8. Diagnostik aus Sicht der systemischen Therapie Flashcards
Was ist systemische Therapie?
- Die systemische Therapie ist in den Jahren1970–1980aus der Familientherapie hervorgegangen.
- FamilientherapiebezeichneteintherapeutischesSetting,
- indemmithilfederFamilienmitgliedergemeinsamnach Lösungen für ein Gesundheits- oder Beziehungsproblem eines oder mehrerer Patienten gesucht wird.
- „Familiewirdheutesehrweitverstanden–eingeschlossen sind alle die vom Problem des Patienten Mitbetroffenen, ihm nahe stehenden und an seiner Lösung interessierten Menschen (existenziell bedeutsamen Beziehungssystem, Stierlin 2005).
- Systemische Therapie bezeichnet eine von anderen Therapieschulen gut abgrenzbare theoretische und therapiemethodische Orientierung
- SystemischesDenkenversucht,dasVerhaltenvonElementen nicht isoliert aus deren inneren Eigenschaft en, sondern aus den Relationen zwischen diesen Elementen zu erklären
- FürdiePsychotherapiebedeutetdies,dasspsychische Störungen und Strukturen ebenso wie psychotherapeutische Behandlungsphänomene (z.B. Behandlungsmotivation, Widerstand, Behandlungsabbrüche) nicht als in einem Systemmitglied (dem Patienten) lokalisierte Phänomene betrachtet werden, sondern als interaktionell (zwischen Patient, Familie, Behandlern) erzeugte Gemeinschaftsleistungen
Perspektive der systemischen Therapie: 1. Mehrgenerationenperspektive
- Mehrgenerationenperspektive
• Die Mehrgenerationenperspektive betrachtet klinische Probleme bevorzugt mit der Perspektive ungelöster familiärer Vermächtnisse und Loyalitäten, unzureichender Selbstdifferenzierung, überfordernder familiärer Delegationen sowie unausgeglichener Schuld- und Verdienstkonten zwischen Generationen.
• Kennzeichnend sind vorallem die Genogramm-Interviews und die Mehrgenerationen-Familiengespräche
Perspektive der systemischen Therapie: 2. Experientielle (erlebnisorientierte) Familientherapie
- Experientielle (erlebnisorientierte) Familientherapie
• Die experientielle (erlebnisorientierte) Familientherapie betrachtet klinische Probleme v. a. unter dem Gesichtspunkt des blockierten Emotionsaustauschs, der Regulation des Selbstwerts und der Nähe-Distanz-Wünsche zwischen einander nahe stehenden Menschen
• Therapeutisch hat sie besonders die Familienskulptur und andere erlebnisorientierte Verfahren hervorgebracht.
• Sie stellt eine Brücke zwischen systemischen und humanistischen Konzepten dar
Perspektive der systemischen Therapie: 3. Strukturell-kybernetische Perspektive
- Strukturell-kybernetische Perspektive
• Die strukturell-kybernetische Perspektive versteht klinische Probleme als Ausdruck dysfunktionaler, nicht (mehr) entwicklungsgerechter familiärer Strukturen und Regelsysteme.
• Familien werden als regelgesteuerte Systeme betrachtet, deren Struktur von außen hinreichend objektiv erkennbar und durch geschickte therapeutische Interventionen zielorientiert beeinflussbar ist.
• Charakteristisch sind Methoden das joining (Beziehungsaufnahme und -gestaltung), enactment (Inszenierungen alltäglicher Interaktionsprobleme im Therapieraum), der therapeutisch dosierten Konfrontation, des Umgangs mit Koalitionen und Geheimnissen, der zirkulären Befragung und der paradoxen Interventionen.
Perspektive der systemischen Therapie: 4. Perspektive der Selbstorganisation
- Perspektive der Selbstorganisation
• Die Perspektive der Selbstorganisation ist orientiert an Konzepten wie Selbststeuerung, Selbstorganisation und struktureller Autonomie
• Sie versucht, auf normative Vorstellungen über Familien und Gesundheit weitestgehend zu verzichten. Das therapeutische Vorgehen ist weniger interventionistisch und stärker an der Eigenlogik des Patientensystems orientiert.
• Kennzeichnend ist die Haltung der wertschätzenden Neutralität und des „Respekts gegenüber Personen bei gleichzeitiger Respektlosigkeit gegenüber ihren Ideen“ (Cecchin et al. 1993)
• Die Interventionen bestehen im Infragestellen von Glaubensgewissheiten, mit denen sich das Klienten System bislang das Leben schwer macht.
