Fragen 300-374 Flashcards
- In welcher Rechtsform ist der ÖGB organisiert und in welchem Verhältnis steht der ÖGB zu den einzelnen Fachgewerkschaften! Gehen Sie hiebei auch auf die mögliche Kollektivvertragsfähigkeit der Fachgewerkschaften ein! (S. 1011 – 1012)
Der ÖGB ist ein privatrechtlicher Verein, dem Rechtspersönlichkeit zukommt.
Der ÖGB ist überparteilich, aber nicht unpolitisch, dh die interne Willensbildung erfolgt durch Fraktionen, die innerhalb der Organisation ihre Wirkung entfalten.
Der ÖGB umfasst als Berufsvereinigung der Arbeitnehmer nicht nur alle unselbstständig Erwerbstätigen (Arbeiter, Angestellte, öffentlich Bedienstete), sondern auch Arbeitslose, Pensionisten und Angehörige sonstiger Berufsgruppen (einschließlich Freischaffender, Freiberufler, atypische oder prekär Beschäftigter).
Sein räumlicher Geltungsbereich erstreckt sich auf das ganze Bundesgebiet. Vereinssitz ist in Wien.
Der ÖGB ist in 7 Fachgewerkschaften aufgegliedert. Die Fachgewerkschaften sind:
- Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier
- Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD)
- Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe
- Gewerkschaft Bau-Holz
- Gewerkschaft Vida (Sozial- und Gesundheitsberufe, Bademeister, Friseure, Verkehr)
- Gewerkschaft Post & Fernmeldebedienstete
- Produktionsgewerkschaft (Pro-Ge) (Industrie, Arbeitskräfte-Überlassung)
Die Fachgewerkschaften im ÖGB sind statutenmäßig bloß Organe des Vereins. Daher üben sie Kollektivvertragsfähigkeit im Namen des ÖGB aus.
Das höchste Gremium des ÖGB ist der Bundeskongress.
Die Delegierten legen alle fünf Jahre die politischen Ziele fest und wählen den Präsidenten.
Das höchste Entscheidungsgremium zwischen den Bundeskongressen ist der Bundesvorstand.
Er entscheidet unter anderem über Streik-Anträge.
- Unter welchen Voraussetzungen ist in Österreich ein Betriebsrat zu wählen? (S. 823 -824)
In jedem Betrieb, in dem dauernd mindestens 5 stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist ein Betriebsrat zu wählen.
(§ 40 ArbVG)
Ausgenommen:
• Betriebsinhaber, Ehegatte, Verwandte
• Heimarbeiter
• Personen, die keine AN iSd. § 36 ArbVG sind.
Sind sowohl dauernd mindestens 5 Arbeiter als auch dauernd mindestens 5 Angestellte im Betrieb beschäftigt, ist
eine Betriebshauptversammlung (statt Betriebsversammlung),
ein Betriebsausschuss sowie jeweils ein Arbeiterbetriebsrat als auch ein Angestelltenbetriebsrat zu errichten.
Geschieht dies jedoch nicht, treffen die Belegschaft natürlich keine direkten Sanktionen.
Die Belegschaft kann dann aber bestimmte Befugnisse nicht ausüben.
- Worin liegt die Besonderheit der Mitwirkung im Aufsichtsrat bei der Konstruktion der GmbH und Co KG? (S. 1005 – 1006)
Die Besonderheit der Mitwirkung im Aufsichtsrat einer GmbH, die persönlich haftender Gesellschafter einer KG ist (GmbH & Co. KG) und die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag einen Aufsichtsrat zu errichten hat, besteht darin, dass in diesen Aufsichtsrat der GmbH neben Arbeitnehmervertretern der GmbH auch solche der KG entsandt werden.
Im Gegensatz zum Konzern hängt in der GmbH & Co. KG die Zusammensetzung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht vom Verhältnis der Beschäftigtenzahlen in der GmbH bzw. in der KG ab.
Die Gesamtheit der BR-Mitglieder der GmbH und der Kommanditgesellschaft(en) wählt die AN-Vertreter, die in den Aufsichtsrat entsandt werden.
Wählbar sind wiederum nur Betriebsratsmitglieder, denen das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat zusteht (§ 110 (7) ArbVG.
