Interpretation, Mentalisierung + Vertiefung Flashcards
Verbale Interventionen
Lateinisch intervenire – ‚dazwischentreten‘
Verbale Interventionen sind Werkzeug und Hauptmedium in den meisten Psychotherapieverfahren
Arten verbaler Interventionen in der psychodynamischen Therapie:
– Interpretative bzw. expressive Techniken
– Supportive Techniken
Supportive Techniken (vgl. Gumz et al., 2014)
- Ermutigung zur Elaboration
- Emotionale Anteilnahme
- Ratschlag
- Lob
- Bestätigung
- Grenzsetzungen und Verbote
- Übernahme von Gedächtnisfunktionen
- Selbstöffnung
Interpretative Techniken
- Deutung
- Übertragungsdeutung
- Widerstandsdeutung
- Inhaltsdeutung
- Klarifikation/Klärung
- Konfrontation
Deutung (auch: Interpretation)
- Mitteilungen an P., die deren Aussage eine Bedeutung zumessen, die über das bisherige bewusste Selbstverständnis hinausgehen, sodass Zugang zu unbewusster Bedeutung von Verhaltensweisen und Worten erlangt werden kann (Mertens & Waldvogel, 2008)
- Versuch, das Konflikthafte innerhalb des Materials zu lösen, indem zugrunde liegende unbewusste Motive und Abwehrvorgänge unterstellt werden, die das zuvor Widersprüchliche logisch erscheinen lässt (Kernberg, 1988, S. 24)
-Achtung: Der Begriff Deutung wird auch allgemeiner verwendet
– Jegliche Art der Äußerung des psychodynamischen Therapeuten (Sandler et al., 1992).
Klärung, Konfrontation und Interpretation
Klärung -> Konfrontation -> Interpretation
Klarifikation / Klärung (Kernberg, 1988, S. 24)
Arbeit am Bewusstsein bzw. an dessen Grenzen
– Das Bewusstsein „ausloten“
Ein nicht provozierendes, kognitives Mittel, um festzustellen, wo beim Patienten die Grenzen des Bewusstseins im Hinblick auf bestimmtes Material liegen
Interventionen, um die subjektive Sicht von P.
auf ein Phänomen zu erfassen, zusammenzufassen und zu ordnen (Wöller et al., 2010)
Konfrontation (Kernberg, 1988, S. 24)
- Arbeit am Vorbewussten
- Versuch, potentiell konflikthafte und inkongruente Aspekte des Materials bewusst zu machen
-Zum Beispiel zwischen... – ... verbalem und non-verbalem Verhalten – ... zwei Zeitpunkten
Übertragungsdeutung (= Übertragung + Deutung)
„Die klassische Übertragungsdeutung besteht darin, für P. einen emotional erlebbaren Bezug herzustellen zwischen einer aktuellen Konfliktsituation, einer biografisch früheren Konfliktkonstellation und Elementen der aktuellen Über- tragungssituation. Damit werden diese, sozusagen in einem ‚Dreiklang‘, in eine plausible und für P. direkt erlebbare Beziehung gesetzt.“ (Schauenburg, 2016, S. 11)
Drei inhaltsanalytisch unterschiedene Dimensionen (Munder et al., 2016)
- Parallelen ziehen
- Therapeutische versus Außenbeziehung
- Historischer versus aktueller Bezug
Beispiel (nach Boll-Klatt und Kohrs, 2018, S. 478) Illustration
Th: Möglicherweise fühlten Sie sich in der letzten Stunde von mir kritisiert, als ich Ihre Wut auf Ihren Vorgesetzten ansprach. Indem Sie dann die nächste Sitzung vergaßen, konnten Sie der Situation entgehen, sich darüber mit mir auseinanderzusetzen, mich auch ein wenig beunruhigen, aber ich könnte mir vorstellen, als es Ihnen bewusste wurde, landeten alle unangenehmen Gefühle wieder bei Ihnen?
P1: Das kann ich Ihnen sagen! Und so ist es immer! Ich umgehe die brisante Situation, aber irgendwann muss ich nach Hause und mein Vater brüllt mich nieder!
