9/12 (Deliktsrecht I: § 823 I BGB ohne sonstige Rechte) Flashcards

1
Q

P: Rechtswidrigkeit bei § 823: Lehre vom Erfolgsunrecht vs. Lehre vom Handlungsunrecht

A
  • eA: Lehre vom Erfolgsunrecht: Verursachung der Rechtsgutsverletzung indiziert Rechtswidrigkeit
    pro: sonst müsste Geschädigter Rechtswidrigkeit beweisen
    pro: TBM “widerrechtlich” bringt nur zum Ausdruck, dass eine Rechtfertigung prinzipiell möglich ist
  • > Ausnahme: nicht anwendbar bei Rahmenrechten (positive Feststellung der RW nötig)
  • aA: Lehre vom Handungsunrecht: Bezugspunkt ist die Handlung, deren RW positiv festgestellt werden muss
  • wohl hM: Differenzierend
  • bei positiven und unmittelbaren Verletzungshandlungen: Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert Rechtswidrigkeit
  • bei mittelbaren Verletzungshandlungen und Unterlassen (sowie Rahmenrechten): Lehre vom Handlungsunrecht erfordert positive Feststellung der Rechtswidrigkeit (Verletzung von Pflichten)
    [idR bei Unterlassungsdelikten (auch Fahrlässigkeitsdelikten) erfolgt die Prüfung einer Pflichtverletzung bereits im TB, sodass in diesen Fällen auch die RW indiziert ist bzw. die entsprechende Prüfung schon vorgenommen wurde]
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2
Q

P: Abgrenzung der Verkehrspflichtverletzung von der Fahrlässigkeit (§ 276 II)

A
  • eA (mM): Verkehrspflichtverletzung ist mit der Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt identisch -> automatischer Fahrlässigkeitsvorwurf
    con: Prüfung auf Schuldebene weitgehend bedeutungslos
  • aA (hM): diff: Verkehrspflichten nach engeren Maßstäben zu definieren:
  • > äußere Sorgfalt: welche Vorkehrungen erscheinen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (ex post) geboten, um Rechtsgutsverletzungen zu vermeiden (objektive Abgrenzung von Verantwortungssphären)
  • > innere Sorgfalt (-> Fahrlässigkeit): Frage, ob ein durchschnittlicher Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises diese objektiv gebotenen Anforderungen im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (ex ante) hätte erkennen und erfüllen können (Schuld)
    con: fraglich ist, ob innere und äußere Sorgfalt überhaupt auseinanderfallen können (bzw. sollten)
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3
Q

Rechtfertigung - allgemeine Gründe

A
  • §§ 227ff.: Notwehr, Notstand, Selbsthilfe
  • Sonderfälle des Selbsthilferechts: § 562b, ggf iVm § 581 II oder § 704
  • §§ 859, 860, 910, 962
  • Angriffsnotstand: § 904
  • berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag
  • §§ 32, 34, 193 (Wahrnehmung berechtigter Interessen) StGB, 127 StPO
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4
Q

Rechtfertigung - Einwilligung

A
  • Disponibilität des Rechtsguts ((-) bei eigenem Leben, aber beachte: Weigerung der lebensverlängernden Maßnahmen)
  • Einwilligungsfähigkeit
  • > aber: § 228 StGB
  • > mutmaßliche Einwilligung
  • speziell: Einwilligung bei ärztlicher Behandlung: § 630d (wohl auch im Deliktsrecht zu beachten, arg. Einheit der Rechtsordnung)
  • Handeln auf eigene Gefahr s. “Dogmatische Einordnung: Handeln auf eigene Gefahr”
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5
Q

Bezugspunkt des Verschuldens bei § 823 I

A
  1. Verletzungshandlung
  2. Verletzungserfolg
  3. Haftungsbegründende Kausalität
  4. Rechtswidrigkeit
    - > Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (“Vorsatztheorie” im Zivilrecht)
  • > haftungsausfüllende Kausalität mitsamt dem Schaden muss nicht vom Verschulden erfasst sein
  • > Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität nach dem Verschulden, obwohl sie an sich zum Tatbestand des § 823 I gehört
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6
Q

Einsicht (§ 828 III)

