Allgemeine Chirurgie Flashcards

1
Q

OP-Dringlichkeit und Zeitfenster

A

Notfall-Indikation
Zeitfenster: Minuten,
Beispiele: Rupturiertes Bauchaortenaneurysma, Notfallmäßige Sectio caesarea.
Vorbereitung: Minimaldiagnostik.

Dringliche Operation:
Zeitfenster: Stunden,
Beispiele: Abszess, offene Fraktur.
Vorbereitung: Stabilisierende minimale Vorbereitungen.

Frühelektive Operation:
Zeitfenster: Tage,
Beispiel: Cholezystitis, Sigmadivertikulitis.
Vorbereitung möglich.

Elektive Operation:
Zeitfenster: Wochen bis Monate,
Beispiele: Knie-TEP, asymptomatische Leistenhernie,
Vorbereitung:
Planbar mit Terminwunsch,
prästationäre Vorstellung >24 h präoperativ.

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2
Q

Einschätzen des perioperativen Risikos

A

ASA-Klassifikation (ASA = American Society of Anesthesiologists)

ASA 1: Gesunder Patient ohne Vorerkrankungen, Nichtraucher, kein oder minimaler Alkoholkonsum.

ASA 2: Leichte Allgemeinerkrankung ohne wesentliche Leistungseinschränkung (Raucher, Schwangere, Adipositas I-II).

ASA 3: Moderate bis schwere Allgemeinerkrankung mit Leistungseinschränkung (Diabetes, KHK, Herzschrittmacher, Adipositas >III).

ASA 4: Schwere Allgemeinerkrankung, die eine konstante Bedrohung für das Leben des Patienten darstellt (Sepsis, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt vor 3 Monaten).

ASA 5: Moribunder Patient, der ohne Operation voraussichtlich nicht überleben wird (rupturiertes Bauchaortenaneurysma, Polytrauma).

ASA 6: Hirntoter Patient, Organspender.

E: Optionaler Zusatzfaktor bei Notfalloperationen („emergency operation“)

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3
Q

Prästationäre Vorstellung (Ambulanz)

A

Erstkontakt in Ambulanz:
Anamnese, körperliche Untersuchung, Dokumantation.
Anordnung erforderlicher präoperativer Diagnostik und Laboruntersuchungen,
Festlegung der Dringlichkeit des operativen Eingriffs.

Prämedikationsambulanz:
Vormedikation, Gewicht, Alter, Größe, Erfahrung mit Anästhetika in der Vergangenheit etc.
Vorerkrankungen, Allergien.
Einschätzen des perioperativen Risikos (ASA).

Einschätzen des kardialen Risikos:
Vorerkrankungen des Patienten werden gegenüber dem kardialen Risiko von operativen Eingriffen eingeschätzt.
Kardiale Risikofaktoren des Patienten nach Lee,
pulmonales Risiko der Patienten,
Einschätzen des neurologischen Risikos,
Einschätzen des Aspirationsrisikos.

Präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen:
EKG:
Indikation: Mind. 1 kardialer Risikofaktor nach Lee und geplanter Eingriff mit mittlerem bis hohem kardialen Risiko ODER Patient mit kardialen Symptomen ODER Patient mit kardiologischem Device ODER bei dringlichen Eingriffen und unvollständiger Anamnese.

Röntgen-Thorax:
Klare Indikation: Neu aufgetretene oder verschlechterte pulmonale Symptome ODER
anästhesierelevante Befunde.

Erweiterte kardiovaskuläre Diagnostik:
Echokardiografie, kardiale Belastungstests (Belastungs-EKG, Stress-Echo mit Dobutamingabe), Koronarangiographie und ggf. Revaskularisierung, Karotis-Duplex-Sonographie.

Erweiterte pulmonale Diagnostik:
Pulsoxymetrie, arterielle Blutgasanalyse, Lungenfunktionsdiagnostik (Spirometrie, Ergospirometrie,
Ganzkörperplethysmographie).

Präoperative Laboruntersuchungen.

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4
Q

Präoperative Anordnungen - Medikamentenmanagement

A

Allgemeine Anordnungen:
Präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen.

Änderungen der Vormedikation: Gabe pausieren:
Orale Antidiabetika: Gefahr der Hypoglykämie da nüchtern!
Metformin (48h vor und nach OP),
Sulfonylharnstoffe (mind. am OP-Tag, wenn nicht Abend zuvor),
SGLT2-Inhibitoren (48h vor OP, Ketoazidose), Langzeitinsuline (nur nach Insulin-Korrekturschema), Lithium (pausieren: Bei größeren Eingriffen mit hohem Risiko eines akuten Nierenversagens und/oder Elektrolytstörungen, i.d.R. erfolgt eine Pausierung 72 h vor dem Eingriff), Diuretika (am OP-Tag).
Alle anderen Medikmente wie blutdrucksenkende Mittel etc: Abwägung der Konsequenzen des Absetzens!

Medikamentöse Beruhigung (medikamentöse Prämedikation) wenn nötig am Abend zuvor Gabe eines mittellang wirksamen Benzodiazepins wie z.B. Lormetazepam, circa 30–60 min vor OP: Gabe eines kurzwirksamen Benzodiazepins, i.d.R. Midazolam.

Präoperative Optimierung:
Ausgleich von Volumenmangel (z.B. parenterale Volumensubstitution),
Ausgleich von Elektrolytstörungen und Eisenmangel,
Verbesserung der Herz-Kreislauf-Situation,
Verbesserung der pulmonalen Situation,
Bereitstellung von Blutprodukten,
einzuhaltende präoperative Nüchternzeiten.

Präoperative Gerinnungsdiagnostik:
Gerinnungsanamnese:
Blutungsanamnese und Thromboseanamnese,
Vorerkrankungen und aktuelle Medikamente,
Allergien/Unverträglichkeiten/Adverse Reaktionen,
Familienanamnese.

