Kapitel 5 - Grundrechte Allgemeines Flashcards
Formelle Definition von Grundrechten
Grundrechte sind alle im Grundgesetz verankerten Rechte, die mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde durchgesetzt werden können
Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG
Materielle Definition von Grundrechten
Grundrechte sind die Ausübung der staatlichen Gewalt verpflichtenden subjektiven Rechte des Einzelnen
- > werden vom Staat gewährleistet
- > Eingriff ist rechtfertigungsbedürftig aber nicht die Inanspruchnahme
Klassifizierung von Grundrechten nach der politischen Stoßrichtung
liberale Grundrechte: Abwehrrechte als Freiheit- und Gleichheitsgrundrechte
soziale Grundrechte: “Freiheit von Armut, Ausbeutung etc.”
Rechtliche Bedeutung der Grundrechte
vier Dimensionen
höchster Rang
höchste Verbindlichkeit
höchste Offenheit
höchst kontroverser Gegenstand
-> Grundrechte knacken Gesetze aber nich Gesetze knacken Grundrechte
Rechtliche Bedeutung der Grundrechte
Welche fünf Verständnisse/grundrechtstheorien gibt es?
liberale institutionelle demokratisch- funktionale sozialstaatliche Werttheorie
liberale Grundrechtstheorie
Grundrechtszweck ist die Sicherung des Bereichs individueller Freiheit
institutionelle Grundrechtstheorie
Grundrechtszweck ist die Sicherung einer objektiven Institution, innerhalb derer Freiheit verwirklicht wird
demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie
Grundrechtszweck ist die Förderung des freien Prozesses demokratischer Willensbildung
sozialstaatliche Grundrechtstheorie
Grundrechtszweck ist die Umsetzung sozialer Voraussetzungen, derer es zur grundrechtlichen Freiheitsgewährleistung bedarf
Grundrechtstheorie: Werttheorie
Grundrechte als Wertordnung (Ausstrahlungswirkung in alle Rechtsbereiche)
Welche Funktionen der Grundrechte unterscheidet man grob?
Objektive Funktionen: losgelöst von individuellen Funktionen
Subjektive Funktionen: einem Subjekt zugeordnet
Subjektive Grundrechtsfunktionen
Grundrechte als Abwehrrechte, Freiheit vom Staat, Recht auf Unterlassung des Staates
-> status negativus
Grundrechte als Anspruchs-, Schutz- und Teilhabe-, Leistung- und Verfahrensrechte, Recht auf Tun des Staates, Freiheit des Einzelnen nicht ohne Staat
-> status positivus
Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte
-> status activus
Objektive Grundrechtsfunktionen
Einrichtungsgarantien
-> Institutsgarantien (zivilrechtlich), institutionelle Garantien (öffentlich-rechtlich)
Objektive Wertordnung für das Gesamte Rechtssystem
Was sind Abwehrrechte und was schützen sie?
Rechte des Bürgers gegen den Staat auf Unterlassung von Eingriffen in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter
Schutzgüter: Handlungen, Zustände. (z.B. körperliche Unversehrtheit), Rechtspositionen (z.B. Eigentum)
-> Grundrechte schützen die negative Freiheit (etwas zu tun oder nicht zu tun)
Was sind Leistungsrechte im engeren Sinne und im weiteren Sinne?
Im weiteren Sinne: alle Rechte des Bürgers auf positive Handlungen des Staates (status positivus), also auch Schutzrechte, Teilhaberechte
im engeren Sinne: soziale Grundrechte
Welche Arten von Teilhaberechten unterscheidet man?
originäre
derivative
Leistungsrechte
Originäre vs. derivative Teilhaberechte
Originäre:
Sollen Anspruch auf Gewährung bzw. die Schaffung neuer bzw. zusätzlicher Leistungen/Einrichtungen in Hinblick auf die Verwirklichung eines Grundrechts geben
-> Schaffung einer Einrichtung/Leistung
Derivative:
gewähren gleichmäßige Beteiligung an den staatlichen Leistungen und Einrichtungen
-> Beteiligung an einer Leistung
Leistungsrechte
Was sind soziale Grundrechte?
Recht auf etwas, das Staat stellt, weil der Einzelne aufgrund seiner persönlichen Situation oder der Marktsituation nicht in der Lage ist, es sich selbst zu verschaffen.
z.B. Recht des einzelnen auf Existenzminimum
Leistungsrechte
Was beinhaltet Recht auf Schutz?
- Ableitung aus Art. 2 Abs. 2 GG, Recht auf körperliche Unversehrtheit
- notwendig wegen Gewaltmonopol des Staates
- Wahlfreiheit des Staates hinsichtlich der Mittel
- Wird dem einen Schutz gewährt, so wird i.d.R. gleichzeitig ein Recht eines anderen oder der Allgemeinheit beschränkt, es muss daher eine Abwägung stattfinden
z.B. Terrorismus, Kernkraft, Abtreibung
Verfahrensrechte
Was umfassen Verfahrensrechte?
