Fragen 300-374 Flashcards

1
Q
  1. In welcher Rechtsform ist der ÖGB organisiert und in welchem Verhältnis steht der ÖGB zu den einzelnen Fachgewerkschaften! Gehen Sie hiebei auch auf die mögliche Kollektivvertragsfähigkeit der Fachgewerkschaften ein! (S. 1011 – 1012)
A

Der ÖGB ist ein privatrechtlicher Verein, dem Rechtspersönlichkeit zukommt.
Der ÖGB ist überparteilich, aber nicht unpolitisch, dh die interne Willensbildung erfolgt durch Fraktionen, die innerhalb der Organisation ihre Wirkung entfalten.
Der ÖGB umfasst als Berufsvereinigung der Arbeitnehmer nicht nur alle unselbstständig Erwerbstätigen (Arbeiter, Angestellte, öffentlich Bedienstete), sondern auch Arbeitslose, Pensionisten und Angehörige sonstiger Berufsgruppen (einschließlich Freischaffender, Freiberufler, atypische oder prekär Beschäftigter).
Sein räumlicher Geltungsbereich erstreckt sich auf das ganze Bundesgebiet. Vereinssitz ist in Wien.
Der ÖGB ist in 7 Fachgewerkschaften aufgegliedert. Die Fachgewerkschaften sind:
- Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier

- Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD)

- Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe

- Gewerkschaft Bau-Holz

- Gewerkschaft Vida (Sozial- und Gesundheitsberufe, Bademeister, Friseure, Verkehr)
- Gewerkschaft Post & Fernmeldebedienstete

- Produktionsgewerkschaft (Pro-Ge) (Industrie, Arbeitskräfte-Überlassung)
Die Fachgewerkschaften im ÖGB sind statutenmäßig bloß Organe des Vereins. Daher üben sie Kollektivvertragsfähigkeit im Namen des ÖGB aus.
Das höchste Gremium des ÖGB ist der Bundeskongress.
Die Delegierten legen alle fünf Jahre die politischen Ziele fest und wählen den Präsidenten.
Das höchste Entscheidungsgremium zwischen den Bundeskongressen ist der Bundesvorstand.
Er entscheidet unter anderem über Streik-Anträge.

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2
Q
  1. Unter welchen Voraussetzungen ist in Österreich ein Betriebsrat zu wählen? (S. 823 -824)
A

In jedem Betrieb, in dem dauernd mindestens 5 stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist ein Betriebsrat zu wählen.
(§ 40 ArbVG)
Ausgenommen:

• Betriebsinhaber, Ehegatte, Verwandte
• Heimarbeiter

• Personen, die keine AN iSd. § 36 ArbVG sind.

Sind sowohl dauernd mindestens 5 Arbeiter als auch dauernd mindestens 5 Angestellte im Betrieb beschäftigt, ist
eine Betriebshauptversammlung (statt Betriebsversammlung),
ein Betriebsausschuss sowie jeweils ein Arbeiterbetriebsrat als auch ein Angestelltenbetriebsrat zu errichten.
Geschieht dies jedoch nicht, treffen die Belegschaft natürlich keine direkten Sanktionen.
Die Belegschaft kann dann aber bestimmte Befugnisse nicht ausüben.

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3
Q
  1. Worin liegt die Besonderheit der Mitwirkung im Aufsichtsrat bei der Konstruktion der GmbH und Co KG? (S. 1005 – 1006)
A

Die Besonderheit der Mitwirkung im Aufsichtsrat einer GmbH, die persönlich haftender Gesellschafter einer KG ist (GmbH & Co. KG) und die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag einen Aufsichtsrat zu errichten hat, besteht darin, dass in diesen Aufsichtsrat der GmbH neben Arbeitnehmervertretern der GmbH auch solche der KG entsandt werden.
Im Gegensatz zum Konzern hängt in der GmbH & Co. KG die Zusammensetzung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht vom Verhältnis der Beschäftigtenzahlen in der GmbH bzw. in der KG ab.
Die Gesamtheit der BR-Mitglieder der GmbH und der Kommanditgesellschaft(en) wählt die AN-Vertreter, die in den Aufsichtsrat entsandt werden.
Wählbar sind wiederum nur Betriebsratsmitglieder, denen das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat zusteht (§ 110 (7) ArbVG.

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4
Q
  1. Fall: Einem Außendienstmitarbeiter wird vom Dienstgeber ein PKW zur Verfügung gestellt. In dem PKW ist ein GPS-System installiert, über welches der Arbeitgeber von 8.00 bis 18.00 Uhr jederzeit die Position des Arbeitnehmers bestimmen kann. Wäre ein solches System mitbestimmungspflichtig? (S. 951)
A

Durch die Verwendung des GPS kann der AG den Außendienstmitarbeiter während seiner gesamten Dienstzeit überwachen.
Dies bedeutet nicht nur örtliche Kontrolle, sondern auch Leistungskontrolle.
Die Permanenz dieser Kontrolle und die Möglichkeit, jeden „Schritt“ des AN im Dienst zu verfolgen, ist hier so stark ausgeprägt, dass es sich um eine mitbestimmungspflichtigen Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs.1 Ziffer 3 ArbVG (Notwendige Betriebsvereinbarung) handeln wird.

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5
Q
  1. Haben Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Anspruch auf eine Aufsichtsratstantieme gleich den Kapitaleignervertretern? (S. 1003)
A

Nein, Arbeitnehmervertreter üben ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat ehrenamtlich aus. Sie haben keinen Anspruch auf Aufsichtsratstantiemen.
(§ 110 Abs. 3)
Auf Ersatz von Aufwendungen (Kosten für die Fahrt zu den Sitzungen, Übernachtungsgebühren usw….) haben die Beitragsmitglieder im Aufsichtsrat jedoch ebenfalls Anspruch

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6
Q
  1. Kann der Betriebsrat in die Personakten ehemaliger Arbeitnehmer Einsicht nehmen? Kann die Einsichtnahme von den ausgeschiedenen Arbeitnehmern verlangt werden? (S. 927)
A

Der Betriebsrat hat grundsätzlich das Recht, mit Einverständnis eines Arbeitnehmers Einsicht in dessen Personalakten zu nehmen.
Laut der Rechtsprechung beziehen sich die Einsichtsrechte des Betriebsrats nach §89 Z.1 und Z.4 (Entgelt und Personalakte) aber nur auf aktuelle AN, nicht auf ehemalige Arbeitnehmer.
Muss der Arbeitnehmer aber der Einsichtnahme des Betriebsrates zustimmen, dann impliziert dies, dass dem betroffenen Arbeitnehmer selbst ein Einsichtsrecht in seinen Personalakt zusteht.
Nur mittels seines Einsichtsrechts kann der Arbeitnehmer prüfen, ob er sein Einverständnis zur Einsichtnahme durch den Betriebsrats geben soll.
Ein individuelles Einsichtsrecht für einen ehemaligen Arbeitnehmer ergibt sich jedoch aus dessen rechtlichem Interesse sowie aus den Auskunftsrechten des Datenschutzgesetzes.

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7
Q
  1. Kann durch Betriebsvereinbarung rechtsverbindlich für alle Arbeitnehmer ein Betriebsurlaub fixiert werden? (S. 985)
A

Die normative Fixierung eines Betriebsurlaubs ist durch Betriebsvereinbarung nicht möglich.
Der Verbrauch des Urlaubs ist individuell zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinbaren.
Wird zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat eine Vereinbarung über einen Betriebsurlaub abgeschlossen und halten sich die Arbeitnehmer an diese Vereinbarung, so bildet nicht die Betriebsvereinbarung, sondern die individuellen, konkludent zustande gekommenen Vereinbarungen die Rechtsgrundlage für den Urlaub.
Arbeitnehmern, die mit einem Betriebsurlaub nicht einverstanden sind und ihre Arbeitsbereitschaft bekunden, gebührt das Entgelt gemäß § 1155 ABGB.
Eine Anrechnung dieser Zeit auf ihren Erholungsurlaub kommt in keiner Weise in Betracht.

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8
Q
  1. Kann ein Betriebsratsmitglied von einem Betrieb in einen anderen versetzt werden? (S. 910 – 911)
A
  1. Für die Mitglieder des Betriebsrats gilt ein Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot.
    Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen einerseits in Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt werden, andererseits dürfen sie wegen ihrer Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und bei betrieblichen (Um)Schulungsmaßnahmen, nicht benachteiligt werden.
    Die Versetzung eines Betriebsrats in einen anderen Betrieb, die zum Verlust der Betriebsratsmitgliedschaft mangels Betriebszugehörigkeit führen würde, ist daher in jedem Fall unzulässig.
    Das Beschränkungs- und benachteiligungsverbot gilt auch hinsichtlich der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds.
    Versetzungen in andere Betriebe, die mit dem Verlust der Mitgliedschaft wegen mangelnder Betriebszugehörigkeit einhergehen, sind grundsätzlich unzulässig, weil die Ausübung des Betriebsmandats zur Gänze unmöglich wird.
    Anordnungen des AG, die gegen das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot verstoßen, sind gemäß § 879 ABGB rechtsunwirksam.
  2. Darüber hinaus gilt der allgemeine Versetzungsschutz des § 101 ArbVG auch für Betriebsratsmitglieder.
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9
Q
  1. Unterliegt eine Umsatzbeteiligung der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates?
A

Beteiligungen am Unternehmenserfolg (egal ob Gewinn, Umsatz, Cash-Flow, Mitarbeiteraktien) können in einer fakultativen (freiwilligen) Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs. 1 Ziffer 16 geregelt werden.
Es handelt sich aber um eine fakultative BV, solche Systeme können also nicht vom BR erzwungen werden.
Umgekehrt kann der AG ein solches Erfolgsbeteiligungssystem auch individuell und ohne Zustimmung des BR mit einzelnen AN vereinbaren.

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10
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff der „Europäischen Betriebsverfassung“ im ArbVG! Wurde der Begriff aus systematischer Sicht richtig gewählt? Handelt es sich um internationales bzw um EU-Recht? (S. 883 – 884)
A

Die Europäische Betriebsverfassung bezieht sich ausschließlich auf die Mitgliedstaaten der EU sowie die Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein und Norwegen)
Unter „Europäische Betriebsverfassung“ ist ein besonderes Organisationsrecht für europaweit agierende Unternehmen zu verstehen.
Geregelt ist die „Europäische Betriebsverfassung“ in den §§ 171 ff. ArbVG.
Geltungsbereich: EU-Mitglieder + EWR Mitglieder (Island, Liechtenstein, Norwegen)
Anwendungsvoraussetzungen für die „Europäische Betriebsverfassung“ - Unternehmen:
- die unter den II. Teil des ArbVG fallen

- deren zentrale Leitung im Inland liegt

- die mind. 1.000 AN in den Mitgliedstaaten beschäftigen
- davon in jeweils 2 MS mindestens 150 AN beschäftigen

In diesen Unternehmen ist es eine Pflicht der zentralen Leitung, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen für:
- die Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums

- die Errichtung eines „Europäischen Betriebsrats“

- die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der AN
Primäre Aufgabe des besonderen Verhandlungsgremiums ist die Entscheidung, ob die Errichtung eines europäischen Betriebsrats angestrebt werden soll.
Der Begriff der „Europäischen Betriebsverfassung ist systematisch richtig.
Sowohl das Organisationsrecht als auch die Befugnisse haben eine zusammengefasste Regelung erfahren.
Es handelt sich bei den Bestimmungen zur „Europäischen Betriebsverfassung“
(§§ 171 ff. ArbVG) um im nationalen Recht umgesetztes EU-Richtlinienrecht. Es gelangt also keine einheitliche Rechtsnorm europaweit zur Anwendung, sondern die Mitbestimmung der AN richtet sich weiterhin nach den nationalen Rechtsordnungen.

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11
Q
  1. Erläutern Sie das „Vorher-Nachher-Prinzip“ im Zusammenhang mit der Societas Europaea! (S. 892)
A

Fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der europäischen Rechtsquellen zur Societas Europaea ist die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer betreffend ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen.
Die vor der Gründung einer Europäischen Gesellschaft bestehenden Rechte der Arbeitnehmer sollen deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE sein.
Dies umschreibt das sogenannte Vorher-Nachher-Prinzip.