Mithilfe einer standardisierten Blutungsanamnese können alle Patienten mit klinisch relevanter Blutungsneigung identifiziert werden!

  • > Weitere Diagnostik: Körperliche Untersuchung auf Petechien, Hämatome, Gerinnungsdiagnostik im Labor + Leberwerte, BB etc.
  • > DOACS nicht absetzen, kein Bridging, nur wenn größeres Risiko besteht 48-24h vorher absetzen.
  • > Cumarine nur vor großen OPs absetzen (4-7 Tage zuvor, abhängig nach INR), Bridging erwägen falls abgesetzt.
  • > Heparine falls notwendig 2 d vorher absetzen.
  • > ASS idR nur bei hirnchirurgischen OPs absetzen.
  • Clopidogrel etc. nur bei großen Operationen mit hohem Blutungsrisiko absetzen.
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5
Q

Aufklärung vor OP

A

Chirurgische Aufklärung:
Indikation:
Erklären der Notwendigkeit der geplanten chirurgischen Maßnahme und Aufzeigen möglicher Alternativen.
Erläuterung des Nutzens der Operation für den Patient.
Erläuterung der Folgen und Risiken einer Nichtbehandlung.

Zeitpunkt:
Kleinere, ambulante Eingriffe: Aufklärung am selben Tag möglich.
Eingriffe mit stationärem Aufenthalt: Spätestens am Vortag (≥24 h) vor dem operativen Eingriff; ausgenommen Notfalloperationen.

Anästhesiologische Aufklärung:
Setting:
I.d.R. in der Prämedikationsambulanz.
Alternativ in der Notaufnahme oder auf Station (auf keinen Fall im OP oder Einleitungsraum!).

Zeitpunkt:
Bis spätestens am Abend vor der Operation.

Ausnahmen:
Kleinere ambulante Eingriffe bei gesunden Patienten (ASA I oder II): Aufklärung direkt vor der Operation möglich,
Notfall.

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6
Q

Unmittelbar perioperatives Management

A

Präoperative Nüchternzeiten:
Ziel: Minimierung des Aspirationsrisikos!
Nüchternzeiten:
Feste Nahrung: Bis 6 h vor OP sowie
„Trübe“ Flüssigkeiten, bspw. Milch
Trinkjoghurt, Smoothies.
Klare Flüssigkeit: Bis 2 h vor OP (Wasser, Tee ohne Zucker, Kaffee ohne Milch und Zucker).
Rauchen: Frühstmögliche Nikotinkarenz, max. bis 6 h vor OP.

Sonstige Vorbereitungen:
Markierung des OP-Gebiets: Bspw. Stoma anzeichnen bei geplanter Stomaanlage.
Bei viszeralchirurgischen Eingriffen: Abführende Maßnahmen nach Maßgabe des Operateurs.
Enthaarung des OP-Gebiets: Möglichst mit einer Haarschneidemaschine.

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7
Q

Ablauf im OP

A

Übernahme des Patienten durch das OP-Personal, Checkliste OP-Schleuse: Patient wird zu Identität, Eingriff, Allergien etc. befragt.

Umlagerung auf den OP-Tisch +
Anästhesiologische Vorbereitung (Einleitungsraum).

Vorbereitungen im Operationssaal umfasst:
Hygienische Maßnahmen +
Saalvorbereitung +
Lagerung des Patienten +
Desinfektion und Abdecken des Operationsgebiets.

Perioperative Antibiotikaprophylaxe:
Ziel: Vermeidung perioperativer Wundinfektion.
Durchführung: Aufgabe des Anästhesisten!
Zeitpunkt: 30–60 min vor Hautschnitt, ggf. erneute Gabe bei hohem Blutverlust >1 L oder langer Operationsdauer.
Anwendung: Intravenöse Single-Shot-Gabe.

Team Time Out (vor Hautschnitt):
Vorstellung des Teams, Checkliste des Patienten, Bericht des Operateurs, Bericht des Anästhesisten, Bericht der OP-Pflege.

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8
Q

Postoperatives Management

A

Management im Aufwachraum [53]
Überwachung (Viralparameter, Blutung etc.) + Schmerztherapie.

Behandlung von postoperativen Komplikationen im Aufwachraum,
Dokumentation,
postoperative Flüssigkeitsgabe:
Orale Flüssigkeitsgabe schluckweise bei ausreichender Vigilanz oder
parenterale Volumenersatztherapie bei Hypovolämie oder fehlender Vigilanz.
Verlegungskriterien prüfen (Vigilanz, Atmung etc.).
Übergabe aus dem Aufwachraum (Art der OP, Art der Narkose etc).

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9
Q

Postoperatives Management auf der Station

A

Aufnahme:
Durchsicht intraoperativer Befunde:
OP-Bericht, Narkoseprotokoll, spezifische postoperative Anforderungen und notwendige Untersuchungen.
Untersuchung: Erste ärztliche Visite postoperativ auf Station.

Neuverordnung postoperativer Medikation:
Postoperative medikamentöse Thromboseprophylaxe:
Bspw. mit niedermolekularen oder unfraktionierten Heparin +
postoperative Schmerztherapie auf Station.

Nicht vergessen:
Ulkusprophylaxe!
Indikation: Insb. bei kritisch kranken Intensivpatienten oder bei erhöhtem Risiko für eine gastroduodenale Ulkusblutung, z.B. durch postoperative Schmerztherapie mit NSAR.
Medikation: Protonenpumpeninhibitoren.

Postoperative Flüssigkeitsgabe und oraler Kostaufbau:
Flüssigkeitszufuhr:
Neutrale Flüssigkeitsbilanz anstreben,
Patienten frühzeitig zum Trinken motivieren,
bei problemlosem Trinken parenterale Volumentherapie nur bei medizinischer Indikation erneut beginnen.

Kostaufbau:
Frühzeitige enterale Ernährung anstreben,
bei viszeralchirurgischen Eingriffen: Schonender Kostaufbau,
parenterale Ernährung: Wenn keine orale Ernährung absehbar ist.

Weiteres:
Mobilisation unter physiotherapeutischer Anleitung: Frühzeitiger Beginn!
Atemtherapie: Verbesserung der Ventilation und Prävention von Atemwegsinfektionen!
Stuhlregulierende Maßnahmen zur Prävention postoperativer Darmmotilitätsstörungen: Bspw. bei Opioidgabe, längerer Bettlägerigkeit oder viszeralchirurgischen Maßnahmen.

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10
Q

Nosokomiale Infektionen

A

MRSA: MRSA ist durch Bildung eines modifizierten Penicillin-Bindeproteins (PBP) gegen nahezu alle Beta-Laktam-Antibiotika resistent.
Resistent gegen: Nahezu alle β-Laktam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine (Ausnahme Ceftarolin!) und Carbapeneme).
Weitere potentielle Resistenzen: Aminoglykoside, Makrolide, Lincosamide, Chinolone.
WAS HILFT? Vancomycin, Linezolid, alt. Daptomycin.

Dekolonisation („Sanierung“): Indiziert bei jedem MRSA-Träger im Krankenhaus (Patienten und Personal).
Nasale Besiedlung: Mupirocin-Salbe (bakteriostatisch).
Oropharyngeale Besiedlung: Mundspülung und Gurgeln mit Schleimhautantiseptika, Chlorhexidin, Triclosan und weitere (z.B. Chlorhexamed forte®, Octenidol® oder Prontoral®).
Hautbesiedlung: Ganzkörperwaschungen der intakten Haut und der Haare mit antiseptischen Waschlösungen empfohlen.
Keine bundesweite Meldepflicht für MRSA im Allgemeinen. Amtliche Meldepflicht für bestimmte Situationen -> Kohortenaufkommen.

Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE):
Resistent gegen: Vancomycin. Aminoglykoside, Chinolone
Tetrazykline, Makrolide.
WAS HILFT? Linezolid.

ESBL-Keime:
ESBL: Extended Spectrum β-Laktamase bezeichnet eine Betalaktamase mit erweitertem Spektrum, dadurch Inaktivierung von Penicillinen, Cephalosporinen und in Einzelfällen auch Carbapenemen.
Resistent gegen: Definitionsgemäß: Penicilline und Cephalosporine.
WAS HILFT? Carbapeneme.

Pseudomonas aeruginosa:
Resistent gegen: Die meisten Penicilline, Cephalosporine der 1., 2. und 3(a). Generation, Makrolide.
WAS HILFT? Wildtyp: Piperacillin, Cephalosporine der Generation 3b (Ceftazidim), Carbapeneme, Ciprofloxacin, Aminoglykoside.
Bei 3-MRGN: Carbapeneme.

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11
Q

Die vier Leitsubstanzen - 3/4-MRGN

A
  1. Acylureidopenicilline (Leitsubstanz Piperacillin),
  2. Cephalosporine der Generationen 3 und 4 (Leitsubstanzen Cefotaxim und/oder Ceftazidim),
  3. Fluorchinolone (Leitsubstanz Ciprofloxacin),
  4. Carbapeneme (Leitsubstanzen Meropenem und/oder Imipenem).

Beta-Laktamasen und Carbapenemasen: Die betroffenen Antibiotikaklassen werden enzymatisch abgebaut.

ESBL: Extended Spectrum β-Laktamase bezeichnet eine Betalaktamase mit erweitertem Spektrum, dadurch Inaktivierung von Penicillinen, Cephalosporinen und in Einzelfällen auch Carbapenemen.

Therapie:
Bei 3-MRGN:
Carbapeneme: Imipenem oder Meropenem bzw.
Einsatz eines geeigneten Wirkstoffes aus der verbliebenen wirksamen Antibiotikaklasse.

Bei 4-MRGN:
Tigecyclin (Wirkungslücke Pseudomonas und Proteus) oder Colistin.

Gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind 4-MRGN bundesweit meldepflichtig. Für 3-MRGN besteht im Allgemeinen keine bundesweite Meldepflicht. Es gibt jedoch je nach Bundesland eine amtliche Meldepflicht für bestimmte Situationen.

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12
Q

Nosokomiale Infektionen - Top 3

A

Wundinfektion:
Epidemiologie: Häufigste nosokomiale Infektion.
Erregerspektrum: Häufigste Erreger sind S. aureus, S. epidermidis und Pseudomonas aeruginosa, polymikrobielle Mischinfektionen sind möglich.
Bei Abdominalchirurgie: Vermehrt Erreger der Darmflora, z.B. E. coli, Enterococcus spp., Bacteroides fragilis.

Nosokomiale Harnwegsinfektion:
Epidemiologie: Zweithäufigste nosokomiale Infektion.
Häufigster Erreger: Escherichia coli.
Weitere Erreger: Klebsiellen, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa, Proteus mirabilis.
Ätiologische Faktoren: Ca. 90% der nosokomialen Harnwegsinfektionen sind mit einem Blasenkatheter assoziiert.

Nosokomiale Pneumonie:
Epidemiologie: Dritthäufigste nosokomiale Infektion.
Definition: Pneumonie, die frühestens 48 h nach Hospitalisierung auftritt.
Die Einteilung in frühe (early-onset, ≤96 h nach Aufnahme) und späte (late-onset, >96 h nach Aufnahme) HAP wird in den aktuellen Leitlinien zunehmend in Frage gestellt, sinnvoller erscheint die Einteilung nach Patienten mit und ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger (MRE).

Komplikation:
Mögliche Folge jeder nosokomialen Infektion, insb. bei kritisch Kranken!
Typische Auslöser in medizinischen Einrichtungen:
Multiresistente Erreger: Nosokomial erworbene Pneumonien, Harnwegsinfektionen und Wundinfektionen.

