8. Persönlichkeit: Fragebogenmessung, implizite und projektive Verfahren Flashcards
Allgemeines zur Fragebogenmethode
Grundannahme:
Menschen verfügen über umfangreiches Selbstwissen und sind bereit, diese durch
Antworten im Fragebogen preiszugeben.
Allgemeines zur Fragebogenmethode
Format:
Offenes oder geschlossenes Antwortformat möglich, breite Möglichkeiten für verschiedene Antwortskalen
Allgemeines zur Fragebogenmethode
Vorteile:
Standardisierte Methodik (z.B. Instruktionen, Auswertung), hohe Ökonomie, Zugang zu nicht- beobachtbaren Informationen im Selbstbericht, Zugang zu beobachtbaren Eigenschaften im Fremdbericht, Vergleich von Selbst- und Fremdbericht
Allgemeines zur Fragebogenmethode
Nachteile:
Verzerrungen im Selbstbild/ Erinnerungen, Verfälschungsanfälligkeit (z.B. soziale Erwünschtheit), Antworttendenzen (z.B. Tendenz zur Mitte, Zustimmungstendenz)
Was ist Persönlichkeit?
Verschiedene Ansätze/ Definitionen/ Modelle/ Annahmen. Zwei Beispiele:
„Unter der Persönlichkeit eines Menschen wird die Gesamtheit seiner Persönlichkeitseigenschaften verstanden: die individuellen Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens“ (Asendorpf, 2011, Persönlichkeitspsychologie, Lehrbuch Bachelor)
„Die Differentielle Psychologie betrachtet Unterschiede in Erleben und Verhalten interindividuell (Unterschiede zwischen Menschen) oder intraindividuell (Unterschiede innerhalb einer Person über Situationen oder Zeit hinweg) […] Persönlichkeit ist häufig darüber definiert, was jemanden einzigartig macht und somit wie man sich von anderen Personen unterscheidet“ (Rauthmann, 2017, Persönlichkeitspsychologie)
Negativbeispiel: Myers Briggs Typenindikator
Wird häufig verwendet (insb. Personalauswahl/ Wirtschaftspsychologie)
Die psychometrischen Gütekriterien sind ungenügend (Rauthmann, 2017) Keine ernstzunehmende Evidenz für „Persönlichkeitstypen“ (Rauthmann, 2017) Persönlichkeitseigenschaften als Kategorien (in der Realität aber viel mehr
Kontinuen)
Charmante Aussagen ähnlich wie Horoskope, jeder kann sich identifizieren
Retest: Nach 5 Wochen ca. 50% Wahrscheinlichkeit auf anderes Ergebnis (anderer Persönlichkeitstyp; Pittenger, 1993)
Erfragung von Zuständen
Unterscheidung:
Emotionale Befindlichkeit (z.B. Freude, Angst, Traurigkeit, Ärger) Leistungsbezogener Zustand (z.B. Müdigkeit, Konzentriertheit) Körperlicher Zustand (z.B. Schmerz, Übelkeit, Krankheit)
Zustände sind abhängig von Situation und Zeitpunkt
Zustands- vs. Eigenschaftsmessung
Persönlichkeitsmaße beinhalten sowohl eine Traitkomponente als auch zeitlich fluktuierende Einflüsse (Trait > Situationsspezifität)
Sich wiederholende und in verschiedenen Situationen gleichsam auftretende Zustände lassen auf Persönlichkeitseigenschaften (Traits) schließen
Beispiel: Häufig und in verschiedenen Kontexten auftretende Ängste
Erfassung von Interessen
Unterscheidung nach der Art der Erfassung:
Modularität: Interesse als intrinsische Motivation („wie gerne“) vs. häufig ausgeübte Tätigkeiten („wie häufig“)
Antwortformate: normativ (z.B. Ratingskala, Ja-Nein-Antwort) vs. ipsativ (z.B. forced- choice, welche Tätigkeit gefällt am besten, welche am wenigsten)
Unterscheidung nach der Art der Auswertung:
Quantität/Häufigkeit der Ausführung
Intensität des Interesses
Vielfalt/Diversität von Interessen
Unterscheidung nach den Inhalten der Erfassung: Berufsinteressen (z. B. Explorix)
Freizeitinteressen (z. B. Freizeitinteressen-Fragebogeninventar FIFI)
Warum implizite Verfahren?
Reduktion sozial erwünschten Verhaltens z.B. nicht verfälschbar (körperl. Maße) z.B. Messung des „Unbewussten“ z.B. Verschleiern der Messintention
Größeres Risiko der Reduktion der Teilnahmebereitschaft
Häufig schließen auf Persönlichkeitseigenschaften auf Basis von Reaktion auf bestimmte Stimuli
Psychobiologische Mess- und Testverfahren
Messung der Aktivitäten des zentralen Nervensystems
‒ Elektroenzephalogramm (EEG) und Ereigniskorrelierte Potentiale
‒ Funktionale Magnetresonanzimaging (fMRI) Bsp.:
‒ EEG-Profil von Schlafgestörten versus „guten Schläfern“ im Schlaflabor
Messung der Aktivitäten des autonomen Nervensystems
‒ Herzfrequenz und systolischer Blutdruck (z.B. Angstreaktionen) ‒ Atemfrequenz (z.B. Erregungsreaktionen)
‒ Hautleitfähigkeit und Pupillenerweiterung (z.B. Stressreaktionen)
Moderne Technik ermöglicht längere Aufzeichnung durch kleine und leichte (mobile) Geräte → Aufzeichnung im Alltag bei geringer Störung der Versuchsperson
Messung von Aktivitäten des somatischen Nervensystems
‒ Elektromyogramm (z.B. Anspannung und Emotionaler Gesichtsausruck) ‒ Optisch-elektronische Analyse von Bewegungsmustern (z.B. komplexe
Gefühlsausdrücke)
‒ Blickbewegungsanalyse (z.B. Interessenausdruck)
Messung von Aktivitäten des hormonellen Systems
‒ Cortisol-Konzentration (z.B. bei Stress)
‒ Testosteron-Konzentration (z.B. bei Kompetitivität / Dominanz)
‒ Estradiol-Konzentration (z.B. bei sexuellem Verlangen/ Sexualverhalten bei
Frauen)
‒ Progesteron-Konzentration (z.B. Veränderungen im Verhalten und Erleben in
der Schwangerschaft) Bsp.:
‒ Messung der Hormonkonzentration im Speichel, Blut, Urin oder Haaren
Nicht-reaktiv gewonnene Daten
Analyse von Tagebüchern
‒ z.B.: Forensische Rekonstruktion von Tatmotiven
Archivdaten
‒ z.B.: Zusammenhang von archivierten Schulnoten und späteren Berufserfolg
Verhaltensspuren
‒ z.B.: Bestimmung der Umweltfreundlichkeit anhand von Mülltrennverhalten
‒ z.B.: Rückschluss auf die Persönlichkeit von Individuen durch Verhaltensspuren
im Netz und Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken