Lungenembolie Flashcards

1
Q

Fall

Thoraxschmerz, Dyspnoe und Tachykardie

A

Anamnese

Sie sehen zu Beginn Ihres Spätdienstes eine 54-jährige Patientin (167 cm, 58 kg) in der Notaufnahme. Sie wurde mit plötzlich einsetzender Dyspnoe und Tachypnoe (AF 32/min), einer Tachykardie (HF 105/min) und diffusen Thoraxschmerzen notärztlich eingewiesen (BD 110/85 mmHg). Seit einer Woche trägt die Patientin am linken Unterschenkel eine Schiene, da sie sich bei einem Treppensturz eine Bandverletzung des oberen Sprunggelenks zugezogen hat. Im ruhig gestellten Bein habe sie vor 3 Tagen einen ziehenden Schmerz bemerkt, es sei aber nicht wesentlich geschwollen gewesen. Sie sei Nichtraucherin. An Medikamenten nehme sie momentan ein Östrogenpräparat zur Osteoporoseprophylaxe sowie Vitamin D ein. Sie sichten bei der Übergabe die bisher durchgeführte Diagnostik der Patientin, dabei ist im Moment der Übergabe folgende CT-Untersuchung einsehbar.

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2
Q

Welche Diagnose stellen Sie aufgrund von Anamnese und Bildgebung? An welche Differenzialdiagnosen müssen Sie denken?

A

Obwohl die Symptome eher unspezifisch sind, lassen sie im Zusammenhang mit den prädisponierenden Faktoren (Immobilisation, Einnahme eines Östrogenpräparats) am ehesten an eine Lungenembolie denken. Markant sind dabei der plötzliche Beginn der Beschwerden (Dyspnoe, Tachykardie, Tachypnoe), die Thoraxschmerzen und die intermittierenden Schmerzen des ruhig gestellten Beins, die vermutlich durch eine tiefe Venenthrombose ausgelöst wurden. Manchmal findet sich Husten, selten auch mit Hämoptysen (blutiger Auswurf). Außerdem sind Schwindel und Synkopen möglich. Die Lungenembolie ist in dem CT-Bild mit Kontrastmittel gut zu erkennen. Die Pfeile markieren einen Teil der ausgedehnten Lungenembolie mit embolischem Material in einem Ast der rechten A. pulmonalis. Partiell werden die Emboli von Kontrastmittel umflossen. Auch in den linken Ästen der A. pulmonalis sind Emboli nachzuweisen.

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3
Q

Aufgrund der geringen Spezifität der Symptome kommt der Differenzialdiagnostik eine besondere Bedeutung zu. Abhängig von den führenden klinischen Symptomen muss dabei vor allem an folgende Erkrankungen gedacht werden:

▪ Ursachen akuter thorakaler Schmerzen: akutes Koronarsyndrom, wobei die thorakalen Schmerzen häufig besser lokalisierbar sind, meist retrosternal, und oft ausstrahlen. Eine etwaige Dyspnoe entwickelt sich eher allmählich. Denkbar wäre auch eine Perikarditis oder Pleuritis sowie eine Aortendissektion.

▪ Ursachen akuter Dyspnoe: Spontanpneumothorax, Lungenödem, Hyperventilation, Exazerbation einer COPD, Asthmaanfall, die hier jeweils unwahrscheinlich erscheinen.

A
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4
Q

Merke

A

Eine Lungenembolie kann asymptomatisch verlaufen oder bei entsprechender Größe fatale Ausmaße annehmen. In Deutschland sterben jährlich innerhalb der ersten 2 Wochen nach Diagnosestellung ca. 40.000 Patienten an den Folgen einer Lungenembolie (Letalitätsrate 11 %).

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5
Q

Worauf achten Sie bei der körperlichen Untersuchung besonders? Warum?

A

Bei der körperlichen Untersuchung ist auf die klinischen Zeichen einer tiefen Venenthrombose zu achten. Anamnestisch sollte nach Spannungsgefühl, Schmerzen, Überwärmung und Schwellung mit Umfangsdifferenz und peripherer Zyanose des Beins gefragt werden. Zusätzlich können bei der Untersuchung die typischen Zeichen (Wadenkompressionsschmerz, Fußsohlendruckschmerz, druckempfindliche tiefe Beinvenen) imponieren. Da die Venenthrombose als Grundvoraussetzung einer Lungenembolie betrachtet werden kann, ist die Suche nach der ursächlichen Thrombose hilfreich, auch wenn die entsprechenden klinischen Zeichen in vielen Fällen trotz Lungenembolie fehlen.