Staphylococcus epidermidis und weitere koagulase-negative Staphylokokken: Häufigste Erreger der Katheter-assoziierten Sepsis bei Venenverweilkanülen.

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13
Q

Sepsis

A

Sepsis: Lebensbedrohliche Organdysfunktion infolge einer dysregulierten Immunantwort auf eine mutmaßliche Infektion.

Kriterien der Organdysfunktion: Definiert als Anstieg des SOFA-Score um ≥ 2 Punkte.

Maximalform: Septischer Schock!
Sepsis mit Erforderlichkeit einer Katecholamintherapie bei Hypotonie (MAP <65 mmHg) trotz adäquater Volumengabe und Serum-Laktat >2 mmol/L.

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14
Q

OUTDATED

A

SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome):
Systemische inflammatorische Reaktion des Körpers, die mit Veränderungen der Körpertemperatur, Herzfrequenz, Atemfrequenz und des Blutbildes einhergeht – keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Sepsis!

Körpertemperatur: ≥38 °C oder ≤36 °C,
Herzfrequenz: ≥90/min,
Atemfrequenz (Leitsymptom des SIRS): ≥20/min ODER
Hyperventilation bestätigt durch BGA-Analyse:
Hypokapnie (pCO2 ≤33 mmHg).
Blutbild: Leukozyten >12.000/μL ODER <4.000/μL
ODER >10% unreife neutrophile Granulozyten im Differentialblutbild.

SIRS-Trigger: In diesen Fällen kann eine systemische Entzündungsreaktion auch ohne die Einwirkung von Krankheitserregern ausgelöst werden:
Traumata, Polytraumata, schwere Operationen, Verbrennungen.

Schwere Erkrankungen: Akute Pankreatitis, Ischämien und Hypoxien (bspw. auch Reanimationssituationen), Addison-Krise, Lungenembolie.

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15
Q

Klassifikation der Sepsis

A
SOFA-Kriterien: Sequential Organ Failure Assessment.
Bewertet die Organfunktion:
Lungenfunktion (PaO2/FiO2),
Nierenfunktion (Kreatinin mg/dl),
Leberfunktion (Bilirubin mg/dl),
Kreislauffunktion (mittlerer arterieller Druck),
Blutbild (Thrombozytenabfall),
ZNS (Glasgow-Coma-Scale).

Positiver SOFA:
Anstieg ≥ 2 Punkte spricht für eine Organdysfunktion (bspw. bei Sepsis).

qSOFA-Score (Vereinfachte Sepsis-Kriterien):
Prinzip: Vereinfachter SOFA-Score mit drei Parametern für den präklinischen Einsatz bzw. die Beurteilung von Patienten auf Normalstationen.

Kriterien: Jeweils 1 Punkt pro zutreffendem Kriterium aus der folgenden Gruppe:
Atemfrequenz: ≥ 22/min,
systolischer Blutdruck: < 100 mmHg,
ZNS: Vigilanzminderung bzw. veränderter mentaler Status.

Aussagekraft: Bei Zutreffen von mind. zwei Kriterien wird eine septische Organdysfunktion bzw. eine schlechte Prognose wahrscheinlicher.

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16
Q

Pathophysiologie der Sepsis

A

Pathophysiologie der Sepsis:
Auslöser der Sepsis: I.d.R. Bakterien, selten auch Pilze, Viren oder Parasiten.
Immunantwort: Erregerbestandteile (z.B. Lipopolysaccharide bzw. Endotoxine, Exotoxine, DNA), die als „Pathogen Associated Molecular Patterns“ (PAMP) bezeichnet werden, lösen eine Immunantwort des Körpers aus → Aktivierung spezifischer Rezeptoren des Immunsystems, insb. Toll-like-Rezeptoren → Freisetzung proinflammatorischer Zytokine wie IL-1 (Interleukin-1) und TNF-α (Tumornekrosefaktor-α) → kaskadenartige Aktivierung weiterer proinflammatorischer Signalwege (Komplementsystem, Zytokine wie IL-6, IL-12, IL-15 und MIF) → systemische Wirkung dieser proinflammatorischen Aktivierung führt zu systemischen Schäden auch an „fokusfernen“ Organen.

Effekte der Immunantwort: Es resultieren insb. Störungen der Endothelzellfunktion und der Blutgerinnung:

  • > Endothelzellfunktion und Kapillarleck: Generalisierte Endothelaktivierung → Vasodilatation durch Freisetzung von NO → Untergang von Endothelzellen → Kapillarleck mit Verlust der Barrierefunktion → Austritt von Flüssigkeit und anderen Blutbestandteilen (Albumin!) aus dem Blutgefäßsystem → generalisierte und sich weiter verstärkende Ödembildung.
  • > Blutgerinnung: Gerinnungsaktivierung durch vermehrte Bildung von Gewebefaktor („Tissue Factor“) auf Endothelzellen und Monozyten → vermehrte Thrombinbildung → Störungen des Protein-C-Protein-S-Systems → Mikrothrombosierung und Störung der Fibrinolyse → in der Summe überwiegen prokoagulatorische Tendenzen → Gefahr einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, Verbrauchskoagulopathie).
17
Q

Sepsis - Diagnostik

A

Die Diagnostik der Sepsis fußt auf drei Säulen:
1. Mikrobiologische Diagnostik zur Sicherung eines Erregers, ggf. auch auf einen Fokus weisend.

  1. Fokussuche mit ggf. Durchführung spezifischer bildgebender Diagnostik.
  2. Labordiagnostik zur Erfassung des Status von Organfunktionen und Bestimmung der Entzündungszeichen.

