Akute Pankreatitis Flashcards

1
Q

Fall

Akute OBschmerzen und Erbrechen

A

Anamnese

Eine 45-jährige Richterin wird notärztlich eingewiesen, da sie nach dem Mittagessen plötzlich starke Oberbauchschmerzen verspürt habe, die gürtelförmig bis in den Rücken ausstrahlen. Noch im Flur muss sich die Patientin bei anhaltender Übelkeit nun schon zum dritten Mal erbrechen. Wesentliche Vorerkrankungen seien nicht bekannt. In der Jugend sei eine Appendektomie erfolgt. Ein regelmäßiger Alkoholkonsum wird verneint. Auf Nachfrage berichtet die Patientin, dass der Hausarzt im Ultraschall Gallensteine gesehen habe.

Untersuchungsbefunde

45-jährige Frau in schmerzbedingt reduziertem AZ und leicht übergewichtigem EZ (164 cm, 68 kg, BMI 25,3 kg/m 2 ). BD 110/80 mmHg, HF 91/min, Temperatur 37,1 °C, SpO 2 97 %. Leichter Sklerenikterus. Herz unauffällig. Lunge: links basal Klopfschall gedämpft und abgeschwächtes Atemgeräusch, sonst vesikuläres Atemgeräusch. Abdomen: prall-elastisch gespannt mit diffusem Druckschmerz im Oberbauch, Darmgeräusche spärlich, reizlose Appendektomienarbe. Extremitäten: unauffällig. Orientierende neurologische Untersuchung unauffällig.

Laborbefunde

Leukozyten 13,9 Tsd/µl; Erythrozyten 4,97 Mio/µl; Hb 14,5 g/dl; Hkt 42,9 %; MCV 86,3 fl; MCH 29,2 pg; MCHC 33,8 g/dl; Thrombozyten 214 Tsd/µl; Quick 114 %; INR 0,91; PTT 28 ;sec; Natrium 140 mmol/l; Kalium 4,3 mmol/l; Serumkreatinin 0,78 mg/dl; Harnstoff 23 mg/dl; GOT (AST) 71 U/l; GPT (ALT) 82 U/l; γ-GT 209 U/l; Bilirubin gesamt 2,9 mg/dl; Lipase 2.028 U/l; Pankreasamylase 916 U/l.

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2
Q

was ist.. ?

A

Die akute Pankreatitis als primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse wird in den meisten Fällen durch Erkrankungen der Gallenwege oder Alkoholabusus ausgelöst. Durch Schädigung des Organs kommt es zur lokalen Freisetzung von (unter anderem) proteolytischen Verdauungsenzymen, was zu einer Autodigestion des Organs führt.

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3
Q

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose ? Welchen Differenzialdiagnose müssen Sie denken?

A

Anamnese, klinische Befunde und Laboruntersuchungen sprechen für eine akute Pankreatitis . Typisch sind der akute Oberbauchschmerz mit gürtelförmiger Ausstrahlung, Übelkeit und Erbrechen, die Palpation des sog. Gummibauchs, die deutlich über der Norm liegenden Pankreasenzyme (Lipase, Amylase) und die Leukozytose. Der Sklerenikterus und die laborchemische Cholestase (Erhöhung von γ-GT und Gesamtbilirubin) sprechen für eine biliäre Genese der Pankreatitis. Die linksseitige Klopfschalldämpfung und das abgeschwächte Atemgeräusch könnten durch einen begleitenden Pleuraerguss bedingt sein.

Differenzialdiagnostisch kommen in erster Linie Erkrankungen infrage, die ebenfalls akute epigastrische Schmerzen verursachen können :

▪ Akute Cholezystitis: ebenfalls Cholestase und Leukozytose, aber keine Erhöhung der Pankreasenzyme; sonografisch Nachweis einer entzündlich verdickten Gallenblasenwand.

▪ Choledocholithiasis: bei Gallensteinpassage im Ductus cysticus. Typisch sind plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch. Lipase und Amylase sind normwertig, sonografisch sind Gallensteine darstellbar. Bei Verlegung des Pankreasgangs kann die Choledocholithiasis eine akute Pankreatitis auslösen (wie am ehesten bei dieser Patientin).

▪ Magen- oder Duodenalulkus: häufig intermittierende epigastrische Schmerzen über längeren Zeitraum, die Pankreasenzyme sind normwertig.