Faires Verfahren
-> Die Grundrechte schließen (bei ihrer Beschränkung) unmittelbar Ansprüche auf faires Verfahren ein
Grundrechtsschutz durch Verfahren
-> Grundrechtsschutz ist vielfach durch Verfahren zu bewirken
-> Verfahrensfehler sind nur dann Grundrechtsverletzungen, wenn die Verfahrensvorschrift Grundrechtsbezug hat
Problem: für Grundrechtsschutz kommt es aufs effektive Ergebnis an
Einrichtungsgarantien
Institutsgarantien vs. institutionelle Garantien
Institutsgarantien beziehen sich auf zivilrechtliche Rechtsinstitute
(-> einfaches Recht muss am GG-Institut gemessen werden (?))
Institutionelle Garantien beziehen sich auf das öffentliche Recht
-> z.B. Art. 5 Abs. 3 GG = Kunst- und Wissenschaftsrecht
Was sind Rechtsinstitute?
Gruppe/Klasse von Normen (z.B. Eigentum, Regeln zu Erwerb, Inhalt und Verlust als Teilklassen)
Was bedeutet objektive Wertordnung?
Die Grundrechte enthalten eine objektive Wertordnung, die in alle Bereiche des Rechts (auch in das Zivilrecht) ausstrahlt
Prinzipiencharakter der Grundrechte
-> Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Abwägung: je schwerer der Eingriff, desto höher muss das Gewicht der rechtfertigenden Gründe sein)
Verhältnis der Funktionen
- Vorrang der abwehrrechtlichen Funktionen
- subjektiv/objektiv: objektive Gehalte sind subjektiv klagbar -> Subjektivierung des Objektiven
- Abwehr/Leistung: prima-fache-Vorrang der Abwehr
- Verfahrensrechte: begrenzte Leistungsfähigkeit -> Grundrechte sind nicht auf das Verfahrensrecht zu reduzieren, es kommt auf das Ergebnis an
Was ist ein Grundrechtsträger?
Rechtssubjekt eines Grundrechts; der durch ein Grundrecht Berechtigte (Aktivlegitimierter)
Was sind Jedermann-Rechte?
= Menschenrechte
diejenigen Grundrechte, die keine Eingrenzung der Berechtigung in persönlicher Hinsicht vorsehen also jedermann zustehen
Grundrechtsträger: Deutschengrundrechte
- stehen in erster Linie deutschen Staatsbürgern zu
- Ausländer können sich nur auf das Jedermann-Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 GG berufen (subsidiär in jedem anderen Freiheitsrecht enthalten)
- EU-Bürger dürfen nach Art. 18 AEUV nicht schlechter gestellt werden als Inländer daher gleichwertiger Schutzaus Art. 2 Abs. 1 GG oder direkt aus Deutschengrundrecht
Grundrechtsträger: Minderjährige
Grundrechtsmündigkeit (sind Minderjährige in der Ausübung von Grundrechten beschränkt?)
- sind Grundrechtsträger
- hängt zum einen von Einsicht- und Entscheidungsfähigkeit (Grundrechtsreife) der individuellen Person ab -> gleitende Altersgrenze
- hängt zum anderen von vom Gesetzgeber gezogenen (starre) Altersgrenze ab
- > Grundrechte, die an menschliche Existenz anknüpfen -> immer Grundrechtsmündigkeit
- > Grundrechte, deren Ausübung mit privatrechtlichen Rechtsgeschäften verbunden ist: Grundrechtsmündigkeit, wenn geschäftsfähig nach §§104 ff. BGB
- prozessuale Geltendmachung nur durch gesetzliche Vertreter
Welche Theorien zum Grundrechtsverzicht gibt es und was beinhalten sie?
subjektiv-liberale Theorie: Grundrechtsverzicht ist Grundrechtsgebrauch
objektive Theorien: Grundrechte stehen nicht zur Disposition
Abwägungstheorie: manche Grundrechtsverzichte sind möglich, andere nicht -> es ist abzuwägen
Grundrechtsverzicht: Abwägungstheorie
Abwägungskriterien
- Intensität des Verzichts
- Dauer
- Widerruflichkeit
- Missbrauchsmöglichkeit
- Maß der Freiwilligkeit
Wann kann eine juristische Person des Zivilrechts Grundrechtsträger sein?
- berechtigt, wenn inländisch und das betreffende Grundrecht dem Wesen nach auf juristische Person anwendbar -> Art. 19 Abs. 3 GG
Wann ist dem so?
- wo das Grundrecht nicht an natürliche Eigenschaften des Menschen anknüpft, z.B. körperliche Unversehrtheit Art. 2 Abs. 2GG)
- Erfordernis des personalen Substrats: jur. Person ist Ausdruck von Freiheitsbetätigung von natürlichen Personen
- Vergleichbarkeit der Lage der jur. Person mit der einer natürlichen -> Lehre von grundrechtstypischer Gefährdungslage
- keine ausländischen jur. P., aber Prozessgrundrechte Art. 18 AEUV
Wann kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts Träger von Grundrechten sein?