Labordiagnostik:
Laktat: Marker für Organdysfunktion infolge einer gestörten Mikrozirkulation bei Sepsis!
Kleines Blutbild:
Anämie möglich,
Leukozytose oder Leukopenie → SIRS-Kriterium!
Thrombozytopenie → frühzeitiger Hinweis auf einen septischen Schock!
Procalcitonin: Erhöhung gilt als Hinweis für eine systemische bakterielle Infektion, derzeit spezifischster Marker für eine bakterielle Sepsis!
CRP,
Parameter einer Verbrauchskoagulopathie,
Antithrombin III↓.
Im Verlauf: D-Dimere↑

Ausblick: Weitere Sepsismarker:
Interleukin-6 (IL-6): Insb. in der Neonatologie zunehmend verbreitet, im Vergleich zum PCT schnellerer Anstieg und Abfall (im Minutenbereich), jedoch weniger Spezifität.

18
Q

Sepsis - Therapie

A

Für das Überleben der Patienten ist die adäquate Therapie innerhalb der ersten Stunde entscheidend! In vielen Kliniken ist diese entscheidende Therapiephase in Form von Sepsis Bundles standardisiert.

Checkliste Sepsis: 1-Hour-Bundle (Update SSC 2018):

  1. Laktat messen, wiederholt kontrollieren bis Laktat <2 mmol/L.
  2. Blutkulturdiagnostik vor der antibiotischen Therapie.
  3. Kalkulierte Antibiotikatherapie (“Hit hard and early”).
  4. Rasche Volumensubstitution (kristalloide Infusion, 30 mL/kgKG).
  5. Katecholamine wenn unter bzw. nach Flüssigkeitssubstitution MAP <65 mmHg.

Kalkulierte Antibiotikatherapie:
Frühzeitige Gabe eines Breitspektrumantibiotikums innerhalb der ersten Stunde nach der Diagnose Sepsis/septischer Schock ist entscheidend, möglichst unter Beachtung des (wahrscheinlichen) Fokus!

Eingesetzte Substanzen:
Häufig: Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim bzw. Carbapeneme.
Bei Verdacht auf MRSA-Infektion: Linezolid oder Vancomycin.
Eskalation der antimikrobiellen Therapie bei klinischer oder laborchemischer Notwendigkeit.

Therapiedauer:
Je nach Klinik, i.d.R. max. 7–10 Tage.
Reevaluation der antibiotischen Therapie: Alle 48–72 h anhand klinischer und diagnostischer Parameter.
Nachweis eines Erregers: Deeskalation und Umstellung auf gezielte Antibiotikatherapie.

Volumenmangel:
Bei der Sepsis liegt sowohl absolut als auch relativ ein Volumenmangel vor.
Initiale Volumensubstitution: Kristalloide balancierte Lösungen.

Kreislaufwirksame Substanzen:
Noradrenalin: Vasopressor der Wahl bei fortbestehender Kreislaufinsuffizienz trotz Volumengabe (a1-Rezeptor-Agonist).
Dobutamin: Katecholamin der Wahl bei eingeschränkter kardialer Pumpfunktion (b1-Rezeptor-Agonist: positiv chonotrop, inotrop, bathmotrop und dromotrop).

Gabe von Erythrozytenkonzentraten: Hb ≤7 g/dL, außer bei Vorliegen individueller Faktoren die eine Transfusionen anderweitig erforderlich machen.
Angestrebter Hb-Wert: 7,0–9,0 g/dL.

Fokussanierung!

Weitere Maßnahmen:
Sauerstoffgabe: Bei unzureichender Sauerstoffsättigung sollte eine Sauerstoffgabe per Nasensonde bzw. Maske erfolgen (Zielbereich SpO2 >90 %).

Blutzucker-Management: Eine engmaschige, insulingesteuerte Einstellung des Blutzuckerspiegels führt auch bei Nicht-Diabetikern zur Verkürzung der Liegedauer auf der Intensivstation.

Thromboseprophylaxe: Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe septischer Patienten (NMH oder unfraktioniertes Heparin) wird empfohlen.

Stressulkusprophylaxe: Septische Patienten sollen eine Stressulkusprophylaxe mit H2-Blockern (z.B. Ranitidin) oder einem Protonenpumpenhemmer (z.B. Pantoprazol) erhalten.

Ernährung: Innerhalb von 48 Std. nach Diagnose eines septischen Schocks kann eine vorsichtige (etwa 500 kcal/Tag) orale oder enterale (via Magensonde) Ernährung begonnen werden.

Nierenersatzverfahren: Möglichst Bevorzugung kontinuierlicher Nierenersatzverfahren bei septischem Nierenversagen.

Glucocorticoide: Umstritten – die Gabe von Hydrocortison ist lediglich bei Patienten im therapierefraktären septischen Schock empfohlen (trotz Volumengabe und hochdosierter Katecholamingabe).

19
Q

Sepsis - Komplikationen

A

Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP):
Definition: Häufige Erkrankung ungeklärter Ursache bei beatmeten Intensivpatienten (bspw. mit Sepsis oder Multiorganversagen), bei der es zu einer axonalen Schädigung vorwiegend der motorischen Neuronen kommt.

Klinik:
Distal betonte, symmetrische Muskelschwäche der Extremitäten bis hin zur ausgeprägten Tetraparese.

Das Zwerchfell kann in schweren Fällen mitbetroffen sein, was sich klinisch in einer verlängerten Entwöhnung von der Beatmung zeigt.

Strumpf- bzw. handschuhförmige Sensibilitätsstörungen sind möglich, können jedoch auch komplett fehlen.

Diagnostik:
Muskeleigenreflexe abgeschwächt oder fehlend
Elektroneurographie (ENG): Normale Leitungsgeschwindigkeit, Amplitudenreduktion der motorischen und sensiblen Potentiale.
Elektromyographie (EMG): Spontanaktivität (Fibrillationen etc.).

Therapie:
Keine Therapie bekannt.