- Fall: Einem Außendienstmitarbeiter wird vom Dienstgeber ein PKW zur Verfügung gestellt. In dem PKW ist ein GPS-System installiert, über welches der Arbeitgeber von 8.00 bis 18.00 Uhr jederzeit die Position des Arbeitnehmers bestimmen kann. Wäre ein solches System mitbestimmungspflichtig? (S. 951)
Durch die Verwendung des GPS kann der AG den Außendienstmitarbeiter während seiner gesamten Dienstzeit überwachen.
Dies bedeutet nicht nur örtliche Kontrolle, sondern auch Leistungskontrolle.
Die Permanenz dieser Kontrolle und die Möglichkeit, jeden „Schritt“ des AN im Dienst zu verfolgen, ist hier so stark ausgeprägt, dass es sich um eine mitbestimmungspflichtigen Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs.1 Ziffer 3 ArbVG (Notwendige Betriebsvereinbarung) handeln wird.
- Haben Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Anspruch auf eine Aufsichtsratstantieme gleich den Kapitaleignervertretern? (S. 1003)
Nein, Arbeitnehmervertreter üben ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat ehrenamtlich aus. Sie haben keinen Anspruch auf Aufsichtsratstantiemen.
(§ 110 Abs. 3)
Auf Ersatz von Aufwendungen (Kosten für die Fahrt zu den Sitzungen, Übernachtungsgebühren usw….) haben die Beitragsmitglieder im Aufsichtsrat jedoch ebenfalls Anspruch
- Kann der Betriebsrat in die Personakten ehemaliger Arbeitnehmer Einsicht nehmen? Kann die Einsichtnahme von den ausgeschiedenen Arbeitnehmern verlangt werden? (S. 927)
Der Betriebsrat hat grundsätzlich das Recht, mit Einverständnis eines Arbeitnehmers Einsicht in dessen Personalakten zu nehmen.
Laut der Rechtsprechung beziehen sich die Einsichtsrechte des Betriebsrats nach §89 Z.1 und Z.4 (Entgelt und Personalakte) aber nur auf aktuelle AN, nicht auf ehemalige Arbeitnehmer.
Muss der Arbeitnehmer aber der Einsichtnahme des Betriebsrates zustimmen, dann impliziert dies, dass dem betroffenen Arbeitnehmer selbst ein Einsichtsrecht in seinen Personalakt zusteht.
Nur mittels seines Einsichtsrechts kann der Arbeitnehmer prüfen, ob er sein Einverständnis zur Einsichtnahme durch den Betriebsrats geben soll.
Ein individuelles Einsichtsrecht für einen ehemaligen Arbeitnehmer ergibt sich jedoch aus dessen rechtlichem Interesse sowie aus den Auskunftsrechten des Datenschutzgesetzes.
- Kann durch Betriebsvereinbarung rechtsverbindlich für alle Arbeitnehmer ein Betriebsurlaub fixiert werden? (S. 985)
Die normative Fixierung eines Betriebsurlaubs ist durch Betriebsvereinbarung nicht möglich.
Der Verbrauch des Urlaubs ist individuell zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinbaren.
Wird zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat eine Vereinbarung über einen Betriebsurlaub abgeschlossen und halten sich die Arbeitnehmer an diese Vereinbarung, so bildet nicht die Betriebsvereinbarung, sondern die individuellen, konkludent zustande gekommenen Vereinbarungen die Rechtsgrundlage für den Urlaub.
Arbeitnehmern, die mit einem Betriebsurlaub nicht einverstanden sind und ihre Arbeitsbereitschaft bekunden, gebührt das Entgelt gemäß § 1155 ABGB.
Eine Anrechnung dieser Zeit auf ihren Erholungsurlaub kommt in keiner Weise in Betracht.
- Kann ein Betriebsratsmitglied von einem Betrieb in einen anderen versetzt werden? (S. 910 – 911)
- Für die Mitglieder des Betriebsrats gilt ein Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot.
Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen einerseits in Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt werden, andererseits dürfen sie wegen ihrer Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und bei betrieblichen (Um)Schulungsmaßnahmen, nicht benachteiligt werden.