A

hM: die abstrakte Fähigkeit, die Gefährlichkeit des infrage stehenden Verhaltens und die Verantwortlichkeit für die Folgen des eigenen Tuns zu erkennen
-> Steuerungsfähigkeit, anders als im Strafrecht, wird nicht vorausgesetzt

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7
Q

Anwendungsbereich des § 828 II

A
  • teleologische Reduktion, wenn sich im Unfall keine
    typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat
    -> BGH: Entwicklungsdefizite von Kindern im fließenden Verkehr häufiger; in Ausnahmefällen aber auch Privilegierung im ruhenden Verkehr
    => keine strikte Unterscheidung nach Verkehrsart
  • hM: § 828 II umfasst auch Privilegierung hinsichtlich etwaigen Mitverschuldens des Kindes als Geschädigter
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8
Q

Entschuldigungsgründe

A
  • § 35 StGB -> Geschädigter hat ggf aber einen Schadensersatzanspruch aus § 904 S. 2 analog
  • Putativnotwehr: Rechtfertigung ausgeschlossen; bei unvermeidbarem Irrtum: fehlendes Verschulden möglich
  • Notwehrexzess nach § 33 StGB: schließt die deliktische Haftung des Schädigers im Allgemeinen nicht aus; vorausgehender Angriff des Geschädigten kann jedoch eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens (§ 254) rechtfertigen
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9
Q

Schutzgut: Körper und Gesundheit

A
  • Körper: Eingriff in körperliche Integrität
  • Gesundheit: Verursachung einer Krankheit
  • > viele Überschneidungsfälle, aber auch Sonderfälle:
  • -> Abschneiden der Haare: Körper (+), Gesundheit (-)
  • -> HIV-Infektion: Gesundheit (+), auch wenn Krankheit AIDS noch nicht ausgebrochen
  • -> Schutz der Leibesfrucht (+)
  • -> abgetrennte Körperteile grds. (-), aber Ausnahme, wenn später wieder eingegliedert werden soll (Knochen- oder Hautteile zur Transplantation; Eizellen; Sperma)
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10
Q

Schutzgut: psychische Gesundheit (insbesondere: Schockfälle)

A
  • Rspr: mit Trauerfall verbundenen Störungen der seelischen Funktionen (-); aber (+), wenn pathologisch fassbare gesundheitliche Beeinträchtigungen über das Maß hinausgehen, dem Hinterbliebene bei der. Nachricht vom Tod eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind
    pro: § 823 I soll klar umrissene Tatbestände bilden
  • aA: weites Verständnis von Gesundheit
    pro: Rpsr. nimmt teleologische Reduktion vor, die nicht angezeigt ist, das Gesetzgeber mit den klar umrissenen RG nur Ausdehnung auf Haftung für Vermögens- und Handlungsfreiheitsverletzungen verhindern wollte; genannte RG sollen aber umfassend verstanden werden
    con: Systematik: auch “Freiheit” wird nicht umfassend als Handlungsfreiheit ausgelegt
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11
Q

Schutzgut: Freiheit

A
  • restriktiv auszulegen (nicht jede Art 2 I-Beeinträchtigung): nur körperliche Bewegungsfreiheit
  • > bspw. nicht berechtigte Festnahme
  • > (-) bei Stau, da Bewegungsfreiheit des Autofahrers per se nicht eingeschränkt
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12
Q

Schutzgut: Eigentum: Verletzungsformen

A

-> Eigentum nach § 903 S. 1 dahingehend umschrieben, dass der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann -> umfassendes Herrschaftsrecht

  • Verletzung des Eigentumsrechts als solches (bspw. Veräußerung an gutgläubigen Erwerber)
  • Substanzbeeinträchtigung
  • Entziehung des Besitzes (Sachentziehung)
  • Beeinträchtigung des Gebrauchs (maßgeblich: Zuweisungsgehalt)
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13
Q

Schutzgut: Eigentum: Gebrauchsbeeinträchtigung

A
  • Grds.: Interessenabwiegung zwischen Handlungsfreiheit der anderen und Eigentumsrecht
  • > idR jedoch Beeinträchtigung (+), wenn dem Eigentümer der Gebrauch der Sache durch unmittelbare Einwirkung auf die Sache vollständig unmöglich gemacht wird
  • > problematisch vor allem bei bloß mittelbarem Schaden, der sich primär als Vermögensschaden darstellt
  • -> mögliches (wenn auch vages) Kriterium: Dauer der Beeinträchtigung
  • Fleetfall: nur eingeschlossenes Schiff
  • > BGH: Zuweisungsgehalt des Eigentums am Schiff umfasst nur abstrakte Verwendbarkeit als Transportmittel, nicht konkrete Transporte (außerhalb des Fleets: können nach wie vor für andere Transporte benutzt werden)
  • Zufahrtsunterbrechung zu Grundstück/Betrieb
  • > Diff. danach, welcher Aspekt der Nutzungsmöglichkeit des Eigentums wie intensiv beeinträchtigt ist (bspw. (-), wenn es noch andere Zufahrtswege gibt)
  • Unterbrechung der Stromversorgung
  • > Produktionsausfallschaden (-), da Anbindung an das Stromnetz nicht vom Zuweisungsgehalt des Eigentums erfasst (aber ggf. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb)
  • > bereits existierende, dadurch zerstörte Produkte (+) (Eier)
  • Zuparken: idR Gebrauchsbeeinträchtigung
  • Beeinträchtigung der Fruchtziehung (§§ 100, 99 BGB - Bsp: Betreten eines fremden Grundstücks und Photographieren einer Aussicht, zum Zwecke der Vermarktung der Photos): Gebrauchsbeeinträchtigung (+)
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14
Q

Rechtsgut: Eigentum: Produktionsschaden (Weiterfressender Mangel bei Verbindung fehlerhafter Teile zu einer Gesamtsache)

A
  • bei Anfertigung neuer Sachen
  • SE des Käufers unter dem Aspekt der Eigentumsverletzung der durch die Verbindung unbrauchbar gewordenen eigenen Teile
  • > Eigentumsverletzung (Gebrauchsbeeinträchtigung) bereits durch die Verbindung (+), wenn sie mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand aus der Gesamtsache nicht wieder ausgebaut werden können (Beschädigung der Teile beim Ausbau nicht erforderlich)
  • funktionsunfähige Gesamtsache an sich (-)
  • > SEfähig ist nur das Integritätsinteresse, nicht das Äquivalenzinteresse des Käufers
  • Übertragbar wohl auch auf den Fall, wenn auf einem belasteten Grundstück ein Gebäude errichtet wird, das dann infolgedessen Mängel aufweist
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15
Q

Sonstiges Recht: Ehe

A
  • Ehebruch: zumeist innerehelicher Vorgang
  • hL: Abwicklungsfolgen durch Ehebruch (Scheidung, Kosten der Vaterschaftsanfechtung) sind nach § 823 I ersatzfähig
  • räumlich-gegenständlicher Bereich der Ehe: (+), jedoch nur Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch (Entfernen des Liebhabers aus der Ehewohnung)
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16
Q

Pflichtwidrige Handlung: Handlungsbegriff

A
  • vom Willen beherrschte oder beherrschbare Zustandsveränderung
  • > (-) bei vis absoluta, Bewusstlosigkeit, Reflexbewegungen
  • Abgrenzung: Tun vs. Unterlassen
    -> eA: sozialer Sinngehalt der Handlung
    -> aA (hM): Gefahrerhöhung durch Täter
    – Derjenige, der sich dem fremden Rechtsgut gefährlich nähert, handelt
    – Derjenige, der ohne die Gefahr durch sein Tun zu erhöhen, die Gefahr nicht abwendet, unterlässt
17
Q

Pflichtwidriges Unterlassen

A
  1. Pflicht zur Abwendung der drohenden Rechtsgutsverletzung

a. Verkehrs(sicherungs)pflichten
aa. Bestehen der Verkehrssicherungspflicht
bb. Schutzumfang der Verkehrssicherungspflicht
- > Verletzte Person (geschützter Personenkreis)
- > Rechtsgut
- > verwirklichte Gefahr

b. Schutzpflicht (Garantenpflicht) - vertraglich oder gesetzlich
aa. Familienrechtliche Obhutspflicht
bb. Tatsächliche Übernahme
cc. Enge Lebens- oder Gefahrengemeinschaft
dd. Allgemeine Hilfeleistungspflicht gem. § 323c StGB? (-), aber nach BGH ein Schutzgesetz iSd § 823 II

