Geschichte der Disziplinarität und Interdisziplinarität Flashcards
Unterteilung der Wissenschaft nach Aristoteles
- theoretische Wissenschaft (theoria: (Metaphysik, Physik …)
- praktische Wissenschaft (praxis: Ethik, Politik)
- poietische Wissenschaft (poisis: Rhetorik und Poetik)
Septem Artes
Trivium:
- Grammatik
- Rhetorik
- Logik oder Dialektik
Quadrivium:
- Arithmetik
- Musik
- Geometrie
- Astronomie
Wissenschaft im Mittelalter
Wissenschaft zunächst gekennzeichnet durch “Prädisziplinarität”, in der noch keine Spezialisierung stattfand, sondern Gelehrte möglichst umfassend gebildet sein sollten („studia generalia“).
Im Mittelalter entstanden auch die ersten Universitäten
Wissenschaft während der Aufklärung
Philosophie und Naturwissenschaften bewegten sich durch die Begründung von empirischen Methoden (insbesondere Experimente) auseinander. Es blieb zwar die Vorstellung, dass Wissenschaft natürliche Prozesse über grundsätzliche Prinzipien erklärte. Diese Prinzipien wurden nun aber als kausale Gesetzmäßigkeiten verstanden, im Sinne abstrakter idealisierter Modelle, die Phänomene zueinander in Ursachen-Wirkungsbeziehungen stellen.
Theorien wurden deduktiv hergeleitet (durch bloßes Nachdenken und logisches Schlussfolgern von offensichtlichen Naturprinzipien).
Wissenschaft während der Industriellen Revolution
War in der griechischen Antike die wissenschaftliche Kontemplation und Wissensproduktion fernab jedes praktischen Nutzens idealisiert, trat der praktische/kommerzielle Verwertungszusammenhang der wissenschaftlichen Arbeit in den Mittelpunkt.
Wissenschaft im 20. Jhd
Die methodische Ausdifferenzierung schritt mit der Entstehung der Sozialwissenschaften im 19./20. Jahrhundert weiter voran .
Weber (1949) war wegbereitend für eine klare Trennung zwischen Fakten der neutralen Wissenschaft (wahr/nicht wahr) und gesellschaftlichen Werten (richtig/falsch).
Die Mobilität der WissenschafterInnen und ihre internationale Vernetzung nahmen sehr zu.
Disziplinär ausgerichtete Gruppen (die sogenannten peers) kontrollieren, wer als WissenschafterIn in die Gemeinschaft aufgenommen wird, ob Verträge verlängert, was publiziert und welche Forschung finanziert wird. Disziplinarität wurde so zur prägenden Organisationsform der Wissensproduktion und -organisation des letzten Jahrhunderts
Anfang des 20. Jahrhunderts
Nach etwa einem Jahrhundert der Ausdifferenzierung in unterschiedliche Disziplinen, kam es Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Rückbesinnung auf eine breite „Allgemeinbildung“ in der universitären und voruniversitären (Aus-)Bildung im humboldschen Sinne
1920/1930er Jahre
kam es zu einer vermehrten Problemorientierung der Sozialwissenschaften, die sich so tendenziell von einer theoretischen zu einer angewandten Forschung wandelte
1930/1940er Jahre
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges kam es zu einer problemgetriebenen Konvergenz, um große gesellschaftliche Probleme (Arbeitslosigkeit, Krieg, Massenarmut …) bewältigen zu können. In diese Zeit fallen auch die ersten Großprojekte (z.B. Manhattan Project zur Entwicklung der amerikanischen Atombombe, Apollo Programm) in „wissenschaftlich-industriell-bürokratischen Komplexen“
1940er
Anfänge der Aktions- oder Handlungsforschung (Lewin, 1948). Diese handlungsorientierte Erforschung sozialer Veränderung erfolgt in drei Schritten: (1) Planung, (2) soziale Intervention im Feld und (3) Reflexion über die Resultate der Intervention.
In dieser Zeit orientierten sich auch zahlreiche SozialwissenschafterInnen weg vom naturwissenschaftlichen Ideal hin zu geisteswissenschaftlichen Ansätzen
1950er
wurden „synthetische Großtheorien“ entwickelt, die für mehrere Disziplinen anschlussfähig waren (z.B. allgemeine Systemtheorie, Strukturalismus, Shannon’s Informationstheorie).