Die Versetzung eines Betriebsrats in einen anderen Betrieb, die zum Verlust der Betriebsratsmitgliedschaft mangels Betriebszugehörigkeit führen würde, ist daher in jedem Fall unzulässig.
Das Beschränkungs- und benachteiligungsverbot gilt auch hinsichtlich der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds.
Versetzungen in andere Betriebe, die mit dem Verlust der Mitgliedschaft wegen mangelnder Betriebszugehörigkeit einhergehen, sind grundsätzlich unzulässig, weil die Ausübung des Betriebsmandats zur Gänze unmöglich wird.
Anordnungen des AG, die gegen das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot verstoßen, sind gemäß § 879 ABGB rechtsunwirksam. - Darüber hinaus gilt der allgemeine Versetzungsschutz des § 101 ArbVG auch für Betriebsratsmitglieder.
- Unterliegt eine Umsatzbeteiligung der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates?
Beteiligungen am Unternehmenserfolg (egal ob Gewinn, Umsatz, Cash-Flow, Mitarbeiteraktien) können in einer fakultativen (freiwilligen) Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs. 1 Ziffer 16 geregelt werden.
Es handelt sich aber um eine fakultative BV, solche Systeme können also nicht vom BR erzwungen werden.
Umgekehrt kann der AG ein solches Erfolgsbeteiligungssystem auch individuell und ohne Zustimmung des BR mit einzelnen AN vereinbaren.
- Erläutern Sie den Begriff der „Europäischen Betriebsverfassung“ im ArbVG! Wurde der Begriff aus systematischer Sicht richtig gewählt? Handelt es sich um internationales bzw um EU-Recht? (S. 883 – 884)
Die Europäische Betriebsverfassung bezieht sich ausschließlich auf die Mitgliedstaaten der EU sowie die Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein und Norwegen)
Unter „Europäische Betriebsverfassung“ ist ein besonderes Organisationsrecht für europaweit agierende Unternehmen zu verstehen.
Geregelt ist die „Europäische Betriebsverfassung“ in den §§ 171 ff. ArbVG.
Geltungsbereich: EU-Mitglieder + EWR Mitglieder (Island, Liechtenstein, Norwegen)
Anwendungsvoraussetzungen für die „Europäische Betriebsverfassung“ - Unternehmen:
- die unter den II. Teil des ArbVG fallen
- deren zentrale Leitung im Inland liegt
- die mind. 1.000 AN in den Mitgliedstaaten beschäftigen
- davon in jeweils 2 MS mindestens 150 AN beschäftigen
In diesen Unternehmen ist es eine Pflicht der zentralen Leitung, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen für:
- die Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums
- die Errichtung eines „Europäischen Betriebsrats“
- die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der AN
Primäre Aufgabe des besonderen Verhandlungsgremiums ist die Entscheidung, ob die Errichtung eines europäischen Betriebsrats angestrebt werden soll.
Der Begriff der „Europäischen Betriebsverfassung ist systematisch richtig.
Sowohl das Organisationsrecht als auch die Befugnisse haben eine zusammengefasste Regelung erfahren.
Es handelt sich bei den Bestimmungen zur „Europäischen Betriebsverfassung“
(§§ 171 ff. ArbVG) um im nationalen Recht umgesetztes EU-Richtlinienrecht. Es gelangt also keine einheitliche Rechtsnorm europaweit zur Anwendung, sondern die Mitbestimmung der AN richtet sich weiterhin nach den nationalen Rechtsordnungen.
- Erläutern Sie das „Vorher-Nachher-Prinzip“ im Zusammenhang mit der Societas Europaea! (S. 892)
Fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der europäischen Rechtsquellen zur Societas Europaea ist die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer betreffend ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen.
Die vor der Gründung einer Europäischen Gesellschaft bestehenden Rechte der Arbeitnehmer sollen deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE sein.
Dies umschreibt das sogenannte Vorher-Nachher-Prinzip.
- Was bedeuten die Prinzipien des freien Mandats und der Ehrenamtlichkeit bei der Ausübung von Betriebsratsagenden? (S. 909 – 910)
Prinzip der Ehrenamtlichkeit:
Das Mandat des Betriebsratsmitglieds ist ein Ehrenamt.
