Abwehr versammlungsspezifischer Gefahren - Zeitlicher Anwendungsbereich
Übersicht: EGL bei Versammlungen Sachlich
- Öffentlich und unter freiem Himmel: §§ 14 ff. VersG
- Öffentlich und in geschlossenen Räumen: §§ 5-13 VersG
- Nichtöffentlich und unter freiem Himmel: PolR in verfassungskonformer Auslegung
- Nichtöffentlich und in geschlossenen Räumen: PolR in verfassungskonformer Auslegung (Berücksichtigung von Art. 8 II GG)
- im Anwendungsbereich des VersG sind auch andere gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften verdrängt (insb. Presse- oder Straßenverkehrsrecht, bspw. kein Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis)
Übersicht: EGL bei Versammlungen: Zeitlich
- Vorfeldmaßnahmen (= Maßnahmen, die sich nicht auf die Versammlungszeit und den Versammlungsort beziehen): VersG nach hM (-), aber PolR in verfassungskonformer Auslegung (da Schutzbereich von Art. 8 I GG etwa für Anreise eröffnet)
- Während der Versammlung (+)
- Nach Auflösung der Versammlung: (-), aber PolR (+) ggf. in verfassungskonformer Auslegung (da Abreise von Art. 8 I GG erfasst)
EGL: Versammlungen in geschlossenen Räumen
= Ort, der seitlich begrenzt ist und Teilnehmer derart von der Allgemeinheit abgeschirmt sind, dass kein erhöhtes Gefährdungspotential besteht
- Vor Beginn: Verbot: § 5 VersG (Minusmaßnahmen erfasst)
- Während Versammlung: §§ 12 ff. VersG
-> § 12 S. 1 VersG nach Rspr. kein Anwesenheitsrecht / EGL für Anwesenheit der Polizei (auch Eingriffscharakter str.)
EGL: Versammlungen unter freiem Himmel: § 15 VersG: öffentliche Sicherheit
- insb. Strafgesetze und Ordnungswidrigkeiten, aber auch Verbotsgesetze des VereinsG oder im VersG selbst normierte Strafvorschriften
-> Schutzgut auch Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs (-> Auflage hinsichtlich Verlauf der Demonstration)
-> Schutzgut § 22 KUG (Demonstranten filmen Polizeibeamte)
EGL: Versammlungen unter freiem Himmel: § 15 VersG: unmittelbare Gefährdung
- wegen verfassungskonformer Auslegung: Art. 5 I, Art. 8 I GG:
-> Schutz von Gütern mit Verfassungsrang erforderlich
-> Gefahrenprognose muss auf nachweisbares Tatsachenmaterial gestützt sein - erforderlich ist die hohe Wahrscheinlichkeit eines konkreten Verstoßes
-> Rspr. lässt nicht ausreichen, wenn es erfahrungsgemäß etwa zur Begehung von Straftaten kommt
EGL: Versammlungen unter freiem Himmel: § 15 VersG: Auflösung
- § 15 III VersG als einzige EGL nach Beginn einer Versammlung
- Tatbestand
a. Auflösungsgrund
-> Nichtanmeldung, § 14 VersG
aa. Spontanversammlungen: keine Anmeldepflicht (= wegen herausragender Aktualität ohne Vorlaufzeit unmittelbar aus Anlass eines besonderen Ereignisses und Anmeldung deswegen tatsächlich unmöglich)
bb. Eilversammlungen: Anmeldepflicht (+), aber keine 48h-Pflicht
b. Versammlungsrechtliche Verantwortlichkeit - Ermessen
a. Ermessensfehler
-> insb. wegen Bedeutung von Art. 8 I GG (wenn bspw. Auflösung allein (!) auf Verletzung des § 14 VersG gestützt wird)
b. Minusmaßnahmen (+) iVm Rechtsfolge des PolR
-> § 15 III iVm PolR
EGL: Versammlungen unter freiem Himmel: Einkesselung
- Vor Auflösung: weder PolR noch Minusmaßnahme zum Verbot
-> differenzierte Systematik nach §§ 15 III, 18 III, 19 IV VersG (Ausschluss von Teilnehmern) - Nach Auflösung: (-), da Entfernungspflicht der Teilnehmer besteht, die gar nicht ausgeübt werden könnte