Diebstahl - Regelbeispiele und Qualifikationen Flashcards
Regelbeispiele, § 243 StGB - Deliktsnatur und Schema
Besonders schwere Fälle des § 243 I 2 Nr. 1-7 StGB
Nr. 1: “Einbruchsdiebstahl”
Nr. 2: “Überwindung einer Schutzvorrichtung”
Nr. 3: “Gewerbsmäßiger Diebstahl”
Nr. 4: “Kirchendiebstahl”
Nr. 5: “Kunstdiebstahl”
Nr. 6: “Ausnutzung einer Sondersituation”
Nr. 7: “Diebstahl von Waffen”
Nr. 1 bis 6 (-), wenn sich Tat auf die geringerwertige Sache bezieht
Deliktsnatur
keine Qualifikation, sondern eine bloße Strafzumessungsvorschrift
-> daher nach der Schuld zu prüfen; dennoch muss auch hier eine obj. und eine subj. Prüfung vorgenommen werden
BEACHTE: ein besonders schwerer Fall kann auch angenommen werden, wenn keines der aufgezählten Beispiele erfüllt ist (sog. “unbenannter” schwerer Fall iSd. § 243 I 1 StGB)
- erfordert sodann aber besondere Begründung
* Vergleichbarkeit des Unrechts- und Schuldgehalts
* Ausnahmsweise doch keine verbotene Analogie
- umgedreht kann besonders schwerer Fall auch abgelehnt werden, obwohl einer der aufgezählten Beispielsfälle vorliegt
* Vorliegen eines Beispielfalls, hat aber eine besondere Indizwirkung
* auch hier besondere Begründung für Abweichen von der Regel erforderlich
Aufbauschema
I. TB
II. Rewi
III. Schuld
IV. Strafzumessung
1. Regelbeispiele, § 243 I 2 Nr. 1-7 StGB
2. Vorsatz bzgl. …
a) §§ 15, 16 I 1 StGB analog
b) § 243 II StGB
§ 243 I 2 Nr. 1 StGB
Nr. 1: “Einbruchsdiebstahl”
a) Tatobjekt “umschlossener Raum”
= jedes abgegrenzte, unbewegliche oder bewegliche Raumgebilde, welches zumindest auch zum Betreten von Menschen bestimmt ist
Bsp.: Gebäude, Dienst- oder Geschäftsraum
es kann auch der Raum als solcher gestohlen werden, z.B. Auto
b) Tathandlung: “Einbrechen”
= gewaltsames Öffnen einer dem Zutritt entgegenstehenden Umschließung durch Schaffung eines Zugangs oder einer Zugangsmöglichkeit von außen mittels einer gewissen Kraftentfaltung
b) Tathandlung: “Einsteigen”
= hineingelangen in eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgem. Eintritt nicht bestimmte Öffnung
b) Tathandlung: “Eindringen mittels falschem Schlüssel”
= Schlüssel, der zum Zeitpunkt der Tat vom Berechtigten nicht (mehr) zur Öffnung des Verschlusses bestimmt ist
- entscheidend: Widmung durch den Berechtigten
§ 243 I 2 Nr. 2 StGB
Nr. 2: “Überwindung einer Schutzvorrichtung”
a) Tatobjekt “verschlossenes Behältnis”
= ein zur Aufnahme von Sachen dienendes umschlossenes Raumgebilde, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden
Bsp.: Koffer, Schrank, Truhe, Kiste, …
a) Tatobjekt “andere Schutzvorrichtung”
= jede durch Menschenhand geschaffene Einrichtung, die ihrer Art nach dazu geeignet und bestimmt ist, die Wegnahme einer Sache erheblich zu Beschwerden
Bsp.: Fahrradschlösser
Zweck:
- sie muss gerade eine besondere Sicherung gegen Wegnahme darstellen, was z.B. bei bloßen Transportsicherungen ausscheidet
- umstritten ist, ob eine rein physisch wirkende Schutzvorrichtung (Alarmanlage, Sicherungsetikett) ausreicht
§ 243 I 2 Nr. 3 StGB
Nr. 3: “Gewerbsmäßiger Diebstahl”
Gewerbsmäßigkeit
= Absicht, sich aus der wiederholten Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von gewisser (auch begrenzter) Dauer und einigem Umfang zu verschaffen
§ 243 I 2 Nr. 4 StGB
Nr. 4: “Kirchendiebstahl”
Kirchendiebstahl
= Diebstahl von Sachen, die unmittelbar dem Gottesdienst gewidmet sind oder die unmittelbar der religiösen Verehrung dienen
§ 243 I 2 Nr. 5 StGB
Nr. 5: “Kunstdiebstahl”
Kunstdiebstahl
= Diebstahl von bedeutenden Kunstschätzen etc., die allgemein zugänglich oder öffentlich ausgestellt sind
§ 243 I 2 Nr. 6 StGB
Nr. 6: “Ausnutzung einer Sondersituation”
Ausnutzung einer Sondersituation
= der Täter muss eine durch eine Hilflosigkeit (individuell) oder gemeine Not etc. entstandene Eigentumslockerung zur leichteren Durchführung der Tat ausnutzen
Hilflosigkeit
