Übungsfälle Teil 3 Flashcards
Bauherrin B hat für die Errichtung eines Bürohauses die Firma F mit dem Innenausbau beauftragt. Nachdem F nur zögerlich leistet, geht B nach § 5 Abs. 3 und 4 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B vor und kündigt den Vertrag aus wichtigem Grund.
F bestätigt die Kündigung, weist allerdings darauf hin, dass eine Abhilfeaufforderung nach § 5 Abs. 3 VOB/B niemals zugegangen sei. F rechnet von den insgesamt vereinbarten 9 Mio. € Vergütung 3 Mio. € für bereits erbrachte Leistungen ab. Für die noch nicht erbrachten Leistungen über 6 Mio. € hatte F in ihrer Kalkulation Nachunternehmerkosten von 5,5 Mio. € veranschlagt. F legt jedoch ein konkretes Nachunternehmerangebot vor, nach dem diese Leistungen für 2 Mio. € hätten beauftragt werden können. F rechnet daher weitere 4 Mio. € als Kündigungsentschädigung ab.
B hält das Nachunternehmerangebot für einen „Fake“ und will nicht zahlen
- Soweit B die Abhilfeaufforderung als Voraussetzung der Kündigung nach § 5 Abs. 4, § 8 Abs. 3 VOB/B nicht nachweisen kann, erfolgte die Kündigung ohne wichtigen Grund. Die Kündigung ist dann als freie Kündigung zu werten.
- F kann die erbrachten Leistungen zur vereinbarten Vergütung abrechnen.
- Auch die nicht erbrachten Leistungen kann F zu Vertragspreisen abrechnen, muss sich aber ersparten Aufwand anrechnen lassen (§ 648 BGB).
- Eine Mindermeinung will die ersparten Kosten nach der Kalkulation des AN bestimmen (hier: 6 Mio. € - 5,5 Mio. € = 0,5 Mio. € Vergütung). Die Rechtsprechung stellt hingegen auf die Ist-Kosten ab, da dem AN Vergabegewinne erhalten bleiben müssen. Kann B die Manipulation des Angebots nicht nachweisen, sind die 4 Mio. € zu zahlen.
Influencerin I hat Generalunternehmerin G Mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Luxusvilla für 5 Mio. € beauftragt. Während des Projekts hat I immer wieder neue Ideen, ändert Grundrisse und modifiziert die Ausstattung nach aktuellen Trends. G hat wiederum Probleme, geeignete Nachunternehmer zu finden, stöhnt über zwischenzeitlich gestiegene Materialpreise und kann extravagante Änderungswünsche teilweise nicht umsetzen. Die Bauausführung kommt nur schleppend voran.
In einem klärenden Gespräch stellen I und G fest, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr sinnvoll ist. I will das Projekt nun mit handverlesenen Unternehmen in einer Einzelvergabe abschließen. Der Vertrag wird aufgehoben.
G rechnet für erbrachte Leistungen 2 Mio. € ab. Zudem verlangt G für nicht mehr erbrachte Leistungen ohne jeden Nachweis 150.000 €, was I völlig überrascht.
- Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach den Grundsätzen einer freien Kündigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B, § 648 BGB), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben. G kann somit eine Vergütung für nicht mehr erbrachte Leistungen verlangen.
- G kann nach § 648 Satz 3 BGB von der noch nicht verdienten Vergütung 5 % ohne Nachweise als Kündigungsentschädigung abrechnen.
- I könnte diese Vermutung widerlegen, müsste dafür aber die tatsächlich von G ersparten Aufwendungen darlegen können.
Die Stadt S beauftragt den Generalunternehmer G mit der Errichtung eines Parkhauses. G bekommt nur eine Entwurfsplanung übergeben und soll weitere Planungsleistungen – soweit erforderlich – selbst erbringen.
Nachdem G mit der Fertigstellung deutlich in Verzug geraten ist, kündigt S den Vertrag aus wichtigem Grund. G verlangt insbesondere Vergütung für:
- bereits im eigenen Werk vorproduzierte Betonteile,
- auf der Baustelle angelieferten Bewehrungsstahl,
- die schon vollständig erstellte Ausführungsplanung.
S verweigert die Zahlung. Zu Recht?
- Nach einer Kündigung aus wichtigem Grund sind die „ausgeführten“ bzw. „erbrachten“ Leistungen zu vergüten (§ 8 Abs. 2 VOB/B, § 648a Abs. 5 BGB).
