Perspektiven auf Entwicklung Flashcards
induktiv =
Ableitung vom Spezialfall auf das allgemeine
klassische Theorien der Entwicklungspsychologie gehen induktiv vor / sie beschreiben einzelne Entwicklungsverläufe (Bsp.: Clara und William Stern haben Tagebücher über die Entwicklung ihrer drei Kinder geschrieben)
Was fehlt?
- Erklärung, warum diese Phasen durchlaufen werden und ob es Alternativen gibt
deduktiv =
Ableitung vom Allgemeinen auf den Spezialfall
Theorie aufstellen / Annahmen ableiten / falsifizieren
Bsp.: Robert Havighurst (1956): Entwicklungsaufgaben
- Entwicklung ist durch Herausforderungen strukturiert
- Entwicklungsaufgaben:
a. biologische (deskriptive) Entwicklungsaufgaben (Bsp.: laufen, sprechen) / beschreibende Norm
b. soziale (präskriptive) Entwicklungsaufgaben (Bsp.: Einschulung) / vorschreibende Norm
c. selbstgestellte (autonome) Entwicklungsaufgaben (Bsp.: Reise in ein fremdes Land)
Bsp.: Robert Havighurst (1956): Entwicklungsaufgaben
- Kritik
Positiv: sehr klar strukturiert / Lebensspannen-Perspektive
Negativ: Havighurst zählt Entwicklungsaufgaben auf, damit ist die Theorie kontextabhängig / keine Erklärung, warum wir uns entwickeln
Beschreibung von Entwicklungsphasen ist induktiv Entwicklung wird angestoßen durch Herausforderungen
- „Herausforderungen“:
- Havighurst:Aufgaben
- Freud: Konflikte
- Erikson: Krisen
- Piaget: Informationen, die nicht zum Schema passen
–> bei allen vergleichbar: Konfrontation mit einem Problem, das ich mit meinen aktuellen Ressourcen nicht lösen kann
Warum brauchen wir Entwicklung?
- Wir sind als Menschen soziale Wesen von Anfang an.
- Wir sind auf soziale Hilfe und Kooperation angewiesen.
- Grund für Entwicklung: Entwicklung bereitet uns auf die Welt vor, in die wir passen müssen.
- In diesem Sinne ist Entwicklung Sozialisation: Die einzelne Person passt sich in die soziale Welt ein, in der sie lebt.
Sozialisation
Bsp.: Entwicklung von Moral
- Wir müssen die Normen lernen, die in der Gesellschaft gelten, in der wir leben.
Alles zusammengenommen, hängt individuelle Entwicklung von vielen Faktoren ab und verläuft spezifisch.
- ABER:
wenn sich keine allgemeinen Phasen beschreiben lassen, wie ist es den Menschen gelungen zu überleben und sich fortzupflanzen?
–> Es muss mit einem Minimum an Bedingungen möglich sein, dass nahezu universell viel Entwicklung passiert.
Biologische Perspektive
Reifung: Entwicklung mit einem Ziel
- Physiologische Entwicklungsprozesse verlaufen weitgehend universell.
- Es gibt notwendige innere (Gene, Hormone) und äußere (Fürsorge) Bedingungen.
- Bsp.: Geschlechtsreife / Ziel: Fortpflanzung
Exkurs: Auf welcher Ebene lässt sich Entwicklung betrachten?
Aktualgenese: kurzfristige Prozesse innerhalb einer Person
- Ontogenese: individuelle Entwicklung eines Lebewesens
- Phylogenese: Entwicklung einer Spezies
Anlage-Umwelt-Problem
Welche Anteile haben Natur und Kultur / Anlage und Umwelt / Gene und Erziehung an der Entwicklung?
- Gene: lösen unsere Entwicklung aus und steuern sie - Genom: alle informationstragenden Einheiten
- ergeben die Möglichkeit eines Merkmals
- bilden ein Entwicklungsprogramm
- Phänotyp: die konkrete Ausprägung eines Merkmals, die sichtbaren Eigenschaften
- Gene spielen auf diese Weise auch bei psychischen Merkmalen eine Rolle.
