10/12 (Deliktsrecht III: Haftung mehrerer, Gefährdungshaftung, ProdH, TierhalterH, Unterlassungs- und BeseitigungsA) Flashcards
Produkthaftung: § 823: Beweislastumkehr
- Geschädigter muss nur darlegen und beweisen, dass die Rechtsgutsverletzung durch einen Produktfehler verursacht wurde; der Hersteller hat dann nachzuweisen, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt
- > pro: Gefahrbereichslehre (Kunde hat idR keine Einsichtsmöglichkeit in Betrieb)
- > pro: gerechte Verteilung des wirtschaftlichen Risikos bei unaufklärbaren Umständen
- > pro: Rechtsgedanke der §§ 831-836, § 280 I S. 2 BGB
- bei Konstruktions- und Fabrikationsfehlern: Be-weislastumkehr auch auf die objektive Pflichtwidrigkeit (Hersteller muss also auch noch den Beweis führen, dass er bei der Konstruktion und Herstellung des Produkts keine Verkehrspflicht verletzt hat)
- bei Instruktionsfehler: Geschädigter muss beweisen, dass Warnung hätte erfolgen müssen; Hersteller muss beweisen, dass dies für ihn nicht erkennbar war (BGH, MüKo)
- zusätzlich: ordnungsgemäße Organisation des Betriebs (Hersteller muss also den Nachweis erbringen, dass er selbst oder ein Organ seines Unternehmens (§ 31) bei der Organisation und Überwachung der betrieblichen Abläufe alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, damit fehlerhafte Produkte erst gar nicht in den Verkehr gelangen)
- Befundsicherungspflicht (Hersteller hat beim In-Verkehr-Bringen den Zustand seiner Produkte zu ermitteln und die erhobenen Daten zu sichern): verstößt er gegen diese, so kann er sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass der Fehler möglicherweise erst nach In-Verkehr-Bringen entstanden sei. Die Beweislastumkehr gilt aber nur, wenn das Produkt eine besondere Schadenstendenz aufweist und der Fehler typischerweise aus dem Verantwortungsbereich des Herstellers stammt.
Produkthaftung: § 823: Fallgruppen
- Konstruktionsfehler (wenn das Produkt schon nach seiner Konzeption nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen eines durchschnittlichen Benutzers entspricht)
- > Entlastung: Entwicklungsfehler (wenn der Fehler beim In-Verkehr- Bringen des Produkts nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar war), jedoch Produktbeobachtungsfehler möglich
- Fabrikationsfehler (wenn es bei der Herstellung einzelner Stücke zu einer planwidrigen Abweichung von der bei der Konzeption des Produkts zugrunde gelegten Beschaffenheit kommt)
- > (-) bei “Ausreißern” (hier jedoch Haftung gem. § 1 ProdHG denkbar)
- Instruktionsfehler (Hersteller hat die Benutzer nicht nur auf die mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts verbundenen Risiken hinzuweisen, sondern auch auf solche Gefahren, die sich aus einem nahe liegenden (aber nicht vorsätzlichen) Fehlgebrauch oder dem allzu sorglosen Umgang mit dem Produkt ergeben)
- Produktbeobachtungsfehler (Hersteller hat zu achten, ob sich bei der praktischen Verwendung des Produktes Risiken zeigen, die eine Warnung der Benutzer oder sogar einen Rückruf des Produkts erforderlich machen)
Produkthaftung: ProdHG: Charakteristik
- vor Deliktsrecht zu prüfen
- § 1 I ProdHG als eigenständige AGL
- verschuldensunabhängige Haftung
- idR nicht für Weiterfresser-Mängel (“andere Sache” muss vorliegen)
- Fehler wie bei Produkthaftung nach § 823 I, ausgenommen Produktbeobachtungsfehler (s. § 3 I lit. c ProdHG: nur Zeitpunkt des Inverkehrbringens)
- Konkretisierung der Verkehrspflichten für § 823 I
- Einzelne Vorschriften als Schutzgesetze des § 823 II
Produkthaftung: AMG: Charakteristik
- AMG als lex specialis zum ProdHG
- § 84 AMG als verschuldensunabhängige Haftung
- objektive Einstandspflicht für die Verletzung von Verkehrspflichten
§ 833: Tier P: Mikroorganismen als Tiere
- Entscheidung nach allgemeinem Sprachgebrauch
- > Mikroorganismen (Viren, Bakterien)?