- Zu den erbrachten Leistungen gehören nur diejenigen Arbeiten, die sich zum Zeitpunkt der Kündigung im Bauwerk verkörpern. Für die Annahme einer erbrachten Leistung genügt nicht, dass dem Unternehmer ein entsprechender Aufwand entstanden ist.
- Für Planungen, die keine eigenständige Leistung darstellen, kann der Unternehmer keine Vergütung verlangen, wenn die Bauleistung selbst nicht ausgeführt worden ist.
Universität U hat Generalunternehmerin G mit der Errichtung eines Hochschulgebäudes mit Klinkerfassade beauftragt. Noch während der Ausführung rügt U die bereits erstellte Fassade als mangelhaft. Die Klinkersteine ragten zu weit über die Auflager hinaus, was nach den technischen Normen unzulässig sei. G beruft sich darauf, dass die Normen nur in jedem Fall unbedenkliche Regelwerte enthielten und legt einen statischen Nachweis über die Haltbarkeit der Fassade vor. U jedoch kündigt den (ganzen) Vertrag nach § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3 VOB/B aus wichtigem Grund. Erst später erfährt U, dass für G bereits vor einiger Zeit ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, und erklärt nachträglich, die Kündigung hilfsweise auch hiermit zu begründen.
Ein gerichtlicher Sachverständiger bestätigt, dass die technischen Normen auch andere Nachweise zur Standfestigkeit zulassen. G meint zudem, dass U wegen der Insolvenz nicht kündigen durfte, da dieser Grund zu spät angeführt wurde und der Insolvenzverwalter ohnehin eine Fortführung des Betriebs sichergestellt habe.
- Die ursprüngliche Kündigung erfolgte ohne wichtigen Grund, da ein Mangel nicht vorlag. Die Kündigung könnte als freie Kündigung auszulegen sein.
- Jedoch können alternative Kündigungsgründe vom AG nachgeschoben werden, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen
- Wegen Insolvenz könnte U nach § 8 Abs. 2 VOB/B kündigen. Da jedoch das heutige Insolvenzrecht primär auf eine Fortführung (Rettung) des Betriebs ausgerichtet ist, soll die Insolvenz allein kein wichtiger Kündigungsgrund sein.
Jedoch ist die ausdrückliche Bestimmung als Kündigungsgrund in § 8 VOB/B zulässig und AGB-wirksam.
Bauherrin B hat mit Generalunternehmerin G als Fertigstellungstermin den 01.07.2022 vereinbart und für den Fall des Verzugs eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,1 % der Auftragssumme je Werktag, in Summe höchstens 5 % der Auftragssumme vereinbart.
G wird erst zum 01.08.2022 fertig. B macht die vereinbarte Vertragsstrafe geltend. G verteidigt sich damit, dass zu Beginn des Projekts im Jahr 2020 noch Unterlagen der von B beauftragten Statikerin S gefehlt hätten und dies die Verzögerung von einem Monat ausgelöst habe – was zutrifft.
B wendet ein, dass dieser Umstand unbeachtlich sei, da G keine Behinderung angezeigt habe. G räumt ein, sie habe zu Beginn des Projekts keine schlechte Stimmung verbreiten wollen und zudem das gute Verhältnis zu S nicht belasten wollen, indem sie diese „anschwärzt“.
- G hat die nach § 6 Abs. 1 VOB/B erforderliche Anzeige unterlassen und somit keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Behinderung. Eine Fristverlängerung nach § 6 Abs. 2 VOB/B scheidet somit aus. Geschuldeter Fertigstellungstermin blieb der 01.07.2022.
- Verzug und somit auch die Verwirkung einer Vertragsstrafe setzen jedoch Verschulden voraus (§ 286 Abs. 4 BGB). Auch ohne Behinderungsanzeige kann sich G darauf berufen, sie treffe für die Verzögerung kein Verschulden. Die Vertragsstrafe ist daher nicht zu zahlen.
Bauherrin B hat Generalunternehmerin G mit der betriebsfertigen Errichtung eines Hotels beauftragt. B hat mit G eine Fertigstellung zum 01.07.2022 und eine daran anknüpfende Vertragsstrafe vereinbart. Der Formularvertrag bestimmt zudem, dass die Vertragsstrafe von B bis spätestens zur Schlusszahlung geltend gemacht werden kann.
