LB13 Der Mensch in der Gnade Gottes (Fragen Gelber Teil) Flashcards
1.1 Wie kann der Begriff „Gnade“ heute so erschlossen werden, dass verständlich wird, was er bedeutet? Vor welchen Herausforderungen steht jede Gnadenlehre?
- Eng verwandt mit Heil, Barmherzigkeit, Güte Gottes
- Im Zusammenhang der Gott–Menschbeziehung zu sehen
- Steht im Zusammenhang mit Grunderfahrung des Beschenktwerdens
Herausforderung
- Vor autonomen Welt- und Selbstverständnis muss Geschenkcharakter so formuliert werden, dass kein Gegensatz zur Freiheit des Menschen und tiefere Dimension des Daseins eröffnet wird
1.2 Erläutern Sie die Begriffe Freiheit und Freundschaft im Zusammenhang mit der Gnadenlehre.
- Erwächst aus der Beziehung von Gott zum Menschen
- Ist das Vermögen, in der Unbegrenztheit des Suchens sich je neu zu übersteigen und eigene Grenzen zu erfahren
- Mensch lebt aus der Freundschaft Gottes
- Freundschaft ist Begegnung, tiefe Verbundenheit und innere Freiheit
1.3 In welchen theologischen Themenfeldern wird die Gnadenlehre behandelt?
- Dogmatische Gnadenlehre (Zuwendung Gottes, Selbstoffenbarung Gottes)
- Theologische Anthropologie (Frage nach Freiheit und Schuld des Menschen)
- Soteriologie (Versöhnungsgeschehen)
2.1 Das Wort „Gnade“ wird im Hebräischen mit mehreren Begriffen wiedergegeben. Welche deutschen Wörter bringen zur Geltung, was die Bibel unter „Gnade“ versteht?
- Güte, Huld, Gunsterweis, Gerechtigkeit, Erbarmen, Treue, Wahrheit, Wahrhaftigkeit
2.2 Woran wird im AT erkennbar, dass die Erfahrung von Gnade und Heil ein Beziehungsgeschehen ist?
- Gott schenkt Gnade und Erbarmen: Der Einzelne und das Volk (Israel) kann Angebot frei annehmen oder ablehnen.
- Gott reicht immer wieder die Hand zur Versöhnung
2.3 Welcher zentrale Begriff steht im AT für Gottes gnädiges Handeln in der Geschichte Israels?
- Zentraler Begriff des Bundes
2.4 Ordnen Sie den theologischen Begriff „Gnade“ in den Zusammenhang von Jesu Leben und Botschaft ein!
- Leben und Botschaft Jesu zentral bestimmt von der entgegenkommenden Liebe Gottes
- Der Anbruch des Gottesreiches wird durch ihn hör- und greifbar
- Im Reich Gottes verdichtet sich Erfahrung der Gnade Gottes (voraussetzungslose, reine Liebe Gottes z u den Menschen)
2.5 Was versteht Paulus unter „Gnade“ (griech. charis) und unter „Charismen“?
Gnade:
- ist liebende und frei gewählte Zuwendung Gottes zum Menschen
- ist Versöhnung, Befreiung und Rechtfertigung
- ist keine Werkgerechtigkeit
- Durch Gottes Rechtfertigung wird Mensch zu einer neuen Schöpfung und mit Geist erfüllt
Charismen:
- sind geschenkte Geistesgaben
(Weisheit, Erkenntnis, Glaubenskraft, Heilen v. Krankheiten, prophetisches Reden, …)
- dienen dem Aufbau der Gemeinde
2.6 Vergleichen Sie die Botschaft Jesu vom Reich Gottes und das paulinische Verständnis von Gnade.
- Reich Gottes und Gnade: => voraussetzungslose Geschenke Gottes
- Reich Gottes => gesamtes Heilswirken Gottes in der Geschichte
- Gnade => im wesentlichen Gnadengeschehen in Kreuz und Auferweckung (Vollendung der Zuwendung Gottes)
2.7 Wie kann der Mensch nach Paulus aus der Verstrickung in die Sünde befreit werden? Welche zentralen Begriffe verwendet Paulus dabei?