Aus der Tätigkeit im Betriebsrat kann das einzelne Mitglied daher finanzielle Ansprüche weder gegenüber dem Betriebsratsfonds noch gegenüber dem Betriebsinhaber geltend machen.
Das Prinzip der Ehrenamtlichkeit bedeutet für die Ausübung der BR-Agenden, dass das einzelne Mitglieder für seine Tätigkeit weder finanzielle Ansprüche gegen den Betriebsratsfonds noch gegen den Betriebsinhaber geltend machen kann.
Auf Grund der Mitgliedschaft im Betriebsrat darf auch keine finanzielle Besserstellung erreicht werden.
Eine Ausnahme von diesem Prinzip sind die Regelungen zur Freistellung. (§§ 116, 117 ArbVG)
Einem Betriebsrat ist die zur Erfüllung seiner Aufgaben nötige Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren.
In Betrieben mit mehr als 150 AN kann ein Betriebsratsmitglied auf Antrag des BR unter Entgeltfortzahlung sogar gänzlich von der Arbeit freigestellt werden.
Darin kann man in gewisser Weise eine Finanzierung der Betriebsratstätigkeit durch den Betriebsinhaber erblicken.
Prinzip des freien Mandats:
Das Prinzip des freien Mandats bedeutet, dass BR Mitglieder in Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei agieren.
Trotzdem haben sie die Beschlüsse des BR einzuhalten und durchzuführen.
Ein Mitglied des BR kann während seiner Funktionsperiode auch nicht seiner
Funktion enthoben werden.
Ausnahmen: - Wechsel der Gruppenzugehörigkeit
- BR wird gänzlich durch die Betriebsversammlung enthoben
- Erläutern Sie den „Vorrang der Arbeitnehmerbeteiligung durch vertragliche Einigung“ im Zusammenhang mit der Societas Europaea! (S. 891 – 892)
Während die „Europäische Betriebsverfassung“ allgemein bei gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen zur Anwendung kommt, knüpft die Beteiligung der Arbeitnehmer im VI. Teil des ArbVG an eine bestimmte Gesellschaftsform an, nämlich die Societas Europaea (SE).
EU-rechtlich schafft die VO EG 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft die gesellschaftsrechtliche Grundlage.
Das Problem der Schaffung einer Europäischen Gesellschaft auch ein Problem der Mitbestimmung in der Gesellschaft.
Die nationalen Formen einer Beteiligung der Arbeitnehmer in Unternehmensorganen sollten dem Grunde nach erhalten bleiben.
Aus diesem Grund sind auch die entsprechenden EU-RL stets von einem offenen Mitbestimmungsmodell ausgegangen: Die Beteiligung der Arbeitnehmer soll durch Vereinbarung geregelt werden.
Sowohl die Struktur der Belegschaftsorgane als auch Umfang und Intensität der Befugnisse sollen im Verhandlungswege zustande kommen.
Nur im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen, sind zwingende Formen der Beteiligung vorgesehen.
Grundgedanke ist also der Vorrang einer vertraglichen Einigung in der Frage der Mitbestimmung und Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE.
- Muss der Betriebsrat zustimmen, wenn der Betriebsinhaber ein Alkoholverbot im Betrieb erlassen will? (S. 940)
Ein Alkoholverbot ist ein Fall einer allgemeinen Ordnungsvorschrift.
Eine Mitwirkung der Belegschaft an allgemeinen Ordnungsvorschriften, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regeln, sieht §97 (1) Z1 ArbVG vor.
Es handelt sich also um einen Fall der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 97 (1) Z.1 ArbVG.
Bei der erzwingbaren Mitbestimmung ist die Zustimmung des Betriebsrats keine Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit.
Der Betriebsinhaber kann eine Maßnahme, soweit sie in sein Weisungsrecht fällt, einfach anordnen.
(Beispiele: Alkoholverbot, Rauchverbot, Verhalten in Ruheräumen)
Derartige Weisungen des AG kann der BR mit einem Antrag an die Schlichtungsstelle bekämpfen, und damit eine Regelung in Form einer Betriebsvereinbarung erzwingen.
Die Schlichtungsstelle kann aber auch auf Antrag des Betriebsinhabers tätig werden.
(Erzwingbare Betriebsvereinbarungen können nicht gekündigt werden.) (Auch Nachwirkung dieser ist daher unmöglich.)
