Sitzung 3: Grundlagen der (Entwicklungs-)Psychopathologie Flashcards
Was ist die Entwicklungspsychopathologie?
- Teilgebiet der Psychopathologie (= Lehre von psychischen Störungen)
- thematisiert Entstehung, Ursachen und Verlauf abweichenden Erlebens & Verhaltens bzw. psychischen Störungen (über die gesamte Lebensspanne; Fokus jedoch häufig auf Kindes- und Jugendalter)
- Gegenüberstellung unauffälliger und pathologischer Entwicklungsverläufe
- Bestimmung von Einflussfaktoren auf Entwicklungsverläufe
- > Risiko- und Schutzfaktoren
- > Vulnerabilität (Anfälligkeit/Verwundbarkeit)
- > Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit)
Definiere Gesundheit und Krankheit
Gesundheit
- ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen (WHO)
- dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen (Nietzsche)
Krankheit (bzw. psychische Störung)
- Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden
- Abweichung von der Norm
Warum ist die Gegenüberstellung zwischen unauffälligen und pathologischen Entwicklungsverläufen so zentral?
anhand der “normalen” Entwicklung kann man erst feststellen, ob ein abweichendes Verhalten eine bedeutsame, krankhafte Abweichung darstellt oder ob dies nur eine Normvariation ist
Welche zwei Arten von Verständnis gibt es in Bezug zu Gesundheit und Krankheit? Definiere.
Kategoriales Verständnis
- Es gibt eine klare Abgrenzung zwischen “gesund” und “krank”
- Wenn bestimmte Kriterien zutreffen, wechselt eine Person vom “gesunden” in den “kranken” Zustand
Dimensionales Verständnis
- Gesundheit und Krankheit sind ineinander übergehende Zustände mit einem schwer greifbaren Zwischenbereich
- Es ist nicht zwangsläufig eindeutig feststellbar, ob eine Person “gesund” oder “krank” ist
Welche Vor- und welche Nachteile gibt es im kategorialen vs. im dimensionalen Verständnis von Gesundheit und Krankheit?
Kategoriales Verständnis
Vorteile:
- klare, möglichst objektive Kriterien
- Abgrenzbarkeit der Störungen
- notwendig zur Diagnosestellung und zur Ermöglichung einer Behandlung/Therapie
Nachteile:
- Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma:
Notwendigkeit der Etikettierung (Feststellung einer Störung nach ICD-10), um Nutzung von (knappen) Ressourcen zu rechtfertigen (Behandlung/Therapie der Störung)
Dimensionales Verständnis
Vorteile:
- gerade bei psychischen STörungen häufiger realitätsnäher, da Abgrenzung zwischen Normvariation und Störung häufig sehr schwierig; häufig spielt eher eine quantitative (z.B. zunehmende Schlafschwierigkeiten und Traurigkeit) und keine qualitative Veränderung (z.B. ein plötzlich gebrochener Knochen) eine Rolle
- verdeutlicht interindividuelle Unterschiede (wer fühlt sich wann krank?)
- führt ggf. zu weniger Stigmatisierung, da Zustände von “gesund” und “krank” nicht klar abgegrenzt sind
Bei der Klassifikation psychischer Störungen unterscheidet man in Norm, Normvariation und Störung. Nenne 3 Beispiele für diese Kategorien.
(siehe auch Folie 9)
Norm: sichere Bindung
Normvariation: unsichere Bindung
Störung: Bindungsstörung
Norm: durchschnittliche Intelligenz
Normvariation: unterdurchschnittliche Intelligenz
Störung: geistige Behinderung
Norm: guter Esser
Normvariation: schlechter Esser
Störung: Fütterstörung
-> man würde erst von einer Störung sprechen, wenn ein bestimmter Bereich überschritten ist
Was sind Kategoriale Klassifikationsmanuale?