▪ Perforation z. B. eines Magen- oder Duodenalulkus oder bei Sigmadivertikulitis. Suche nach freier Luft im Röntgenbild (Abdomenleeraufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage).

▪ Mechanischer Ileus: eher Hyperperistaltik und hochgestellte Darmgeräusche, ggf. Spiegelbildung im Röntgen (Abdomenleeraufnahme im Stehen oder Linksseitenlage).

▪ Mesenterialinfarkt: Meist sind die Patienten älter. Die Beschwerden verlaufen typischerweise in drei Phasen (akute Bauchschmerzen, dann symptomfreies Intervall, anschließend peritonitische Symptomatik). Im Labor ist eine Erhöhung von Serumlaktat, CRP und Leukozyten typisch, die Lipase ist normal.

▪ Gynäkologische Ursache: z. B. Adnexitis, stielgedrehte Ovarialzyste oder Extrauteringravidität.

Außerdem sollte differenzialdiagnostisch an folgende kardiovaskuläre Erkrankungen gedacht werden: ▪ Myokardinfarkt: ähnliche Schmerzsymptomatik möglich, EKG und Herzenzyme zum Ausschluss.

▪ Lungenembolie: zum Ausschluss je nach klinischer Wahrscheinlichkeit D-Dimere oder bildgebende Verfahren, z. B. CT-Angiografie.

▪ Abdominelles Aortenaneurysma: diffuse abdominelle Beschwerden sowie Rücken- und Flankenschmerzen, bei Ruptur häufig Vernichtungsschmerz. Diagnose mittels Sonografie oder CT-Angiografie

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4
Q

Ätiologie

A

„I GET SMASHED“:

I = Idiopathisch, G = Gallensteine, E = Ethanol, T = Trauma, S = Steroide, M = Mumps, A = Autoimmun, S = Skorpiongift, H = Hyperkalzämie, Hypertriglyzeridämie, E = ERCP, D = Drugs!

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5
Q

Atlanta-Klassifikation

A

Leichte akute Pankreatitis : Ohne lokale (Nekrosen) und systemische Komplikationen (Organversagen

Mittelschwere akute Pankreatitis: Mit lokalen oder systemischen Komplikationen oder passagerem Organversagen (z.B. Nierenversagen), welches sich binnen 48 h bessert

Schwere Pankreatitis: Mit anhaltendem (länger als 48 h) Organversagen oder Multiorganversagen

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6
Q

Welchen weiteren Untersuchungen sind von Bedeutung? Nenne Sie Gründe !

A

Die Diagnose einer akuten Pankreatitis darf gestellt werden, wenn zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind:

▪ Akute, anhaltende Oberbauchschmerzen.

▪ Erhöhung von Lipase und Amylase auf mindestens das 3-Fache des oberen Normwertes.

▪ Typische Befunde in bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Abdomen-CT mit Kontrastmittel oder MRT).

Da bei dieser Patientin die ersten beiden Kriterien erfüllt sind, ist für die Diagnosestellung keine weitere Diagnostik erforderlich. Eine ergänzende Abdomensonografie ist zur Beurteilung der Genese (Gallensteine? Cholestase?) und möglicher Komplikationen sinnvoll. Bei schlechter sonografischer Beurteilbarkeit des Pankreas (z. B. bei Meteorismus) sollte eine CT mit Kontrastmittel oder eine Endosonografie diskutiert werden. Auch bei mittelschweren bis schweren Verlaufsformen oder Sepsis ist eine CT mit Kontrastmittel indiziert. Grundsätzlich ist die Abdomen-CT die sensitivste Untersuchung zum Nachweis eines Pankreasödems, von Nekrosen (frühestens nach 3 Tagen in der CT abgrenzbar) sowie von Abszessen, Pseudozysten und Verkalkungen. Die Endosonografie hat den Vorteil einer sehr hohen Ortsauflösung und ist ein sensitives Verfahren für den Nachweis von Gallengangsteinen und zum Ausschluss eines Pankreastumors. Bei dieser Patientin sollte außerdem sonografisch das Vorliegen von Pleuraergüssen beurteilt werden und evtl. ergänzend ein Röntgen-Thorax durchgeführt werden. An zusätzlichen Laboruntersuchungen sollten Serumkalzium, LDH, CRP und Blutzucker bestimmt werden.