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12
Q
  1. Was bedeuten die Prinzipien des freien Mandats und der Ehrenamtlichkeit bei der Ausübung von Betriebsratsagenden? (S. 909 – 910)
A

Prinzip der Ehrenamtlichkeit:
Das Mandat des Betriebsratsmitglieds ist ein Ehrenamt.
Aus der Tätigkeit im Betriebsrat kann das einzelne Mitglied daher finanzielle Ansprüche weder gegenüber dem Betriebsratsfonds noch gegenüber dem Betriebsinhaber geltend machen.
Das Prinzip der Ehrenamtlichkeit bedeutet für die Ausübung der BR-Agenden, dass das einzelne Mitglieder für seine Tätigkeit weder finanzielle Ansprüche gegen den Betriebsratsfonds noch gegen den Betriebsinhaber geltend machen kann.
Auf Grund der Mitgliedschaft im Betriebsrat darf auch keine finanzielle Besserstellung erreicht werden.
Eine Ausnahme von diesem Prinzip sind die Regelungen zur Freistellung. (§§ 116, 117 ArbVG)
Einem Betriebsrat ist die zur Erfüllung seiner Aufgaben nötige Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren.
In Betrieben mit mehr als 150 AN kann ein Betriebsratsmitglied auf Antrag des BR unter Entgeltfortzahlung sogar gänzlich von der Arbeit freigestellt werden.
Darin kann man in gewisser Weise eine Finanzierung der Betriebsratstätigkeit durch den Betriebsinhaber erblicken.

Prinzip des freien Mandats:
Das Prinzip des freien Mandats bedeutet, dass BR Mitglieder in Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei agieren.
Trotzdem haben sie die Beschlüsse des BR einzuhalten und durchzuführen.
Ein Mitglied des BR kann während seiner Funktionsperiode auch nicht seiner
Funktion enthoben werden.
Ausnahmen: - Wechsel der Gruppenzugehörigkeit

- BR wird gänzlich durch die Betriebsversammlung enthoben

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13
Q
  1. Erläutern Sie den „Vorrang der Arbeitnehmerbeteiligung durch vertragliche Einigung“ im Zusammenhang mit der Societas Europaea! (S. 891 – 892)
A

Während die „Europäische Betriebsverfassung“ allgemein bei gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen zur Anwendung kommt, knüpft die Beteiligung der Arbeitnehmer im VI. Teil des ArbVG an eine bestimmte Gesellschaftsform an, nämlich die Societas Europaea (SE).
EU-rechtlich schafft die VO EG 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft die gesellschaftsrechtliche Grundlage.
Das Problem der Schaffung einer Europäischen Gesellschaft auch ein Problem der Mitbestimmung in der Gesellschaft.
Die nationalen Formen einer Beteiligung der Arbeitnehmer in Unternehmensorganen sollten dem Grunde nach erhalten bleiben.
Aus diesem Grund sind auch die entsprechenden EU-RL stets von einem offenen Mitbestimmungsmodell ausgegangen: Die Beteiligung der Arbeitnehmer soll durch Vereinbarung geregelt werden.
Sowohl die Struktur der Belegschaftsorgane als auch Umfang und Intensität der Befugnisse sollen im Verhandlungswege zustande kommen.
Nur im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen, sind zwingende Formen der Beteiligung vorgesehen.
Grundgedanke ist also der Vorrang einer vertraglichen Einigung in der Frage der Mitbestimmung und Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE.

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14
Q
  1. Muss der Betriebsrat zustimmen, wenn der Betriebsinhaber ein Alkoholverbot im Betrieb erlassen will? (S. 940)
A

Ein Alkoholverbot ist ein Fall einer allgemeinen Ordnungsvorschrift.
Eine Mitwirkung der Belegschaft an allgemeinen Ordnungsvorschriften, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regeln, sieht §97 (1) Z1 ArbVG vor.
Es handelt sich also um einen Fall der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 97 (1) Z.1 ArbVG.
Bei der erzwingbaren Mitbestimmung ist die Zustimmung des Betriebsrats keine Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit.
Der Betriebsinhaber kann eine Maßnahme, soweit sie in sein Weisungsrecht fällt, einfach anordnen.
(Beispiele: Alkoholverbot, Rauchverbot, Verhalten in Ruheräumen)
Derartige Weisungen des AG kann der BR mit einem Antrag an die Schlichtungsstelle bekämpfen, und damit eine Regelung in Form einer Betriebsvereinbarung erzwingen.
Die Schlichtungsstelle kann aber auch auf Antrag des Betriebsinhabers tätig werden.
(Erzwingbare Betriebsvereinbarungen können nicht gekündigt werden.) (Auch Nachwirkung dieser ist daher unmöglich.)

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15
Q
  1. Können Teile der Abfertigung nach IESG gesichert sein, obwohl kein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber besteht? (S. 819)
A

Abfertigungen nach altem Abfertigungsrecht sind als Entgelte aus der Beendigung des AV generell gesichert.
Im Zuge der Unternehmensauflösung kann sich der AG aber auf die Billigkeitsklausel im Abfertigungsrecht berufen, dernach er Abfertigungen zur Gänze oder zum Teil nicht ausbezahlen muss, wenn dies seine Existenz bedrohen würde und ihm deshalb aus Billigkeitsgründen nicht zugemutet werden kann.
Insolvenz-Entgelt gebührt aber auch in der Höhe dieses Teils der Abfertigung!
Die Gewährung dieser Leistung kann auch unabhängig von einer Insolvenz erfolgen. Erforderlich ist nur das Vorliegen eines Urteils, dessen Grundlage die Prüfung der Wirtschaftslage eines Arbeitgebers ist.
Es handelt sich hier um einen Fall, in dem das IESG einen arbeitsrechtlich gar nicht bestehenden Anspruch sichert!
Auf „Abfertigung neu“ nach dem BMSVG besteht kein Anspruch gegenüber dem AG, sondern gegenüber der Betrieblichen Vorsorgekasse, dieser wird nicht vom IESG gesichert.

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16
Q
  1. Gibt es eine erweiterte Rechtskraftwirkung, wenn der Betriebsrat eine Klage einbringt? Beachten Sie hiebei die Unterscheidung zwischen individualarbeitsrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten! (S.1047)
A

Während das Urteil im Zuge einer betrieblichen Feststellungsklage des Betriebsrats nach § 54 Abs. 1 ASGG keine erweiterte Rechtskraftwirkung hinsichtlich der betroffenen Arbeitnehmer aufweist, sieht § 62 Abs. 1 ASGG diese bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten sehr wohl vor.
Voraussetzung ist, dass von der betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit namentlich bestimmte Arbeitnehmer betroffen sind, die nicht Partei sind.
Ist diese Voraussetzung gegeben, dann erstreckt sich die Rechtskraft der Urteile nicht nur auf den Betriebsrat und den Arbeitgeber als Parteien, sondern auch auf diese namentlich bestimmten Arbeitnehmer.
Die Klage und die Ladung zur ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung sind auch den Arbeitnehmern zuzustellen.
Die AN können dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten auch durch bloße Erklärung beitreten (§ 62 Abs. 1a ASGG).

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17
Q
  1. Wodurch unterscheidet sich das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat vom passiven Wahlrecht? (S. 834 – 836)
A

Aktives Wahlrecht (= Wahlberechtigung) bedeutet Stimmberechtigung.
Passives Wahlrecht (= Wählbarkeit) bedeutet das Recht, in den Betriebsrat gewählt werden zu können.
Die Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht:
-Vollendung des 18. LJ. am Tag der Wahl des Wahlvorstandes

-Beschäftigung im Betrieb am Tag der Wahl des Wahlvorstandes und am BR-Wahltag
- Formelles Erfordernis: Eintragung in die Wählerliste durch Wahlvorstand

Voraussetzungen für das passive Wahlrecht:

  • Vollendung des 18. LJ. am Tag der Wahlausschreibung
  • Beschäftigung im Betrieb oder Unternehmen seit mind. 6 Monaten (Ausnahme: Neugegründeter Betrieb oder Saisonbetrieb)
  • Ausschluss vom passiven Wahlrecht: Mit dem Arbeitgeber verwandte Personen (Lebensgefährte nicht)

Unterschiede:

  • Anderer Stichtag für 18. Geburtstag

  • 6 Monate Mindestbeschäftigungsdauer beim passiven Wahlrecht

  • Verwandte des AG sind nur vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen
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18
Q
  1. Wann ist eine Betriebsratswahl anfechtbar und wann nichtig? (S. 845 – 850)
A

Anfechtbarkeit:
Anfechtbar kann eine Wahl aus zwei Gründen sein:
1. Wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitende Grundsätze des Wahlrechts wurden verletzt und das Ergebnis hiedurch beeinflusst.
2. Die Wahl wäre ihrer Art oder ihres Umfangs nach oder mangels Vorliegens eines Betriebs gar nicht durchzuführen gewesen.
(z.B.: „Betrieb“ ist gar keine eigenständige organisatorische Einheit, zu viele BR gewählt im Verhältnis zur AN-Anzahl)
Die Anfechtung wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechts ist nur dann erfolgreich, wenn das Wahlergebnis nachweislich beeinflusst worden sein könnte.
Die Anfechtung ist nur dann möglich, wenn sie binnen Monatsfrist, vom Tag der Mitteilung des Wahlergebnisses an gerechnet, beim Gericht eingebracht wird. Ist die Anfechtungsfrist abgelaufen, so wird die Geltendmachung der Mängel unmöglich.
Nichtigkeit:
Aus ersterem Grund, nämlich der Verletzung wesentlicher Wahlverfahrensbestimmungen oder leitender Wahlrechtsgrundsätze kann eine Wahl auch Nichtig sein.
Dies jedoch nur, wenn elementarste Grundsätze einer Wahl im Allgemeinen und einer BR Wahl im Besonderen außer Acht gelassen wurden.
Der Raum für eine nichtige Betriebsratswahl ist also bloß sehr eingeschränkt. Die Mängel müssen so schwerwiegend sein, dass von einer Wahl gar nicht mehr gesprochen werden kann.
Judikaturbeispiele:
- Wahlvorstand befragt Mitarbeiter telefonisch, ob sie mit Wahl einer Person einverstanden sind
- Betriebsrat wird durch offene Abstimmung gewählt
- Falsche Auszählung, die zu einem diametralen Ergebnis führt
Im Gegensatz zur zeitlich begrenzten Anfechtung kann die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl jederzeit geltend gemacht werden, und zwar sowohl durch Klage auf Feststellung als auch einredeweise. Legitimiert ist jeder, der ein rechtliches Interesse daran hat (zB Wahlwerber, wahlberechtigte Arbeitnehmer, Betriebsinhaber).

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19
Q
  1. Können in einem Arbeitsvertrag Schlichtungsklauseln Eingang finden? (S. 1052)
A

Ja, Schlichtungsvereinbarungen können durchaus Eingang in den Arbeitsvertrag finden.
Eine Schlichtungsvereinbarung im Arbeitsvertrag stellt sicher, dass eine Schlichtungsinstanz mit einer Regelungsfrage befasst wird, bevor die ordentlichen Gerichte angerufen werden.
Der Unterschied zu einer Schiedsklausel ist, dass durch eine Schlichtungsklausel nicht die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte beseitigt werden soll, sondern nur eine Schlichtungsinstanz vorgeschoben wird.
Wenn eine obligatorische Schlichtungsvereinbarung vorliegt, die Schlichtungsinstanz aber nicht angerufen wird, sondern sofort die ordentlichen Gerichte, dann ist die Klage mangels Klagbarkeit des Anspruchs abzuweisen.

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20
Q
  1. In welchen Fällen muss es, in welchen Fällen kann es zu einer imparitätischen Mitentscheidung des Betriebsrates kommen? (S. 934)
A

Imparitätische Mitentscheidung: Ungleich gewichtete Mitentscheidung.
Die Vertreter der AN haben zwar grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Vertreter des AG, aber es ergibt sich eine Ungleichgewichtung, weil die Belegschaftsvertreter in der Unterzahl sind.
Imparitätische Mitentscheidung bietet sich also vor allem als Mitwirkungskonstruktion in Gremien an, die durch Mehrheitsbeschluss entscheiden.
- Muss:

Auf jeden Fall zur imparitätischen Mitbestimmung kommt es bei der Mitwirkung im Aufsichtsrat gemäß § 110 ArbVG.
Die ungleiche Gewichtung drückt sich dort in einer Drittelparität aus:
Zwei Drittel der Aufsichtsratsmitglieder werden von den Aktionären, mindestens ein Drittel vom (Zentral)Betriebsrat entsandt.