= liegt vor, wenn das Opfer sich nicht aus eigener Kraft gegen die rechtsgutsbezogenen Gefahren schützen kann (körperliche Einschränkungen, aber Alter z.B. ist nicht ausreichend)
Unglücksfall
= ist ein plötzliches Ereignis mit erheblichen Gefahren für Personen oder Sachen
§ 243 I 2 Nr. 7 StGB
Nr. 7: “Diebstahl von Waffen”
Diebstahl von Waffen
WICHTIG:
= NICHT Diebstahl mit Waffen, dieser ist in § 244 I Nr. 1 StGB geregelt
= Diebstahl von Waffen
d.h., dass nur ein Diebstahl von nicht sofort funktionstüchtigen Waffen in Betracht kommt
-> mit einem Diebstahl funktionsfähiger Waffen ist § 244 I Nr. 1 StGB erfüllt
Spezialprobleme zu § 243 StGB
a) Geringwertigkeit
b)Versuch eines Regelbeispiels
c) Spezialkonstellation 1 und 2
a) Geringwertigkeit
§ 243 I 2 Nr. 1-6 StGB scheiden aus, wenn sich die Tat auf eine “geringwertige Sache” bezieht
(derzeit ca. 30€)
b) Versuch eines Regelbeispiels
Beispiel: A möchte im Hause des B etwas entwenden. Sie versucht, das offen gelassene Fenster auszuhebeln, indem sie sich halb hindurchgeht. Es gelingt ihr nicht und sie zieht von dannen.
4 denkbare Ansichten
e.A.: einen Versuch eines besonders schweren Falles des Diebstahls gibt es nicht
-> es ist nicht möglich, zu einer Strafzumessungsregel anzusetzen
-> ein Versuch kann nur zu einem TB möglich sein
a.A.: ein Versuch ist möglich, aber nur, wenn das Regelbeispiel selbst bereits verwirklicht ist
-> der Versuch kann mit der Regelbeispielstechnik ein besonders schwerer Fall sein; dafür muss aber das Regelbeispiel vollendet sein
h.M.: ein Versuch ist möglich, aber nur, wenn zur Verwirklichung des Regelbeispiels unmittelbar angesetzt wurde
-> die Regelbeispiele sind tb-ähnlich; deshalb muss ein Versuch eines Regelbeispiels möglich sein
a.A.: ein Versuch ist möglich; ausreichend ist das unmittelbare Ansetzen zum Diebstahl, die Verwirklichung des Regelbeispiels muss nur geplant sein
-> da der Versuch und das Regelbeispiel als ein Ganzes zu sehen sind, reicht es für den Versuch des Regelbeispiels, wenn die Verwirklichung nur geplant war
c) Spezialkonstellation 1
liegt ein vollendeter Diebstahl vor und wurde dabei ein Regelbeispiel des § 243 StGB lediglich versucht, so ist ausschließlich nach § 242 StGB zu verurteilen
-> einen vollendeten Diebstahl in einem versuchten besonders schweren Fall gibt es nicht
c) Spezialkonstellation 2
bei einem Vorsatzwechsel von Geld zu Schmuck (z.B.) liegt ein vollendeter Diebstahl vor
- besondere Probleme ergeben sich bei der Anwendung des § 243 StGB, wenn der Vorsatz sich zunächst auf eine nicht geringwertige und dann geringwertige Sache bezieht
BGH: Gesamtbetrachtung des Vorsatzes
Qualifikationen
§§ 244, 244a StGB
Norm und Deliktsnatur
§ 244 StGB - Vergehen
§ 244a StGB - Verbrechen
–> beides echte Qualifikationen
§ 244 I Nr. 1 StGB
Diebstahl mit Waffen
§ 244 I Nr. 1 lit. a) StGB
Gefährliches Werkzeug
Waffe
= Gegenstand, der nach der Art seiner Anfertigung geeignet und schon hiernach oder nach allg. Verkehrsanschauung dazu bestimmt ist, durch seinen üblichen Gebrauch Menschen durch seine mechanische oder chemische Wirkung körperlich zu verletzen (=Waffe im technischen Sinn)
Gefährliches Werkzeug
= jeder Gegenstand, der als Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach seiner obj. Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen
- Def. des gefährlichen Werkzeugs bei der Körperverletzung setzt die Verwendung im Einzelfall voraus, derer es hier gerade nicht bedarf “bei sich führen”
Einschränkung erforderlich
da jede Person im Regelfall etwas bei sich trägt, das auch als gefährliches Werkzeug genutzt werden könnte
Subjektivierende Auffassungen
ein Werkzeug ist nur dann gefährlich, wenn Täter den Willen zum Einsatz des mitgeführten Gegenstands hatte
Kritik:
- auch der Wille, das Werkzeug notfalls einzusetzen, begründet den Einsatzvorsatz und dann ist Nr. 1 lit. b) einschlägig
Objektivierende Auffassungen (1)