  1. Erfolgsabwendung möglich
18
Q

Haftungsbegründende Kausalität

A

= zwischen Verletzungshandlung und Rechtsgutsverletzung

  1. Grds. Äquivalenzformel (condicio sine qua non), ggf. mit dem Strafrecht vergleichbarer Modifikation (bspw. Quasi-Kausalität bei Unterlassen)
  2. Normative Korrektur: Objektive Zurechnung
    a. Adäquanzformel (str., Rspr.): Zurechenbarkeit (-) bei solchen Ursachen, die nur unter höchst ungewöhnlichen, selbst für den optimalen Beurteiler nicht vorhersehbaren Umständen geeignet sind, den missbilligten Erfolg herbeizuführen
    b. Schutzzweck der Norm: Zurechenbarkeit (+), wenn sich in der konkreten Rechtsgutsverletzung gerade die Gefahr realisiert hat, vor der die vom Schädiger verletzte Verhaltenspflicht schützen sollte
19
Q

Verschulden

A
  1. Schuldfähigkeit
  2. Vorsatz vs. Fahrlässigkeit
    - > kein Vorhersehen des konkreten Kausalverlaufs erforderlich (irgendeine Schädigung an irgendeiner Person durch das eigene Verhalten ausreichend)
20
Q

Haftungsausfüllende Kausalität

A
  • > zwischen Rechtsgutsverletzuung und Schaden
  • Kausalität:
    1. Äquivalenzheorie
    2. Adäquanztheorie
    3. Schutzzweck der Norm
21
Q

Prüfung: § 823 I

A

I. Rechtsgutsverletzung

a) Verletzung eines der in § 823 I ausdrücklich genannten Rechte
b) Verletzung eines sonstigen (absoluten) Rechts (zB dingliche Rechte)
c) Verletzung eines Rahmenrechts (zB allg. Persönlichkeitsrecht)

II. Verletzungshandlung (Handeln oder Unterlassen)
-> Bei mittelbaren Verletzungen und Unterlassungen: Verletzung von Verkehrspflichten
(kann auch im Rahmen der obj. Zurechnung geprüft werden)

III. Haftungsbegründende Kausalität
1. Äquivalenztheorie
2. Objektive Zurechnung
– Adäquanztheorie (str.)
– Schutzzweck der Norm

IV. Rechtswidrigkeit (ist grds. indiziert)

  1. Rechtfertigungsgründe prüfen
  2. Bei Rahmenrechten/Unterlassung/Fahrlässigkeit: positive Feststellung der Rechtswidrigkeit erforderlich (bzw. Feststellung der Pflichtverletzung)

V. Verschulden

  1. Verschuldensfähigkeit (§§ 827, 828, ggf. § 829 prüfen)
  2. Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§ 276 II)

VI. Schaden und Schadensersatz (§§ 249 ff.)

VII. Haftungsausfüllende Kausalität
-> Zurechnung des Schadens zur Rechtsgutsverletzung

VIII. Keine Einwendungen und Einreden des Schädigers

  1. Haftungsausschluss
    a) Vertraglich
    b) Gesetzlich (zB §§ 104, 105 SGB VII)
  2. Mitverschulden nach § 254
  3. Verjährung (§§ 195, 199)
22
Q