  • Kann:
    Gremien mit imparitätischer Mitbestimmung der Belegschaftsvertreter können sich auch für die Planung und Durchführung betrieblicher Berufsausbildungs- und Schulungsmaßnahmen ergeben.
Ebenso im Zusammenhang mit Disziplinarkommissionen.
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21
Q
  1. Wann ist ein Zentralbetriebsrat zu errichten? Wer ist bei der Zentralbetriebsratswahl aktiv und passiv wahlberechtigt? (S. 872 – 873)
A

Ein Zentralbetriebsrat ist immer dann zu bilden, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe umfasst, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmen zentral verwaltet werden.
Aktiv und passiv wahlberechtigt zur Zentralbetriebsratswahl sind ausschließlich Betriebsräte!
Die Betriebsräteversammlung wählt aus ihrer Mitte die Zentralbetriebsratsmitglieder.
Grundsätze: geheime Wahl, Verhältniswahlrecht
Nicht: Grundsatz des gleichen Wahlrechts
Stimmen sind nach AN Anzahl durch gewählte Betriebsräte gewichtet.

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22
Q
  1. Können Arbeiter in den Angestelltenbetriebsrat gewählt werden und umgekehrt? Kann ein Arbeitnehmer Mitglied des Arbeiter- als auch des Angestelltenbetriebsrats werden? (S. 836)
A

Wenn dauernd sowohl mindestens 5 Arbeiter als auch mindestens 5 Angestellte im Betrieb beschäftigt sind, ist sowohl ein Arbeiterbetriebsrat als auch ein Angestelltenbetriebsrat zu wählen.
Für das passive Wahlrecht zu diesen ist die Gruppenzugehörigkeit KEINE Voraussetzung.
Es können also sowohl Angestellte Mitglieder des Arbeiterbetriebsrats werden, als auch Arbeiter Mitglieder des Angestelltenbetriebsrats.
Eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Arbeiterbetriebsrat und im Angestelltenbetriebsrat ist jedoch ausgeschlossen.

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23
Q
  1. Erläutern Sie das Phänomen der „bedingt freiwilligen Mitbestimmung“ anhand der Entgeltfortzahlung für die Dauer von Belegschaftsversammlungen! (S. 971)
A

Gemäß § 97 (1) Ziffer 11 ArbVG kann eine fakultative Betriebsvereinbarung darüber geschlossen werden, inwieweit der AG den AN für die Zeit einer Belegschaftsversammlung ihr Entgelt fortzuzahlen hat.
§ 47 Abs. 1 ArbVG regelt aber, dass eine Betriebsvereinbarung in dieser Frage nur soweit eine Regelung treffen kann, soweit keine kollektivvertragliche Regelung darüber besteht.
Es handelt sich also um bedingt freiwillige Mitbestimmung, da die Regelungsbefugnis von Betriebsinhaber und Betriebsrat nur unter der Bedingung besteht, dass die Kollektivvertragspartner noch keine Regelung getroffen haben.

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24
Q
  1. Erläutern Sie die Problematik von Telefonregistrieranlagen unter dem Aspekt der Mitbestimmung des Betriebsrates! (S. 950)
A

Gemäß § 96 Abs. 1 Z. 3 bedürfen technische Systeme zur AN-Kontrolle, sofern diese die Menschenwürde berühren, einer notwendigen Betriebsvereinbarung zu ihrer Rechtswirksamkeit.
Ein Beispiel für ein System, dass die Persönlichkeitsrechte des AN bereits verletzt, nicht nur berührt, wäre eine Telefonabhöranlage.
Ein besonderes Problem sind Telefonregistrieranlagen.
Telefonregistrieranlagen erfassen die anrufende Nummer, die angerufene fremde Nummer, die Höhe der Gesprächsgebühr und die Uhrzeit des Gesprächs.
Das Gespräch wird nicht aufgezeichnet.
Der VwGH hat 1987 entschieden, dass Telefonregistrieranlagen nicht mitbestimmungspflichtig sind, weil sie die Menschenwürde nicht berühren würden, weil ein Mithören der Gespräche nicht möglich ist.
Diese Meinung des VwGH kann nicht geteilt werden.
Bereits das Registrieren der äußeren Gesprächsdaten gehört in den Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte.
Insbesondere deshalb, weil auch aus den äußeren Gesprächsdaten Rückschlüsse auf den Inhalt möglich sind.
Es handelt sich jedoch um den verzichtbaren Bereich des Persönlichkeitsschutzes.
Somit ist eine solche Maßnahme mit Zustimmung des Betriebsrats (Notwendige Mitbestimmung nach § 96 Abs. 1 Z. 3) und der betroffenen AN möglich.

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25
Q
  1. Erläutern Sie das Verhältnis von Mitwirkung des Betriebsrates bei Personalfragebögen und dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers! (S. 942)
A

Verhältnis von BR-Mitwirkung & Persönlichkeitsschutz des AN:
Alle Fragestellungen in Personalfragebögen sind selbst mit Zustimmung des Betriebsrats nur dann zulässig, wenn die Persönlichkeitsrecht des AN, insbesondere dessen Intimsphäre, nicht verletzt werden.
Ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des AN wäre auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht des AG.
Damit ist ein heikles Thema angesprochen. Betriebsvereinbarungen können auf die Umstände des Einzelfalles kaum eingehen.
Sind Fragestellungen generell unzulässig, muss die Betriebsvereinbarung auch dann als rechtswidrig angesehen werden, wenn diese Frage im Einzelfall zugelassen werden könnte.
Eine Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft ist generell unzulässig.
Fragen nach der Zugehörigkeit zu politischen Parteien, Gewerkschaften oder Religionsgemeinschaften, werden regelmäßig nicht zu rechtfertigen sein. (Ausnahme: Tendenzbetriebe)
Eine Offenbarungspflicht bezüglich strafbarer Handlungen widerspräche dem Resozialisierungsgedanken und ist daher abzulehnen.
Ausnahmen: Wenn die Position des Arbeitnehmers eine Identifikation mit dem Unternehmen nahelegt, und bei Interdependenz der strafbaren Handlung mit dem Tätigkeitsbereich)

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26
Q
  1. Wann kommt es zu einem europäischen Betriebsrat kraft Vereinbarung und wann zu einem europäischen Betriebsrat kraft Gesetzes? (S. 887 – 888)
A

Der Europäische Betriebsrat ist jenen betriebsverfassungsrechtlichen Organen zuzuordnen, deren Errichtung vom Gesetz nicht zwingend vorgeschriebenist, sondern im Ermessen der Belegschaft steht (wie zB auch die Konzernvertretung). Grundsätzlich gründet sich die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats auf einer
schriftlichen Vereinbarung zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und der zentralen Leitung des Unternehmens oder des Konzerns
(Europäischer Betriebsrat kraft Vereinbarung)
.
Diese Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats obliegt, abgesehen
von den in § 189 ArbVG genannten Mindestinhalten, der Disposition der Vertragsparteien.

Die Ausgestaltung dieser Mindestinhalte obliegt ebenfalls den Vertragsparteien. Demnach muss eine
Vereinbarung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrats folgende Elemente enthalten:
Die von der Vereinbarung erfassten Betriebe und Unternehmen (bei entsprechender Vereinbarung
müssen diese nicht in einem Mitgliedstaat liegen);
Regelungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Europäischen Betriebsrats, der Anzahl der
Mit glieder, der Sitzverteilung und der Mandatsdauer, hinsichtlich der Auswirkungen von
wesentlichen Änderungen der Unternehmens
bzw der Unternehmensgruppenstruktur sowie von
erheblichen Änderungen der Zahl der Beschäftigten;
Bestimmungen betreffend die Befugnisse und das Unterrichtungs und Anhörungsverfahren des
Europäischen Betriebsrats;
Regelungen hinsichtlich des Orts, der Häufigkeit und der Dauer der Sitzungen;
Zusammensetzung, Modalitäten der Bestellung, Befugnisse und Sitzungsmodalitäten des
innerhalb des Europäischen Betriebsrates eingesetzten engeren Ausschusses;
Bestimmungen über die für den Europäischen Betriebsrat bereitzustellenden finanziellen und
materiellen Mitteln sowie Bestimmungen über die Laufzeit der Vereinbarung, die Modalitäten für die Änderung oder Kündigung der Vereinbarung und das bei ihrer Neuaushandlung anzuwendende Verfahren.

§ 191 ArbVG nennt aber drei Fälle, in denen eine
Pflicht zur Errichtung eines Europäischen
Betriebrats (Errichtung eines Europäischen Betriebsrats kraft Gesetzes) normiert ist:
Die zentrale Leitung verweigert von vornherein die Aufnahme von Verhandlungen oder nimmt
die Verhandlungen nicht binnen sechs Monaten nach dem ersten Antrag auf Errichtung eines
besonderen Verhandlungsgremiums auf.
Binnen drei Jahren nach dem Antrag von der AN
- Seite oder einem Vorschlag der zentralen
Leitung auf Errichtung eines besonderen Verhandlungsgremiums kommt keine Vereinbarung
über einen Europäischen Betriebsrat zustande.
Zentrale Leitung und besonderes Verhandlungsgremium fassen einen entsprechenden Beschluss.
Der entscheidende
Unterschied
zwischen dem Europäischen Betriebsrat kraft Vereinbarung und dem kraft Gesetzes liegt darin, dass die Vereinbarung über den Europäischen Betriebsrat, abgesehen von den in § 189 ArbVG genannten Mindestinhalten, der Disposition der Vertragsparteien obliegt. Gründet sich hingegen die Errichtung auf einen der Fälle des §191 ArbVG, richten sich Organisation und Befugnisse dieses Europäischen Betriebsrats ausschließlich nach den gesetzlichen Regelungen.

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27
Q
  1. Wann spricht man von qualifizierten Fragebögen und inwiefern ist diese Qualifikation für die Mitbestimmung des Betriebsrates von Bedeutung? (S. 941)
A

Der paritätischen Mitbestimmung unterliegt auch ein besonders sensibler Bereich: Es ist dies die Einführung von qualifizierten Fragebögen , welche regelmäßig die Vorstufe für Personaldatensysteme bilden, die ihrerseits einer eigenen Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen sind.
Personalfragebögen, die nicht bloß die allgemeinen Angaben zur Person und Angaben über die fachlichen Voraussetzungen für die beabsichtigte Verwendung des Arbeitnehmers betreffen (qualifizierte Fragebögen), können im Betrieb nur mit Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden.
Es liegt demgemäß notwendige Mitbestimmung vor; kommt eine Betriebsvereinbarung nicht zustande, so muss die intendierte Maßnahme unterbleiben.  Die Einführung qualifizierter Fragebögen wäre in diesem Fall rechtswidrig.
Personalfragebögen: Schriftstücke, die Fragen enthalten, die sich auf die Person des bereits eingestellten oder in Aussicht genommenen Arbeitnehmers beziehen.
Zu unterscheiden:
- Fragebögen, die nur Angaben über die fachlichen Voraussetzungen für die Verwendung oder allgemeine Angaben zur Person des Arbeitnehmers enthalten - Fragebögen mit darüber hinausgehenden Fragen (qualifizierte Fragebögen)
Daher können solche ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht rechtswirksam eingeführt werden.
Beispiele für mitbestimmungsfreie Fragen:
Geburtsdatum, dem Vor- und Zunamen, der Wohnadresse, dem Familienstand, Ausbildung und bisherigen Tätigkeiten

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28
Q
  1. Welche Mitwirkungsrechte besitzt der Betriebsrat im Fall von Betriebsänderungen? (S. 992- 993)
A

Eine gesetzliche Definition der Betriebsänderung sieht das ArbVG nicht vor. § 109 (1) ArbVG beinhaltet jedoch zur begrifflichen Abgrenzung eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, die als Betriebsänderungen anzusehen sind.
Betriebsänderung: - Einschränkung, Verlegung oder Stilllegung des ganzen Betriebs oder einzelne Betriebsteile
- Auflösung von Arbeitsverhältnissen, die eine Meldepflicht iSd. § 45a AMFG bewirkt
- Zusammenschluss mit anderen Betrieben
- Änderung des Betriebszwecks, der Betriebsanlagen, der arbeits- und Betriebsorganisation sowie Filialorganisation
- Einführung neuer Arbeitsmethoden

- Einführung von Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung
- Änderung der Rechtsform oder der Eigentumsverhältnisse an dem Betrieb
Der Betriebsinhaber ist verpflichtet, den Betriebsrat detailliert über die Betriebsänderung zu informieren, und zwar ausreichend früh, damit er eine Stellungnahme abgeben kann.
Auf Verlangen des BR muss sich der Betriebsinhaber mit ihm beraten.
Weitere informationspflichten bestehen bei einer Betriebsänderung im Sinne von § 45a AMFG.
Bringt eine Betriebsänderung (außer der Eigentümerwechsel) wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft & sind zumindest 20 AN im Betrieb beschäftigt, dann kann ein sogenannter Sozialplan abgeschlossen werden (= BV nach § 97 Abs. 1 Z. 4)
Beispiele für Maßnahmen in einem Sozialplan:
- Erhöhte Abfertigungen