(Sünde = Verweigerung Gott gegenüber – Gottesferne)
- Sündiger Mensch wird durch die Erlösung in Christus befreit und gerecht gemacht
- Zentrale Begriffe sind: Gerechtigkeit, Rechtfertigung, Sühne, Erlösung, neue Schöpfung
Ergänzend: Folgen der Rechtfertigung: • Leben im Heiligen Geist und Freiheit • Empfang von Gnadengaben = Charismen • Neues Leben in der Liebe: neue Lebensführung + Auferbauung der Gemeinde
2.8 Was heißt „Leben im und aus dem Geist Gottes“?
- Eins sein mit Christus
- Aus der Gnade Gottes leben
- Die Gnade Gottes bringt die Früchte des Geistes hervor: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung
3.1 Was sind die Grundmomente der Gnadenlehre in der Zeit der Patristik?
- Durch alle Gebrochenheiten bleibt Mensch immer auf die Gemeinschaft mit Gott bezogen
- Im Osten: Vergöttlichung des Menschen: Vollendete Teilhabe am göttlichen Leben ist die Bestimmung des Menschen, erzieherischer Prozess durch den Hl. Geist
- Im Westen: Menschliche Freiheit aus der Gnade Gottes ist entscheidend
o Sünde ist Bruch (innere Zerrissenheit des Menschen) mit Gott
o Freiheit des Menschen ist auf die Zuwendung Gottes verwiesen
o Gnade geht jedem Vollzug von Freiheit voraus
o Geschenkcharakter der Liebe und Zuwendung Gottes als Fundament des Glaubens
3.2 Worin unterscheiden sich Pelagius und Augustinus im Verständnis von Sünde und Freiheit?
Pelagius (Beziehung unverbrüchlich/eher passives Verständnis)
- Sünde berührt nicht die Fähigkeit des Menschen zum Guten
- Freiheit ist eine Gabe Gottes und wird durch die Ursünde nicht zerstört
- Gottesebenbildlichkeit ist ein natürliches von Gott gegebenes Vermögen des Menschen
o (Kindertaufe nicht zur Tilgung der Erbsünde sondern zur Aufnahme in die Gemeinschaft)
Ausgustinus (Bruch der Beziehung/Freiheit negativ bewertet)
- Sünde führt zum Bruch der Beziehung Mensch/Gott
- Sünder ist innerlich zerrissen und in sich selbst gekrümmt
- Die Freiheit des Menschen wird nach dem Sündenfall als negativ bewertet
- Erlösung aus der Gottesferne nur durch den neuen Adam (Jesus Christus) möglich.
3.3 Was hat die Synode von Karthago in den Kanones 1-3 als verbindliche Lehre der Kirche formuliert?
Sünde prägt die Natur und die Freiheit zuriefst Durch Sünde Adams ist Mensch sterblich geworden Taufe zur Vergebung der Erbschuld Jesu Gnade notwendig - zur Vergebung - zur Vermeidung von Sünde - zum Erkennen von Liebe - zur Erfüllung der Gebote
3.4 Worin besteht nach Anselm von Canterbury die Rechtfertigung des Menschen?
- Gott-Mensch Jesus Christus ist für alle Menschen vor Gott als von Sünde freier Mensch eingetreten (stellvertretende Genugtuung am Kreuz = Satifikationslehre)
- Nur Gott konnte Gottes Ehre wieder herstellen (Jesus= ebenbürtiges Gegenüber)
- Jesus Christus hat Gott die Ehre seiner Schöpfung durch Tod am Kreuz zurückgegeben
3.5 Wie entfaltet Thomas von Aquin den Gnadenbegriff?
- Mensch hat eine natürliche Sehnsucht, Gott zu schauen zu erkennen
- Unterschied zwischen
o ungeschaffene Gnade: Gott selbst
o Geschaffene Gnade: im Geschöpf (Mensch) angelegt
Wirkt immer schon auf die Freiheit hin
Göttliches Geschenk, das vom Menschen frei angenommen werden kann - Unterschied zwischen
o heiligmachende Gnade: schenkt Gemeinschaft mit Gott
o frei gewährte Gnaden: äußern sich in den Charismem, um andere zur Gottesfreundschaft zu führen
Gottesfreundschaft = Leitmotiv der Gnadenlehre des Thomas von Aquin
Gnade ist ein Beziehungsgeschehen
3.6 In welchem inhaltlichen Zusammenhang stehen bei Thomas Gnade und Gebet?
Gnade kann nicht verdient werden, es kann darum gebetet werden.
Gebet: spirituelle Grundhaltung, sich mit vollem Einsatz der eigenen Kräfte und auf Vertrauen auf den Heiligen Geist von Gottes Gegenwart bewegen lassen.
3.7 Welche „Schlagworte“ verbinden sich mit der Gnadenlehre Martin Luthers? Wie sieht Luther die Rechtfertigung des Menschen?
