7. Angst- & Zwangsstörungen Flashcards
Generalisierte Angststörung - Epidemiologie
- 12-monats Prävalenz (Erwachsene): 2-4%
- Lebenszeitprävalenz: 5-6,5%
- Frauen ca. doppelt so häufig betroffen wie Männer
- Beginn häufig zwischen 35-45 J
- 91% Lebenszeitkomorbidität
- Chronischer Verlauf mit wenigen beschwerdefreien Phasen
Generalisierte Angststörung - Ätiologie - biologische Ebene
- Genetische Prädisposition (Zwillingsstudien zeigen 30%)
- Einschränkung der Herzratenvariabilität (eingeschränkte Anpassungsfähigkeit des Herzens an innere & äußere Reize, kann negative Auswirkungen auf Gesundheit haben) → Hinweis auf Dysregulation von sympathischer & parasympathischer Aktivität
- Störungen im GABAergen Neurotransmittersystem
Generalisierte Angststörung - Kognitiv-verhaltenstheuapeutische Erklärungsansätze
- Infos werden selektiv & verzerrt wahrgenommen
- Sorgenprozess => dysfunktionaler Bewältigungsstrategie für Umgang mit negativen Gefühlen/Vermeidung aversiver Gefühlszustände
- Springen zwischen Sorgenthemen mit unmittelbaren Angstabfall wirkt verstärkend
- Rückversicherungsverhalten hält Bindungen aufrecht die wichtig aber auf gefährdet sind -> kreiert ungesundes Beziehungsverhältnis
Generalisierte Angststörung - Behandlung
- Medikamentöse Therapie: SSRIs, aber Effekte lassen nach Absetzen schnell wieder nach
- Entspannungstraining: bei Bedarf möglichst schnell gezielt Entspannungsreaktion herbeiführen
- Identifikation von Auslösern (z.B. mit Sorgentagebuch) - Kognitive Verhaltenstherapie:
- Psychoedukation
- Kognitive Umstrukturierung
- Sorgenexposition in vivo & in sensu
- Zahlreiche Wirksamkeitsbelege, gute Langzeitwirkungen
spezifische Phobie - Epidemiologie
- 12-monats Prävalenz (Erwachsene): 4,5% Männer, 10,8% Frauen
- Lebenszeitprävalenz: bis zu 15%
- Frauen ca. doppelt so häufig betroffen wie Männer
- Nur 12-30% suchen Hilfe, meist wegen komorbider Störungen
- Treten meist schon im Kindesalter auf
Zwei-Faktoren Theorie nach Mowrer
- Faktor: Klassische Konditionierung – neutrale Reize & traumatische Ereignisse
- Faktor: Operante Konditionierung – durch Abnahme der Angst bei Vermeidung des Reizes
- Unzureichende empirische Evidenz
- Hilfreich bei Arbeit mit Patienten
Preparedness-Ansatz nach Seligman
- Tendenz eher Angst vor Stimuli zu entwickeln, die entwicklungsgeschichtlich eine Gefahr darstellen/alt sind (Schlangen, Höhen) als Neue (Autos, Steckdosen)
- Objekte die schon früher als Gefahr wahrgenommen wurden, werden schneller mit Furchtreaktion assoziiert
Three-Pathway-Modell nach Rachmann
- Angsterwerb durch: klassische Konditionierung, operante Konditionierung, Modelllernen, Imitationslernen, Instruktionslernen
- Erweiterung durch Poulton & Mentzies: Angsterwerb durch mangelnde Erfahrung an Bewältigung
spezifische Phobie - Behandlung - Konfrontationsverfahren
- In vivo (Realität)/in sensu (in Vorstellung)
- Graduierte Exposition
- Systematische Desensibilisierung (in sensu)
o Angstauslösende Reize werden gesteigert
o Im entspannten Zustand
o Führen zu konditionierter Hemmung der Angstreaktion (reziproke Inhibition) - Habituationstraining
o Reaktionsstärke nimmt nach wiederholter in-vivo Konfrontation ab
o Kann in-vivo oder in-senso stattfinden
- Systematische Desensibilisierung (in sensu)
- Massierte Exposition
= Direkte Konfrontation mit maximal angstauslösenden Reizen - Effektstärke von Konfrontationsbehandlung in-vivo laut Meta-analyse d = 1.05
spezifische Phobie - Applied Tension – Sonderfall bei Spritzen-, Blut- oder Verletzungsphobie
- Statt Sympathikusaktivierung Blutdruckabfall als Symptom, Folge Ohnmachtsanfälle
- Ziel der Therapie: kurzfristige Steigerung des Blutdrucks durch Anspannen der Skelettmuskulatur (Bsp.: durch PMR ohne Entspannung) um situationsgebundene Ohnmachtsanfälle zu vermeiden
Soziale Phobie - Epidemiologie
- 12-monats Prävalenz (Erwachsene): 2-8%
- Lebenszeitprävalenz: 7-12%
- Keine Geschlechterunterschiede
- Erste Symptome meist im Jugendalter
- 50-80% haben komorbide Störungen
- Durchschnittlicher Therapiebeginn 30 J
Kognitives Modell der sozialen Phobie – Clark & Wells
soziale Situation
->
aktiviert gelernte Grundannahmen
->
wenn Situation als gefährlich wahrgenommen wird: Zunahme körperlicher Angstsymptome & Sicherheitsverhalten
->
führt zu gesteigerter Selbstaufmerksamkeit
->
verstärkt wiederum körperliche Symptome & Sicherheitsverhalten
=> negativer Kreislauf, Angstsymptomatik wird aufrecht erhalten
Soziale Phobie - medikamentöse Behandlung
- Antidepressiva
- SSRI
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI)
- Monoaminoxidase-Hemmer (MAOI)
- Erhöht Verfügbarkeit des entsprechenden Neurotransmitters