Perspektive der systemischen Therapie: 5. Narrative Perspektive
- Narrative Perspektive
• Die narrative Perspektive geht davon aus, dass soziale Systeme durch und in Erzählungen (Narrationen) leben, die das Verhalten der Beteiligten prägen. Sie lenkt den Blick auf kommunikative, linguistische und sprachphilosophische Identitätskonstruktionsprozesse
• In dem die bisherigen Selbsterzählungen „dekonstruiert“werden, wird der Blick auf Alternativgeschichten gelenkt
• Charakteristisch sind Praktiken des solution talk, desreflecting teams und des offenen Dialogs
Therapeutische Haltungen: Achtung vor der SelbstorganisationIndem
Achtung vor der SelbstorganisationIndem
• Diese Haltung erfordert von Therapeut:innen viel Neugie rauf die eigene Weltsicht der Patient:innen und weitgehenden Verzicht, eigene normative Expertenvorstellungen über angemessene psychische und Beziehungsentwicklungen zur Leitschnur zu machen (Selbstorganisation als zentraler Begriff eines integrativen systemischen Ansatzes)
Therapeutische Haltungen: Neutrale Haltung
Neutrale Haltung
• einbewusstes Nichtbewerten und Nicht-Partei-Ergreifen zwischen miteinander streitenden Personen, Werten, Ideen und konfligierenden Veränderungs und Nichtveränderungsimpulsen.
• „Allparteiligkeit“
Therapeutische Haltungen: Neutrale Haltung
Neutrale Haltung
• einbewusstes Nichtbewerten und Nicht-Partei-Ergreifen zwischen miteinander streitenden Personen, Werten, Ideen und konfligierenden Veränderungs und Nichtveränderungsimpulsen.
• „Allparteiligkeit“
Therapeutische Haltungen: Ressourcenorientierung
Ressourcenorientierung
• Haltung, nach der Patienten„nichts fehlt“,was sie entweder „nachreifen“ lassen oder „neu lernen“ müssten. Sondern dass die Fähigkeiten zur Problemlösung im Patientensystem bereits vorhanden sind, aber derzeit nicht gefunden oder genutzt werden.
Therapeutische Haltungen: Lösungsorientierung
Lösungsorientierung
• bedeutet in ihrer (nicht unumstrittenen) radikalen Variante: „Man braucht das Problem nicht näher zu erkunden, man kann sich gleich an die Konstruktion von Lösungen begeben“ (de Shazer 1989)
Therapeutische Haltungen: Lösungsorientierung
Lösungsorientierung
• bedeutet in ihrer (nicht unumstrittenen) radikalen Variante: „Man braucht das Problem nicht näher zu erkunden, man kann sich gleich an die Konstruktion von Lösungen begeben“ (de Shazer 1989)
Besonderheiten in der Diagnostik: Kontext- und Auftragsklärung
Kontext- und Auftragsklärung
• Hohe Bedeutung einer ausführlichen Klärung der oft widersprüchlichen Erwartungen der Therapiebeteiligten
• hilft zu Therapie beginn bei einer realistischen, angemessen komplexen Therapieplanung.
• Zu diesen Beteiligten können auch abwesende Familienmitglieder, überweisende Hausärzt:innen, eine zuvor behandelnde Klinik, Partner:innen gehören
Besonderheiten in der Diagnostik: Darstellung von Beziehungsphänomenen
Darstellung von Beziehungsphänomenen
• Beziehungsphänomene lassen sich auch räumlich darstellen und probeweise verändern
• Mit echten Menschen(z.B.inFamilien und Gruppentherapie): Beziehungsskulptur
- Familienmitglieder stellen nacheinander diea nderen im Beratungszimmer so zueinander im Raum auf, wie es ihrem Bild der Beziehungen entspricht.
- Familienskulpturen können große emotionale Intensität auslösen und bedürfen hinreichender Sicherheit
- Familienbrett
- Für jedes Familienmitglied werden Holz-oder Plastikfiguren auf einem Brett aufgestellt und in ihrem Zueinander probeweise verändert
- Schafft mehr Abstand im Vergleich zur Beziehungsskulptur
- Zeitlinie
- Die Lebensgeschichte von Patient:innen, eines Paaren oder Familien kann mit einer Zeitlinie auf dem Fußboden des Beratungsraums verdeutlicht werden.
- Auf dieser gedachten Zeitlinie kann aus der Gegenwart z.B. in eine „Zukunft“ wandern, vor der noch große Angst besteht, um „dort in der Zukunft“ schon einmal probeweise und symbolisch erleben, wie es sein wird, wenn man jenen Angst machenden Moment überwunden haben wird.
Was sind Perspektiven der systemischen Therapie? Nennen Sie jeweils eine typische Methode!
- Mehrgenerationenperspektive
• DieMehrgenerationenperspektivebetrachtetklinische Probleme bevorzugt mit der Perspektive ungelöster familiärer Vermächtnisse und Loyalitäten, unzureichender Selbstdifferenzierung, überfordernder familiärer Delegationen sowie unausgeglichener Schuld- und Verdienstkonten zwischen Generationen.
• KennzeichnendsindvorallemdieGenogramm-Interviewsund die Mehrgenerationen-Familiengespräche