Wie können wir das Anlage-Umwelt-Problem untersuchen?
- Zwillinge
- eineiig: starten genetische identisch
- zweieiig: genetisch so ähnlich wie Geschwister
- Umwelt: geteilte und nicht-geteilte Umwelt
Anlage-Umwelt-Problem
Ein Gedankenspiel
- Absolute Anteile der Anlage und Umwelt an der Entwicklung eines Merkmals lassen sich nicht bestimmen.
- Anlage und Umwelt wirken nicht additiv (Strecke), sondern multiplikativ (Fläche).
- Bsp.: Richard Dawkins (1976) aus Greve & Thomsen (2019): Welchen Anteil hat der Ofen, welchen der Teig an einem Kuchen?
–> Wir können nur Varianz erklären, nicht absolute Anteile.
–> Kausale Effekte sind immer Wechselwirkungen = Interaktion.
Fazit Phasentheorien
Was leisten Phasentheorien?
- Genaue Beschreibung oft von Einzelfällen
- Phasentheorien beschreiben Entwicklung, können sie aber nicht erklären.
- Ungleichzeitigkeiten können Phasentheorien nicht erklären
- Ausnahme: Jean Piaget: Phasen als Sequenz komplexer werdender Systeme (nicht reine inhaltliche Abfolge)
Entwicklungsprozesse
Was steuert Entwicklungsverläufe? Prozesse. Welche Prozesse?
- einige Prozesse kennen wir schon: genetische Prozesse, kontextuelle Prozesse, Wechselwirkungen
- ABER: Wir steuern unsere Entwicklung auch selbst.
Entwicklungsprozesse
Aktionale Perspektive / Selbstgestaltung
autonome entwicklungsziele
- Wir wählen autonom Entwicklungsziele.
- Wir geben unserer Entwicklung selbst eine bestimmte Richtung (Bsp.: Sie haben sich entschieden Psychologie zu studieren, nicht Physik, aber auch nicht eine Ausbildung als Steinmetzmeisterin)
- Damit sind wir bei lebenslanger Entwicklung und der Lebensspannenperspektive.
Entwicklungsprozesse
Selbstgestaltung – wozu?
- Bsp.: Behinderte junge Frau, die in einer Einrichtung lebt, kaum sprechen kann, aber sehr fröhlich ist
- Bsp.: Straftäterin, dieder in JVA Schulabschluss nachholt
–> Gelungene Entwicklung: Förderung individuelle Adaptivität
Entwicklungsprozesse
Selbstgestaltung
- Gestaltung: handelnde Person
- Selbst: ein Selbst, auf das sich die Entwicklungsregulation bezieht
Entwicklungsprozesse
Selbst
- „Selbst“ ist ein dynamisches System, das zwei Aspekte umfasst a. auf die jeweilige Person bezogene Überzeugungen und
Erinnerungsinhalte
b. Prozesse und Mechanismen, die mit diesen Inhalten (a)
operieren - Wie können wir erklären, dass wir uns als kontinuierlich erleben?
- Welche Prozesse halten unser Selbstwertempfinden aufrecht,
welche entwickeln es weiter?
Entwicklungsprozesse
Selbst als Entwicklungsergebnis
- Rougetest
- Erfahrungen mit dem eigenen Handeln und den Folgen
- Selbstwirksamkeit
- eigene Identität
- Erwachsen-sein: Vorstellung davon, was man ist und sein könnte, welche Aspekte man an sich mag und welche man ändern möchte
Entwicklungsprozesse
Selbst als Entwicklungsbedingung
- Informationen, die das Selbst betreffen, werden nicht einfach übernommen, sondern verarbeitet
- Menschen benötigen ein hinreichend realistisches Selbstbild, da sie darauf aufbauend Handlungen planen (Bsp.: bin ich handwerklich geschickt genug, um das Regal gerade anzubringen?)