es sind nur solche Gegenstände gefährlich, die typischerweise bzw. erfahrungsgemäß verletzungsgeeignet sind
Kritik: sichere Abgrenzung lässt diese Auffassung nicht zu
Objektivierende Auffassungen (2)
es sind nur solche Werkzeuge gefährlich, die im Gesamtkontext nur als Gewaltmittel einsetzbar sind
Kritik: das widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, weil auch das Mit-sich-Führen eines Tapetenmessers ausreichend sein soll
Objektivierende Auffassungen (3)
ein Werkzeug ist nur dann gefährlich, wenn es nicht zweckentfremdet werden muss
Kritik: damit hätte diese Alternative fast keinen Anwendungsbereich mehr, weil Gegenstände zum Zwecke der Verletzung bereits unter den Begriff der Waffe fallen
§ 244 I Nr. 1 lit. b)
(sonstiges) Werkzeug oder Mittel
= jeder Gegenstand, der sich zwar zur Anwendung von Gewalt oder Drohung eignet, der aber (nach ihrer obj. Beschaffenheit oder der Art ihrer geplanten Verwendung) nicht geeignet sind, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen
Bei-sich-Führen
= dem Täter muss der Gegenstand bei der Tatbegehung zur Verfügung stehen, d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befinden, dass er sich ihm jederzeit, d.h. ohne nennenswerten Zeitaufwand oder besonderer Schwierigkeiten bedienen kann
BEACHTE:
“bei der Tatbegehung” meint zu irgendeinem Zeitpunkt zw. dem Versuchsbeginn und der Vollendung (a.M.: der Beendigung) der Tat;
ausreichend ist es, dass der Gegenstand Tatbeute ist
Sonderproblem: “Berufsmäßiger” Waffenträger
h.M.:
auch dieser macht sich wegen § 244 I Nr. 1a StGB strafbar, wenn er beim Diebstahl die Dienstwaffe trägt
a.A.: teleologische Reduktion
§ 244 I Nr. 2 StGB
Bandendiebstahl
Bande
= eine auf ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung beruhende Verbindung mehrerer Personen, die auf eine gewisse Dauer geschlossen wurde und die auf künftige Begehung mehrerer selbstständiger im einzelnen noch ungewisser Taten gerichtet ist
BEACHTE:
im Gegensatz zur kriminellen Vereinigung des § 129 StGB ist allerdings keine feste Organisationsstruktur erforderlich; die Verbindung muss jedoch über die Planung einer Einzeltat oder der Ausnutzung einer bestimmten Gelegenheit oder über den nur ganz kurzfristigen Zusammenschluss hinausgehen
Anzahl von Personen
BGH heute = Zusammenschluss von mind. 3 Personen
BGH früher = 2 Personen ausreichend
Unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds
= nicht mehr erforderlich, dass mehrere Bandenmitglieder am Tatort zusammenwirken; es reicht aus, wenn z.B. der Bandenchef im Hintergrund agiert
(dabei kann die eigentliche Wegnahme sogar durch den einen Täter erfolgen, der nicht der Bande angehört)
MERKE: 3-2-1-0-Formel
3 müssen sich zusammengeschlossen haben,
2 müssen bei der Tat zusammenwirken,
1 muss die Tat als Täter begehen,
0 müssen am Tatort zugegen sein.
§ 244 I Nr. 3 StGB
Wohnungseinbruchsdiebstahl
Beachte:
im wesentlichen ist die Prüfung der TBM des § 244 I Nr. 3 identisch mit derjenigen des § 243 I 2 Nr. 1 StGB
einziger Unterschied: es muss sich beim Tatobjekt um eine “Wohnung” handeln
Wohnung
weiter Wohnungsbegriff:
= Räumlichkeiten, deren Hauptzweck darin besteht, Menschen zur ständigen Benutzung zu dienen, ohne dass sie in erster Linie Arbeitsräume sind
enger Wohnungsbegriff:
= Räumlichkeit, die als Mittelpunkt des privaten Lebens, Selbstentfaltung, Entspannung und vertrauliche Kommunikation gewährleistet
§ 244 IV StGB
Privatwohnungseinbruchsdiebstahl
geschützte Tatobjekte
Wohnungen und Einfamilienhäuser und die dazu gehörigen Wohnbereiche wie Nebenräume, Keller, Treppen, Wasch- und Trockenräume
§ 244a I StGB
Schwerer Bandendiebstahl
besteht aus Kombination aus:
1. Bandendiebstahl iSd. § 244 I Nr. 2 StGB
+
2. Hinzutreten muss wahlweise
- Regelbeispiel des § 243 I 2 StGB (nicht: die unbenannten Fälle des § 243 I 1 StGB!)
- Qualifikation des § 244 I Nr. 1 StGB: Diebstahl mit Waffen
- Qualifikation des § 244 I Nr. 3 StGB: Wohnungseinbruchsdiebstahl