- allein aus Gnade (sola gratia) , allein aus Glauben (sola fide)
- allein durch Jesus Christus wird Gnade und Sündenvergebung zuteil
- Ablehnung jeder Leistungs- und Werkgerechtigkeit
3.8 Wie entfaltet das Konzil von Trient den Begriff Rechtfertigung – auch in Abgrenzung zur Reformation?
- Rechtfertigung ist nicht nur Nachlass der Sünden, sondern auch Heiligung, Erneuerung und Erfüllung des Menschen mit dem Heiligen Geist
- Mitwirkung des Menschen wird hervorgehoben (ohne Werke Glaube tot)
- Gnade innere Wirklichkeit, die von Grund auf erneuert und verwandelt
3.9 Welche Entwicklung nimmt die Gnadenlehre in der Neuzeit?
Gnade und Natur driften immer weiter auseinander (Zwei-Stockwerke-Denken)
Natur und Autonomie des Menschen (unabhängiger freier Mensch)
<=>
Ungeschuldetheit der Gnade, als freies Geschenk Gottes
Führt zu einem Menschenbild ohne Gott
3.10 Was betonen Henri de Lubac und Karl Rahner in ihren theologischen Neuansätzen?
- Rückbesinnung auf den inkarnatorischen Kern (Geheimnis) des christlichen Glaubens:
Gott ist Mensch geworden:
Geschichte (Natur) und Heilsgeschichte (Gnade) sind untrennbar miteinander verbunden. - Freiheit des Menschen und Offenbarung Gottes sind aufeinander bezogen.
- Gottes Gnade steht am Anfang in der Beziehung Mensch/Gott. Darauf ist alles menschl. Suchen und Fragen bezogen (natürliche Sehnsucht nach Gott)
3.11 Wie bestimmt Karl Rahner Gnade?
- Gnade steht nicht außerhalb der menschl. Natur, sie ist die Mitte der menschl. Existenz (Existential)
- Gnade wird dem Menschen in seiner Freiheit dauernd angeboten. (Sie überformt und prägt seine Freiheit)
Exkurs
4.1 Erklären Sie folgenden Satz aus dem LB: „Die Kirche empfängt sich aus der Gabe der Liebe Gottes, und sie vollzieht sich selbst aus dieser Gabe.“
Gottes Liebe (Gnade) ist:
- Lebenselixier der Kirche (befähigt zu Freundschaft, Vergebung und zum sich Verschenken)
- Versöhnung der Menschen untereinander und mit Gott
- Lebensmitte der Kirche:
o Durch die Vollzüge selbst Ort wo Gnade sakramental vermittelt wird
4.2 Wie charakterisiert die lateinamerikanische Befreiungstheologie „Befreiung“ und „Heil“? In welchem inneren Zusammenhang stehen diese beiden Begriffe mit „Gnade“?
Befreiung/Heil umfassend verstanden: wirtschaftlich, sozial, politisch, kulturell und persönlich.
- Befreiung aus Not und Unterdrückung
- Befreiung aus Sünde und Schuld
- Konkrete Nennung und Aufdeckung von Sünde und Schuld und Gnade in den jeweiligen Lebensverhältnissen
- Vorrangige Option für die Armen (biblisch begründet, theozentrisch und prophetisch)
o Gott hat sich für die Armen und Unterdrückten eingesetzt => der Mensch muss dies auch tun
4.3 Worin zeigt sich der Geschenkcharakter des Lebens?
- Gott hat Mensch aus Liebe ins Dasein berufen
- Erfahrung des Beschenktseins durch andere befähigt den Menschen sich angenommen und geliebt zu wissen
4.4. Inwiefern eröffnen Spiritualität und Gebet Räume der Gnade?
- Gebet= konkrete Form von Spiritualität (Antwort des Menschen auf seine Sehnsucht nach Gott, nach Gottes Ruf)
- Spiritualität= Sehnsucht nach Befreiung, nach Empfang des Hl. Geistes , d.h. der Liebe Gottes
- Diese Sehnsucht kann der Mensch aus sich heraus nicht allein verwirklichen, es bedarf der Gnade Gottes
4.5 Erläutern Sie die Formulierung „Freundschaft(Gottes) als Grundstruktur der Kirche“!
- Freundschaft Jesu Christi ist bleibendes Fundament der Kirche (marthyria).
- Menschen können in der Kirche zu Freunden Jesu Christi werden (koinonia)
- Verwirklichung der Freundschaft in gemeinsamen Feiern (lithurgia) und im Einstehen für den Nächsten (diakonia)
- Auftrag der Kirche: Christus in all ihrem Tun sichtbar, hörbar und fühlbar werden zu lassen (Kirche als Sakrament: Zeichen und Werkzeug)
4.6 Fassen Sie kurz zusammen, vor welchen Einseitigkeiten bzw. Gefahren die Lehre von der Gnade bewahrt werden muss!
- Gefahr sich nur in der menschlichen Innerlichkeit abzuspielen – welt-los werden (ohne Taten/Früchte)
- Gefahr der Veräußerlichung in konkreten Gegebenheiten (Verweltlichung)