P2: Ach, jetzt landet das wieder bei mir? Sie haben mir doch nahegelegt, meine Wut wahrzunehmen! Und das habe ich getan! Wenn Sie mir solche Sachen sagen, könenn Sie nicht davon ausgehen, dass ich automatisch wiederkomme und mir einen Nachschlag hole - da schlage ich zurück!
Typologie (Gumz & Hörz-Sagstetter, 2018, S. 163)
Beziehungsinterventionen
- >
- ohne Parallele
- 1 Bezug auf Außenbeziehung
- Bezug auf Gegenwart
- Bezug auf Vergangenheit
1. 2 Bezug auf Therapiebeziehung - Bezug auf Gegenwart
- >
- mit Parallele
- 1 Bezug auf Außenbeziehung
- Bezug auf Gegenwart
- Bezug auf Vergangenheit
2. 2 Bezug auf Therapiebeziehung - Bezug auf Gegenwart
- Bezug auf Vergangenheit
Interventionsbeispiele (1/3) ->1. ohne Parallele
- 1 Bezug auf Außenbeziehung
- Bezug auf Gegenwart
- Bezug auf Vergangenheit - 2 Bezug auf Therapiebeziehung
- Bezug auf Gegenwart
Bezug auf aktuelle Außenbeziehung ohne Parallele (Körner, 2011, S. 110)
– „Sie haben sich ja gleich verteidigt, als das Gespräch (mit Ihrem Vorgesetzten) begann“
Bezug auf historische Außenbeziehung ohne Parallele (Gill, 1982, S. 19)
– „Sie müssen sich wegen des neuen Babys so gefühlt haben, als ob Sie Ihre
Mutter nicht mehr liebte“
Bezug auf aktuelle Therapiebeziehung ohne Parallele (Safran & Muran, 2000, S. 189)
– „Es klingt so, als ob Ihr Gefühl für die Stärke unserer Verbindung… und dafür, wie sehr ich mich engagiere und für Sie da bin, … stark schwankt.“
Interventionsbeispiele (2/3)
- mit Parallele
- 1 Bezug auf Außenbeziehung
- Bezug auf Gegenwart
- Bezug auf Vergangenheit
Bezug auf Parallele zwischen aktuellen Außenbeziehungen
– „»Ich höre Sie immer und immer wieder sagen, wenn Sie
sich auf Ihre Partnerin oder andere Leute beziehen, dass … Sie irgendwie, wenn Sie das Risiko auf sich nehmen und sich wirklich öffnen und sich behaupten, eins drüber kriegen und wieder niedergeknüppelt werden.“ (Crits-Christoph & Gibbons, 2002, S. 289)
Bezug auf Parallele zwischen aktueller und historischer Außenbeziehung (Wöller et al., 2010b, S. 183)
– „Sie fühlen sich gegenüber Ihrer Mitarbeiterin so, wie Sie sich früher gegenüber Ihrer Mutter gefühlt haben: unsicher, moralisch schlecht und minderwertig. Wie ein kleines Mädchen, dem die Mutter sagt: Du bist faul, du tust nichts für mich.“
Interventionsbeispiele (3/3) mit Paralle 2.2 Bezug auf Therapiebeziehung -Bezug auf Gegenwart -Bezug auf Vergangenheit
Bezug auf Parallele zwischen aktueller Außenbeziehung und Therapiebeziehung
– „Ich merke, dass ich vorsichtig bin, um bei
Ihnen nicht das Gefühl entstehen zu lassen, dass ich Sie zurückweise … Ich könnte mir vorstellen, dass auch Ihre Freunde und Arbeitskollegen aus diesem Grund Ihnen gegenüber zurückhaltend sind.“ (Mertens, 2009, S. 227)
Bezug auf Parallele zwischen historischer Außenbeziehung und Therapie- beziehung (Gill, 1982, S. 19)
– „Ihre Auffassung, dass ich immer kritisch mit Ihnen bin, ist ziemlich ähnlich der, die Sie Ihrem Vater zuschreiben
Widerstands- und Übertragungsdeutung
Widerstands- und Abwehrdeutung
– Deutungen, die sich auf diese Phänomene beziehen (vgl. mit Vorlesung #2)
– Beispiel: „Wir könnten Ihr Ausfallenlassen der letzten Sitzung auch als Ausdruck dessen verstehen, dass Sie eine Auseinandersetzung mit dem Thema Ihrer Aggressivität vermeiden wollen.“
Inhaltsdeutung:
– Damit sind all jene Deutungen gemeint, bei denen Verhalten oder Äußerungen des Patienten weder in Zusammenhang mit Übertragung noch mit dem Widerstand gebracht werden (Ermann, 2004).
