Akute Pankreatitis Flashcards
Fall
Akute OBschmerzen und Erbrechen
Anamnese
Eine 45-jährige Richterin wird notärztlich eingewiesen, da sie nach dem Mittagessen plötzlich starke Oberbauchschmerzen verspürt habe, die gürtelförmig bis in den Rücken ausstrahlen. Noch im Flur muss sich die Patientin bei anhaltender Übelkeit nun schon zum dritten Mal erbrechen. Wesentliche Vorerkrankungen seien nicht bekannt. In der Jugend sei eine Appendektomie erfolgt. Ein regelmäßiger Alkoholkonsum wird verneint. Auf Nachfrage berichtet die Patientin, dass der Hausarzt im Ultraschall Gallensteine gesehen habe.
Untersuchungsbefunde
45-jährige Frau in schmerzbedingt reduziertem AZ und leicht übergewichtigem EZ (164 cm, 68 kg, BMI 25,3 kg/m 2 ). BD 110/80 mmHg, HF 91/min, Temperatur 37,1 °C, SpO 2 97 %. Leichter Sklerenikterus. Herz unauffällig. Lunge: links basal Klopfschall gedämpft und abgeschwächtes Atemgeräusch, sonst vesikuläres Atemgeräusch. Abdomen: prall-elastisch gespannt mit diffusem Druckschmerz im Oberbauch, Darmgeräusche spärlich, reizlose Appendektomienarbe. Extremitäten: unauffällig. Orientierende neurologische Untersuchung unauffällig.
Laborbefunde
Leukozyten 13,9 Tsd/µl; Erythrozyten 4,97 Mio/µl; Hb 14,5 g/dl; Hkt 42,9 %; MCV 86,3 fl; MCH 29,2 pg; MCHC 33,8 g/dl; Thrombozyten 214 Tsd/µl; Quick 114 %; INR 0,91; PTT 28 ;sec; Natrium 140 mmol/l; Kalium 4,3 mmol/l; Serumkreatinin 0,78 mg/dl; Harnstoff 23 mg/dl; GOT (AST) 71 U/l; GPT (ALT) 82 U/l; γ-GT 209 U/l; Bilirubin gesamt 2,9 mg/dl; Lipase 2.028 U/l; Pankreasamylase 916 U/l.
was ist.. ?
Die akute Pankreatitis als primär sterile Entzündung der Bauchspeicheldrüse wird in den meisten Fällen durch Erkrankungen der Gallenwege oder Alkoholabusus ausgelöst. Durch Schädigung des Organs kommt es zur lokalen Freisetzung von (unter anderem) proteolytischen Verdauungsenzymen, was zu einer Autodigestion des Organs führt.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose ? Welchen Differenzialdiagnose müssen Sie denken?
Anamnese, klinische Befunde und Laboruntersuchungen sprechen für eine akute Pankreatitis . Typisch sind der akute Oberbauchschmerz mit gürtelförmiger Ausstrahlung, Übelkeit und Erbrechen, die Palpation des sog. Gummibauchs, die deutlich über der Norm liegenden Pankreasenzyme (Lipase, Amylase) und die Leukozytose. Der Sklerenikterus und die laborchemische Cholestase (Erhöhung von γ-GT und Gesamtbilirubin) sprechen für eine biliäre Genese der Pankreatitis. Die linksseitige Klopfschalldämpfung und das abgeschwächte Atemgeräusch könnten durch einen begleitenden Pleuraerguss bedingt sein.
Differenzialdiagnostisch kommen in erster Linie Erkrankungen infrage, die ebenfalls akute epigastrische Schmerzen verursachen können :
▪ Akute Cholezystitis: ebenfalls Cholestase und Leukozytose, aber keine Erhöhung der Pankreasenzyme; sonografisch Nachweis einer entzündlich verdickten Gallenblasenwand.
▪ Choledocholithiasis: bei Gallensteinpassage im Ductus cysticus. Typisch sind plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch. Lipase und Amylase sind normwertig, sonografisch sind Gallensteine darstellbar. Bei Verlegung des Pankreasgangs kann die Choledocholithiasis eine akute Pankreatitis auslösen (wie am ehesten bei dieser Patientin).
▪ Magen- oder Duodenalulkus: häufig intermittierende epigastrische Schmerzen über längeren Zeitraum, die Pankreasenzyme sind normwertig.