Rechtsgut: Eigentum: Substanzverletzung: Weiterfressender Mangel

A
  • Konstellation: nach der Übereignung einer Kaufsache verursacht ein (auch schon vorher bestehender) Mangel der Kaufsache einen Schaden an dieser selbst
    -> hM: Anspruchskonkurrenz, wenn deliktischer Anspruch besteht
    [aA: nur Vertragsrecht, da Leistungsstörungsrecht abschließend dort geregelt]
    -> bzgl. deliktischem Anspruch: Eigentum wird nicht schon dadurch verletzt, dass Sache/Werk mangelhaft geliefert wird, da a priori nur Eigentum an mangelhaftem Sache/Werk übergeht
    –> Abgrenzung ist somit erforderlich zwischen diesem »normalen« Mangel (Produktfehler -> Gewährleistungsrecht) und sog. weiterfressenden Mangel, bei dem infolge einer Eigentumsverletzung auch deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 1) in Betracht kommen
  • Abgrenzungskriterium: Stoffgleichheit (wenn (+) zwischen Nutzungs- bzw. Äquivalenzinteresse und Integritätsinteresse: nur vertraglicher SEA): wenn sich
    a) der geltend gemachte Schaden (Endschaden)
    b) mit dem im Augenblick des Eigentumsübergangs dem Produkt anhaftenden Mangelunwert, d. h. der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse (Produktfehler), deckt
  • > idR Stoffgleichheit (+), wenn Mangel die Sache von Anfang an wertlos macht
  • > idR Stoffgleichheit (-), wenn Mangel einem zunächst mehr oder weniger begrenzten Teil der Sache anhaftet
23
Q

Übersicht: Verletzung des Eigentums (§ 823 I)

A

I. Das Eigentum wird verletzt durch:
1. Zuordnungsverletzung
-> Das Recht »Eigentum« wird verletzt durch Verlust (z. B. durch gutgläubigen Erwerb gemäß §§ 929, 932) oder Belastung
2. Sachentziehung
-> Dem Eigentümer wird die Sache entzogen (z. B. durch Diebstahl)
– P: Konkurrenz zu EBV gemäß §§ 987 ff.
3. Substanzverletzung
-> Es wird in die Sachsubstanz eingegriffen (z. B. Beschädigung der Sache)
– P: Eigentumsverletzung durch Betriebsunterbrechung
– P: Weiterfressender Mangel
4. Nutzungsbeeinträchtigung
-> Der Eigentümer wird in der bestimmungsgemäßen Nutzung erheblich (zeitlich und wirtschaftlich) beeinträchtigt
– P: Abgrenzung der Nutzungsbeeinträchtigung (als Eigentumsverletzung) von einer bloßen Einschränkung der (wirtschaftlichen) Nutzung als reinem Vermögensschaden

II. Eigentumsverletzung (Substanzverletzung) bei sog. weiterfressendem Mangel (nach BGH)
1. Nutzungs- und Äquivalenzinteresse: nur vertraglicher Schadensersatzanspruch
2. Integritätsinteresse: (auch) § 823 Abs. 1
3. Abgrenzungskriterium:
Stoffgleichheit zwischen Produktfehler und Endschaden?
– bei vorhandener Stoffgleichheit: Eigentumsverletzung (–)
– bei fehlender Stoffgleichheit: Eigentumsverletzung (+)

24
Q

Pflichtwidriges Unterlassen: Verkehrs(sicherungs)pflichten (Kasuistik)

A
  • Grds: Einstandspflicht für die Sicherung eines Bereichs, den jemand beherrscht und aus dem er Vorteile zieht
  • > Grenze: es bedarf nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar sind
  1. Sorgfaltspflichten aus Verkehrseröffnung
    - > bspw. Streupflicht des Vermieters
  2. Sorgfaltspflichten aus tatsächlicher Verfügungsgewalt über gefährliche Gegenstände
    - > bspw. Maschinen, gewerbliche Anlagen, Fahrzeuge
  3. Sonderfall: Produkthaftung / Produzentenhaftung
  4. Insbesondere: allgemeine Organisationspflicht des Betriebsinhabers: = Betrieb ist so zu organisieren, dass für Dritte keine Gefahren entstehen
25
Q

Pflichtwidriges Unterlassen: Übertragung von Verkehrs(sicherungs)pflichten auf Dritte

A
  • Adressat der Verkehrssicherungspflicht ist grds. der Inhaber der Bestimmungsgewalt über die Gefahrenquelle
  • > nach Übertragung wird er jedoch nicht von jeder Verkehrssicherungspflicht frei, sondern ist zur ordnungsgemäßen Auswahl und Überwachung verpflichtet (Organisationsverschulden)
  • > Dritter als Arbeitnehmer: Verkehrspflicht aus Berufsausübung kann nur bei Personen bestehen, die eine selbstständige Stellung oder gegenüber der Allgemeinheit eine Verantwortung übernommen haben; allein die Arbeitnehmereigenschaft reicht nicht aus (BGH - begründet nur Pflichten ggü Arbeitgeber)
  • > idR kein Fall des § 278, da Schuldverhältnis zwischen Verkehrsverpflichtetem und Geschädigten erst durch schädigende Handlung entsteht
  • Differenz zu § 831: hier trägt der Schädiger nach § 831 die Beweislast für den Entlastungsbeweis; bei einer Pflichtverletzung der nicht ordnungsgemäßen Übertragung der Verkehrssicherungspflicht aus § 823 I ist der Geschädigte beweispflichtig
26
Q