- Weiterbenützung von Werkswohnungen

- Sonderregelungen für Härtefälle
- Übernahme von Übersiedlungskosten
- Wiedereinstellungsklauseln

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29
Q
  1. Welche Kompetenzen haben die sog Schlichtungsstellen im Arbeitsrecht? Welche Rechtsmittel sind gegen eine Entscheidung der Schlichtungsstelle zulässig? (S. 1057 – 1058)
A

Die Schlichtungsstellen haben gemäß § 144 ArbVG die Kompetenz über den Abschluss, die Abänderung oder die Aufhebung einer Betriebsvereinbarung zu beschließen.
Dies passiert auf Antrag einer der Streitparteien in den gesetzlich vorgesehenen Fällen:
- § 96a ArbVG
-
§ 97 (1) Z. 1 – 6a
- § 9 (2) BMSVG

Die Entscheidung gilt als Betriebsvereinbarung.
Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle?
I. Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
II. Die Entscheidungen des B-Vw-Gerichts kann beim VwGH oder VfGH bekämpft werden

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30
Q
  1. Wem kommt das formelle und wem das materielle Entsendungsrecht für Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften zu? (S. 1002)
A

Das formelle Entsendungsrecht für AN-Vertreter in den Aufsichtsrat kommt dem Zentralbetriebsrat zu, beziehungsweise dem Betriebsrat (wenn nur ein Betrieb besteht) oder dem Betriebsausschuss (wenn Arbeiter und Angestelltenbetriebsräte bestehen).
Das materielle Entsendungsrecht hingegen richtet sich nach dem Kräfteverhältnis der Wahlparteien bei der Betriebsratswahl.
Das materielle Entsendungsrecht haben die Mitglieder des Zentralbetriebsrats, die auf Vorschlag einer wahlwerbenden Gruppe gewählt wurden.
Das materielle Entsendungsrecht kommt also der Listenkurie zu, das heißt die Fraktionen bzw. fraktionellen BR-Mitglieder haben das materielle Entsendungsrecht.
Dieses Recht steht für so viele zu entsendende Personen zu, wie es der Anzahl der Entsendungsberechtigten zur Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder entspricht.

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31
Q
  1. Was wären typische Disziplinarmaßnahmen im Sinn des § 102 ArbVG? Wären auch Geldstrafen denkbar? (S. 955)
A

Disziplinarmaßnahme: Ein rechtlich zulässiger Nachteil, der einem anderen zu dem Zweck zugefügt wird, ihn für eine Verfehlung zu bestrafen und weiteren vorzubeugen.
Beispiele:
- Verwarnung oder Verweis
- Geldbuße
- Entzug einer freiwillig gewährten Leistung
Ja, eine Geldstrafe ist also möglich.
Abgrenzung:
Eine Geldbuße ist von einer vertraglichen Konventionalstrafe zu unterscheiden. Eine Konventionalstrafe ist vertraglich pauschalierter Schadenersatz,
und unterliegt dem richterlichen Mäßigungsrecht.
Auch Kündigungen, Entlassungen, Versetzungen können in der Praxis als aus Disziplinargründen erfolgen, diese unterliegen dann aber zusätzlich dem generellen Kündigungs-, Entlassung-, und Versetzungsschutz.

32
Q
  1. Kann durch Betriebsvereinbarung rechtsverbindlich die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Betrieb und damit die Anwendung eines Kollektivvertrags abweichend von der wahren Sachlage festgelegt werden?
A

Gemäß § 9 ArbVG kommt für die ganze Belegschaft eines Mischbetriebs der KV zur Anwendung, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.
Die Frage, welcher Wirtschaftsbereich nun die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Betrieb hat, kann in einer fakultativen BV gemäß § 97 Abs. 1 Ziffer 23 geregelt werden.
Strittig ist, ob diese Festlegung bloß deklaratorische, also klarstellende Bedeutung hat, oder ob mit einer solchen BV auch ein Ergebnis erzielt werden kann, dass offenkundig vom wahren Sachverhalt abweicht.
Richtig ist wohl eine vermittelnde Lösung.
Die BV gilt nicht bloß deklaratorisch, sondern kann in Grenzfällen rechtsverbindlich wirken.
Eine offensichtliche Abweichung vom wahren Sachverhalt wird aber nicht rechtswirksam sein.

33
Q
  1. Beschreiben Sie die Ermittlung des Betriebsratswahlergebnisses nach dem System von d ́Hondt! (S. 841)
A

Gem § 51 (2) ArbVG ist die Betriebsratswahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts und die Berechnung der auf die zugelassenen Wahlvorschläge entfallenden Mitglieder des Betriebsrats nach dem System von d´Hondt durchzuführen.
Im System von d’Hondt sind die Betriebsratsmitglieder, die auf einen Wahlvorschlag entfallen, durch eine Wahlzahl zu ermitteln.
Die Summen der für einen Wahlvorschlag abgegebenen Stimmen sind nach Größe geordnete nebeneinander zu schreiben.
Unter jede dieser Stimmen ist dann ihre Hälfte, ein Drittel, ein Viertel… zu schreiben.
Sind drei Betriebsratsmitglieder zu wählen, so gilt als Wahlzahl die drittgrößte, bei vier Betriebsratsmitgliedern die viertgrößte usw der angeschriebenen Zahlen.
Jedem Wahlvorschlag sind so viele Mitgliedstellen zuzuteilen, als die Wahlzahl in der Summe der für ihn abgegebenen Stimmen enthalten sind.
Die Stimmenanzahl eines Wahlvorschlages dividiert durch die Wahlzahl ergibt dann die Anzahl der BR Mitglieder für diesen Wahlvorschlag.
Haben zwei Wahlvorschläge auch unter Ausrechnung der Dezimalstellen gleichen Anspruch auf eine Mitgliedstelle, entscheidet das Los.

Beispiel:
Betriebsgröße 160 AN 5 BR Mitglieder zu wählen

34
Q
  1. Was kann gegen eine nichtige bzw gegen eine anfechtbare Betriebsratswahl unternommen werden? Wer kann gegen die mangelhafte Wahl vorgehen? (S. 845 – 850)
A

Anfechtbare Wahl:
Die Anfechtung ist nur dann möglich, wenn sie binnen Monatsfrist, vom Tag der Mitteilung des Wahlergebnisses an gerechnet, beim Gericht eingebracht wird. Ist die Anfechtungsfrist abgelaufen, so wird die Geltendmachung der Mängel unmöglich.
Läuft die Frist ohne Anfechtung ab, gilt die Wahl als saniert.
Erfolgreich kann eine Wahlanfechtung wegen Wahlgrundsetz-Verletzungen nur sein, wenn diese zu einer Verfälschung des Ergebnisses geführt haben könnten.
Aktivlegitimation zur Wahlanfechtung:
Zur Wahlanfechtung wegen Wahlgrundsatz-Verletzungen (1. Anfechtungsfall) sind alle Wahlwerbenden Gruppen sowie alle aktiv Wahlberechtigten berechtigt.
Zur Wahlanfechtung wegen einer unzulässigen Wahl mangels Vorliegens eines Betriebs sind ebenfalls alle Wahlwerbenden Gruppen, alle aktiv Wahlberechtigten und zusätzlich der Betriebsinhaber berechtigt.
Passivlegitimation:
Betriebsrat in seiner Gesamtheit (auch vor Konstituierung)
Nichtige Wahl:
Im Gegensatz zur zeitlich begrenzten Anfechtung kann die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl jederzeit geltend gemacht werden, und zwar sowohl durch Klage auf Feststellung als auch einredeweise. Legitimiert ist jeder, der ein rechtliches Interesse daran hat (zB Wahlwerber, wahlberechtigte Arbeitnehmer, Betriebsinhaber).

35
Q
  1. Erläutern Sie die Besonderheit der Mitwirkung im Aufsichtsrat im Konzern! (S.1004)
A

Wenn eine Aktiengesellschaft andere Kapitalgesellschaften
- einheitlich leitet oder
- auf Grund einer unmittelbaren Beteiligung von mehr als 50% beherrscht
UND
das herrschende Unternehmen weniger als halb so viele AN beschäftigt wie alle beherrschten Unternehmen zusammen, dann nimmt an der Entsendung von AN-Vertretern in den Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens nicht nur dessen Betriebsrat teil, sondern auch die Mitglieder aller in den beherrschten Unternehmen bestellten Betriebsräte.

36
Q
  1. Erläutern Sie das Begriffspaar Einheits- und Trennungstheorie im Zusammenhang mit dem Arbeitskampfrecht! (S. 1033)
A

Angesprochen: Frage, ob Arbeitskampf kollektiv- und individualarbeitsrechtlich als einheitliches Geschehen gleich zu werten ist, oder ob die jeweilige Wertung getrennt vorzunehmen ist.
Die Einheitstheorie besagt, dass bei einem kollektivarbeitsrechtlich rechtmäßigen Streik (Friedenspflicht nicht verletzt, Grenzen des Deliktsrechts nicht verletzt) arbeitsvertragliche Konsequenzen ausgeschlossen sind.
Die Einheitstheorie hat sich in Deutschland durch die Judikatur des Bundesarbeitsgerichts durchgesetzt.
Die Trennungstheorie geht davon aus, dass selbst bei einem kollektivarbeitsrechtlich rechtmäßigen Streik arbeitsvertragliche Konsequenzen getrennt nach Individualarbeitsrecht zu bewerten sind.
Die Österreichische herrschende Lehre steht noch auf dem Standpunkt der Trennungstheorie.
Die Verankerung des Streikrechts in der EU-Grundrechte-Charta und die Judikatur von EuGH und EGMR zum Grundrecht auf Streik müssen sich jedoch auf diese Wertung auswirken und auch in die individualarbeitsrechtliche Betrachtung einfließen.
Besonders bei de Verschuldensfrage muss die Zulässigkeit des Arbeitskampfes einfließen.

37
Q
  1. Wann kommt es organisationsrechtlich zu einem Betriebsausschuss? Kann der Betriebsausschuss eine Betriebsvereinbarung abschließen? (S. 867)
A

Der Betriebsausschuss bildet die Gesamtheit der Mitglieder des Arbeiterbetriebsrats und des Angestelltenbetriebsrats.
Organisationsrechtlich kommt es also immer dann zu einem Betriebsausschuss, wenn getrennte Betriebsräte für die AN-Gruppen bestehen.
Auch die Tätigkeit des Betriebsausschusses beginnt mit der Konstituierung, in welcher Vorsitzender und Stellv. Vorsitzender des Betriebsausschusses gewählt werden.
Ja!

 Kompetenznorm: § 113 Abs. 2 Ziffer 4 ArbVG

Der Betriebsausschuss ist ermächtigt für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung, deren Geltungsbereich alle im Betriebsausschuss vertretenen AN-Gruppen erfasst.

38
Q
  1. Besteht für die Dauer der Geltung eines Kollektivvertrags ein Streikverbot? (S.1032)
A

Für die Dauer des aufrechten Bestandes eines Kollektivvertrags besteht ein Kampfverbot.
Die Durchsetzung von Änderungen der KV-Regelungen mit Hilfe des Arbeitskampfes wäre ein Widerspruch zur Vertragstreue.
Betroffen:

- Alle vom KV geregelten Arbeitsbedingungen
- Probleme, für die im KV eine überbetriebliche Schlichtungsstelle vorgesehen ist relative Friedenspflicht
Die relative Friedenspflicht der Kollektivvertragsparteien wird allgemein als der obligatorischen Funktion des Kollektivvertrags immanent angesehen. (Immanenztheorie)
Anderer Ansicht: Strasser geht von einer stillschweigenden Vereinbarung der Vertragspartner aus, die durch gegenteilige Vereinbarung eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen werden kann.
(Konsenstheorie)

39
Q
  1. Wirkt sich die Mangelhaftigkeit einer Betriebsratswahl auf die Rechtshandlungen aus, die der „Betriebsrat“ bis zur Geltendmachung der Anfechtbarkeit bzw der Nichtigkeit setzt? (S. 849 + 851)
A

Wahlnichtigkeit:
Rechtshandlungen von Personen, die auf Grund einer nichtigen Wahl als Betriebsräte bestellt wurden, sind ohne Rücksicht auf die Feststellung der Nichtigkeit durch das Gericht unwirksam.
Anfechtbarkeit:
Rechtshandlungen, die der Betriebsrat in der Zeit zwischen seinem Tätigkeitsbeginn und der Ungültigkeitserklärung setzt, werden durch die infolge der Wahlanfechtung erfolgte Aufhebung der Betriebsratswahl nicht berührt.
Die Handlungen bleiben (im Gegensatz zu jenen eines durch nichtige Wahl installierten Betriebsrats) trotz der erfolgreichen Anfechtung gültig und rechtswirksam.