- Können Teile der Abfertigung nach IESG gesichert sein, obwohl kein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber besteht? (S. 819)
Abfertigungen nach altem Abfertigungsrecht sind als Entgelte aus der Beendigung des AV generell gesichert.
Im Zuge der Unternehmensauflösung kann sich der AG aber auf die Billigkeitsklausel im Abfertigungsrecht berufen, dernach er Abfertigungen zur Gänze oder zum Teil nicht ausbezahlen muss, wenn dies seine Existenz bedrohen würde und ihm deshalb aus Billigkeitsgründen nicht zugemutet werden kann.
Insolvenz-Entgelt gebührt aber auch in der Höhe dieses Teils der Abfertigung!
Die Gewährung dieser Leistung kann auch unabhängig von einer Insolvenz erfolgen. Erforderlich ist nur das Vorliegen eines Urteils, dessen Grundlage die Prüfung der Wirtschaftslage eines Arbeitgebers ist.
Es handelt sich hier um einen Fall, in dem das IESG einen arbeitsrechtlich gar nicht bestehenden Anspruch sichert!
Auf „Abfertigung neu“ nach dem BMSVG besteht kein Anspruch gegenüber dem AG, sondern gegenüber der Betrieblichen Vorsorgekasse, dieser wird nicht vom IESG gesichert.
- Gibt es eine erweiterte Rechtskraftwirkung, wenn der Betriebsrat eine Klage einbringt? Beachten Sie hiebei die Unterscheidung zwischen individualarbeitsrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten! (S.1047)
Während das Urteil im Zuge einer betrieblichen Feststellungsklage des Betriebsrats nach § 54 Abs. 1 ASGG keine erweiterte Rechtskraftwirkung hinsichtlich der betroffenen Arbeitnehmer aufweist, sieht § 62 Abs. 1 ASGG diese bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten sehr wohl vor.
Voraussetzung ist, dass von der betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit namentlich bestimmte Arbeitnehmer betroffen sind, die nicht Partei sind.
Ist diese Voraussetzung gegeben, dann erstreckt sich die Rechtskraft der Urteile nicht nur auf den Betriebsrat und den Arbeitgeber als Parteien, sondern auch auf diese namentlich bestimmten Arbeitnehmer.
Die Klage und die Ladung zur ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung sind auch den Arbeitnehmern zuzustellen.
Die AN können dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten auch durch bloße Erklärung beitreten (§ 62 Abs. 1a ASGG).
- Wodurch unterscheidet sich das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat vom passiven Wahlrecht? (S. 834 – 836)
Aktives Wahlrecht (= Wahlberechtigung) bedeutet Stimmberechtigung.
Passives Wahlrecht (= Wählbarkeit) bedeutet das Recht, in den Betriebsrat gewählt werden zu können.
Die Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht:
-Vollendung des 18. LJ. am Tag der Wahl des Wahlvorstandes
-Beschäftigung im Betrieb am Tag der Wahl des Wahlvorstandes und am BR-Wahltag
- Formelles Erfordernis: Eintragung in die Wählerliste durch Wahlvorstand
Voraussetzungen für das passive Wahlrecht:
- Vollendung des 18. LJ. am Tag der Wahlausschreibung
- Beschäftigung im Betrieb oder Unternehmen seit mind. 6 Monaten (Ausnahme: Neugegründeter Betrieb oder Saisonbetrieb)
- Ausschluss vom passiven Wahlrecht: Mit dem Arbeitgeber verwandte Personen (Lebensgefährte nicht)
Unterschiede:
- Anderer Stichtag für 18. Geburtstag
- 6 Monate Mindestbeschäftigungsdauer beim passiven Wahlrecht
- Verwandte des AG sind nur vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen
- Wann ist eine Betriebsratswahl anfechtbar und wann nichtig? (S. 845 – 850)
Anfechtbarkeit:
Anfechtbar kann eine Wahl aus zwei Gründen sein:
1. Wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitende Grundsätze des Wahlrechts wurden verletzt und das Ergebnis hiedurch beeinflusst.
2. Die Wahl wäre ihrer Art oder ihres Umfangs nach oder mangels Vorliegens eines Betriebs gar nicht durchzuführen gewesen.