▪ Perforation z. B. eines Magen- oder Duodenalulkus oder bei Sigmadivertikulitis. Suche nach freier Luft im Röntgenbild (Abdomenleeraufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage).
▪ Mechanischer Ileus: eher Hyperperistaltik und hochgestellte Darmgeräusche, ggf. Spiegelbildung im Röntgen (Abdomenleeraufnahme im Stehen oder Linksseitenlage).
▪ Mesenterialinfarkt: Meist sind die Patienten älter. Die Beschwerden verlaufen typischerweise in drei Phasen (akute Bauchschmerzen, dann symptomfreies Intervall, anschließend peritonitische Symptomatik). Im Labor ist eine Erhöhung von Serumlaktat, CRP und Leukozyten typisch, die Lipase ist normal.
▪ Gynäkologische Ursache: z. B. Adnexitis, stielgedrehte Ovarialzyste oder Extrauteringravidität.
Außerdem sollte differenzialdiagnostisch an folgende kardiovaskuläre Erkrankungen gedacht werden: ▪ Myokardinfarkt: ähnliche Schmerzsymptomatik möglich, EKG und Herzenzyme zum Ausschluss.
▪ Lungenembolie: zum Ausschluss je nach klinischer Wahrscheinlichkeit D-Dimere oder bildgebende Verfahren, z. B. CT-Angiografie.
▪ Abdominelles Aortenaneurysma: diffuse abdominelle Beschwerden sowie Rücken- und Flankenschmerzen, bei Ruptur häufig Vernichtungsschmerz. Diagnose mittels Sonografie oder CT-Angiografie
Ätiologie
„I GET SMASHED“:
I = Idiopathisch, G = Gallensteine, E = Ethanol, T = Trauma, S = Steroide, M = Mumps, A = Autoimmun, S = Skorpiongift, H = Hyperkalzämie, Hypertriglyzeridämie, E = ERCP, D = Drugs!
Atlanta-Klassifikation
Leichte akute Pankreatitis : Ohne lokale (Nekrosen) und systemische Komplikationen (Organversagen
Mittelschwere akute Pankreatitis: Mit lokalen oder systemischen Komplikationen oder passagerem Organversagen (z.B. Nierenversagen), welches sich binnen 48 h bessert
Schwere Pankreatitis: Mit anhaltendem (länger als 48 h) Organversagen oder Multiorganversagen
Welchen weiteren Untersuchungen sind von Bedeutung? Nenne Sie Gründe !
Die Diagnose einer akuten Pankreatitis darf gestellt werden, wenn zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind:
▪ Akute, anhaltende Oberbauchschmerzen.
▪ Erhöhung von Lipase und Amylase auf mindestens das 3-Fache des oberen Normwertes.
▪ Typische Befunde in bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Abdomen-CT mit Kontrastmittel oder MRT).
Da bei dieser Patientin die ersten beiden Kriterien erfüllt sind, ist für die Diagnosestellung keine weitere Diagnostik erforderlich. Eine ergänzende Abdomensonografie ist zur Beurteilung der Genese (Gallensteine? Cholestase?) und möglicher Komplikationen sinnvoll. Bei schlechter sonografischer Beurteilbarkeit des Pankreas (z. B. bei Meteorismus) sollte eine CT mit Kontrastmittel oder eine Endosonografie diskutiert werden. Auch bei mittelschweren bis schweren Verlaufsformen oder Sepsis ist eine CT mit Kontrastmittel indiziert. Grundsätzlich ist die Abdomen-CT die sensitivste Untersuchung zum Nachweis eines Pankreasödems, von Nekrosen (frühestens nach 3 Tagen in der CT abgrenzbar) sowie von Abszessen, Pseudozysten und Verkalkungen. Die Endosonografie hat den Vorteil einer sehr hohen Ortsauflösung und ist ein sensitives Verfahren für den Nachweis von Gallengangsteinen und zum Ausschluss eines Pankreastumors. Bei dieser Patientin sollte außerdem sonografisch das Vorliegen von Pleuraergüssen beurteilt werden und evtl. ergänzend ein Röntgen-Thorax durchgeführt werden. An zusätzlichen Laboruntersuchungen sollten Serumkalzium, LDH, CRP und Blutzucker bestimmt werden.