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6
Q
A

Akutes Einsetzen (z.B. nach morgendlichem Aufstehen) von Symptomen

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7
Q

Diagnostik

A

Von Bedeutung ist die initiale Risikoeinschätzung bei Verdacht auf eine akute Lungenembolie, um eine an die Dringlichkeit angepasste diagnostische und therapeutische Strategie wählen zu können. Ein hohes Risiko mit akut lebensbedrohlicher Situation besteht bei Schock und persistierender Hypotonie (Blutdruck systolisch < 90 mmHg, Blutdruckabfall um > 40 mmHg über > 15 min). Bei diesem medizinischen Notfall sollte als Methode der 1. Wahl sofort eine CT-Angiografie der Pulmonalarterien durchgeführt werden, bei nicht verfügbarer CT eine Echokardiografie (Zeichen der rechtsventrikulären Dysfunktion). Bei nicht hohem Risiko und hämodynamisch stabilen Patienten sollte die klinische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie ermittelt werden (z. B. anhand des Wells-Score aus einer Kombination von Anamnese, klinischen Symptomen und Untersuchungsbefunden). Bei niedrigem oder mittlerem Risiko werden zunächst die D-Dimere bestimmt (hoher negativer prädiktiver Wert). Bei positiven Werten schließt sich eine CT-Angiografie an, die bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit ohne Bestimmung der D-Dimere sofort erfolgen sollte und bei unauffälligem Ergebnis eine Lungenembolie ausschließt. Weitere diagnostische Verfahren, die ergänzend oder alternativ durchgeführt werden können, sind:

▪ Lungenperfusionsszintigrafie: Vergleich mit Röntgen-Thorax-Bild oder mit Ventilationsszintigramm kann Perfusionsdefekt als Folge des Embolus darstellen. Alternative zur CT, aber weniger spezifisch, jedoch hoher negativer prädiktiver Wert.

▪ BNP und Troponine (T/I) können als prognostische Marker verwendet werden. Ein Anstieg spricht für einen schwereren Verlauf (DD akutes Koronarsyndrom).

▪ EKG: Normalbefund möglich, oft nur Sinustachykardie. Der klassische S I Q III -Typ als Zeichen einer Rechtsherzbelastung ist selten. Möglich sind auch ein P-pulmonaler (P ≥ 0,25 mV in Abl. II), ein inkompletter Rechtsschenkelblock und T-Negativierungen (z. B. in Abl. III und/oder V1–3). Zur Abgrenzung gegenüber akutem Koronarsyndrom wichtig, ggf. Verlaufsuntersuchungen sinnvoll.

▪ Kompressionsultraschall der Beinvenen: ggf. Nachweis einer verursachenden Beinvenenthrombose. Bestätigung einer Lungenembolie bei Nachweis einer proximalen Venenthrombose und klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie.

▪ Röntgen-Thorax: häufig Normalbefunde, bei Lungeninfarkt und Infarktpneumonie zeigen sich keilförmige Verschattungen, evtl. Atelektasen und geringere Zeichnung von Gefäßen möglich.

▪ Pulmonalisangiografie: invasiver Charakter; kann bei Diskrepanz zwischen klinischer Präsentation und o. g. Untersuchungen in Erwägung gezogen werden.

▪ Thrombophiliediagnostik: nicht in der akuten Situation, sondern frühestens 3 Monate nach Abklingen des thromboembolischen Ereignisses bei unklarer Ätiologie der Lungenembolie, jungen Patienten, positiver Familienanamnese und Rezidiven.

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8
Q

Merken !!!

A

Der D-Dimer-Test liefert häufig falsch-positive Werte, aber sehr selten falsch-negative Werte. Daher schließen normwertige D-Dimere eine Lungenembolie oder TVT nahezu aus!

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9
Q
A

Bei einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie und negativen D-Dimeren soll keine CT-Angiografie der Lunge durchgeführt werden.

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10
Q
A

Bei Patienten mit Verdacht auf Lungenembolie (ohne Schock) soll bei niedrigem Risiko-Score eine D-Dimer-Bestimmung und bei hohem Score eine CT-Pulmonalisangiografie/Lungenszintigrafie erfolgen!

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11
Q

Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie nach Wells [1][4][5]

  • Ziel des Scores: Optimierung des diagnostischen Algorithmus bei stabilen Patienten (siehe: Diagnostik)

VOLLBILDTABELLEN-QUIZ

A

Wells-Score bei Lungenembolie (LAE)PunkteOriginal[4]Vereinfacht[6]Klinische Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT)31Lungenembolie wahrscheinlicher als andere Diagnose31Frühere Lungenembolie/TVT1,51Tachykardie (Herzfrequenz >100/min)1,51Operation oder Immobilisierung innerhalb des letzten Monats1,51Hämoptysen11Malignom (unter Therapie, Palliativtherapie oder Diagnose jünger als 6 Monate)11

Interpretation

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12
Q

CT Amboss LE

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13
Q

.Welche therapeutischen Erstmaßnahmen haben die Kollegen prähospital wohl durchgeführt?

A

Je nach Ausdehnung der Lungenembolie kann sich ein lebensbedrohliches Krankheitsbild bis hin zu einer Reanimationspflicht (HochrisikoLungenembolie) entwickeln. Als Akuttherapie sind folgende Maßnahmen etabliert, die je nach Bedarf und klinischer Präsentation des Patienten insbesondere in der Prähospitalphase eingesetzt werden:

▪ Sauerstoffgabe in Abhängigkeit der Pulsoxymetrie.