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7
Q

Serum-Ca WICHTIG FÜR akute Pankreatitis

A
  • Das Serum-Ca2+ ist ein quantitativer Marker für den Gewebsschaden und damit ein Prognoseparameter!
  • Die Bestimmung von Calcium hat einen bedeutsamen Wert → Hyperkalzämie kann Ursache, Hypokalzämie Folge einer Pankreatitis sein!
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8
Q

Leitsymptome

A

Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
Evtl. gürtelförmig mit Ausstrahlung in den Rücken
Bei Gallensteinen kolikartig
Übelkeit, Erbrechen

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9
Q

Weitere Symptome

A

Häufig: Meteorismus, paralytischer (Sub‑)Ileus mit spärlichen Darmgeräuschen
Prall-elastisches Abdomen („Gummibauch“)
Evtl. Fieber, Tachykardie, Hypotonie, Hypoxie, Oligurie/Anurie
Aszites, Pleuraerguss

Evtl. Ikterus
Evtl. Hautzeichen : Bläulich-livide oder grün-braune Ekchymosen jeweils in charakteristischer Lokalisation
Cullen-Zeichen: Periumbilikal
Grey-Turner-Zeichen: Flankenregion
Fox-Zeichen: Leistenregion

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10
Q

Evtl. EKG-Veränderungen

A

Es kann zu einer ST-Streckenveränderung z.B. im Sinne eines terminal negativen T kommen. Klinisch ist die sichere Abgrenzung zu einem akuten Koronarsyndrom (insbesondere Hinterwandinfarkt) nicht möglich, sodass in diesem Fall die Bestimmung von Lipase bzw. Troponin entscheidende Hinweise liefert!

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11
Q

Cullen-Zeichen

A

Abdomen eines 36-jährigen Patienten: Periumbilikal ist die Haut blass grün-bräunlich verfärbt und es bestehen bläulich-livide Ekchymosen. Bei diesem seltenen Befund handelt es sich um das Cullen-Zeichen, eine der möglichen Hautmanifestationen der schweren akuten Pankreatitis. I.d.R. liegen bei Auftreten des Cullen-Zeichens schon ausgeprägte Nekrosen des Pankreas und eine massive Erhöhung des intraabdominellen Druckes vor.

Die freigesetzten Pankreasenzyme folgen der vorderen Bauchwand entlang des Ligamentum gastrohepaticum und des Ligamentum falciforme, sodass das periumbilikale präperitoneale Fettgewebe unterblutet und nekrotisch wird.

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12
Q

Grey-Turner-Zeichen

A

Rechte Flankenregion einer 40-jährigen Patientin mit akuter hämorrhagischer Pankreatitis: Bei der körperlichen Untersuchung sind Hautzeichen in Form von blau-rot-violetten Ekchymosen (Einblutungen) im rechten Flankenbereich zu erkennen. Anamnestisch bestehen bei der Patientin zudem epigastrische Schmerzen, Hypotension und abdominale Abwehrspannung. Dieser seltene Hautbefund weist in Kombination mit der klinischen Symptomatik auf das Vorliegen einer akuten hämorrhagischen Pankreatitis hin und wird Grey-Turner-Zeichen genannt.

Die Verfärbung entsteht durch Ausbreitung der peripankreatischen Nekrosen vom anterioren Pararenalraum über die beiden Blätter der hinteren Nierenfaszie hin zum lateralen Rand des Musculus quadratus lumborum. Daraus resultieren Unterblutungen der Haut im Flankenbereich.

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13
Q

Lipase !!!!
Sensitivster und spezifischster Parameter

A

Bei >180 U/L bzw. >3-facher Erhöhung besteht der Verdacht auf eine Pankreatitis
Die Höhe der Werte erlaubt keinen Rückschluss auf den Schweregrad bzw. die Prognose einer Pankreatitis

Fehlen klinische Symptome bei zugleich relevanter Erhöhung der Lipase, wird auch von einer asymptomatischen Hyperlipasämie oder dem sogenannten Gullo-Syndrom gesprochen.

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14
Q
A

Die Amylase kann auch bei Erkrankungen der Speicheldrüsen erhöht sein (z.B bei einer Parotitis).