Sonderfälle der Zurechenbarkeit: Schockschäden

A
  • Rechtsgutsverletzung: eigene Körper- oder Gesundheitsverletzung, die pathologisch fassbar ist und nach Art und Schwere über die bloßen gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgeht, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind
  • Haftungsbegründende Kausalität
  • > Psychische Kausalität
  • > Abgrenzung zu allgemeinem Lebensrisiko
  • Haftungsausfüllende Kausalität
  • > Direkt am Unfall Beteiligter: idR einfach zurechenbar
  • > Nicht direkt am Unfall Beteiligter: wenn Gesundheitsschädigung eine nachvollziehbare Reaktion darstellt (idR schwerer Unfall eines nahen Angehörigen)
27
Q

Sonderfälle der Zurechenbarkeit: Rechtsverletzungen durch Dritte

A
  • Konstellation: Schädiger verletzt das Rechtsgut eines Geschädigten; daraufhin verursacht ein Dritter einen (weiteren) Schaden an einem anderen Rechtsgut des Geschädigten oder an einem Rechtsgut einer anderen Person
  • bspw. Grünstreifen-Fälle: Schutzzweckzusammenhang (-), da der verursachte Unfall nur Anlass für das Überfahren des Streifens ist und auf einer freien Entscheidung beruht. (geschieht nicht mit Rücksicht auf die Verkehrssicherheit, die durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr und das Fahrverhalten beeinträchtigt wird)
  • Differenziere:
    1. Verletzung eines weiteren Rechtsgutes des Geschädigten
  • > haftungsausfüllender TB: erste Rechtsgutverletzung ist bereits festgestellt und erfüllt den haftungsbegründenden Tatbestand; zu prüfen ist, ob die weitere Rechtsgutverletzung des Geschädigten dem (Erst)Schädiger (haftungsausfüllend) zuzurechnen ist
    2. Verletzung eines Rechtsgutes eines zunächst Unbeteiligten
  • > haftungsbegründender TB: Rechtsgutverletzung des zunächst Unbeteiligten ist die erste Rechtsgutverletzung, die für den Unbeteiligten den Tatbestand des § 823 Abs. 1 erst begründet
28
Q

Sonderfälle der Zurechenbarkeit: Schädigung durch Geschädigten selbst (Herausforderungsfälle): allgemein

A
  • Konstellation: Begrenzung der Haftung, wenn der Geschädigte die Schädigung unmittelbar selbst verursacht hat, es sei denn, dass das Verhalten des Schädigers das Handeln des Geschädigten herausgefordert hat und er sich herausgefordert fühlen durfte
  • idR: psychische (mittelbare) Kausalität (+) und Adäquanz (liegt nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit)
  • Schutzzweck der Norm? (Wandt)
  1. Herausgefordertes Eingreifen: wenn der Entschluss des Geschädigten, der eine neue Gefahr schafft, durch den haftungsbegründenden Vorgang des Schädigers herausgefordert ist
    - > (-) wenn Erschädigung nur äußerer Anlass oder Gelegenheit ist, sich einem zusätzlichen, erstschädigungsfremdem Risiko auszusetzen
  2. Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko des Verhaltens
  3. Schaden/Verletzung stellt sich als Verwirklichung eines durch die Herausforderung gesteigerten Risikos dar
    - > (-) bei bloßer Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos
29
Q

Sonderfälle der Zurechenbarkeit: Schädigung durch Geschädigten selbst (Herausforderungsfälle): Kasuistik