▪ Halb sitzende Lagerung und zunächst Immobilisation, um weitere Embolien zu verhindern. Vorsichtiger Patiententransport.

▪ Venöser Zugang. ▪ Bolusgabe von Heparin i. v. → unfraktionierte Heparin 5.000–10.000 IE i.v. als Bolus, ggf. gefolgt von einem Heparin-Perfusor mit Zielbereich einer 2-fach verlängerten PTT

▪ Bei Schmerzen Analgesie, z. B. mit Morphin.

▪ Gegebenenfalls Sedierung, z. B. mit Midazolam.

▪ Bei Patienten im Schock je nach Blutdruck ggf. Schockbehandlung (z. B. Kristalloide, Katecholamine).

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14
Q

Wie setzen Sie die Therapie nach Diagnose fort? Was gilt es dabei zu beachten?

A
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15
Q

Fortsetzung der Therapie

A

Zur besseren prognostischen Beurteilung wurde der PESI-Score (Pulmonary Embolism Severity Index) eingeführt, der bei bestätigter Lungenembolie mit nicht hohem Risiko eine Unterscheidung von intermediärem und niedrigem Risiko erlaubt und auch vereinfacht Anwendung findet (sPESI). Die Parameter des sPESI sind Krebserkrankung, chronische Herzinsuffizienz oder chronische Lungenerkrankung, Herzfrequenz > 110/min, Blutdruck systolisch < 100 mmHg und eine arterielle Hb-Sättigung < 90 %. Bei bereits einem positivem Parameter besteht eine erhöhte Mortalität (30-Tages-Risiko 10,9 %) und ein intermediäres Risiko, das bei zusätzlichem Nachweis einer RV-Dysfunktion und erhöhten kardialen Markern als intermediär-hohes Risiko, sonst intermediär-geringes Risiko bewertet wird. Patienten mit Schock/Hypotension haben ein hohes Risiko (s. o.).

▪ Thrombolyse: bei gesicherter Hochrisiko-Lungenembolie erfolgt eine thrombolytische Therapie mit Alteplase (rt-PA), Streptokinase oder Urokinase zur Auflösung des Embolus und Wiederherstellung der Lungenperfusion. Bei intermediär-hohem Risiko und Zeichen einer hämodynamischen Dekompensation kann die Thrombolyse erwogen werden.

▪ Antikoagulation: Prinzipiell werden Emboli durch die fibrinolytische Autoaktivität der Lunge aufgelöst. Bei intermediärem oder niedrigem Risiko erfolgt die Gabe von niedermolekularem Heparin oder Fondaparinux. Bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko oder schwerer Niereninsuffizienz wird unfraktioniertes Heparin zur Prophylaxe weiterer Embolien und zur Senkung der Letalität empfohlen. Die Heparingabe wird im Verlauf durch eine parallel begonnene orale Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten bei Erreichen des therapeutischen Bereichs (2,0–3,0 INR) ersetzt. Als Alternative zu Heparin und Vitamin-K-Antagonist sind zur Therapie der Lungenembolie auch neue Antikoagulanzien (NOAK) zugelassen, wie die direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban sowie der direkte Thrombininhibitor Dabigatran, jedoch nicht bei schwerer Nierenfunktionseinschränkung. Davon eignen sich Rivaroxaban und Apixaban für eine sofortige Therapie nach Diagnose. Hingegen erfordern Edoxaban und Dabigatran eine parenterale Antikoagulation in der Akutphase von mindestens 5 Tagen. Die Dauer der Langzeitprophylaxe beträgt mindestens 3 Monate (transienter Risikofaktor) oder ist zeitlich unbegrenzt (z. B. bei aktiver Krebserkrankung).

▪ Rekanalisationstherapie: bei Versagen der vorgenannten Therapiemaßnahmen oder Kontraindikation (z. B. hohes Blutungsrisiko) und schwerster Rechtsherzinsuffizienz Kathetermethoden (mechanische oder lokale Lyse) oder operative pulmonale Embolektomie (mit oder ohne Herz-LungenMaschine; mit hoher Letalität verbunden.)

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16
Q

Wie setzen Sie die Therapie nach Diagnose fort? Was gilt es dabei zu beachten?

A

Bei Patienten mit niedrigem Risiko kann eine frühe Entlassung und ambulante Therapie erwogen werden, wenn sowohl die ambulante Versorgung als auch die therapeutische Antikoagulation sichergestellt werden können. Der routinemäßige Einsatz von Vena-cava-Filtern wird nicht empfohlen, nur bei absoluter Kontraindikation gegen eine Antikoagulation oder Rezidiv trotz therapeutischer Antikoagulation. Dabei ist eine zeitliche Begrenzung mit wieder entfernbaren Filtern anzustreben.