20
Q

Acute Respiratory Distress Syndrome

A

Horovitz-Quotient:
Berechnung: Verhältnis von PaO2 zu FiO2,
physiologische Werte: 350–500 mmHg,
pathologische Werte: Durch Absinken des PaO2 und/oder Anheben des FiO2.

Schweregrad:
Mildes ARDS: PaO2/FiO2 = 201–300 mmHg bei PEEP ≥5 cm H2O.
Moderates ARDS: PaO2/FiO2 = 101–200 mmHg bei PEEP ≥5 cm H2O.
Schweres ARDS: PaO2/FiO2≤100 mmHg bei PEEP ≥5 cm H2O.

Ursachen können sein:
Pulmonale Auslöser (direkte Ursachen) wie Lungenembolie etc. oder indrirekte, systemische Auslöser wie Sepsis, Polytrauma, metabolische Entgleisung etc.

21
Q

Acute Respiratory Distress Syndrome - Pathophysiologie und Klinik

A

Krankheitsverlauf in drei Phasen:

  1. Exsudative inflammatorische Phase Tag 1-7,
  2. Proliferative Phase ab Tag 3,
  3. Fibrotische Phase ab Tag 7.

Inflammation mit Aktivierung von Granulozyten ->
Störung der alveolo-kapillären Permeabilität. Folge: Hypoxämie, nicht-kardiales Lungenödem. ->
Verminderung des Surfactant. Folge: Alveolarkollaps, Atelektasen. ->
Pulmonalarterielle Druckerhöhung. Folge: Rechtsherzbelastung. ->
Intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt. Folge: Hypoxämie. ->
Inflammation. Folge: Verstärkung der inflammatorischen Prozesse, Organversagen (Niere, Leber).
» Circulus vitiosus!

Symptome/Klinik:
Klinisches Stadium 1:
12–24 h nach auslösendem Ereignis: Subjektiv beginnende Luftnot → tiefe, schnelle Atmung, Unruhe, Tachykardie.

Klinisches Stadium 2:
Innerhalb der ersten 7 Tage: Zunehmende Erschöpfung durch vermehrte Atemarbeit, Zyanose, ausgeprägte Luftnot, feinblasige Rasselgeräusche.

Klinisches Stadium 3:
Etwa nach 7 Tagen: Zunehmende alveoläre Totraumventilation („Baby Lung“).
Maschinelle Beatmung erforderlich.

Blutgasanalyse:
Frühphase: Respiratorische Partialinsuffizienz:
PaO2↓ (Hypoxämie),
PaCO2↓ und respiratorische Alkalose, 
PaO2/FiO2 ≤300 mmHg. 

Spätphase: Schwere respiratorische Globalinsuffizienz:
PaO2↓↓ (sauerstoffrefraktäre Hypoxämie),
PaCO2↑,
PaO2/FiO2 ≤200 mmHg.

22
Q

Acute Respiratory Distress Syndrome - Diagnostik

A

Blurgasanalysen + Klinik,
Röntgen-Thorax (am Anfang Infiltrate, später weiße Lunge),
Echokardiografie (Ausschluss kardiale Genese des Ödems),
Pulmonalarteriendruck und Wedge-Druck (kardiales Lungenödem vs. ARDS),
Bestimmung des extravaskulären Lungenwassers (EVLW): Definition: Flüssigkeit im Interstitium oder Alveolarraum,
Methode: Ermittlung mittels Pulskonturanalyse und transpulmonaler Thermodilution. Nutzung als Verlaufsparameter.

23
Q

Acute Respiratory Distress Syndrome - Therapie

A

Kausale Therapie:
Primär kausale Therapie der auslösenden Ursache beheben.

Wahl des Beatmungsverfahrens:
Mildes ARDS: NIV erwägen.

Moderates/schweres ARDS: Primär invasive Beatmung.
Beatmungsmodus: Je nach Schwere des ARDS und möglicher Mitarbeit des Patienten:
Assistierte Beatmung,
kontrollierte Beatmung.

Grundeinstellung des Beatmungsgerätes: BIPAP (Beatmungsmöglichkeiten von assistierter Spontanatmung bis hin zur vollständig kontrollierten Beatmung):

Grundprinzip: Lungenprotektive Beatmung!
Kleine Atemhubvolumina, begrenzte Spitzendrücke,
„Adäquater“ PEEP.

Ziel: Vermeidung/Begrenzung beatmungsbedingter Lungenschäden.

Kleine Atemhubvolumina und ein begrenzter Spitzendruck sind Grundlage einer lungenprotektiven Beatmung! Um die erlaubten Atemhubvolumina nicht zu überschreiten, sind oft hohe Atemfrequenzen erforderlich.

Weitere Maßnahmen:
Oberkörperhochlagerung: ≥30°,
Bauchlagerung: Umlagerung um 180° (Synonym: „Prone Position“) (Umlagerung in die Bauchlage -> Verminderung des intraabdominellen Drucks und Zunahme der Compliance der Lunge).

Voraussetzung für eine restriktive Volumentherapie ist ein mittlerer arterieller Blutdruck >60 mmHg ohne Therapie mit Vasopressoren!

24
Q

Extrakorporale Unterstützungssysteme

A

Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO): Ersatz der Lungenfunktion durch O2/CO2-Austausch an einer künstlichen Membranlunge.

Veno-venöse ECMO (vvECMO):
Entnahme: Aus V. femoralis oder V. jugularis interna.
Rückfluss: In V. jugularis interna oder V. femoralis.

Veno-arterielle ECMO (vaECMO):
Entnahme: Aus V. femoralis.
Rückfluss: In A. femoralis oder A. subclavia.

Extrakorporaler Life Support (ECLS): Künstliche Aufrechterhaltung der Blutzirkulation zur Unterstützung des Gasaustausches und des Herzzeitvolumens bei Versagen von Lunge, Herz oder beidem.
Entnahme: Aus V. femoralis, V. subclavia oder rechtem Vorhof.
Rückfluss: In Aorta, A. femoralis oder A. subclavia.