(z.B.: „Betrieb“ ist gar keine eigenständige organisatorische Einheit, zu viele BR gewählt im Verhältnis zur AN-Anzahl)
Die Anfechtung wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechts ist nur dann erfolgreich, wenn das Wahlergebnis nachweislich beeinflusst worden sein könnte.
Die Anfechtung ist nur dann möglich, wenn sie binnen Monatsfrist, vom Tag der Mitteilung des Wahlergebnisses an gerechnet, beim Gericht eingebracht wird. Ist die Anfechtungsfrist abgelaufen, so wird die Geltendmachung der Mängel unmöglich.
Nichtigkeit:
Aus ersterem Grund, nämlich der Verletzung wesentlicher Wahlverfahrensbestimmungen oder leitender Wahlrechtsgrundsätze kann eine Wahl auch Nichtig sein.
Dies jedoch nur, wenn elementarste Grundsätze einer Wahl im Allgemeinen und einer BR Wahl im Besonderen außer Acht gelassen wurden.
Der Raum für eine nichtige Betriebsratswahl ist also bloß sehr eingeschränkt. Die Mängel müssen so schwerwiegend sein, dass von einer Wahl gar nicht mehr gesprochen werden kann.
Judikaturbeispiele:
- Wahlvorstand befragt Mitarbeiter telefonisch, ob sie mit Wahl einer Person einverstanden sind
- Betriebsrat wird durch offene Abstimmung gewählt
- Falsche Auszählung, die zu einem diametralen Ergebnis führt
Im Gegensatz zur zeitlich begrenzten Anfechtung kann die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl jederzeit geltend gemacht werden, und zwar sowohl durch Klage auf Feststellung als auch einredeweise. Legitimiert ist jeder, der ein rechtliches Interesse daran hat (zB Wahlwerber, wahlberechtigte Arbeitnehmer, Betriebsinhaber).
- Können in einem Arbeitsvertrag Schlichtungsklauseln Eingang finden? (S. 1052)
Ja, Schlichtungsvereinbarungen können durchaus Eingang in den Arbeitsvertrag finden.
Eine Schlichtungsvereinbarung im Arbeitsvertrag stellt sicher, dass eine Schlichtungsinstanz mit einer Regelungsfrage befasst wird, bevor die ordentlichen Gerichte angerufen werden.
Der Unterschied zu einer Schiedsklausel ist, dass durch eine Schlichtungsklausel nicht die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte beseitigt werden soll, sondern nur eine Schlichtungsinstanz vorgeschoben wird.
Wenn eine obligatorische Schlichtungsvereinbarung vorliegt, die Schlichtungsinstanz aber nicht angerufen wird, sondern sofort die ordentlichen Gerichte, dann ist die Klage mangels Klagbarkeit des Anspruchs abzuweisen.
- In welchen Fällen muss es, in welchen Fällen kann es zu einer imparitätischen Mitentscheidung des Betriebsrates kommen? (S. 934)
Imparitätische Mitentscheidung: Ungleich gewichtete Mitentscheidung.
Die Vertreter der AN haben zwar grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Vertreter des AG, aber es ergibt sich eine Ungleichgewichtung, weil die Belegschaftsvertreter in der Unterzahl sind.
Imparitätische Mitentscheidung bietet sich also vor allem als Mitwirkungskonstruktion in Gremien an, die durch Mehrheitsbeschluss entscheiden.
- Muss:
Auf jeden Fall zur imparitätischen Mitbestimmung kommt es bei der Mitwirkung im Aufsichtsrat gemäß § 110 ArbVG.
Die ungleiche Gewichtung drückt sich dort in einer Drittelparität aus:
Zwei Drittel der Aufsichtsratsmitglieder werden von den Aktionären, mindestens ein Drittel vom (Zentral)Betriebsrat entsandt.
- Kann:
Gremien mit imparitätischer Mitbestimmung der Belegschaftsvertreter können sich auch für die Planung und Durchführung betrieblicher Berufsausbildungs- und Schulungsmaßnahmen ergeben. Ebenso im Zusammenhang mit Disziplinarkommissionen.