- UND Menschen streben nach einem möglichst positiven Bild von sich
–> Selbst-Entwicklung erfolgt durch Prozesse der Anpassung an Informationen (Herausforderungen)
Entwicklungsprozesse
Entwicklung als Adaptation / Zwei-Prozess-Modell (Brandtstädter)
- Grundfrage: Wie regulieren wir Herausforderungen?
- Herausforderung: Diskrepanz zwischen IST (mein aktueller Zustand) und SOLL
(mein gewünschter, erwarteter Zustand) - Assimilative Strategien: intentionale Selbstentwicklung, Bewältigungsstrategien
(bewusst) (Bsp.: wir treiben Sport, um eine bessere Kondition zu erlangen) - Akkomodative Strategien: Entwicklung als Adaptation: Ziele können endgültig
blockiert sein (Bsp.: die Ex heiratet jemand anderes / eine Klausur ist endgültig nicht bestanden) è Ziele werden an die Situation angepasst, so dass die Diskrepanz verschwindet (Bsp.: „entlieben“)
Entwicklungsprozesse
Entwicklung als Problemlösen
- Bewältigung, Coping, Entwicklung?
- gemeinsamer Nenner: Lösung von Problemen
- Integrative Perspektive: Entwicklung als Lösung von Problemen / Entwicklung als Anpassung
Entwicklungsprozesse
Piaget als Sonderfall
- Auf den ersten Blick Phasentheorie, aber geht auf Prozesse ein.
- Menschen haben von Anfang an durch ihr Verhalten Einfluss auf die Umwelt è dadurch erhalten sie Informationen aus der Umwelt, die sie verarbeiten è Ziel ist ein Gleichgewicht è Disäquilibrium è Prozesse der Assimilation und Akkomodation
- Motor der Entwicklung ist das Ziel, das Gleichgewicht herzustellen (neue
Herausforderungen stören das Gleichgewicht)
Dynamische Adaptation
Entwicklung ist komplex
- Person: physiologische Entwicklung, Selbstentwicklung
- Kontext: soziale Interaktion, Einzelpersonen, Gruppen, Kultur / Bronfenbrenners
Mikro-, Meso-, Exo-, Makrosystem plus Chronosystem - Die Ebenen sind verschachtelt: Prozesse auf der einen Ebene sind nicht die Ursache für Prozesse auf einer anderen Ebene (Bsp.: Vibration der Stimmbänder ist notwendig, damit Sprache entsteht, aber Vibration der Stimmbänder verursacht nicht die Sprache)
Dynamische Adaptation
Entwicklung ist komplex
- Emergenz:
- Emergenz: Entstehung eines neuen Phänomens auf einer übergeordneten Ebene (Bsp.: Nervenzellen können nicht denken, Gehirne können nicht denken, aber Personen können denken).
- Es kommt also nicht nur auf die einzelnen Elemente an, sondern auf ihre Struktur.
- Die Person beeinflusst den Kontext und ist Teil des Kontextes (Bsp.: Das Klassenklima ist das Verhalten aller Personen).
Dynamische Adaptation
Entwicklung ist komplex
- Entwicklung passiert in der Zeit …
- Entwicklung passiert in der Zeit è der vorausgehende Zustand hat einen Einfluss auf den nachfolgenden Zustand
- Oft verläuft Entwicklung nicht linear, damit sind wir bei dynamischen Entwicklungssystemen
- Systeme sind vertikal verschachtelt und in einer horizontalen Dynamik.
- Vielfältige Wechselwirkungen führen zu dynamischen und nicht immer
vorhersagbaren Entwicklungsverläufen.
Ziel ?
Entwicklung erklären
„Nur wenn es uns gelingt, Prozesse zu identifizieren, die allen diesen Veränderungen zugrunde liegen (sie erklären), können wir Entwicklung allgemein erklären.”