G kann die Arbeiten erst zum 01.08.2022 abschließen. Es erfolgt an diesem Tag die Abnahme ohne besondere Einwände und das Hotel nimmt seinen Betrieb auf. Am 01.09.2022 stellt G ihre Schlussrechnung über noch zu zahlende 300.000 €. B zahlt am 01.10.2022 lediglich 200.000 € an G aus. B verweist dabei zum einen auf die (der Höhe nach korrekt berechnete) Vertragsstrafe von 50.000 € und zum anderen auf ausgefallene Einnahmen des Hotels im Urlaubsmonat Juli von weiteren 50.000 €.
Zu Recht?
- In Bauverträgen kann durch AGB vereinbart werden, dass der AG sich eine Vertragsstrafe nicht schon bei der Abnahme vorbehalten muss (§ 11 Abs. 4 VOB/B), sondern dass er sie vielmehr noch bis zur Schlusszahlung geltend machen darf. G fordert die Vertragsstrafe also noch rechtzeitig.
- Eine verwirkte Vertragsstrafe ist aber immer auf einen aus gleichem Grund beanspruchten Schadensersatz anzurechnen (§§ 341 Abs. 2, 340 Abs. 2 BGB). G kann daher nur einmal 50.000 € verlangen und in Abzug bringen. Die Vertragsstrafe fällt somit angesichts des tatsächlichen Schadens nicht mehr ins Gewicht, erleichtert jedoch die Durchsetzung. Die Anrechnung kann in AGB nicht ausgeschlossen werden.
Die Anwaltskanzlei A hat Generalunternehmerin G mit der Errichtung eines neuen Bürohauses beauftragt. Im Vertrag wurde eine förmliche Abnahme vereinbart.
Da der Mietvertrag für die bisherigen Büroflächen ausläuft, muss A die neuen Räumlichkeiten im Juli 2021 beziehen und nutzen. Zu diesem Zeitpunkt hat G jedoch die Fassade noch nicht vollständig erstellt und die Klimaanlage funktioniert nicht. G legt gleichwohl ihre Schlussrechnung vor.
Im Anschluss kommt es zwischen A und G zu Streit, sodass die Restarbeiten nicht mehr ausgeführt werden. G macht schließlich Anfang 2022 ihre ausstehende Vergütung gerichtlich geltend. A wendet ein, die Schlussrechnung sei mangels Abnahme noch gar nicht zur Zahlung fällig.
Wer hat Recht?
- Die Vereinbarung der förmlichen Abnahme schließt die fiktive oder konkludente Abnahme aus.
- Eine Abnahme scheitert hier nicht bereits daran, dass die förmliche Abnahme vereinbart war. AG und AN können konkludent und formfrei die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme wieder aufheben, etwa indem der AG das Objekt in Benutzung nimmt und der AN die Schlussrechnung stellt.
- Das Verhalten des AG ist jedoch regelmäßig nicht als konkludente Abnahme auszulegen, wenn noch wesentliche Leistungen fehlen.
Projektentwicklerin P errichtet ein Mehrfamilienhaus mit 10 Wohnung, die sie an einzelne Erwerber veräußert. In den Bauträgerverträgen ist jeweils vorgesehen, dass die Abnahmereife des Gemeinschaftseigentums von einem Sachverständigen des TÜV festgestellt werden soll. Anschließend soll durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft die Abnahme erklärt werden.
Bei Übergabe sind 9 Wohnungen verkauft. Der Sachverständige stellt nur kleinere Beanstandungen fest und die Gemeinschaft beschließt in der ersten Eigentümerversammlung, an der P für die 10. Wohnung teilnimmt, im Juli 2022 einstimmig die Abnahme. 1 Jahr später erwirbt X die letzte Wohnung.
Im Dezember 2027 platzen in der Tiefgarage Betonteile ab. Es wird eine unzureichende Überdeckung der Bewehrung festgestellt. Die Eigentümer wenden sich an P. Diese verweist auf die Verjährung etwaiger Ansprüche.
- Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums obliegt den einzelnen Erwerbern. Die Übertragung auf einen Sachverständigen oder die Gemeinschaft ist in AGB unwirksam.
- Die Zustimmung der Eigentümer zum Abnahmebeschluss ist jedoch als konkludente Abnahme zu werten.