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15
Q

Weitere wichtige Laborparameter

A
  • ALT↑ spricht für eine Pankreatitis biliären Ursprungs
  • γGT↑ und MCV↑ spricht für eine äthyltoxische Genese
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16
Q

Sonografie: Primärdiagnostik bei jeder Pankreatitis

A
  • Häufige Befunde bei leichter Pankreatitis
    • Unscharfe Begrenzung der Pankreasloge (ödematöse Aufquellung)
    • Verminderte Echogenität innerhalb der Pankreasloge

Der Pankreaskopf erscheint aufgetrieben und echoarm (grüne Fläche) und lässt sich schwer von der Umgebung abgrenzen. Bei entsprechender Klinik und Labordiagnostik spricht der Befund für eine ödematöse Pankreaskopfpankreatitis.

A = Aorta; AMS = A. mesenterica superior; V = V. cava inferior; VS = V. splenica

17
Q

Endosonografie: Weiterführende Diagnostik bei Unklarheiten in der transabdominellen Sonografie und fortbestehendem Verdacht auf biliäre Genese oder Tumorerkrankung.

A
18
Q

ERCP bei biliärer Pankreatitis: Weiterführende Diagnostik zur Darstellung des Gallen- und Pankreasgangsystems mit gleichzeitiger Interventionsmöglichkeit (z.B. Steinextraktion und/oder Gallengangs-Stent bei Cholestase)

  • wann Indikation?
A
  • Bei bakterieller Cholangitis: ERCP und Papillotomie binnen 24 Stunden
  • Bei biliärer Pankreatitis und obstruktiver Cholestase ohne Cholangitis: Idealer Zeitpunkt einer Intervention per ERCP unklar, Abwarten eines spontanen Steinabganges möglich
    • Antibiotikatherapie nicht generell zu empfehlen, sollte jedoch insb. bei längerem Abwarten erwogen werden
    • ERCP und Papillotomie spätestens wenn kein spontaner Steinabgang binnen 48 Stunden erfolgt
    • Eher frühe ERCP als längeres Abwarten: Bei absehbarer Notwendigkeit einer Intervention, Indikatoren hierfür sind
      • Anzeichen der schweren Pankreatitis
      • Eindeutige klinische Symptomatik mit Gallenkoliken
      • Eindeutige Laborbefunde mit (kurzfristig progredienter) Erhöhung der Cholestaseparameter
      • Nachweis großer impaktierter Konkremente und Dilatation des DHC in der Abdomensonografie
      • Im Zweifel: Weitere Abklärung durch Endosonografie oder MRCP vor einer Intervention
19
Q

Computertomografie mit Kontrastmittel: Weiterführende Diagnostik, initial entbehrlich, insb. zur Diagnose und Verlaufskontrolle bei Komplikationen im Krankheitsverlauf wertvoll

A
  • Vorteile / Zusätzlicher Informationsgewinn
    • Hochauflösende, untersucherunabhängige Darstellung des gesamten Organs und der umgebenden abdominellen Strukturen (z.B. Nekroseareale und ihre Lagebeziehung zu Nachbarorganen)
    • Ermöglicht Einschätzung des Schweregrades der akuten Pankreatitis
    • Ermöglicht bei Raumforderungen differenzialdiagnostische Aussagen

CT des Abdomens (mit i.v. und oralem Kontrastmittel, axialer Schnitt); 42-jähriger Patient mit anamnestisch bekanntem Alkoholabusus; Vorstellung in Klinik mit erheblich reduziertem Allgemeinzustand und heftigen, in den Rücken ausstrahlenden Oberbauchschmerzen; labordiagnostisch deutliche Erhöhung der Amylase und Lipase:

Zu erkennen ist ein deutlich aufgetriebenes Pankreas mit ausgedehnten, hypodensen Nekrosezonen.
In der Gesamtschau zeigt sich hier das typische Bild einer nekrotisierenden Pankreatitis.

20
Q

Sonographische Untersuchung des Pankreas - AMBOSS Video

21
Q

Welchen Therapiemaßnahmen sind bei der Erkrankung sinnvoll?