‚Empirische‘ Überprüfung von Deutungen
Empirischer Positivismus:
– Freud: Derivative Reaktion, um suggestiven Einfluss des/der A. zu vermeiden
– Melanie Klein: Reichliche Entwicklung von Phantasien
Falsifizierbarkeit (sensu Popper):
– Operationalisierung der Wirkung einer Deutung im Vorhinein (z.B. Weiss, 1992)
Empirische Studien im engeren Sinne:
– Zum Beispiel Høglend et al. (2006), RCT, N=100, Wirksamkeit von psycho-
dynamischer Therapie mit und ohne Übertragungsdeutungen
– Kein Haupteffekt, aber bessere Wirkung von Übertragungsdeutungen bei P. mit geringerem Strukturniveau
Psychodynamischen Interventionsliste
Mithilfe qualitativer und quantitativer Methoden aus den Transkripten von Therapiesitzungen erarbeitet (Gumz et al., 2014)
Drei Dimensionen der Beschreibung:
– Interventionsform
– Thematischer Bezug
– Zeitlicher Bezug
Formale Kategorien (1/8)
(1) Wiederholen, Umschreiben, Zusammenfassen (19%)
– Inhalte zuvor formulierter Äußerungen des P. werden wiederholt, umschrieben, paraphrasiert, differenzierend zusammengefasst oder auf den Punkt gebracht
(2) Auf Verhalten und Denkmuster hinweisen (9%)
- T lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Phänomen, macht auf eine konkrete Wahrnehmung über Verhalten oder Denkmuster des P. aufmerksam
(3) Aufzeigen von Gegensätzen
- Aufzeigen verschiedener Seiten einer Medaille oder Aufzeigen von Gegensätzen oder Widersprüchen von Gedanken, Erlebnisinhalten oder Verhaltensweisen.
Formale Kategorien (2/8)
(4) Parallele implizit aufzeigen
– T. weist implizit auf mögliche Parallelen zwischen Erlebensweisen hin, ohne die Parallele zu spezifizieren (z. B. ‚Erinnert Sie das Ereignis an ein anderes?‘)
(5) Parallele ohne Beziehungskontext
T. zeigt Parallelen auf zwischen verschiedenen Themen, Gedanken, Erlebnisinhalten, Verhaltensweisen, die sich nicht auf Beziehungspartner beziehen
(6) Parallele Umgang mit sich selbst
T. zeigt Parallele auf zwischen Umgang des P. mit sich selbst und der Art und Weise, wie andere mit ihm umgegangen sind
Formale Kategorien (3/8)
(7) Parallele Rollenumkehr
– Parallele zwischen Verhalten des P. gegenüber anderen und dem, wie andere mit P. umgegangen sind
(8) Parallele Andere wie Eltern
Zusammenhang zwischen dem Verhalten eines oder mehrerer Aktualobjekte (z.B. Partner, T.) und dem Erleben einer primären Bezugsperson (z. B. Mutter) aufzeigen
(9) Beziehungsparallelen ohne Verknüpfung der Vergangenheit und Gegenwart
T. weist auf Parallelen hin zwischen typischen aktuellen oder früheren Beziehungen, ohne Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden
Formale Kategorien (4/8)
(10) Ins Hier und Jetzt der therapeutischen Beziehung holen
– T. macht die therapeutische Beziehung aktiv zum gegenwärtigen Thema
(11) Explorieren (16%)
Einholen neuer Informationen mit oder ohne direkte Frage
(12) Bedeutung hinzufügen (18%)
T. gibt den von P. beschriebenen Inhalten eine neue Bedeutung, stellt sie in einen bisher nicht formulierten Zusammenhang oder fügt sie in einen neuen Kontext ein