- Ein Nachzügler-Erwerber wird noch 2 Jahre nach Fertigstellung nach Werkvertragsrecht behandelt und muss somit die Abnahme mit erklären.
- Weder die WEG noch P können vorab für X die Abnahme erklären.
- Die Verjährungsfrist läuft von Juli 2023 bis Juli 2028.
B beauftragt Generalunternehmerin G mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Bürohauses. Die Fassade ist mit emaillierten, thermisch vorgespannten Glasscheiben zu verkleiden. Die Leistungsbeschreibung sieht vor:
„Durch den AN ist nachzuweisen, dass die zur Verwendung kommenden vorgespannten Glasscheiben keine zerstörenden Einschlüsse (z.B. Nickelsulfid) haben. Alle ESG-Scheiben sind einem fremdüberwachten Heißlagerungstest (Heat-Soak-Test) als ESG-H gemäß Bauregelliste zu unterziehen. Die Durchführung des Heat-Soak-Tests ist über eine Werksbescheinigung zu bestätigen. Die Ofenprotokolle müssen für jede einzelne Scheibe nachvollziehbar sein.“
Nach Abnahme gehen Scheiben an verschiedenen Stellen der Fassade aufgrund von Nickelsulfideinschlüssen zu Bruch. G kann nachweisen, dass die vertraglich geschuldeten Tests ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Ein Restrisiko ließ sich objektiv nicht ausschließen.
B verlangt die Neuherstellung der gesamten Fassade. Zu Recht?
- Allein der Umstand, dass eine bestimmte Herstellungsweise oder bestimmte Bauprodukte mit einem erhöhten Mängelrisiko verbunden sind, führt nicht dazu, dass dieses Risiko vom AG zu tragen wäre.
- Lässt sich ein Restrisiko jedoch nicht gänzlich ausschließen, so liegt ein Fall der objektiven Unmöglichkeit vor (§ 275 BGB). Dies schließt Ansprüche auf Nachbesserung oder Ersatzvornahme aus.
- Es verbleiben jedoch Schadensersatzansprüche des AG (§ 311a Abs. 2 BGB). Das notwendige Verschulden ist nur gegeben, wenn der AN bei Vertragsschluss die Unmöglichkeit kannte oder kennen musste. Eine Haftung kann der AN nur dadurch ganz ausschließen, wenn dies bei Vertragsschluss vereinbart wird.
Familie F schließt mit Bauträgerin B einen Bauträgervertrag über eine Doppelhaushälfte mit Keller. Der Vertrag sieht für den Keller eine senkrechte Isolierung gemäß DIN 18195, Teil 6, gegen zeitweise aufstauendes Wasser vor. Architektin A plant für B daher DIN-konform eine Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendick-beschichtung an den Kelleraußenwänden, die auch so ausgeführt wird.
Nach Abnahme und Einzug tritt Feuchtigkeit im Keller auf. Der von F beauftragte Sachverständige stellt fest, dass das Wasser von außen eindringt. Die ausgeführte Art der Abdichtung wird für den Lastfall „aufstauendes Sickerwasser“ unter Fachleuten überwiegend kritisch bewertet. Der zuständige DIN-Ausschuss hat trotz der Kritik und zahlreicher bekannter Schadensfälle an der Regelung festgehalten.
Stehen F Mängelansprüche zu?
- Es wird vermutet, dass in einer DIN-Norm enthaltene Regelungen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben.
- Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, insbesondere dadurch, dass die Regelung in einschlägigen Fachkreisen überwiegend als fehlerhaft beurteilt wird oder dass vermehrt auftretende Schadensfälle trotz Einhaltung der Regeln bekannt sind.
- Dann genügt die Planung und Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik, auch wenn die Vorgaben der DIN-Norm eingehalten werden. Auf eine vertragliche Vereinbarung der Ausführung nach DIN kommt es nicht an, wenn dadurch kein funktionsfähiges Werk hergestellt wird.
Bauherrin B beauftragt Generalunternehmerin G mit der Errichtung eines Wohnhauses auf Grundlage der VOB/B. 3 ½ Jahre nach Abnahme stellt sich im ersten härteren Winter heraus, dass das zu Wohnzwecken ausgebaute Dachgeschoss zu kalt wird. Die von B beauftragte Sachverständige stellt eine unzureichende Isolierung der Dachfenster fest. B zeigt den Sachverhalt vollständig schriftlich bei G an und verlangt Nachbesserung. G bessert die Isolierung der Dachfenster nach.