Pumpenlose extrakorporale Lungenunterstützung (pECLA): Arterio-venöser Shunt mit zwischengeschalteter Gasaustauschmembran ohne Pumpe. Der Fluss über die Membran wird dabei ausschließlich durch die arterio-venöse Druckdifferenz generiert und setzt somit ein normales Herzzeitvolumen voraus.

25
Q

Wundbehandlung - Nahtmanagement

A

6–8-Stundenregel: Verletzungen, die älter als 6–8 h sind, sollten aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos nicht primär verschlossen werden!

Phasen der Wundheilung und Narbenbildung:
Exsudative Phase (Entzündung und Resorption): Tag 1–4.
Proliferative Phase (Granulation): Tag 2–16.
Reparative Phase (Epithelialisierung): Tag 5–25.

Primärnaht:
Indikation: Saubere, glatt begrenzte und adaptierbare Wunden.

Verzögerte Primärnaht bzw. Sekundärnaht.
Indikation: Als Option bei hoher Infektionsgefahr!

Verzögerte Primärnaht: Primär offene Wundbehandlung, Adaptation der Wundränder 2–7 Tage nach der Verletzung vor Ausbildung von Granulationsgewebe.

Sekundärnaht: Primär offen, Adaptation der Wundränder nach frühestens 8 Tagen bei Ausbildung von Granulationsgewebe am Wundgrund.

Offene Wundversorgung:
Indikation: Bei schmutzigen, infizierten, zerfetzten oder fremdkörperhaltigen Wunden sowie bei Biss- oder kontaminierten Stichverletzungen.

Besonderheit:
Vakuumtherapie (V.A.C.®-Therapie):
Definition: Sonderform des feuchten Wundverbandes mit luftdichter Abdeckung der Wundfläche und Anlage eines Unterdrucks.
Entfernung entzündlicher Wundsekrete und Abdichtung der Wunde mittels Folie → Entstehen eines keimarmen und feuchten Milieus.
Vakuum als Wachstumsreiz → Bildung von Granulationsgewebe und Förderung der Gefäßeinsprossung → Adaption der Wundränder und Reduktion der Wundtiefe.

26
Q

Plastische Hautdeckung

A

Spalthauttransplantation:
Transplantat: Epidermis und oberer Anteil (¼–¾) der Dermis (unter Belassen der Hautanhangsgebilde).
Indikation:
Größere Defekte bei Verbrennungen, Wundheilungsstörungen oder chronischen Wunden in mechanisch weniger beanspruchten Bereichen.
Voraussetzung:
Sauberer, gut perfundierter Wundgrund (Nährstoffversorgung des Transplantats erfolgt über Diffusion).

Vollhauttransplantation:
Transplantat: Epidermis und Dermis (unter Mitnahme der Hautanhangsgebilde).
Indikation:
Defekte in mechanisch beanspruchten (bspw. Hände) und kosmetisch relevanten Bereichen (bspw. Gesicht).
Voraussetzung:
Sauberer, gut perfundierter Wundgrund (Nährstoffversorgung des Transplantats erfolgt über Diffusion).

Lappenplastik:
Transplantat: Hauttransplantat, muskulokutanes Transplantat, Fettgewebstransplantat etc.
Indikation:
Tiefe Defekte, freiliegende funktionelle Strukturen (bspw. Nerven, Gefäße, Knochen oder Sehnen), schlechte Vaskularisierung des Wundgrundes, kann auch bei infiziertem Gewebe erfolgen.

Unterscheidung nach Gefäßanschluss:
Gestielte Lappenplastik: Die Lappenplastik bleibt entweder temporär oder dauerhaft über einen Gefäßstiel mit der Entnahmeregion verbunden.
Freie Lappenplastik: Mikrochirurgisch angeschlossene Lappenplastik.

27
Q

Vorgehen bei Nadelstichverletzung (NSV)

A

Sofortmaßnahmen:
Verletzung mit offener Wunde:
Wunde für mind. 1 min bluten lassen,
spreizen von Stichkanal/Schnittverletzung, ggf. Reinigen der Wunde mit Wasser und Seife, anschließend intensive Desinfektion.

Generell:
Unverzügliche Vorstellung beim zuständigen Arzt zur infektiologischen Beratung.
Bei Arbeitsunfall zusätzlich BG-ärztliche Vorstellung und Erstellen eines Berichts durch den D-Arzt.

Blutentnahme:
Beim Verletzten: Anti-HCV, Anti-HIV 1+2, Anti-HBs und Anti-HBc.
Bei der Indexperson: Anti-HCV, Anti-HIV 1+2, HBsAg.

Weitere Maßnahmen und Nachsorge:
Postexpositionsprophylaxe bei begründetem Verdachtsfall.
Weitere Betreuung durch Betriebsarzt und Blutentnahmen i.d.R. nach 6 Wochen, 3 und 6 Monaten (Anti-HIV, Anti-HCV und ggf. HBV).

Dreier-Regel: 30%-iges Risiko für Hepatitis B, 3%-iges Risiko für Hepatitis C und 0,3%-iges Risiko für HIV.

28
Q

Dekubitus

A

Lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, i.d.R. über knöchernen Vorsprüngen, an sog. Druckstellen.

Pathophysiologie:
Entstehung ischämischer Nekrosen durch lokale Minderperfusion durch:
Druck: Einfacher Aufliegedruck bzw. Druck in Kombination mit Scherkräften oder erhöhter Gewebedruck durch Ödeme.
Zeit: Einwirkungsdauer des Druckes auf das Gewebe
Verminderte Toleranz gegenüber Druckeinwirkung: Risikofaktoren.