- Wirkt stimmungsaufhellend & angstreduzierend
- Absetzten steigert Wahrscheinlichkeit für Rückfälle
- Anxiolytica (Benzodiazepine)
- In akuten Krisensituationen
Soziale Phobie - Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung
- Psychoedukation & Störungsmodell erarbeiten
- Expositionsbehandlung:
- Erstellen einer Angsthierarchie
- Ablegen von Vermeidungs- & Sicherheitsverhalten
- Konfrontation mit angstauslösenden Situationen
- Kognitive Interventionen:
- automatische, dysfunktionale Verhaltensmuster & Glaubenssätze, auf denen diese basieren identifizieren
- Modifikation durch Verhaltensübungen & Dialoge
- Gruppentherapie
- Hohe Effektstärken (d > 1.15) & steigen noch nach Beenden der Therapie an (d > 1.39)
Agoraphobie
= Angst vor Plätzen/Menschenmengen/allein Reisen/weite Reisen
kann mit oder ohne Panikstörung auftreten
Agoraphobie - Epidemiologie
- Lebenszeitprävalenz: 1-22% - Agoraphobie ohne Panikstörung
- Lebenszeitprävalenz: 20% (mind. eine Panikattacke), 3-5% (Panikstörung) → davon 35-65% mit Agoraphobie
- Frauen zu Männern im Verhältnis 2:1 (Panikstörung), sogar 3:1 (Agoraphobie)
- Beginn von Panikstörung & Agoraphobie im späten Jugend-/frühen Erwachsenenalter; Männer mit zweitem Erkrankungsgipfel jenseits des 40. Lj. (oft mit Häufung kritischer Lebensereignisse)
- Verlauf chronisch & ungünstig, Spontanremissionen sehr selten
- Komorbidität sehr hoch (> 70%, insbesondere andere Angststörungen, affektive Störungen, Substanzabhängigkeiten, somatoforme Störungen, Störungen der Impulskontrolle)
Agoraphobie - Genetik & neurobiologsicher Einfluss
- Hoher genetischer Einfluss -> Zwillingsstudien (ca. 67%)
- Neurobiologischer Einfluss:
- Störung der serotonergen, noradrenergen & GABAergen Neurotransmittersysteme
- Überaktivität der Amygdala (Panikattacke) & des Hippocampus (Erwartungsangst, Erlernen emotionaler Reaktionen)
Agoraphobie - Teufelskreis der Angst
Aufschaukelungsprozesse zwischen körperlichen, affektiven, perzeptuellen & kognitiven Vorgängen:
- körperliche Symptome
- Wahrnehmung
- Interpretation: Gefahr
- Angst
- automatische physiologische Veränderungen
- körperliche Symptome
- …
häufig kognitiv verzerrte Infos & erhöhte Angstsensitivität
Vermeidung- & Sicherheitsverhalten führt zu Aufrechterhaltung der Symptomatik
Agoraphobie - medikamentöse Behandlung
- Benzodiazepine in akuten Paniksituationen – aber Nebenwirkungen (Benommenheit/Sedierung) & hohes Abhängigkeitspotential, Effektremission, Entzugssymptome
- Antidepressiva – SSRIs
- Nach Absetzen hohe Rückfallraten
Agoraphobie - Psychotherapie
- Verständnis für Entstehung & Aufrechterhaltung der Symptomatik, Krankheitsentlastung und Therapieakzeptanz & -motivation
- Erkennen des individuellen Teufelskreises aus körperlichen Empfindungen, Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen
- Techniken:
- Kognitive Reattribuierung – Bsp.: Veränderung der Fehlinterpretation von körperlichen Symptomen
- Interne Reizkonfrontation – systematische Konfrontation mit internalen angstauslösenden Reizen, Bsp.: mittels körperlicher Belastung, durch Treppensteigen wird schneller Herzschlag, erhöhte Atemfrequenz, Schwitzen, etc. erzeugt
Zwangsstörung - Epidemiologie
- Lebenszeitprävalenz: 2-3%
- Kein Geschlechterunterschied
- Beginn häufig in der Pubertät
- Verlauf chronisch & ungünstig, Spontanremissionen sehr selten
Zwangsstörung - Kognitiv-behaviorales Modell – Salkovskis
Kognitiver Mechanismus:
Intrusive Gedanken werden katastrophisiert (Bewertung)
-> erhalten vermehrte Aufmerksamkeit -> Angst
-> führen zu Zwangshandlungen
behavioraler Mechanismus:
Zwangshandlungen reduzieren kurzfristig die Angst
-> langfristig steigt Wahrscheinlichkeit dass Zwangshandlung wiederholt wird
-> Assoziation Vermeidung der Katastrophe durch Zwangshandlung entsteht
Zwangsstörung - medikamentöse Behandlung
SSRIs, teilweise niedrigdosierte & atypische Neuroleptika
- Erneutes Einsetzen der Symptomatik nach Absetzen
Zwangsstörung - Kognitive Verhaltenstherapie
- Problemanalyse & Psychoedukation
- Exposition mit Reaktionsverhinderung/-management: Konfrontation mit problematischer Situation, ohne dass die neutralisierenden Zwangshandlungen ausgeführt werden → Habituation
- Verhaltensexperimente: Überprüfung, ob gefürchtete Katastrophe eintritt, wenn keine Zwangsrituale durchgeführt werden → Wichtig: Erarbeiten, dass gewünschte absolute Sicherheit nie gegeben ist, also Ungewissheiten im Leben akzeptieren lernen
- Identifikation irrationaler Überzeugungen und kognitive Umstrukturierung
-> Trotz nachgewiesener Wirksamkeit bricht Teil der Patienten Behandlung verfrüht ab