A

Therapie Im Vordergrund steht eine engmaschige Überwachung (klinisches Bild, Vitalparameter, Laborwerte, ggf. bildgebende Maßnahmen) zur rechtzeitigen Aufdeckung von Komplikationen. Eine intensivmedizinische Aufnahme ist erforderlich bei Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis (mit anhaltendem Versagen eines oder mehrerer Organe > 24 Stunden) oder bei Vorliegen von Risikofaktoren (z. B. systolischer Blutdruck < 80 mmHg oder mittlerer arterieller Blutdruck < 60 mmHg). Therapeutisch sind folgende Allgemeinmaßnahmen indiziert:

▪ Ernährung: Bei leichten bis mittelschweren Verläufen ist die Nahrungskarenz nicht indiziert. Ein frühzeitiger oraler Kostaufbau sollte erfolgen. Nur bei schweren Verläufen mit Übelkeit und Erbrechen ist eine Ernährung über eine nasojejunale Sonde indiziert. Eine parenterale Ernährung sollte nur in Einzelfällen erwogen werden, da darunter Infektkomplikationen auftreten können.

▪ Volumensubstitution: in den ersten 24 Stunden intravenöse Volumengabe zum Ausgleich eines Volumendefizits, häufig große Mengen erforderlich; ggf. unter hämodynamischem Monitoring (z. B. ZVD, Pulskonturanalyse). ▪ Bedarfsgerechte Analgesie: Die Schmerzen stehen bei der akuten Pankreatitis meist im Vordergrund. Bei geringen Schmerzen können z. B. Metamizol i. v., bei stärkeren Schmerzen zusätzlich Opioide i. v., z. B. Piritramid, eingesetzt werden. Die Applikation mittels patientenkontrollierter Anlagesie-Pumpe (PCA) ist möglich.

▪ Antibiotische Abdeckung: bei biliärer Genese, Abszessen oder infizierten Zysten z. B. mit Meropenem oder Ciprofloxacin, je in Kombination mit Metronidazol für 10 Tage. Die prophylaktische Antibiotikagabe wird kontrovers diskutiert.

▪ Thromboseprophylaxe: z. B. mit niedermolekularem Heparin, zusätzlich Kompressionsstrümpfe. ▪ Gegebenenfalls Stressulkusprophylaxe mit PPI.

▪ Kausale Therapie bei biliärer Ursache durch zeitnahe therapeutische ERC (endoskopische retrograde Cholangiografie ohne Darstellung des Pankreasgangs, da Aggravation der Entzündung möglich) mit Möglichkeit der Steinextraktion und Papillotomie.

▪ Minimalinvasive Verfahren: z. B. lokale perkutane Drainage und Spülung bei Pankreasabszessen und Pankreaspseudozysten > 5 cm, die sich nicht spontan zurückbilden.

▪ Chirurgische Therapie: bei infizierten Pankreasnekrosen und anders nicht zu kontrollierenden Pankreasabszessen, die insbesondere in der Akutphase mit einer erhöhten Letalität verbunden sind.

22
Q

Akute Pankreatitis - Allgemeine Therapiegrundsätze

  • Jede akute Pankreatitis muss stationär überwacht werden!
A
  • Aufnahme/Verlegung auf IMC (intermediate care) oder ITS (Intensivstation) bei:
    • Sepsis und SIRS
    • Zeichen eines Organversagens (z.B. Nierenversagen, respiratorische Insuffizienz)
    • Prognostisch ungünstigen Laborparametern bei Aufnahme (s.o.) oder deren Verschlechterung im Verlauf
    • Hypotonie und hohem Volumenbedarf in den ersten 24–48 h
    • Risikofaktoren für einen schweren Verlauf wie Adipositas und hohes Alter (>70 Jahre)
    • Bei intensivmedizinischen Patienten sollte aufgrund eines drohenden abdominellen Kompartments möglichst eine Blasendruckmessung erfolgen
  • Ausgiebige Flüssigkeitssubstitution bei akuter Pankreatitis, insb. in den ersten 48 h nach Aufnahme (Einschränkung bei Herzinsuffizienz)
  • Enterale Ernährung: Sobald der Patient dies toleriert, eine Nahrungskarenz ist allgemein nicht zu empfehlen
    • Fettreduzierte Vollkost bei leichter Pankreatitis
    • Bei Intensivpatienten/Inappetenz (insb. bei Darmatonie): Hochmolekulare Sondenkost über nasogastrale Sonde
      • Einsatz einer doppellumigen Ernährungssonde
      • Langsamer Beginn mit Sondenkost (10 mL/h), bei fehlendem Reflux langsam steigern
      • Bei hohem Reflux bzw. fehlender Toleranz der gastralen Ernährung : Endoskopische Anlage einer Jejunalsonde mit gastralem Refluxschenkel, um effektive Ernährung zu ermöglichen
  • Parenterale Ernährung: Nach allgemeinen ernährungs- und intensivmedizinischen Empfehlungen
    • Indikation: Wenn der Energie- und Nährstoffbedarf innerhalb von 5 Tagen nach Erkrankungsbeginn nicht ausreichend enteral zu decken ist
    • Durchführung: Wenn möglich immer in Kombination mit geringer enteraler Ernährung (10 mL/h)
23
Q