A
  • Verfolgerfälle
  • Hilfeleistungsfälle (Suizid, Nierenspende bei Angehörigen)
  • Rechtsverfolgungskosten
  • Aufwendungen zur Abwehr oder Minderung eines Schadens
  • Vorsorge- bzw. Vorhaltekosten (Aufwendungen vor dem Schadensfall)
  • § 254: nur wenn die Lage derart ist, dass der Verfolgte mit einer Verfolgung nicht rechnen kann und braucht, scheidet eine Haftung komplett aus (nur Evidenzfälle, also Fälle von erkennbarer Unverhältnismäßigkeit, führen zu einem Haftungsausschluss) -> für alle anderen Fälle übermäßig gefährlichen Herausgefordertenverhaltens kommt § 254 in Betracht
30
Q

Dogmatische Einordnung: Handeln auf eigene Gefahr

A

= wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger Grund vorliegt

  • frühere Rspr. (RG): Rechtfertigungsgrund (Einwilligung)
    con: Einwilligung in die RG-Verletzung regelmäßig als Fiktion; allenfalls werde nur in die bloße Gefährdung eingewilligt
  • heutige Rspr. (BGH): im Rahmen des Mitverschuldens gem. § 254 im Einzelfall zu prüfen
    pro: sachgemäße Ergebnisse lassen sich so im Einzelfall finden und führen nicht zu einem generellen Haftungsausschluss wie auf Ebene der Rechtswidrigkeit
31
Q

Dogmatische Einordnung: Handeln auf eigene Gefahr: Verletzungen in Ausübung gefährlicher Sportarten bei regelgerechtem Spiel

A
  • eA: eingeschränkter Fahrlässigkeitsmaßstab
    pro: dogmatisch konsistent: wer anerkannte Spielregeln des Risikobereiches beachtet, begeht keinen Sorgfaltspflichtverstoß
  • aA: Einwilligung
    con: idR künstliche Unterstellung
  • wA: konkludenter Haftungsverzicht
    con: idR künstliche Unterstellung
  • neA: Handeln auf eigene Gefahr
  • newA: § 242 (treuwidrige Inanspruchnahme)
    pro: Geschädigter, der SEA verlangt, könnte genauso gut in der Position des Schädigers sein

[- BGH: auch bei geringfügigem Regelverstoß bei gefährlichen Sportarten besteht Haftungsverstoß, wenn Versicherungsschutz nicht besteht]

32
Q

Verschulden: Fahrlässigkeit

A
  • § 276 II BGB: Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
  • > Kognitiv: Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit
  • > Voluntativ: Vermeidbarkeit
  • objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab
  • > welche Sorgfalt zu beachten ist, richtet sich danach, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises (Berufsgruppe, Gruppe von Verkehrsteilnehmern usw.) in der jeweiligen Situation erwartet werden kann
  • > grds. ohne Rücksicht auf individuelle Fähigkeiten, Kräfte, Erfahrungen oder Kenntnisse (individuelle Schwächen wirken sich nicht zugunsten des Schädigers aus)
  • -> aber: erhöhte Fähigkeiten können Maßstab erhöhen
    pro: Objektivierung des Fahrlässigkeitsmaßstabs soll nur Verkehrsschutz bewirken und nicht Schädiger privilegieren
33
Q