40
Q
  1. Erläutern Sie das Verhältnis von Mitbestimmung des Betriebsrates und Datenschutzrecht anhand des Einsichtsrechts des Betriebsrates in den Personalakt! (S.927 – 928)
A

Personalakt = Personalaufzeichnungen im engeren Sinn
Eingeschränktes Einsichtsrecht des BR, da es von der Zustimmung des betroffenen AN abhängt.
Daraus ergibt sich, dass auch dem AN selbst ein Einsichtsrecht in seinen Personalakt zusteht, denn nur dann kann er entscheiden, ob er der Einsichtnahme durch den BR zustimmen will oder nicht.
Ein Auskunftsrecht für seinen Personalakt ergibt sich für den AN auch aus dem Datenschutzgesetz.
Die dem Betriebsrat zustehenden Überwachungsrechte werden durch das DSG nicht berührt.
Vielmehr tritt die Überwachungsfunktion des BR sozusagen ergänzend hinzu, da sich aus der Interessenvertretungsfunktion des BR die Pflicht ergibt, den AN zu informieren, wenn rechtswidrig mit seinen Daten umgegangen wurde.
Somit wird der AN erst in die Lage versetzt, seine datenschutzrechtlichen Abwehrrechte geltend zu machen.

41
Q
  1. Wo werden Schlichtungsstellen eingerichtet und wie setzen sie sich zusammen? (S.1057)
A

Die Errichtung und Zusammensetzung der Schlichtungsstelle ist im § 144 ArbVG geregelt.
Eine Schlichtungsstelle ist auf Antrag eines der Streitteile zu errichten.
Wo: Am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofs, in dessen Sprengel der Betrieb liegt.
Erstreckt sich der Geltungsbereich einer BV auf Betriebe in mehreren Sprengeln ist der Sitz des Unternehmens ausschlaggebend.
Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofs errichtet werden.
Der Antrag ist an den Gerichtspräsidenten zu richten.
Besetzung: Ein Vorsitzender, 4 Beisitzer
Vorsitzender ist auf einvernehmlichen Antrag der Streitparteien vom Gerichtspräsidenten zu bestellen.
Mangels Einvernehmen auf Antrag eines der Streitteile.
Die Bestellung hat aus dem Kreis der Berufsrichter zu erfolgen, die bei dem Gerichtshof mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befasst sind.
Jeder der Streitteile hat 2 Beisitzer namhaft zu machen.
Einer davon muss einer vom BMASK zu erstellenden Beisitzerliste entnommen werden, der andere sollte aus dem Kreis der im Betrieb beschäftigten sein.

42
Q
  1. Wann spricht man von „überbetrieblicher kollektiver Klage“ im Arbeitsrecht? Wer kann die Klage einbringen? Wo ist die Klage einzubringen? Unter welchen Voraussetzungen ist eine derartige Klage möglich? (S. 1046)
A

Überbetriebliche kollektive Klage: § 54 Abs. 2 ASGG
Kollektivvertragsfähige AN- und AG-Körperschaften können gegeneinander beim OGH einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten einbringen.
Voraussetzungen:
- von bestimmten Personen unabhängiger Sachverhalt

- Rechtsfrage des materielle Rechts (§ 50 Abs. 1 und 2 ASGG)
- von Bedeutung für mindestens 3 AN oder AG
- Rechtliches Interesse an der Feststellung
Entscheidung: Einfacher Senat des OGH
Beispiel:
- Frage, ob VBG im Arbeitsvertrag der Universitätsbediensteten dispositiv oder zwingend zur Anwendung kommt (überbetriebliche Feststellungsklage der Gewerkschaft)

43
Q
  1. Was versteht man unter „kollektiver betrieblicher Feststellungsklage“ im Arbeitsrecht? Unter welchen Voraussetzungen kann geklagt werden. Wer kann klagen? Besteht eine erweiterte Rechtskraftwirkung? (S. 1045 – 1046)
A

Gedanke: Durch Einführung eines kollektiven Klagerechts soll das Prozessrisiko des einzelnen AN gemildert werden.
§ 54 Abs.1 kollektive betriebliche Feststellungsklage Abs. 2 überbetriebliche kollektive Klage
Kollektive betriebliche Feststellungsklage:
Parteifähigen Organe der AN (Betriebsrat, Zentralbetriebsrat), Personalvertretung im öffentlichen Dienst und auch der Arbeitgeber können auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechts klagen oder geklagt werden.
Voraussetzungen:
- Arbeitsrechtssachen iSd. § 50 (1) ASGG

- mindestens 3 AN betroffen (später weniger schadet nicht)
Das Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer ist keine Voraussetzung für die Feststellungsklage.
Die AN-Vertretungen können die Feststellungsklage nur für die von ihnen vertretenen AN erheben
Das über die Feststellungsklage ergehende Urteil wirkt nur zwischen den Prozessparteien, also zwischen der betreffenden Belegschaftsvertretung und dem Arbeitgeber.
Erweiterte Rechtskraftwirkung zum Vorteil oder Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer besteht nicht.
Es besteht aber in der Regel faktische Wirkung:
Der Arbeitgeber wird das Urteil bezüglich der betroffenen Arbeitnehmer beachten. Im Falle eines Obsiegens des Arbeitgebers werden sich die betroffenen AN entsprechend ihrer schwächeren Position erst recht dem Urteil gemäß verhalten.

44
Q
  1. Wann kommt eine vorzeitige Vollstreckbarkeit noch nicht rechtskräftiger Urteile in Arbeitsrechtssachen in Frage bzw was ist darunter zu verstehen? (S. 1049)
A

Die vorzeitige Vollstreckbarkeit erstgerichtlicher Urteile ist eine Besonderheit der Arbeitsgerichtsbarkeit.
Nach dem Modell der ZPO hemmt die rechtzeitige Erhebung der Berufung den Eintritt der Rechtskraft und der Wirkungen eines angefochtenen Urteils.
Gemäß § 61 ASGG hemmt die Berufung jedoch in gewissen arbeitsrechtlichen Streitsachen nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht die Vollstreckbarkeit des Urteils.
Betroffen sind davon Rechtsstreitigkeit über die im § 61 ASGG aufgezählten Themen. (Beispiel: Bestand des AV und Anspruch auf das laufende Entgelt)
Folge: Das Ersturteil wird sofort Vollstreckbar und bleibt für die gesamte Verfahrensdauer wirksam
Ausnahmen:
- die Parteien können anderes vereinbaren

- das Gericht kann auch das Gegenteil anordnen
Ratio legis:
Der auf sein Entgelt angewiesene AN soll nicht das Ende eines langwierigen Prozesses abwarten müssen, um zu seinem Geld zu gelangen.
Aber: Drohende Rückzahlung des Entgelts, wenn es in weiterer Folge zu einem abweichenden rechtskräftigen Urteil kommt.
Der AN kann sich auch nicht auf gutgläubigen Verbrauch berufen, weil ein Schwebezustand besteht, der nicht ignoriert werden kann.

45
Q
  1. Kann ein streikender Arbeitnehmer entlassen werden? (S.1033 – 1034)
A

Nach der bisher in Österreich vorherrschenden Trennungstheorie verlässt der AN auch bei einem rechtmäßigen Streik seinen Arbeitsplatz unbefugt und unterlässt somit unrechtmäßig seine Arbeitsleistung.
Angesprochen: Der Entlassungsgrund „beharrliche Pflichtverletzung“
Aber: Anerkennung des Streikrechts als Grundrecht (EU-GRC, EuGH, EGMR) Generelles Recht zur vorzeitigen Lösung auf Grund eines Streiks oder generelle Annahme einer beharrlichen Pflichtverletzung kann nicht mehr vertreten werden!
Die kollektivarbeitsrechtliche Frage der Verhältnismäßigkeit der Streikmaßnahme ist auch hier zu berücksichtigen.
Eine Entlassung wird nur dann in Frage kommen, wenn ein besonderer Unrechtsgehalt im Arbeitnehmerverhalten zur Streikmaßnahme hinzukommt.

46
Q
  1. Warum spricht das ArbVG im Zusammenhang mit dem Betriebsrat von einem „Organ der Arbeitnehmerschaft“. Was lässt sich daraus für die Rechtsnatur des Betriebsrates ableiten? (S. 831 – 832)
A

In den §§ 39 und 40 spricht das ArbVG vom Betriebsrat als Organ der Belegschaft.
Dies weist darauf hin, dass der Betriebsrat nicht aus eigenem Recht tätig wird, sondern fremde, materiell der Belegschaft zuzurechnende Befugnisse ausübt.
Die ergibt sich auch aus § 113 ArbVG, der besagt, dass „die der Arbeitnehmerschaft zustehenden Befugnisse, soweit nichts anderes bestimmt ist, vom Betriebsrat ausgeübt werden“.
Der Organbegriff des Betriebsrats ist ein sehr beschränkter.
Er ist zwar in allen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren parteifähig, er ist aber selbst nicht vermögensfähig!
Volle Rechtsfähigkeit kommt nur dem Betriebsratsfonds zu.
Belegschaft: Juristische Teilperson
Betriebsrat: bloß kollegiales Vertretungsorgan (Floretta) Repräsentant der Belegschaft (Repräsentationstheorie)

47
Q
  1. Wie kommt ein Betriebsratsfonds zustande und welchen Zwecken dient der Fonds? (S. 903 – 905)
A

Der Betriebsratsfonds ist ein vermögensfähiges Belegschaftsorgan mit eigener Rechtspersönlichkeit.
Es wird von einem juristisch verselbstständigten Hilfsinstrument gesprochen, das mit einem Treuhänder für das Vermögen der organisierten Arbeiterschaft vergleichbar ist.
Zweck:
- Bestreitung der Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrat und der Konzernvertretung (Fahrtkosten, Schulung)
- Belegschaftseigene Wohlfahrtseinrichtungen und Wohlfahrtsmaßnahmen
Eines besonderen Errichtungsaktes oder einer Konstituierung bedarf der Betriebsratsfonds nicht.
Die Eingänge aus der Betriebsratsumlage, die Zuwendungen seitens des Betriebsinhabers sowie sonstige Vermögenschaften bilden den Fonds unmittelbar.
Der Bestand eines BR-Fonds ist vom BR sofort schriftlich der zuständigen Arbeiterkammer bekannt zu geben.
Der größte Teil der Mittel des BR-Fonds kommt aus der „Betriebsratsumlage“.
Die Betriebsratsumlage darf höchstens 0,5% des Brutto-Entgelts jedes AN ausmachen und ist vom AG einzubehalten und direkt an den BR-Fonds abzuführen.
Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage kann nur die Betriebsversammlung auf Antrag des BR beschließen.

48
Q
  1. Erläutern Sie den Begriff und die Zulässigkeit von „kompensatorischen Sozialplänen“? (S. 995- 996)
A

Ein kompensatorischer Sozialplan ist eine Form der als Sozialplan bezeichneten Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs. 1 Z. 4 ArbVG.
Ein kompensatorischer Sozialplan kombiniert:
positive Maßnahmen für einen Teil der Belegschaft mit Maßnahmen zu Lasten eines anderen Belegschaftsteils oder
die Nachteile einer Betriebsänderung ausgleichende Maßnahmen für eine AN Gruppe mit Eingriffen in arbeitsrechtliche Ansprüche für diese AN Gruppe. Der Abschluss eines kompensatorischen Sozialplans mit normativer Wirkung ist für die Betriebsvereinbarungsparteien ausgeschlossen.
Beispiel:
Durch Rationalisierung reduziert sich der Personalbedarf von 30 auf 5 Arbeitnehmer.
Ein Sozialplan sieht vor, dass sämtlichen Arbeitnehmern für die nächsten zwei Jahre die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses garantiert wird, dass aber gleichzeitig das Entgelt für diesen Zeitraum bis auf die kollektivvertraglichen Ansprüche reduziert wird.
Die Betriebsvereinbarung vermag bezüglich der Entgeltkürzung auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse nicht direkt einzuwirken.
Stützt sich der Arbeitgeber auf eine derartige Vereinbarung und zahlt die überkollektivvertraglichen Entgeltteile nicht mehr aus, können die einzelnen Arbeitnehmer diese beim Gericht einklagen.
Möglich wäre aber bloß obligatorische Wirkung zwischen den Vertragsparteien.
Der Arbeitgeber würde sich also verpflichten, keinen Personalabbau vorzunehmen, und der BR sich im Gegenzug dazu verpflichten, auf die AN hinsichtlich eines solidarischen Lohnverzichts einzuwirken.
Würde die Einwirkung des BR auf die AN scheitern, würden alle wechselseitigen Bindungen wegfallen.
Ein Lohnverzicht der AN unter das kollektivvertragliche Mindestniveau ist stets unmöglich!