Im nächsten Winter bleibt es im Dachgeschoss erneut zu kalt. Eine neue Sachverständige bemängelt, dass die Isolierung des Dachs insgesamt nicht ausreichend sei und zudem die Leistung der Heizungsanlage unterdimensioniert sei.
B fordert von G wiederum Nachbesserung. G meint, ihre Verpflichtungen bereits mit der ersten Nachbesserung erfüllt zu haben. Alle weiteren Ansprüche seien ohnehin nach jetzt 4 ½ Jahren verjährt.
- Zum Zeitpunkt der zweiten Mangelanzeige sind Ansprüche nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B verjährt. Fraglich ist, ob die erste Mangelanzeige eine neue, zweijährige Verjährungsfrist nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B ausgelöst hat.
- B hat sich gegenüber G ursprünglich nicht auf eine insgesamt mangelhafte Isolierung oder eine unzureichende Heizungsanlage berufen. Jedoch kommt es nur darauf an, dass der Auftraggeber in seiner Mangelanzeige das Symptom, also die Mangelerscheinung, beschreibt. Hier genügte also der Verweis auf das zu kalte Dachgeschoss.
- Die Anzeige des Symptoms schließt alle tatsächlichen Mangelursachen mit ein. Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber selbst eine falsche oder unzureichende Ursache vermutet und wenn die Ursachen auch andere Bereiche des Objekts oder die ganze Immobilie betreffen.
Bauherrin B errichtet ein Einkaufszentrum und beauftragt das Fachunternehmen F mit der Installation eines Notrufsystems. Nach Abnahme und Eröffnung fallen mehrere Meldestellen des Notrufsystems aus. B zeigt dies bei F als Mangel an.
F beauftragt zwei Monteure damit, den Sachverhalt zu untersuchen. Diese bestätigen zwar die Fehlfunktion, können aber zunächst keine Ursache im System finden. Erst am dritten Tag der Untersuchungen wird festgestellt, dass Mieter des Einkaufszentrums bei Einbauarbeiten die Kabelverbindungen beschädigt haben.
F weist die Verantwortung dafür von sich und verlangt Kostenerstattung für den dreitägigen Einsatz der Monteure. Zu Recht?
- Die Untersuchung der Mangelursache ist grundsätzlich Aufgabe des Auftragnehmers. Wer aber einen Mangel anzeigt, obwohl ein solcher tatsächlich nicht vorliegt, verletzt eine vertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) und ist daher zum Schadensersatz verpflichtet (§ 280 Abs. 1 BGB).
- Der Anspruch setzt aber ein Verschulden des Auftraggebers voraus. Dieses liegt erst vor, wenn der AG auf Grund der vorliegenden Symptome die Verantwortung des AN nicht als plausibel ansehen durfte.
- Tritt der AN die Mangeluntersuchung nur nach dem Hinweis an, bei Fehlen eines Mangels die Kosten erstattet zu verlangen, soll ein bedingter Auftrag vorliegen, der auch ohne Verschulden einen Entgeltanspruch begründet.
B beauftragt das Unternehmen F mit der Herstellung einer Fassade. F verwendet ein marktübliches Wärmedämmverbundsystem (WDVS). Anerkannte Regeln der Technik für die Montage gab es zum Zeitpunkt der Ausführung noch nicht. Die Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers wurden eingehalten. Nach Montage stellt sich heraus, dass sich die Platten des WDVS bei kaltfeuchter Witterung mittig aufwölben, da sie keine mittige Befestigung durch Dübel oder Klebepunkte haben. Die Verformungen treten vor allem morgens auf, wenn die Platten erwärmt werden. Die Verformungen sind zum Teil nur im Streiflicht durch horizontal verlaufende Linienmuster bei gebrauchsüblichem Betrachtungsabstand (8 m) schwach bis kaum erkennbar. Standsicherheit, Wärme-, Feuchtigkeits-, Brand- und Schallschutz werden nicht beeinträchtigt; Risse sind nicht zu befürchten. Der für die Nachbesserung notwendige Aufwand beläuft sich auf 35.000,00 €.
Muss F nachbessern?