- grundsätzlich keine Träger von Grundrechten
- aber von Prozessgrundrechten
- weitere Ausnahme: Personen, die im betreffenden Bereich vom Staat unabhängig sind und ihm gegenüberstehen: Kirchen, Unis, Rundfunkanstalten
Grundrechtsbindung des Staates
- > in der Gesetzgebung
- > in der Rechtssprechung
- > in der Exekutive
- > Kirche
Gesetzgebung:
- Gesetze dürfen nicht gegen Grundrechte verstoßen
Rechtssprechung:
- Urteile dürfen nicht gegen Grundrechte Verstoßen
Exekutive:
- gesamte hoheitliche Verwaltung unterliegt voller Grundrechtsbindung, auch Beliehene und privatrechtlich tätige Verwaltung
Kirche:
- nur an Grundrechte gebunden, wenn und soweit sie staatliche Hoheitsgewalt ausübt
Schutzbereich der Grundrechte
Schutzrichtung
- GR schützen in PERSONELLER Hinsicht: WER wird vom Grundrechtsschutz erfasst? (z.B. Deutsche vs. Jedermann)
- GR schützen in SACHLICHER Hinsicht: WELCHES VERHALTEN wird vom GR-Schutz erfasst? (z.B. Berufsausübung, Meinungsäußerung)
- sowohl POSITIVE als auch NEGATIVE Schutzrichtung, d.h. Recht etwas zu tun und Recht etwas gerade nicht zu tun
Definition: Eingriff
Eingriff ist die Beschneidung der durch den Schutzbereich gewährten Freiheit
Schutzbereich und Eingriff
sind aufeinander bezogen: je weiter der Schutzbereich verstanden wird, desto mehr stellt sich staatliches Handeln als Eingriff dar
Merkmale des Klassischen Eingriffsbegriffs
Finalität
Unmittelbarkeit
Rechtsakt
Durchsetzbarkeit mit Befehl und Zwang
Definition: moderner (erweiterter) Eingriffsbegriff
Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das grundrechtliche Schutzpositionen verkürzt, d.h. im Gegensatz zum finalen Begriff grundsätzlich
- > auch nicht finale Wirkungen
- > auch mittelbare Wirkungen
- > auch faktische Wirkungen
Rechtfertigung von Eingriffen
Definition: Grundrechtsschranken
Grundrechtsschranken sind Normen, die das, was prima facie (durch Schutzbereich) geschützt ist, begrenzen
Rechtfertigung von Eingriffen
VerfassungsUNmittelbare Schranken
Gewährleistungsschranken (unechte Schranken)
- > eigentlich nur Grenzen des Tatbestandes
- > z.B. Art. 9 Abs. 1 GG (“Deutsche”)
geschriebene Schranken
-> z.B. Art. 8 Abs. 1; 9 Abs. 2 GG
ungeschriebene Schranken: Grundrechte anderer, sonstige Werte mit Verfassungsrang (“kollidierendes Verfassungsrecht”)
Rechtfertigung von Eingriffen
Verfassungsmittelbare Schranken
Einfachrechtliche Schranken, zu denen im Gesetzestext ermächtigt wird
Gesetzesvorbehalte
- > einfacher Gesetzesvorbehalt: irgendein formelles Gesetz, z.B. Art 2 Abs. 2 S. 2 GG
- > qualifizierter Gesetzesvorbehalt: an das Gesetz werden besondere Anforderungen gestellt, z.B. Art. 11 Abs. 2 GG
Regelungsvorbehalte, z.B. Art. 12 Abs. 1 S.2
Verweisungsvorbehalte, z.B. Art. 2 Abs. 1 -> zu behandeln wie Gesetzesvorbehalte
Was sind Schranken-Schranken?
- Gesetzgeber darf durch Gesetzesvorbehalte in Grundrechte eingreifen oder die Verwaltung dazu berechtigen, d.h. Schranken für die Grundrechte zu ziehen
- Gesetzgeber ist bei der Formulierung der Schranken jedoch nicht frei, sondern wird seinerseits beschränkt (Schranken-Schranken)
Rechtmäßigkeitsanforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs
- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
- Wesensgehaltsgarantie, Art. 19 Abs. 2 GG
- Einzelfallgesetzverbot, Art. 19 Abs. 1 S.1 GG
- Zitiergebot, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG
- Bestimmtheitsgrundsatz
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Geeignetheit
Erforderlichkeit
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit, Proportionalität)
Eingriff-Schranken-Schema
Grundrechtsverletzungen (bei Freiheitsrechten) werden in einem Dreischritt geprüft:
- Ist der Schutzbereich eröffnet? (d.h. ist ein bestimmtes Verhalten einer bestimmten Person überhaupt grundrechtlich geschützt?
- Liegt ein Eingriff in den Schutzbereich?
- Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs -> ist das Grundrecht durch Schranken “eingeschränkt”, so dass der Eingriff zulässig (gerechtfertigt) ist?
Grundrechtsbindung zwischen Privatpersonen (Drittwirkung)
Mittelbare Drittwirkung: Die Grundrechte gelten nicht unmittelbar im Privatrecht, prägen es aber
- > Grundrechte strahlen auf das bürgerliche Recht aus
- > Einwirkung insbesondere durch die Anwendung von Generalklauseln (unbestimmte Rechtsbegriffe)