- -> Wortlaut: Unentschieden
- -> Telos: § 833 S. 1 soll vor äußeren Beeinträchtigungen schützen, die gerade aus der Unberechenbarkeit des Tieres resultieren -> (-)
- -> Systematik: für gentechnisch veränderte Organismen: § 32 GenTG (Gefährdungshaftung)
§ 833: Kausalität und Schutzzweckzusammenhang
- Äquivalenzformel
- Realisierung der spezifischen Tiergefahr, vor der § 833 S. 1 schützen soll
- > Schaden beruht auf unberechenbarem, selbstständigem Verhalten des Tieres (Durchgehen, Ausbrechen, Kratzen, Ausschlagen, In-den-Weg-Stellen/-Legen)
- > (-), wenn das Tier ausschließlich dem Willen und der Leitung einer Person folgt
§ 833: Halter
= wer willentlich und im eigenen Interesse die tatsächliche Herrschaft über das Tier ausübt
-> Eigentumslage unerheblich, auch Dieb kann Halter sein
§ 833: Exkulpationsmöglichkeit gem. § 833 S. 2
- Haustier/Luxustier
- > nur zahme Tiere (Hund, Katze, Rind, Schwein)
- > gezähmte Tiere (zB Tiger, Löwen, Wölfe) auch dann (-), wenn sie zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken (zB im Zirkus) gehalten werden - Nutztier
- > Abgrenzung zu den Luxustieren anhand der hauptsächlichen Zweckbestimmung
- > vgl. Kriterien in § 833 S. 2 (ein Haustier, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters (Gewinnerzielung) zu dienen bestimmt ist)
§ 834: Haftung des Tieraufsehers
- vglbar §§ 831 II, 832 II, 838
1. Wirksamer Vertrag (bei bloßer Gefälligkeit (-))
2. Gewisse Selbstständigkeit (bei Stallknechten oder angestelltem Reitlehrer (-))
§ 830: Mittäterschaft und Teilnahme (§ 830 I 1, II)
- echte AGL
- Mittäterschaft: erforderlich ist - analog dem Strafrecht - ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zwischen den Tätern, wobei die unerlaubte Handlung allerdings nicht den Tatbestand eines Strafgesetzes zu erfüllen braucht
- Teilnahme: Anstifter und Gehilfen im Sinne des StGB
=> mangels unterschiedlicher Rechtsfolgen ist eine Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Teilnahme hier entbehrlich
§ 830: Beteiligung (§ 830 I 2)
= mehrere Personen nehmen unabhängig voneinander eine Handlung vor, die zur Herbeiführung des Schadens geeignet ist
-> lässt sich im Nachhinein nicht feststellen, welche Handlung den Schaden tatsächlich verursacht hat, sind alle Beteiligten nach § 830 I 2 für den Schaden verantwortlich und haften gem. § 840 I als Gesamtschuldner
P: Beteiligter iSd § 830 I 2
- nicht im strafrechtlichen Sinne: bereits in § 830 I 1, II geregelt
- > daher keine subjektive Beziehung erforderlich
- objektive Beziehung: Handlungen bilden in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht untereinander und mit der Schädigung einen einheitlichen Vorgang
- > eA: »praktische Anschauung des täglichen Lebens« oder »Gleichartigkeit der Gefährdung«
con: sehr unscharf - > aA: Eignung der Handlung zur Herbeiführung des konkreten Schadens
pro: konkreter
pro: Schutzbedürfnis des Geschädigten umfassend als Telos zu berücksichtigen
Diff: Nebentäterschaft vs. Beteiligung
Kumulative vs. alternative Kausalität
- > § 830 I 2 stellt lediglich eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität dar
- > bei (fahrlässiger) Nebentäterschaft: allgemeine Zurechnungsregeln -> jeder haftet für den gesamten Schaden, wenn sein Verhalten den gesamten Schaden verursacht hat, andernfalls für den (feststellbaren) Teil des Schadens, den er individuell verursacht hat
§ 830: weitere Anwendungsfälle des § 830 I 2 (analog)
- da § 830 I 2 keine subjektiven Elemente enthält:
- > Gefährdungshaftung
- > vertragliche SEA wegen Schutzpflichtverletzungen (§§ 280 I, 241 II)
pro: Nähe zu deliktischer Regelung - BGH: wendet unter Prüfung der Voraussetzungen des § 830 den Rechtsgedanken der Norm als Beweislastregel auf vertraglichen SEA an, um über Kausalitätszweifel zwischen pflichtwidrigem Verhalten (§ 241 II) und Schaden hinwegzukommen
§ 840: Charakteristik
- keine eigenständige AGL
- Außenverhältnis: § 840 I -> gesamtschuldnerische Haftung nach §§ 421 ff.: Geschädigter kann jeden Schädiger nach seiner Wahl auf Ersatz des gesamten Schadens in Anspruch nehmen, wobei der Ersatz aber nur einmal geleistet werden muss
- gilt nicht nur für die deliktsrechtliche Verschuldenshaftung, sondern auch für die Gefährdungshaftung
§ 840: Innenverhältnis: Allgemein
- Grds:
-> Dem in Anspruch genommenen Schädiger steht ein Regressanspruch nach § 426 I, II gegen die anderen Schädiger zu
-> § 426 I: zu gleichen Teilen => im Deliktsrecht: Rechtsgedanke des § 254, wonach jeder Schädiger
nach dem Gewicht seiner Verursachungsbeiträge und dem Maß seines Verschuldens für den Schaden einstehen muss -> §§ 840 II, III, 841: Sonderregelungen, die der Anknüpfung an den Rechtsgedanken des § 254 vorgehen
§ 840: Innenverhältnis: Verrichtungsgehilfe
- Der gem. § 831 in Anspruch genommene Geschäftsherr kann bei dem nach §§ 823 ff. verantwortlichen Verrichtungsgehilfen gem. § 840 II in vollem Umfang Regress nehmen
- bei Arbeitsverhältnissen gehen die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich aber vor -> meist muss Geschäftsherr (Arbeitgeber) allein für den Schaden einstehen
- Grundgedanke des § 840 II, III trifft nicht zu, wenn der mittelbare Schädiger (zB der Geschäftsherr) aufgrund nachgewiesenen eigenen Verschuldens für den Schaden verantwortlich ist => teleologische Reduktion