49
Q
  1. Eine Betriebsvereinbarung sieht für Dienstfahrten nicht die Gewährung des amtlichen Kilometergeldes sondern ein Kilometergeld in der Höhe von € 10,– pro Kilometer vor. Welcher Typus von Betriebsvereinbarung liegt hiebei vor? (S. 908 – 981)
A

Grundsätzlich sind Betriebsvereinbarungen zum Kilometergeld Betriebsvereinbarungen über eine Aufwandsentschädigung, also eine freiwillige BV im Sinne des § 97 Abs. 1 Ziffer 12 ArbVG.
Erreichen Betriebsrat und Betriebsinhaber keinen Konsens in diesen Angelegenheiten, so kann eine Regelung nicht über die Schlichtungsstelle erzwungen werden. Entsprechende Bestimmungen sehen vielfach die Kollektivverträge vor.
Jedoch ist eine Aufwandsentschädigung eine Leistung zur Abdeckung eines konkreten Aufwands des AN.
Eine überhöhte Aufwandsentschädigung ist somit keine Aufwandsentschädigung mehr, sondern Entgelt.
Für diesen höheren Teil, der Entgelt darstellt, besteht in der Regel keine Kompetenz zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, weshalb nur eine sogenannte freie Betriebsvereinbarung darüber geschlossen werden kann. Die Betriebsvereinbarung ist dann zwar nichtig, aber die Regelung kann schlüssig zum Vertragsbestandteil (§863 ABGB) werden (Vertragsschablonen-Theorie).

50
Q
  1. Welche Hauptfunktionen hat das Bundeseinigungsamt? Welche Rechtsmittel können gegen eine Entscheidung des Bundeseinigungsamtes erhoben werden? (S. 1056 – 1057)
A

Das Bundeseinigungsamt ist eine beim BMASK eingerichtete Behörde.
Es besteht derzeit aus einer Vorsitzenden, einer Stellvertreterin sowie aus der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern, die vom Bundesminister aus den gesetzlichen AG- und AN-Interessenvertretungen für fünf Jahre bestellt wurden.
Das Bundeseinigungsamt verhandelt und entscheidet in Senaten.
Hauptfunktionen des Bundeseinigungsamts:
- Mitwirkung bei Kollektivvertragsverhandlungen

- Vermittlung/ Einigungsverhandlungen bei Streitigkeiten über einen KV

- Fällung von Schiedssprüchen (wenn die Parteien Unterwerfungserklärungen abgaben)
- Zuerkennung und Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit

- Gutachten über die Auslegung eines KVs

- Erklärung von Kollektivverträgen zur Satzung

- Festsetzung von Mindestlohntarifen

- Festsetzung von Lehrlingsentschädigungen

- Führung eines Katasters über Satzungen, Mindestlohntarife, Lehrlingsentschädigungen

Rechtsmittel gegen Bundeseinigungsamt:

I. Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
II. Die Entscheidung des B-Vw-Gerichts kann dann bei VwGH oder VfGH bekämpft werden

51
Q
  1. Ist eine Mitarbeiterbeurteilung bzw ein Mitarbeiterbeurteilungssystem mitbestimmungspflichtig? (S. 945- 946)
A

Die Zustimmung des Betriebsrats bedarf die Einführung von Systemen zur Beurteilung von Arbeitnehmern des Betriebs, sofern mit diesen Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind.
Die Einführung eines Systems zur Mitarbeiterbeurteilung ist immer dann mitbestimmungspflichtig gemäß §96a Abs. 1 Z.2 (also im Sinne einer notwendigen Mitbestimmung mit Zwangsschlichtung), wenn Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind.
Unter Mitarbeiterbeurteilungssystem sind dabei alle Bewertungen von Arbeitnehmern nach bestimmten Kriterien wie Flexibilität, Zuverlässigkeit oder Risikobereitschaft zu verstehen.
Außerdem zu beachten ist aber, dass personenbezogene Daten, die automationsunterstützt ermittelt und verarbeitet werden, jedenfalls schon nach § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG mitbestimmungspflichtig sind (notwendige BV mit Zwangsschlichtung).

52
Q
  1. Besteht in Österreich ein Kampfverbot/Streikverbot im öffentlichen Dienst? Erläutern Sie hiezu auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte! (S. 1031)
A

1914 erging im Ersten Weltkrieg mit dem „Streikpatent“ ein Streikverbot für öffentlich Bedienstete, dass nicht nur die Staatsverwaltung betraf, sondern auch die Bediensteten von Staatsbetrieben.
Öffentliche Beamte, Bedienstete einer Eisenbahn, eines Schiffunternehmens oder einer staatlich gestützten Unternehmung mussten im Falle eines Streiks oder einer passiven Resistenz mit einer Arreststrafe von 6 Wochen bis zu einem Jahr rechnen.
Bereits die Geltung dieses Gesetzes war sehr umstritten (eventuell nur Geltung in Kriegszeiten).
Inzwischen ist das überholte Streikpatent durch das Bereinigungsgesetz 1999 formell aufgehoben.
Von den Strafbedingungen in diesem Gesetz wurde nie gebrauch gemacht.
In diesem Sektor ist jede Generalisierung falsch.
Es ist nicht generell an die Qualifikation als öffentlich Bedienstete anzuknüpfen, sondern daran, ob:
1. eine erhöhte Treuepflicht des Beamten besteht
2. die Staatstätigkeit inadäquat beeinträchtigt wird
Soweit die soziale Adäquanz gewahrt bleibt, sind Arbeitskampfmaßnahmen auch im öffentlichen Dienst zulässig.
Auch der EGMR geht auf Basis der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit der EMRK von einem Recht auf Kollektivverhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen aus.
In einer Leitentscheidung lehnte der EGMR 2009 mangels Rechtfertigung durch dringende gesellschaftliche Bedürfnisse eine Streikverbot für öffentliche Bedienstete (im türkischen Infrastrukturbereich) ab.

53
Q
  1. Kann eine Belegschaftsversammlung vom Betriebsinhaber oder von einem einzelnen Arbeitnehmer geklagt werden? (S. 1051- 1052)
A

Die Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, im Prozess selbstständiger Träger von Rechten und Pflichten im eigenen Namen zu sein, also die Fähigkeit, im Prozess zu klagen oder geklagt zu werden.
Problem: Belegschaftsversammlung ist selbst nicht parteifähig.
Stellvertretend für die Belegschaft käme hier der Betriebsrat als klagslegitimierte Partei in Betracht.
Besteht jedoch auch kein Betriebsrat, ist die Regelung anzuwenden,
dass eine Klage über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten mangels klagslegitimierter Person auch von einem AN gegen die zuständige kv-fähige Körperschaft der AG und von einem AG gegen die zuständige kv-fähige Körperschaft der AN erhoben werden kann.
(§ 53 Abs. 2 ASGG)
Betriebsinhaber gegen Belegschaftsversammlung:
Die Belegschaftsversammlung kann nicht vom Betriebsinhaber geklagt werden, jedoch stellvertretend die kv-fähige Körperschaft der Arbeitnehmer.
Noch problematischer:
Rechtsstreitigkeit zwischen AN und Belegschaftsversammlung
In diesem Fall entspräche eine Klage gegen die kv-fähige Körperschaft der AG überhaupt nicht der gegebenen Interessenslagen.
Lösung:
- Entweder man bejaht ausnahmsweise die Klagsfähigkeit der kv-fähigen Körperschaft der AN durch den AN
- oder man verneint die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 2 in diesem Fall

54
Q
  1. Kann ein Betriebsratsmitglied einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin beim Arbeits- und Sozialgericht vertreten, wenn der Arbeitnehmer unterkollektivvertraglich entlohnt wird? (S. 1048)
A

Zur Vertretung vor dem Arbeits- und Sozialgericht ist zwischen den jeweiligen Instanzen zu unterscheiden:
Erste Instanz: - Kein Vertretungszwang (AN kann Verfahren selbst führen)
- auch qualifizierte Person oder sonstige Person möglich

Zweite Instanz: (OLG): - Vertretungszwang durch qualifizierte Person

OGH: - Vertretungszwang durch Anwalt

Qualifizierte Person:

  • Rechtsanwalt

  • Funktionär oder Arbeitnehmer einer gesetzlichen Interessensvertretung oder einer kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigung, sofern die Befugnis hiezu durch die Interessensvertretung oder Berufsvereinigung vorlieg

Sonstige Personen:

  • Betriebsratsmitglieder (auf AN Seite)

  • AN, Prokuristen, Mitglieder eines Geschäftsführungsorgans (auf AG Seite)
  • Ein Organmitglieder (auf Seiten eines parteifähigen AN-Organs)
  • Funktionäre oder Arbeitnehmer eines im Bundesbehindertenbeirat unmittelbar oder mittelbar vertretenen Verbandes, sofern die Befugnis hiezu durch den jeweiligen Verband vorliegt
  • jede andere geeignete Person, über deren Eignung der Vorsitzende durch unanfechtbaren Beschluss entschieden hat.
55
Q
  1. Erörtern Sie die Rechtsgrundlagen für die gesetzlichen Interessenvertretungen im Arbeitsrecht! Erklären Sie in diesem Zusammenhang die Begriffe Selbstverwaltungskörper und eigener bzw übertragener Wirkungsbereich! (S. 1014 – 1020)
A

Die gesetzlichen Interessensvertretungen im Arbeitsrecht sind die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammern sowie die Berufskammern (RAK, Ärztekammer, KWT).
Es handelt sich um Selbstverwaltungskörper mit Pflichtmitgliedschaften.
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Selbstverwaltungskörper ergibt sich aus den Kompetenzartikeln der Bundesverfassung,
zur Klarstellung existiert seit 2008 auch eine ausdrückliche Ermächtigung zur Errichtung dieser Selbstverwaltungskörper im §120a B-VG.
Das Recht der Arbeiterkammern ist im Arbeiterkammergesetz 1992 normiert, das Recht der Wirtschaftskammern im Wirtschaftskammergesetz 1998.
- Begriff „Selbstverwaltungskörper“:
Selbstverwaltung liegt vor, wenn der Staat auf die Führung von Verwaltungsgeschäften in einem bestimmten Sektor verzichtet und die Besorgung dieser Aufgaben jenen Staatsbürgern (Gruppen) überlässt, die unmittelbar betroffen sind.
(Auch häufig als Autonomie bezeichnet, aber unrichtig, weil Selbstverwaltung etwas vom Staat übertragenes ist, während Autonomie originär besteht.)
Staat Aufsichtsrecht
- Eigener Wirkungsbereich:
Im eigenen Wirkungsbereich handelt der Selbstverwaltungskörper autonom. Der Staat fungiert nur als Aufsicht, insbesondere durch den zuständigen Bundesminister.
(für Arbeit & Soziales: Rudolf Hundsdorfer)
(für Wirtschaft: Reinhold Mitterlehner) - Übertragener Wirkungsbereich:
Im übertragenen Wirkungsbereich bedient sich der Staat der Organe des Selbstverwaltungskörpers zur Besorgung der staatlichen Angelegenheiten, sodass ein Instanzenzug an die Verwaltungsbehörden gegeben ist.
Die Geschäfte des ÖGB führt der Vorstand (≠ Bundesvorstand). Aktueller ÖGB Präsident ist Erich Foglar.

56
Q
  1. Kann eine Disziplinarordnung eine Entlassung als Disziplinarmaßnahme vorsehen? (S. 955)
A

Kündigungen, Entlassungen und Versetzungen als Disziplinarmaßnahmen sind problematisch, da besondere Mitwirkungsrechte des BR für diese bestehen.
Trotzdem sind z.B. Entlassungen aus Disziplinargründen möglich, dies bedeutet aber nicht, dass dadurch der Entlassungsschutz durch das Disziplinarrecht verdrängt wird.
Vielmehr unterliegen Kündigungen, Entlassungen und Versetzungen als Disziplinarmaßnahmen zusätzlich zum Disziplinarrecht dem generellen Kündigungs-, Entlassung-, und Versetzungsschutz.

57
Q
  1. Sind Provisionen eines Außendienstmitarbeiters mitbestimmungspflichtig nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG?
A

Nein, Provisionen sind leistungsbezogenen Entgelte, fallen aber nicht unter § 96 Abs. 1 Z.4 ArbVG.
Es handelt sich also nicht um eine notwendige Betriebsvereinbarung.
Provisionen fallen aber unter § 97 Abs. 1 Ziffer 16, sie sind also einer fakultativen Betriebsvereinbarung zugänglich.