- Auch ohne Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik oder Herstellervorgaben liegt ein Mangel vor, wenn die Leistung nicht die vom AG zu erwartenden Qualitätsmerkmale aufweist. Vertraglich vorausgesetzt wird bei einer Fassade die Formbeständigkeit unabhängig von der Witterung.
- Auch rein optische Beeinträchtigungen stellen einen Mangel dar.
- Ausnahmsweise ist der Nachbesserungsanspruch ausgeschlossen, wenn die Beeinträchtigung äußerst gering ist (hier: kein Funktionsverlust, nur zeitweise, kaum wahrnehmbar) und demgegenüber der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist (hier: 35.000 €). Dem AG verbleibt ein Anspruch auf Minderung (§ 13 Abs. 6 VOB/B).
Generalunternehmerin G hat für die Flughafengesellschaft F ein neues Terminal schlüsselfertig errichtet. Kurz nach Inbetriebnahme kommt es zu einer gravierenden Fehlfunktion der Gepäckförderanlage. Zahlreiche Koffer werden schwer beschädigt. Die gesamte Abfertigung fällt mehrere Tage aus. Das Terminal steht still.
F ist Ansprüchen von Fluggästen und Fluggesellschaften ausgesetzt und verliert zudem eigene Einnahmen. Es entsteht ein Millionenschaden.
Es stellt sich heraus, dass ein Software-Fehler verantwortlich war. Diesen hatte G nicht kommen sehen. Der Real-Testbetrieb war reibungslos verlaufen. Es handelt sich um einen einmaligen „Ausreißer“.
Kann F von G Ersatz verlangen?
- Die Gepäckförderanlage ist mangelhaft nach § 13 VOB/B.
- Schadensersatz kann F nur nach den weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs. 7 VOB/B verlangen.
- Schadensfälle nach § 13 Abs. 7 Nr. 1 liegen nicht vor. Es fehlt an grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz (Nr. 2). Es liegt kein Schaden an der baulichen Anlage vor (Nr. 3 Satz 1). Auch sonstige Schäden (Nr. 3 Satz 2 lit. a) bis c)) setzen mindestens (einfache) Fahrlässigkeit voraus. Handelt es sich um einen nicht vorhersehbaren Ausreißer, scheidet diese aus. Ersatzansprüche bestehen dann insgesamt nicht.
- G schuldet nur – verschuldensunabhängig – die Nachbesserung.
Projektentwicklerin P beauftragt den Fensterbauer F mit dem Einbau von Holzfenstern. Bei Vertragsschluss weist F darauf hin, dass die Holzfenster alle 10 Jahre neu lackiert werden müssen. Jedoch bereits wenige Wochen nach Abnahme löst sich an einigen Stellen Lack ab. P zeigt dies unverzüglich schriftlich bei F an. F reagiert nicht. Bei P gerät das Thema wegen Mitarbeiterwechseln in Vergessenheit.
3 Jahre und 9 Monate nach Abnahme wiederholt P die schriftliche Mangelanzeige. F schickt nun einen Mitarbeiter der an einigen Stellen halbherzig etwas Lack nachpinselt. Korrekt hätten die betroffenen Rahmen zunächst vollständig abgeschliffen werden müssen.
Ein halbes Jahr später beauftragt P ein Drittunternehmen mit der ordnungsgemäßen Neulackierung und verlangt von F Ersatz der Kosten.
F wendet ein, zum einen seien Ansprüche inzwischen verjährt, zum anderen müsse sich P anteilig jedenfalls einen Abzug „Neu-für-Alt“ anrechnen lassen.
- F führt die Ersatzvornahme erst mehr als 4 Jahre nach Abnahme durch. Ansprüche könnten verjährt sein (§ 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B).
- Durch schriftliche Mangelanzeige beginnt eine neue Verjährungsfrist von 2 Jahren (§ 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B). Allerdings gilt dies nur für die erstmalige Anzeige, die F kurz nach Abnahme vorgenommen hat. Wiederholungen bleiben unbeachtlich.
- Die vorbehaltlose Ausführung von Nachbesserungsarbeiten stellt aber in der Regel ein Anerkenntnis dar, das zum Neubeginn der Verjährung führt (§ 212 BGB).
- Erlangt der AG infolge der Mängelbeseitigung einen Vorteil, ist dieser grundsätzlich auszugleichen (Abzug Neu für Alt), jedoch nicht, wenn der AN die Nachbesserung verzögert hat.