- Wann ist ein Zentralbetriebsrat zu errichten? Wer ist bei der Zentralbetriebsratswahl aktiv und passiv wahlberechtigt? (S. 872 – 873)
Ein Zentralbetriebsrat ist immer dann zu bilden, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe umfasst, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmen zentral verwaltet werden.
Aktiv und passiv wahlberechtigt zur Zentralbetriebsratswahl sind ausschließlich Betriebsräte!
Die Betriebsräteversammlung wählt aus ihrer Mitte die Zentralbetriebsratsmitglieder.
Grundsätze: geheime Wahl, Verhältniswahlrecht
Nicht: Grundsatz des gleichen Wahlrechts
Stimmen sind nach AN Anzahl durch gewählte Betriebsräte gewichtet.
- Können Arbeiter in den Angestelltenbetriebsrat gewählt werden und umgekehrt? Kann ein Arbeitnehmer Mitglied des Arbeiter- als auch des Angestelltenbetriebsrats werden? (S. 836)
Wenn dauernd sowohl mindestens 5 Arbeiter als auch mindestens 5 Angestellte im Betrieb beschäftigt sind, ist sowohl ein Arbeiterbetriebsrat als auch ein Angestelltenbetriebsrat zu wählen.
Für das passive Wahlrecht zu diesen ist die Gruppenzugehörigkeit KEINE Voraussetzung.
Es können also sowohl Angestellte Mitglieder des Arbeiterbetriebsrats werden, als auch Arbeiter Mitglieder des Angestelltenbetriebsrats.
Eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Arbeiterbetriebsrat und im Angestelltenbetriebsrat ist jedoch ausgeschlossen.
- Erläutern Sie das Phänomen der „bedingt freiwilligen Mitbestimmung“ anhand der Entgeltfortzahlung für die Dauer von Belegschaftsversammlungen! (S. 971)
Gemäß § 97 (1) Ziffer 11 ArbVG kann eine fakultative Betriebsvereinbarung darüber geschlossen werden, inwieweit der AG den AN für die Zeit einer Belegschaftsversammlung ihr Entgelt fortzuzahlen hat.
§ 47 Abs. 1 ArbVG regelt aber, dass eine Betriebsvereinbarung in dieser Frage nur soweit eine Regelung treffen kann, soweit keine kollektivvertragliche Regelung darüber besteht.
Es handelt sich also um bedingt freiwillige Mitbestimmung, da die Regelungsbefugnis von Betriebsinhaber und Betriebsrat nur unter der Bedingung besteht, dass die Kollektivvertragspartner noch keine Regelung getroffen haben.
- Erläutern Sie die Problematik von Telefonregistrieranlagen unter dem Aspekt der Mitbestimmung des Betriebsrates! (S. 950)
Gemäß § 96 Abs. 1 Z. 3 bedürfen technische Systeme zur AN-Kontrolle, sofern diese die Menschenwürde berühren, einer notwendigen Betriebsvereinbarung zu ihrer Rechtswirksamkeit.
Ein Beispiel für ein System, dass die Persönlichkeitsrechte des AN bereits verletzt, nicht nur berührt, wäre eine Telefonabhöranlage.
Ein besonderes Problem sind Telefonregistrieranlagen.
Telefonregistrieranlagen erfassen die anrufende Nummer, die angerufene fremde Nummer, die Höhe der Gesprächsgebühr und die Uhrzeit des Gesprächs.
Das Gespräch wird nicht aufgezeichnet.
Der VwGH hat 1987 entschieden, dass Telefonregistrieranlagen nicht mitbestimmungspflichtig sind, weil sie die Menschenwürde nicht berühren würden, weil ein Mithören der Gespräche nicht möglich ist.
Diese Meinung des VwGH kann nicht geteilt werden.
Bereits das Registrieren der äußeren Gesprächsdaten gehört in den Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte.
Insbesondere deshalb, weil auch aus den äußeren Gesprächsdaten Rückschlüsse auf den Inhalt möglich sind.
Es handelt sich jedoch um den verzichtbaren Bereich des Persönlichkeitsschutzes.
Somit ist eine solche Maßnahme mit Zustimmung des Betriebsrats (Notwendige Mitbestimmung nach § 96 Abs. 1 Z. 3) und der betroffenen AN möglich.