1960er
Interdisziplinarität wurde zu einem Modebegriff der Hochschulausbildung.Dies ging Hand in Hand mit den von der 1960er-Bewegung geforderten Schul- und Bildungsreformen.
Vor allem wurde aber auch die zunehmende Komplexität wissenschaftlicher Fragestellungen ins Treffen geführt, die zwangsweise eine Zusammenarbeit über disziplinäre Grenzen hinweg bedinge.
5 treibende Kräfte der Interdisziplinarität in den 60ern
1) Entwicklungen in der Wissenschaft (z.B. Sozialpsychologie, Umweltökonomie)
2) Bedürfnisse der Studierenden (Proteste gegen die Stückelung und künstliche Trennung der Wirklichkeit)
3) Nachfrage nach Berufsausbildung
4) Bedürfnisse der Gesellschaft (neue Themen wie Umweltfragen, Stadtentwicklung)
5) Probleme der Universitätsorganisation und –administration
Weltweit kann man zwei Gruppen von interdisziplinären Studiengängen unterscheiden:
1) Multi- und interdisziplinäre Ansätze einer allgemeinen und liberalen Bildung
2) Multi- und interdisziplinäre Programme, die auf ein bestimmtes Wissensfeld fokussieren
Epistemologie
Die Suche nach einem Einheitswissen und einer Universalsprache und die Postulierung von Interdisziplinarität als theoretisches Problem.
Instrumentalismus
Interdisziplinarität ist ein empirisches Problem. Das Lösen von komplexen sozialen und technologischen Herausforderungen sowie das Ausborgen von Werkzeugen und Methoden kennzeichnen den instrumentellen Zugang zur Interdisziplinarität.
Argumentation von Mogalle
die Entstehung inter- und transdisziplinärer Forschung eine Folge der Nachhaltigkeitsforschung. Demnach kann die Wissenschaft der gesellschaftlichen Forderung, mit ihren Erkenntnissen zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, nur dann nachkommen, wenn sie auf komplexe lebensweltliche Probleme ausreichend Bezug nimmt, sich nicht auf die (systemische) Wissensproduktion beschränkt, sondern auch die In-Wert-Setzung ihrer Ergebnisse mitberücksichtigt.
Anforderungen von Pohl und Hirsch an transdisziplinäre Forschung
- die Komplexität des Problems wird erfasst
- die Diversität der Sichweiten zwischen Wissenschaft und Praxis wird berücksichtigt
- Wissenschaftliches und fallspezifisches Wissen werden verbunden
- die Problemlösung ist am Gemeinwohl orientiert
Im Unterschied zur (interdisziplinären) angewandten Forschung ist transdisziplinäre Forschung dann geboten, wenn
das Wissen in einem lebensweltlichen Bereich unsicher, widersprüchlich, gesellschaftlich umstritten ist und AkteurInnen von einem lebensweltlichen Problem stark betroffen sind
Risikogesellschaft (nach Beck)
Beck zeigte die radikalen Veränderungen unserer Industriegesellschaft zusammen mit den zahlreichen unintendierten und kaum verstandenen Schäden für die natürlichen Ressourcen und die lebenserhaltenden Systeme auf. Als Konsequenz argumentierte er, dass die Wissenschaft an Reflexivität gewinne, im Sinne, dass sie sich mehr und mehr mit den Nebeneffekten und den Folgen der gesellschaftlichen Nutzung ihres Wissens beschäftigte.
Das AutorInnenkollektiv um Gibbons bezeichnete transdisziplinäre Forschungsprozesse als
wesentlichen Ausdruck einer sich verändernden Form der Erkenntnis- bzw. Wissensproduktion und somit der Wissenschaftspraxis und -auffassung insgesamt
Triebfedern der Entwicklung inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit im 20. Jahrhundert:
- Versuch, das historische Ideal der „Einheit von Wissen(schaft)“ aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen
- Entstehen organisierter interdisziplinärer Lehr- und Forschungsprogramme
- Verbreiterung traditioneller Disziplinen
- Entstehen einer „Interdisziplinaritätsbewegung“ in der Aufbruchszeit der 1960er Jahre
- Wissenschaftstheoretische Erkenntnisse, die die Wertfreiheit der Wissenschaft hinterfragen
- Die Nachhaltigkeitsdebatte und das Bewusstsein über komplexe Fragestellungen
- Die Risikodebatte und damit einhergehende Forderungen nach einer Demokratisierung der Wissenschaften
- Grenzüberschreitung als Charakteristikum des vergangenen Jahrhunderts