58
Q
  1. Bedarf die Auswahl einer betrieblichen Vorsorgekasse nach dem BMSVG einer notwendigen, einer notwendig erzwingbaren oder einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung? (S. 976)
A

In Betrieben, in denen die Arbeitnehmer von einem Betriebsrat vertreten sind „hat“ die Auswahl der BV-Kassa gem § 9 BMSVG durch Betriebsvereinbarung zu erfolgen. Die gesetzliche Formulierung erweckt den Eindruck als könnte der Arbeitgeber eine Auswahl der BV-Kasse ohne Zustimmung des Betriebsrats im Rahmen einer Betriebsvereinbarung nicht treffen.
§ 9 BMSVG verweist aber gleichzeitig auf § 97 (1) Z1 ArbVG und lässt damit klar erkennen, dass es sich um eine Form der erzwingbaren Mitbestimmung handelt.
 Es handelt sich also ausdrücklich um einen Fall der erzwingbaren Betriebsvereinbarung.

59
Q
  1. Muss die Betriebsratswahl durch persönliche Stimmabgabe erfolgen? (S. 834)
A

Die wesentlichsten Grundsätze für die Betriebsratswahl fasst das ArbVG im § 51 zusammen. Demzufolge sind die Mitglieder des Betriebsrats auf Grund des gleichen (jede Stimme ist gleich vielwert), unmittelbaren (es wird direkt gewählt, nicht durch Zwischenmänner) und geheimen Wahlrechts zu wählen.
Grundsätzlich hat die Betriebsratswahl durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen.
Ausnahme: Wer durch Urlaub, Krankheit, Karenz, Berufsausübung, Zivildienst oder aus anderen wichtigen, seine Person betreffenden Gründen seine Stimme nicht persönlich abgeben kann, hat das Recht auf Briefwahl im Postweg.
Die Betriebsratswahl ist entweder nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts oder nach jenen des Mehrheitswahlrechts durchzuführen.  Regelfall: Verhältniswahlrecht

60
Q
  1. Erläutern Sie die Schlichtungsfälle in der österreichischen Betriebsverfassung! (S.1054- 1055)
A

In der Betriebsverfassung ist die Schlichtungsstelle berufen, in einer Reihe von Fällen über den Abschluss, die Abänderung oder Aufhebung einer Betriebsvereinbarung entscheiden, wenn Betriebsinhaber und Betriebsrat zu keiner Einigung gelangen.
- Betriebsvereinbarungen mit Zwangsschlichtung
Abschluss, Änderung oder Aufhebung einer Betriebsvereinbarung bei der

– Notwendigen Betriebsvereinbarung mit Zwangsschlichtung (§ 96a ArbVG)
– Erzwingbaren Betriebsvereinbarung (§ 97 (1) Z. 1 – 6a)
(Schlichtungsstelle)

(Wenn Schlichtung vorgesehen, sind Arbeitskampfmaßnahmen unzulässig!)

  • Einspruch gegen die Wirtschaftsführung durch den BR
    In Betrieben mit mehr als 200 AN kann der Betriebsrat im Falle von Betriebsänderungen oder anderen Maßnahmen mit wesentlichen Nachteilen für die AN Einspruch gegen die Wirtschaftsführung erheben.
(§ 111 ArbVG)
Dann kann eine von den kv-fähigen Körperschaften der AG- und AN besetzte Schlichtungskommission vermitteln und, im Falle von Unterwerfungserklärungen beider Seiten, einen Schiedsspruch fällen.
    Ein weiteres Schlichtungsverfahren wegen eines solchen Einspruchs gegen die Wirtschaftsführung ist das Verfahren vor der staatlichen Wirtschaftskommission. Diese stellt mittels Gutachten fest, ob der Einspruch des BR berechtigt ist.
  • Auswahl der BV Kasse:
    Wenn die Belegschaft nicht durch einen Betriebsrat vertreten ist, können 1/3 der AN verlangen, dass bei der Auswahl der BV-Kasse durch den AG die freiwillige AN- Interessensvertretung beigezogen wird.
Kommt keine Einigung zustande, entscheidet die Schlichtungsstelle. (§ 9 Abs. 2)
    (Ist die Belegschaft durch BR vertreten, hat die Auswahl durch eine Erzwingbare BV nach §97 (1) Z. 1b ArbVG zu erfolgen.)
61
Q
  1. Ist die Betriebsratswahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts und/oder nach jenen des Mehrheitswahlrechts durchzuführen? (S. 834)
A

Grundsätzlich ist die Betriebsratswahl nach dem Verhältniswahlrecht durchzuführen.
Dies normiert sofort der erste Satz des § 51 Abs. 2 ArbVG.
Die Betriebsratsmitglieder, die auf die einzelnen Wahlvorschläge entfallen, werden nach dem System von d’Hondt ermittelt.
Das Mehrheitswahlrecht wird im ArbVG angewandt, wenn nur ein Wahlvorschlag eingebracht wird.
Dieser muss dann die einfache Mehrheit aller abgegebenen Stimmen erlangen.
Mehrheitswahlrecht kommt auch im vereinfachten Wahlverfahren zur Anwendung, nämlich dann, wenn höchstens zwei BR-Mitglieder zu wählen sind. (§ 58 ArbVG)

62
Q
  1. Sind Betriebsvereinbarungen zu Personalfragebögen für Stellenwerber rechtsverbindlich? (S. 943)
A

Die Frage der Rechtswirkungen von Betriebsvereinbarungen auf noch nicht im Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer spricht das Problem an, ob eine Betriebsvereinbarung über ihren persönlichen Geltungsbereich hinaus auch potenzielle Arbeitnehmer normativ erfassen kann.
Von dem Wortlaut des § 96 Abs. 1 Z 2 ArbVG sind auch Einstellungsfragebögen mitumfasst, also der Mitbestimmung der Belegschaft unterworfen.
Die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen für Stellenwerber ist einseitig verpflichtend: Die BV verpflichtet den Arbeitgeber, einen mit den Persönlichkeitsrechten in Einklang stehenden Fragebogen vorzulegen.
Seine Befugnis, rechtlich gedeckte Fragebögen ausfüllen zu lassen, ist nicht nur personen-, sondern auch betriebsbezogen: Sie wird durch Zulassungsnormen legitimiert und gleichzeitig durch Verbotsnormen beschränkt.
Dies verpflichtet den Arbeitgeber, auch Einstellungswerbern nur zulässige Fragen zu stellen, da der Betriebsrat ansonsten die Beseitigung rechtswidriger Fragebögen verlangen kann.
Notwendige Betriebsvereinbarungen können auch jederzeit fristlos gekündigt werden.

63
Q
  1. Kann der Betriebsrat verlangen, dass ihm die Höhe der Gehälter von leitenden Angestellten bekanntgegeben werden? (S. 926)
A

Bei den Überwachungsrechten ist in erster Linie zwischen den allgemeinen und den besonderen Überwachungsrechten zu unterscheiden.
Generell hat der Betriebsrat ein Überwachungsrecht für die die Arbeitnehmer des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften.
Im Zuge dieses Überwachungsrecht hat er ausdrücklich auch ein Einsichtsrecht in die Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer.
Dies gilt jedoch nur für Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung, also im Sinne des § 36 ArbVG.

Leitende Angestellte, denen maßgebender Einfluss auf die Leitung des Betriebs zusteht, sind von diesem nicht erfasst, weshalb der BR keine Einsicht in deren Gehaltsaufzeichnungen verlangen kann.
Eine weitere Einschränkung ist, dass nur der für die Vertretung wirklich zuständige BR Einsicht nehmen kann.
Also zum Beispiel nicht der Angestelltenbetriebsrat in die Entgeltaufzeichnungen der Arbeiter.

64
Q
  1. Ist es zulässig, in Arbeitsverträgen Schiedsgerichtsklauseln aufzunehmen? (S. 1047 – 1048)
A

Eine Vereinbarung der Parteien, wonach ein Rechtsstreit durch eine Schiedsgericht entschieden werden soll, ist in betriebsverfassungsrechtlichen Streitfragen (nach § 50 Abs. 2 ASGG) und in Sozialrechtssachen rechtsunwirksam.
In sonstigen Arbeitsrechtssachen (§ 50 Abs. 1 ASGG) ist eine solche Vereinbarung nur für bereits entstandene Streitigkeiten wirksam.
Für künftige Streitfälle kann keine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung geschlossen werden.
Ausnahme: Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer Kapitalgesellschaft.
In allen Fällen sind allerdings die Schutzbestimmungen der ZPO zu beachten, welche die eigenhändige Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung durch den Arbeitnehmer sowie eine gesonderte Urkunde erfordern.
Darüber hinaus unterliegen Schiedssprüche der gerichtlichen Kontrolle. Bei schweren Mängeln kann der OGH den Schiedsspruch aufheben.

65
Q
  1. Unter welchen betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen kann der Betriebsinhaber eine Disziplinarmaßnahme verhängen? (S. 953- 957)
A

Allgemein hat der Betriebsrat an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken. Die konkreten Mitspracherechte des Betriebsrats im Disziplinarwesen gehen in zwei Stoßrichtungen. Einerseits wirkt der Betriebsrat maßgeblich an der Ausgestaltung der betrieblichen Disziplinarordnung mit, andererseits steht ihm ein gesondertes Mitbestimmungsrecht bei der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme im Einzelfall zu.
Disziplinarmaßnahme: Ein rechtlich zulässiger Nachteil, der einem anderen zu dem Zweck zugefügt wird, ihn für eine Verfehlung zu bestrafen und weiteren vorzubeugen.
Beispiele: Verwarnung, Verweis, Geldbuße, Entzug einer freiwillig gewährten Leistung
Fällt ein Betrieb in den Geltungsbereich der Betriebsverfassung, so ist eine Disziplinarmaßnahme nur dann zulässig, wenn sie in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Kollektivvertrag vorgesehen ist.
Es handelt sich um eine notwendige Betriebsvereinbarung gemäß § 96 Abs. 1 Z. 1 ArbVG.
Einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen AG und AN sowie Vertragsschablonen sind als Umgehung des § 96 absolut unzulässig.
1. Der Betriebsinhaber kann also nur dann eine Disziplinarmaßnahme verhängen, wenn dies in einer Disziplinarordnung geregelt ist, welche durch Kollektivvertrag oder notwendige Betriebsvereinbarung (§96) zustande gekommen ist.
2. Wenn Disziplinarordnung besteht, muss BR trotzdem im Einzelfall der Verhängung der Disziplinarmaßnahme zustimmen. (§102 ArbVG)
Auch Kündigungen, Entlassungen, Versetzungen können in der Praxis als aus Disziplinargründen erfolgen, diese unterliegen aber zusätzlich dem generellen Kündigungs-, Entlassung-, und Versetzungsschutz.

66
Q
  1. Erläutern Sie das „Sitz-Staatsprinzip“ im Zusammenhang mit der Europäischen Gesellschaft! (S. 892)
A

Gemäß § 208 ArbVG gilt das Sitzstaatsprinzip für die Bestimmungen des VI. Teils des ArbVG mit dem Titel „Beteiligung der AN in der europäischen Gesellschaft“.
Das Sitz-Staats-Prinzip“ besagt, dass die Bestimmungen des VI. Teils des ArbVG grundsätzlich nur für jene Europäischen Gesellschaften (SE) gelten, die ihren Sitz in Österreich haben.
Ausnahme:
Gewisse Regelungen, die unmittelbar an die österreichische Betriebsverfassung anknüpfen, kommen auch zur Anwendung, wenn der Sitz der SE nicht im Inland liegt (§ 209 ArbVG)
Beispiele:
Entsendung der österreichischen Mitglieder in das besondere Verhandlungsgremium oder in den SE-Betriebsrat,
Verschwiegenheitspflicht der österreichischen Betriebsratsmitglieder

67
Q
  1. Besteht im Fall eines Teilstreiks ein Entgeltfortzahlungsanspruch für jene Arbeitnehmer, die nicht streiken? (S. 1034)
A

Die streikenden Arbeitnehmer an sich haben mangels Leistungsbereitschaft keinen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts.
Arbeitnehmer, die auf Grund von anderen Streikenden („Teilstreik“) nicht arbeiten können, haben aber laut OGH (Leitentscheidung OGH 1921) einen Entgeltanspruch.
Zu hinterfragen ist aber, ob diese ernstlich arbeitsbereit sind (im Sinne des §869 ABGB).
Beweispflicht: Arbeitgeber
Generell ist davon auszugehen, dass dem AN der Plan der streikenden Gruppe und die Rechtsfragen im Zusammenhang damit nicht bekannt sein werden oder müssen.
Andererseits ist nicht von echter Arbeitsbereitschaft auszugehen, wenn bei einem wilden Streik die nun arbeitsbereiten AN am Streitbeschluss beteiligt waren.
(Der bloße Solidaritätsgedanke spricht nicht gegen einen Entgeltanspruch der arbeitsbereiten AN.)