Faustregel

A

„Wer essen kann und essen möchte, der soll auch essen dürfen“

24
Q

Akute Pankreatitis - Medikamentöse Therapie

  • Opioide (mit der Ausnahme von Pethidin u. Buprenorphin) galten früher bei Gallenkoliken und Erkrankungen des pankreatikobiliären Gangsystems als streng kontraindiziert, da sie im Verdacht standen, eine Konstriktion des Sphincter oddi zu verursachen. Diese strenge Kontraindikation ist inzwischen allerdings aufgehoben. Im Prinzip können heutzutage also alle Opioide bei Gallenkoliken verschrieben werden. Laut aktueller Leitlinie sollten aber weiterhin (bevorzugt) Pethidin o. Buprenorphin gegeben werden, da diese beiden Opioide im Vergleich zu anderen in einem geringeren Ausmaß zu einer glatt-muskulären Kontraktion führen.
  • Essenzielle Therapiemaßnahme → Eine inadäquate Schmerztherapie kann das Auftreten einer respiratorischen und zirkulatorischen Instabilität fördern
A
25
Q

Merken

A

Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist eine ausreichende Flüssigkeitsgabe (mind. 3–4 L/Tag)!

26
Q
A

„PANCREAS“ - Perfusion (Flüssigkeitssubstitution), Analgesia, Nutrition, Clinical (Überwachung), Radiology (bildgebende Kontrollen), ERC (endoskopische Steinextraktion), Antibiotics (Ggf. Antibiotikagabe), Surgery (Ggf. chirurgische Intervention).

27
Q

Die Patientin möchte Näheres zum weiteren Prozedere erfahren. was sagen Sie ihr?

A

Rezidivprophylaxe: Die akute Pankreatitis verläuft in 80 % der Fälle ödematös und heilt meist komplett aus. Bei biliärer Genese, die bei ihr am wahrscheinlichsten ist, ist kurzfristig eine ERCP erforderlich. Zusätzliche minimalinvasive oder chirurgische Interventionen sind akut nur im Falle von Komplikationen erforderlich. Nach klinischer Besserung ist z u r Rezidivprophylaxe eine zeitnahe elektive Cholezystektomie indiziert, die nach Möglichkeit laparoskopisch durchgeführt wird.

28
Q

Nachsorge

A
  • Angebot einer strukturierten Nachsorge bei
    • nicht milder Pankreatitis jeglicher Art
    • alkoholinduzierter Pankreatitis
    • unklarer Ätiologie
    • persistierenden Beschwerden
  • Nachsorgeprogramm: Alle 6-12 Monate für i.d.R. 2 Jahre
    • Ätiologie und Raumforderungen: Abdomensonographie, ggf. Schnittbildgebung oder EUS einmalig bei unklarer Ätiologie nachholen falls noch nicht erfolgt
    • Endokrine Insuffizienz: HbA1c und Nüchternglukose
    • Exokrine Insuffizienz: Elastase im Stuhl
29
Q

Welche Komplikationen der Erkrankung sind relevant ?

A

Die akute Pankreatitis ist wegen des möglichen nekrotisierenden Verlaufs eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Aufgrund der komplexen Pathophysiologie mit Freisetzung verschiedener Enzyme und Toxine sind multiple Organschäden möglich:

▪ Bakterielle Infektion der Nekrosen und Sepsis.

▪ Blutungen ins Retroperitoneum und nach intestinal bei Gefäßarrosion.

▪ Hypovolämischer Schock durch Flüssigkeits- und Blutverluste.

Verbrauchskoagulopathie (DIC).

▪ Akutes Nierenversagen durch Volumenmangel und toxische Nierenschädigung.

▪ Akutes Lungenversagen (ARDS).

▪ Thrombosen der Pfortader und Milzvene.

▪ Pankreasabszess.

Ausbildung von postnekrotischen Pseudozysten im Verlauf.