Stadieneinteilung des Dekubitus nach European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) und National Pressure Ulcer Advisory Panel (NPUAP) 2009:
Grad I: Nicht-wegdrückbare Rötung bei intakter Haut.
Grad II: Teilverlust der Haut bis in die Dermis, die als flaches Ulcus mit einem roten/rosafarbenen Wundbett ohne Beläge in Erscheinung tritt.
Grad III: Zerstörung aller Hautschichten, so dass subkutanes Fett sichtbar sein kann, jedoch keine Knochen, Muskeln oder Sehnen.
Grad IV: Vollständiger Gewebeverlust mit freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln. Belag und Schorf können vorliegen.

Therapie:
Bei gefährdeten Patienten regelmäßiger Lagewechsel im 2-stündigen Intervall nach folgendem Rhythmus: Rückenlage → 30 ° rechte Seitenlage → Rückenlage → 30 ° linke Seitenlage.
Wechseldruckmatratze, Hautpflege, Optimierung der Ernährung.

Stadiengerechte Therapie:
Grad I: Absolute Druckentlastung bis zur vollständigen Abheilung.
Grad II: Primär konservatives Wundmanagement mittels Wundauflagen.
Grad III und IV: Primär operative Therapie, ggf. mit plastischer Deckung: Wundkonditionierung, Wundverschluss.

29
Q

Phlegmone

A

Phlegmone: Tiefe, bis zur Faszie oder Muskulatur reichende, diffuse, nicht-abszedierende, eitrige Infektion (chirurgische Versorgung i.d.R. notwendig).

Meist Staphylococcus aureus und/oder hämolysierende Streptokokken der Gruppe A.

Klinik:
Unscharf begrenzte, teigige, flächige, progredient dolente Rötung und Überwärmung mit Ödem.
Bei der Phlegmone zusätzlich: Eiter.
Ggf. Ulkus oder Wunde im Sinne einer Eintrittspforte.
Keine oder geringe Allgemeinsymptome bei der begrenzten Phlegmone, ausgeprägte Allgemeinsymptome bei der Phlegmone.

Tharapie:
Begrenzte Phlegmone: Systemische Antibiotikatherapie:
Leichte bis mittelschwere Infektion: Clindamycin i.v..
Mittelschwere bis schwere Infektion bzw. Lokalisation im Hand- oder Gesichtsbereich: Isoxazolyl-Penicillin, z.B. Flucloxacillin i.v. und ggf. chirurgische Sanierung.

30
Q

Empyem

A

Empyem: Eiteransammlung innerhalb eines schon bestehenden Hohlraums (bspw. Pleuraempyem, Gelenkempyem, Gallenblasenempyem).

Pathogenese:
Bakterielle Infektion → hämatogene, lymphogene oder direkte Aussaat (z.B. als Komplikation einer Pleuritis, Pneumonie oder iatrogen nach z.B. Thorakotomie, Pleurapunktion oder Arthroskopie).

Therapie:
Antibiotikum + Drainage oder Ausräumung des Empyems.

31
Q

Nekrotisierende Weichteilinfektionen

A

Nekrotisierende Weichteilinfektionen:
Nekrotisierende, tiefe Weichteilinfektion bis unter die Faszie mit fulminantem, lebensbedrohlichem Verlauf (innerhalb von Stunden) und dringender chirurgischer Interventionsnotwendigkeit.

Erreger: β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A bei nekrotisierender Fasziitis.
Oftmals Mischinfektion (Anaerobier, gramnegative Bakterien, Staphylococcus aureus, Clostridien).

Pathogenese:
Toxin-vermittelte Mikrothromben mit Minderperfusion und Hypoxie → Nekrose.

Klinik der nekrotisierenden Weichteilinfektionen:
Akuter Verlauf:
Ödem, insb. mit initial teigiger Schwellung und Rötung bei ausgeprägten Schmerzen (Hyperästhesie!).
Ggf. bereits initial ausgeprägte harte Nekrosen palpabel (insb. bei der nekrotisierenden Fasziitis).
Im Verlauf livide Verfärbung, schnell fortschreitende, ausgedehnte Nekrose der Subkutis mit Zerstörung von Faszien und Muskulatur.
Krepitationen (Hautknistern) bei Berührung möglich (bei Beteiligung von Anaerobiern).
Fieber, Schüttelfrost, Bild einer Sepsis!
Gefahr der Verbrauchskoagulopathie,
Schock und Multiorganversagen möglich
Prädilektionsstellen: Extremitäten, Gesicht, Genitale (Fournier-Gangrän).

Therapie:
Allgemeine Maßnahmen:
Immer intensivmedizinische Betreuung!
Volumentherapie wie bei Sepsis.

Radikales chirurgisches Débridement (schnellstmöglich).
Systemische Antibiotikatherapie nekrotisierender Weichteilinfektionen (sofort), bei nachgewisenem Erreger -> spezifische Antibiotika.

Bei der antibiotischen Therapie nekrotisierender Weichteilinfektionen ist Clindamycin ein bevorzugter Kombinationspartner – neben einer antibakteriellen Wirksamkeit hemmt es auch die Toxinproduktion der bakteriellen Erreger!

32
Q

Erysipel

A

Das Erysipel beschreibt im deutschen Sprachraum eine bakterielle, meist durch Streptokokken hervorgerufene Infektion der Haut, die sich typischerweise als eine scharf abgegrenzte Rötung mit Allgemeinsymptomen wie Fieber und Leukozytose zeigt.

Meist β-hämolysierende Streptokokken, selten S. aureus oder Klebsiellen -> Verbreitung erfolgt über die Lymphgefäße.

Therapie:
Physikalische Maßnahmen: Ruhigstellung und Hochlagerung der Extremität, Kühlung.

Antibiotische Therapie bei Erysipel: 1. Wahl: Penicilline (insb. bei Streptokokkennachweis), bei Allergie Makrolide oder Clindamycin.

Komplikationen:
Rezidiv, Lymphödem, Thrombophlebitis, nekrotisierende Fasziitis.