definieren psychische Störungen als diskrete, klar voneinander abgrenzbare und unterscheidbare Störungseinheiten
- Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10; F)
- Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM-V)
Erkläre die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD;F)
- zentrales, weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für psychische Störungen; Kapitel V (F00-F99) fokussiert psychische Störungen
- Teil der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD)
- > herausgegeben von der WHO; deutsche Fassung vom Bundesministerium für Gesundheit/Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
- > aktuelle deutsche Fassung 2020 (ICD-10-GM; 10. Version German modification)
- > neue Version (ICD-11) ist bislang nur auf Englisch erschienen, soll ab 2022 auch in Deutschland eingesetzt werden
Nenne die Oberkategorien des Kapitel V (F) des ICD
F0: Organische, einschl. symptomatischer psychischer Störungen
F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F2: Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3: Affektive Störungen
F4: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen
F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F7: Intelligenzminderung
F8: Entwicklungsstörungen
F9: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
F99: Nicht näher bezeichnete psychische Störung
Erkläre das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM - Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)
- herausgegeben von der APA (American Psychiatric Association), aktuelle deutsche Fassung aus 2018 (DSM-V; 2. korrigierte Auflage)
- enthält im Gegensatz zum ICD ausschließlich Klassifikationen für psychische Störungen
- als nationales Diagnosemanual der USA ist es z.T. differenzierter, da das Manual nicht universell einsetzbar sein muss (im Gegensatz zum ICD)
Was sind Kriterien einer Diagnose im ICD und DSM?
IMMER:
- Vorliegen von Symptomen (Krankheitsmerkmal)
- > häufig müssen mehrere oder eine Mindestanzahl an Symptomen vorliegen
HÄUFIG
- Zusatzkriterium der klinischen Bedeutsamkeit
- > Störung verursacht ein deutliches Leiden oder eine bedeutsame Beeinträchtigung der sozialen, schulischen/beruflichen Funktionsfähigkeit
- Ausschlusskriterien
TEILWEISE:
- Beginn oder Verlauf einer Symptomatik
(Beispiel s. Folie 18)
Was sind Dimensionale Klassifikationssysteme?
- definieren psychische Störungen als kontinuierlich verteilte Merkmale; Kinder und Jugendliche können entlang dieser Dimensionen beschrieben bzw. eingeordnet werden
- Grundlage: Empirisch gewonnene Dimensionen (z.B. durch Faktorenanalysen)
=> Achenbach System of Empirically Based Assessment (ASEBA)
Erläutere das Achenbach System of Empirically Based Assessment
- basiert auf Fragebogen-Urteilen von Eltern, Lehrkräften, Jugendlichen
- > z.B. Child Behavior Checklist (CBCL)
- Empirische Abbildung von 3 Dimensionen über Faktorenanalysen
- > Internalisierende Auffälligkeiten (z.B. Rückzug, Angst/Depression)
- > Externalisierende Auffälligkeiten (z.B. Aggression)
- > Gemischte Auffälligkeiten (z.B. Aufmerksamkeit, Zwang)
Erkläre den Begriff “Epidemiologie”
- schätzt die Häufigkeit (Verbreitung) und den Verlauf sowie Ursachen und Folgen von Erkrankungen ein
Methoden
- Querschnitt-Studien: erheben Daten zu einem Zeitpunkt -> Momentaufnahme psychischer Störungen
- Längsschnittstudien: verfolgen Personen über einen längeren Zeitraum -> Verlauf psychischer Störungen
Erkläre den Begriff “Prävalenz”
- Auftretenshäufigkeit von Krankheiten
- Anzahl der zum Untersuchungszeitpunkt Kranken
- Prävalenz wird in der Regel anhand einer Stichprobe geschätzt, da eine vollständige Testung der Population zu aufwendig wäre/nicht möglich ist
verschiedene Prävalenzmaße
- Punktprävalenz: Häufigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt
- Periodenprävalenz: Häufigkeit innerhalb einer bestimmten Zeitperiode
- Lebenszeitprävalenz: Häufigkeit innerhalb der Bevölkerung, genauer die Anzahl der Personen, die bis zum Untersuchungszeitpunkt mind. einmal erkrankten
Prävalenzrate = Anzahl Kranke/Anzahl aller Untersuchten