Serum-Ca WICHTIG FÜR akute Pankreatitis
- Das Serum-Ca2+ ist ein quantitativer Marker für den Gewebsschaden und damit ein Prognoseparameter!
- Die Bestimmung von Calcium hat einen bedeutsamen Wert → Hyperkalzämie kann Ursache, Hypokalzämie Folge einer Pankreatitis sein!
Leitsymptome
Plötzlich einsetzender Oberbauchschmerz
Evtl. gürtelförmig mit Ausstrahlung in den Rücken
Bei Gallensteinen kolikartig
Übelkeit, Erbrechen
Weitere Symptome
Häufig: Meteorismus, paralytischer (Sub‑)Ileus mit spärlichen Darmgeräuschen
Prall-elastisches Abdomen („Gummibauch“)
Evtl. Fieber, Tachykardie, Hypotonie, Hypoxie, Oligurie/Anurie
Aszites, Pleuraerguss
Evtl. Ikterus
Evtl. Hautzeichen : Bläulich-livide oder grün-braune Ekchymosen jeweils in charakteristischer Lokalisation
Cullen-Zeichen: Periumbilikal
Grey-Turner-Zeichen: Flankenregion
Fox-Zeichen: Leistenregion
Evtl. EKG-Veränderungen
Es kann zu einer ST-Streckenveränderung z.B. im Sinne eines terminal negativen T kommen. Klinisch ist die sichere Abgrenzung zu einem akuten Koronarsyndrom (insbesondere Hinterwandinfarkt) nicht möglich, sodass in diesem Fall die Bestimmung von Lipase bzw. Troponin entscheidende Hinweise liefert!
Cullen-Zeichen
Abdomen eines 36-jährigen Patienten: Periumbilikal ist die Haut blass grün-bräunlich verfärbt und es bestehen bläulich-livide Ekchymosen. Bei diesem seltenen Befund handelt es sich um das Cullen-Zeichen, eine der möglichen Hautmanifestationen der schweren akuten Pankreatitis. I.d.R. liegen bei Auftreten des Cullen-Zeichens schon ausgeprägte Nekrosen des Pankreas und eine massive Erhöhung des intraabdominellen Druckes vor.
Die freigesetzten Pankreasenzyme folgen der vorderen Bauchwand entlang des Ligamentum gastrohepaticum und des Ligamentum falciforme, sodass das periumbilikale präperitoneale Fettgewebe unterblutet und nekrotisch wird.
Grey-Turner-Zeichen
Rechte Flankenregion einer 40-jährigen Patientin mit akuter hämorrhagischer Pankreatitis: Bei der körperlichen Untersuchung sind Hautzeichen in Form von blau-rot-violetten Ekchymosen (Einblutungen) im rechten Flankenbereich zu erkennen. Anamnestisch bestehen bei der Patientin zudem epigastrische Schmerzen, Hypotension und abdominale Abwehrspannung. Dieser seltene Hautbefund weist in Kombination mit der klinischen Symptomatik auf das Vorliegen einer akuten hämorrhagischen Pankreatitis hin und wird Grey-Turner-Zeichen genannt.
Die Verfärbung entsteht durch Ausbreitung der peripankreatischen Nekrosen vom anterioren Pararenalraum über die beiden Blätter der hinteren Nierenfaszie hin zum lateralen Rand des Musculus quadratus lumborum. Daraus resultieren Unterblutungen der Haut im Flankenbereich.
Lipase !!!!
Sensitivster und spezifischster Parameter
Bei >180 U/L bzw. >3-facher Erhöhung besteht der Verdacht auf eine Pankreatitis
Die Höhe der Werte erlaubt keinen Rückschluss auf den Schweregrad bzw. die Prognose einer Pankreatitis
Fehlen klinische Symptome bei zugleich relevanter Erhöhung der Lipase, wird auch von einer asymptomatischen Hyperlipasämie oder dem sogenannten Gullo-Syndrom gesprochen.
- Amylase (unspezifisch)
Die Amylase kann auch bei Erkrankungen der Speicheldrüsen erhöht sein (z.B bei einer Parotitis).
Weitere wichtige Laborparameter
- ALT↑ spricht für eine Pankreatitis biliären Ursprungs
- γGT↑ und MCV↑ spricht für eine äthyltoxische Genese