Analoge Anwendung des § 829

A
  • Fälle fehlender Handlung

- Fälle fehlenden Verschuldens wegen alterstypischer Steuerungsunfähigkeit

34
Q

Haftungsausfüllende Kausalität: Konstellationen

A
  • Folgeverletzungen (= Verletzungen oder Schäden, die erst infolge der durch den Schädiger verursachten Erstverletzung entstehen): ob der (Erst-) Schädiger auch für weitere Rechtsgutverletzungen haftet, richtet sich danach, ob der Schädiger ein zusätzliches Risiko für die Folgeschäden geschaffen hat
  • > bspw. zusätzliche Verletzung im Krankenhaus durch Arzt, nachdem der Geschädigte durch (Erst-) Schädigung ins Krankenhaus gebracht wurde
  • Abgrenzung von haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität:
  • > haftungsbegründende Kausalität meint den Zusammenhang zwischen denjenigen Elementen, welche die Haftung dem Grunde nach voraussetzt: Verletzungshandlung und erste Rechtsgutverletzung
  • > haftungsausfüllende Kausalität meint die Verbindung dieses Haftungsgrundes (erste Rechtsgutverletzung) mit weiteren Folgeschäden, die auch in weiteren (mittelbaren) Rechtsgutsverletzungen liegen können => wird daher im allgemeinen Rahmen des Schadens geprüft (und der haftungsausfüllenden Kausalität)
  • angesichts unterschiedlicher AGL auch unterschiedliche Verbuchung möglich - Bsp. Wandt:
  • > mangelhaft errichtetes Haus stürzt ein und verletzt den Eigentümer
  • -> Körperverletzung gehört im Rahmen der Pflichtverletzung des Bauvertrages (§ 280 Abs. 1) zur Haftungsausfüllung, im Rahmen des § 823 Abs. 1 zur Haftungsbegründung
  • -> stellt dagegen die Errichtung des mangelhaften Hauses schon eine Eigentumsverletzung unter dem Gesichtspunkt des Weiterfressermangels dar, so kann – abhängig vom Klagebegehren – die Körperverletzung nur als weitere Rechtsgutverletzung im haftungsausfüllenden Tatbestand des § 823 Abs. 1 geprüft werden
35
Q

P: Verhältnis von Deliktsrecht und Vertragsrecht/Mängelgewährleistungsrecht bei Weiterfresserschäden

A
  • Rspr.: echte Anspruchskonkurrenz
    pro: unterschiedliche Schutzrichtung der Ansprüche
    -> Vertraglich: Äquivalenzinteresse (= Interesse eines Vertragspartners am Erhalt der vertraglich vereinbarten Primärleistung in der im Vertrag vereinbarten Form)
    -> vs. deliktisch: Integritätsinteresse (= Interesse eines Vertragspartners an der Unversehrtheit seiner außerhalb der vertraglichen Beziehung liegenden Rechtsgüter)
    => Abgrenzung anhand des Kriteriums der Stoffgleichheit (s.o.)
    con: Rechtsunsicherheit beim (ungeschriebenen) Kriterium der Stoffgleichheit
    con: Systemwidrigkeit: im Ergebnis werden Vertragsinteressen mit Deliktsschutz ausgestattet (betroffen ist allein das Äquivalenzinteresse in Form der Erwartung des Käufers, eine mangelfreie Sache zu erhalten)
  • mM 1 (Lit): Anspruchskonkurrenz, allerdings muss das Deliktsrecht mit einer Frist (Recht zur 2. Andienung) ausgestattet werden und die kaufrechtlichen Verjährungsvorschriften auch im Deliktsrecht gelten
    pro: keine Umgehung der vertraglichen Verjährungsvorschriften sowie des „Rechts zur zweiten Andienung“
    con: Angleichung der Verjährungsvorschriften, jedoch immer noch unterschiedlich lang und unterschiedlicher Beginn
    con: Systemwidrige Implementierung
  • mM 2 (Lit): Lösung auf (erst) Konkurrenzebene: allein Vertragsrecht einschlägig
    pro: Tatbestand der RG-Verletzung ist gegeben, da auch mangelhaftes Eigentum schutzwürdig ist (Stoffgleichheitskriterium entbehrlich)
    pro: Intaktheit des Vertragsgegenstandes grundsätzlich Inhalt des vertraglichen Versprechens seitens des Verkäufers (allein das Äquivalenzinteresse ist betroffen)
  • mM 3 (Lit - Hofmann): Lösung auf Tatbestandsebene: Eigentumsverletzung iSd § 823 I nur im Rahmen des Integritätsinteresses, das beim Weiterfressermangel jedoch nicht berührt ist
    pro: willkürlich, den Hersteller von einer (deliktischen) Haftung freizustellen, wenn die Sache aufgrund eines Mangels von vornherein unbrauchbar war, ihn jedoch haften zu lassen, wenn die Unbrauchbarkeit aufgrund des ihr von Beginn an anhaftenden Mangels später eintritt
    pro: Intaktheit des Vertragsgegenstandes grundsätzlich Inhalt des vertraglichen Versprechens seitens des Verkäufers (allein das Äquivalenzinteresse ist betroffen)
  • > mangels Tatbestandserfüllung liegt kein Konkurrenzproblem vor