68
Q
  1. Erläutern Sie die Bedeutung der österreichischen Sozialpartnerschaft für das Arbeitsrecht! (S. 1009)
A

Die Sozialpartnerschaft ist ein Spezifikum Österreichs, ein europäisches Vorzeigemodell.
Besonderheit der Sozialpartnerschaft ist, dass die polaren Kräfte im Wirtschafts- und Arbeitsleben zusammengefunden haben und große Aufgaben bewältigen.
Besondere Leistung der Interessensvertretung ist, dass die internen Auffassungen auf einen Nenner gebracht werden, sodass auf dieser Basis formuliert werden kann, was jede Gruppe anstrebt.
Die besondere arbeitsrechtliche Bedeutung der Sozialpartnerschaft liegt darin, dass diese Verbände – soweit ihnen Kollektivvertragsfähigkeit zukommt – Kollektivverträge abschließen und damit ein den Erfordernissen einer Branche entsprechendes besonderes Arbeitsrecht ins Leben rufen.
Im § 120a B-VG hat diese Institution auch eine verfassungsrechtliche Absicherung erhalten:
„Die Republik erkennt die Rolle der Sozialpartner ausdrücklich an.
Zudem achtet sie deren Autonomie und fördert den sozialpartnerschaftlichen Dialog.“

69
Q
  1. Fall: Der Arbeitgeber verpflichtet sich im Arbeitsvertrag, für jedes studierende Kind eines Arbeitnehmers monatlich ein Kindergeld in der Höhe von € 30,– zu bezahlen. Gleichzeitig verlangt der Arbeitgeber von den Arbeitnehmern, die dieses Kindergeld beanspruchen, die entsprechenden Daten der Kinder, insb an welcher Universität welches Studium vom Kind absolviert wird. Wäre eine solche Datenermittlung mitbestimmungspflichtig?
A

Es handelt sich (meines Erachtens nach) um eine Maßnahme der Datenermittlung iSd. § 96a Abs.1 Z.1, was eigentlich einen Fall der notwendigen Zustimmung mit Zwangsschlichtung darstellen würde.
Jedoch verlangt der AG die Daten zur Überprüfung, ob die Kinder der AN ein Studium absolvieren, weshalb von der Erfüllung seiner Pflicht aus dem Arbeitsvertrag auszugehen ist, nämlich der Leistung des Kindergelds.
Eine Umgehung des § 96a liegt hier wohl nicht vor.

70
Q
  1. Erläutern Sie die Begriffe gewerkschaftlicher Streik, wilder Streik und politischer Streik! (S. 1026)
A

Streik: organisierter, planmäßiger Entzug der Arbeitskraft durch eine Mehrzahl von AN
Gewerkschaftlicher Streik: Von der Gewerkschaft organisierter und autorisierter Streik.
Wilder Streik: Von einer Ad-hoc-Koalition, die nur zu diesem Zweck besteht, organisierter Streik.
Gewerkschaftlicher und wilder Streik unterscheiden sich durch den Organisator.
Gewerkschaftlicher und wilder Streik können beide rechtmäßig oder rechtswidrig sein, darüber entscheidet nicht die Autorisierung durch die Gewerkschaft.
Politischer Streik: Der politische Streik unterscheidet sich vom arbeitsrechtlichen Streik durch den Adressaten des Streiks.
Beim politischen Streik soll auf den Staat eingewirkt werden.
Der politische Streik wird als rechtswidrig einzustufen sein, da Arbeitskampf zwischen den Parteien des Arbeitslebens erlaubt ist.
Beim politischen Streik wird aber der Arbeitgeber bestreikt, um den Staat zu einer Maßnahme zu zwingen.

71
Q
  1. Ein Personalinformationssystem ermittelt und verarbeitet derart viele Daten der Arbeitnehmer, dass sich ein umfassendes Persönlichkeitsprofil des Arbeitnehmers erstellen lässt und damit gleichzeitig eine Kontrollmaßnahme im Sinn des § 96 ArbVG vorliegt. Welches Mitspracherecht des Betriebsrats ist zu beachten, § 96a ArbVG oder § 96 ArbVG?
A

Es ist von einem Vorrang der notwendigen Mitbestimmung auszugehen.
Wenn sich Personalinformationssysteme von bloßen Personalverwaltungssystemen zu Systemen der Leistungs- und Verhaltenskontrolle entwickeln, dann kommt nicht mehr § 96a ArbVG, sondern § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG (Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren) zur Anwendung.

72
Q
  1. Wann spricht man von Pflicht- und wann von Ermessensbefugnissen des Betriebsrates? Nennen Sie jeweils ein Beispiel! (S. 920)
A

Der Betriebsrat hat Befugnisse, zu deren Ausübung das ArbVG ihn verpflichtet, also ein rechtliches Müssen normiert, das sind die sogenannten Pflichtbefugnisse.
Beispiele:
- Der Betriebsrat hat die Einhaltung der für den Betrieb geltenden Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen zu überwachen
- Der Betriebsrat hat an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken.
Außerdem hat der Betriebsrat auch eine Reihe von Ermessensbefugnissen, also ein rechtliches Können.
Beispiele:
- Der Betriebsrat kann die Einhebung einer Betriebsratsumlage beantragen
- Der Betriebsrat kann Wohlfahrtseinrichtungen zu Gunsten der AN einrichten - Der Betriebsrat kann eine Kündigung gemäß. § 105 Abs. 3 ArbVG anfechten.
(Die übergeordneten Hauptaufgaben des Betriebsrats sind erstens die Vertretung des Gesamtinteresses der Belegschaft und zweitens auch die Vornahme eines Interessensausgleich zwischen der Belegschaft und dem Betriebsinhaber.)

73
Q
  1. Wer kann in welcher Form gegen eine unzulässige Kontrolleinrichtung des Arbeitgebers Maßnahmen setzen? (S. 952- 953)
A

Arbeitnehmer haben das Recht, eine unzulässige Maßnahme zu boykottieren, insoweit das möglich ist.

Weigern sie sich individuell, die Kontrollmaßnahmen zu akzeptieren, laufen sie jedoch Gefahr, entlassen zu werden.
Auch ein individuelles Vorgehen mittels Beseitigungs- bzw. Unterlassungsklage durch einen AN wäre möglich.
Ein individuelles Vorgehen durch einen Arbeitnehmer ist aber keinesfalls ratsam, da sich die Unzulässigkeit der Maßnahme erst im Verfahren ergibt und der Arbeitnehmer im schlimmsten Fall eine Entlassung riskiert.
Weitaus günstiger ist die Rechtsdurchsetzung auf kollektiver Ebene: VwGH & VfGH:
Der BR kann einen Beseitigungsanspruch bezüglich einer unzulässigen, aber errichteten Kontrollanlage, geltend machen.
Außerdem kann er gegen eine unzulässige, erst geplante Kontrollmaßnahme eine Klage auf Unterlassung einbringen.

74
Q
  1. Erläutern Sie den verfassungsrechtlichen und den arbeitsrechtlichen Ordnungsrahmen für Streiks in Österreich! (S. 1021 – 1024)
A

Verfassungsrechtliche Grundlage:
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (STGG, EMRK)
ABER: Koalitionsrecht ≠ Arbeitskampfrecht Unionsrecht:
- EU-Grundrechtecharta:
AN- und AG Organisationen haben das Recht, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen und bei Interessenskonflikten kollektive Maßnahmen inklusive Streiks zu ergreifen.
- EuGH: Grundrecht auf kollektive Maßnahmen wie Streik, aber Grenzen (Unionsrecht, nationales Recht, gute Sitten)
Problematisch, weil Friedenspflicht der Sozialpartner extensiv interpretiert.
Österreichisches Arbeitsrecht:
1870: Duldung des Arbeitskampfes durch Koalitionsgesetz 1870.
Gleichzeitig nimmt das Koalitionsgesetz aber Arbeitskampfmaßnahmen die Rechtswirksamkeit
neutrale Haltung des Staates
(Die Erzwingung der Teilnahme am Arbeitskampf wäre inadäquat, Arbeitskampfmaßnahmen basieren auf Solidarität.)
Arbeitsmarkförderungsgesetz: Vermittlung von AN in einen bestreikten Betrieb sowie Vermittlung von streikenden AN ist
AÜG / AuslBG:
unzulässig.
Ratio: Verhinderung der Vereitelung des Kampfziels des Gegners durch gezielte Vermittlung.
Ebenso ist Arbeitskräfteüberlassung in einen bestreikten Betrieb verboten.
Für einen solchen darf auch keine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden.
Arbeitslosengeld: Wenn Arbeitslosigkeit die Folge eines Streiks ist,
besteht mangels Arbeitswilligkeit kein Arbeitslosengeld-Anspruch. Bei einer Offensivaussperrung ist ein solcher hingegen gegeben.

75
Q
  1. Wann beginnt die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates? Wie lange ist der Betriebsrat „im Amt“? (S. 851 – 858)
A

Grundsätzlich ist zwischen der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats und der Tätigkeitsdauer der Betriebsratsmitglieder zu unterscheiden.
Zur Tätigkeitsdauer des Betriebsrats:
Tätigkeitsdauer: 4 Jahre
Tätigkeitsbeginn:
- Konstituierung

- Außer: Konstituierung vor Funktionsdauerende des früheren BR, dann Funktionsbeginn des bereits konstituierten BR mit Ende der Funktionsperiode des früheren BR.

Besondere Auflösungstatbestände (Vorzeitiges Ende der Tätigkeitsdauer):

  • Dauernde Betriebseinstellung

  • Dauernde Funktionsunfähigkeit des BR (Mitgliederzahl sinkt unter die Hälfte)
  • Enthebung des Betriebsrats durch Belegschaftsversammlung

  • Rücktritt des BR durch Mehrheit aller BR Mitglieder

  • Ungültigkeit der BR Wahl (erfolgreiche Anfechtung)

  • Gerichtliche Entscheidung über die Beendigung der Gleichstellung einer Arbeitsstätte

Ausnahmsweise Fortsetzung über 4 Jahr hinaus:

  • Ungültigkeitserklärung einer neuen BR Wahl (höchstens 3 Monate)

  • Verlängerung der Partei- und Prozessfähigkeit (bis zur Konstituierung des neuen BR)
  • Verselbstständigung eines Betriebsteils (bis dort ein neuer BR gewählt wird)

  • Zusammenschluss zweier Betriebe (beide Betriebsräte bilden für höchstens ein Jahr einen einheitlichen BR)

Zur Tätigkeitsdauer des BR – Mitglied:
Beginn: Die BR-Mitgliedschaft beginnt mit der Annahme der Wahl
(die spätere Konstituierung begründet bloß die Handlungsfähigkeit des Kollegiums)
Ende:
- Ende der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats

- Rücktritt

- Ausscheiden aus dem Betrieb (Ende oder Auflösung des Dienstverhältnisses, Wechsel in anderen Betrieb)

- Enthebung durch eine AN-Gruppe wegen Verlusts der Gruppenzugehörigkeit
- Verlust der Wählbarkeit

- Unterlassung der Konstituierung binnen 12 Wochen

76
Q
  1. Fall: Der Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer eines Betriebes sieht eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden/Woche vor. Kann durch Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit auf 38h verkürzt werden und mit der Betriebsvereinbarung damit auch eine Entgeltreduktion vorgesehen werden? (S. 982)
A

Das Ausmaß der Arbeitszeit kann nur sehr, sehr beschränkt durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden.
Über eine vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit kann aber sehr wohl eine fakultative Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs.1 Ziffer 13 ArbVG geschlossen werden.
Strittig ist, ob mit einer solchen BV auch ausnahmsweise absolut zwingende Wirkung einhergehen kann und somit, ob auch Entgeltreduktion vorgesehen werden könnte.
Es gibt sowohl bejahende als auch verneinende Stellungnahmen in der Lehre.
Auszugehen ist wohl davon, dass eine Arbeitszeitverkürzung mit Entgeltreduktion nur dann durch eine Betriebsvereinbarung möglich sein wird, wenn es sich um eine Notstandsmaßnahme handelt, die Personalabbau verhindern soll.