4. Störungen durch Psychotrope Substanzen Flashcards
Psychotrope (auch psychoaktive) Substanzen
= natürliche, chemisch aufbereitete/synthetische Stoffe, die zentralnervös auf den Organismus einwirken und je nach Substanzklasse das menschliche Bewusstsein unterschiedlich beeinflussen, u. a. in Hinblick auf Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln
Substanzklassen
- Halluzinogen
- aktivierend
- dämpfend
Audit-Fragebogen
- Alcohol Use Disorders Identification Test
- Als Selbsttest konzipiert & eignet sich für Erkennen eines problematischen Konsums
- Von WHO entwickelt, da Früherkennung & -Intervention enorm wichtig ist
- Fragen 1-3: problematischer Konsum, 4-10: Folgeschäden & Abhängigkeitssymptome
- Insgesamt können 0 bis 40 Punkte erreicht werden
-> Cut-off-Wert in Deutschland bei 5 Punkten
-> Bei Frauen kann ein Wert von 4 Punkten angemessener sein
-> Bei Jugendlichen zeigt eine Studie in Schulen, dass ein Wert von 6 oder 7 Punkten angemessen sein kann
Gefährdungsstufen
- Risikoarmer Konsum
- Riskanter Konsum
- Schädlicher Konsum
- Abhängigkeit
Gefährdungsstufen - Risikoarmer Konsum
- Konsum unterhalb der statistisch definierten „Harmlosigkeitsgrenze“ (Männer 30mg Alkohol/Tag, Frauen 20mg/Tag)
Gefährdungsstufen - Riskanter Konsum
- Konsum oberhalb einer Gefährdungsgrenze (Männer 40mg Alkohol/Tag, Frauen 30mg/Tag)
Gefährdungsstufen - Schädlicher Konsum
- Wiederkehrender Gebrauch einer psychotropen Substanz, welche trotz Wissens über durch den Konsum verursachte, soziale, berufliche, psychologische oder körperliche Probleme weiter konsumiert wird
Gefährdungsstufen - Abhängigkeit
- Wiederkehrender, schädlicher und durch ein übermächtiges Konsumverlangen bedingter Gebrauch einer psychotropen Substanz mit Kontrollverlust bei etwaigen Abstinenzbemühungen
-> Bei Abstinenz körperliche oder psychische Entzugserscheinungen
-> Toleranzentwicklung
Phasen nach Jellinek
- Präalkoholische Phase
- Trinken zum Spannungsabbau, Alkoholtoleranz erhöht - Prodromalphase
- Weitere Toleranzentwicklung, heimliches Trinken, anamnetische Lücken - Kritische Phase
- Starke psychische Abhängigkeit, beginnende Wesensveränderung - Chronische Phase
- Prolongierte Räusche, beginnende Alkoholintoleranz, morgendliche Entzugserscheinungen - Rehabilitationsphase
- Ehrlicher Wunsch nach Hilfe, Schöpfen nach Hoffnung und Selbstachtung, Steigerung der Zuverlässigkeit
Risikofaktoren - Bedingungsfaktoren der Person
- Genetische Faktoren → Verträglichkeit hoher Mengen
- Persönlichkeitsfaktoren (niedriges Selbstwertgefühl, Sensation Seeking, Impulsivität, antisoziales Verhalten)
- Traumatisierungen
- Komorbide Störungen (Angst, Depression, ADHS, Persönlichkeitsstörungen)
Risikofaktoren - Umweltfaktoren
- Struktur & Bindung in der Familie (Rollen, Regeln & Kommunikation)
- Konsumverhalten und Einstellung bzgl. Alkohol- und Drogenkonsum in der Familie & in der Peergroup
- Substanzverfügbarkeit
- Soziales Milieu & soziale Schichtzugehörigkeit
Risikofaktoren - Merkmale der Substanz
- Wirkung (dämpfend/sedierend, aktivierend/stimulierend, halluzinogen)
- Entwicklung der Wirkung und Nebenwirkungen bei längerfristigem/regelmäßigem Konsum
- „Anflutungsgeschwindigkeit“ & Dauer der Wirkung
- Abhängigkeitsentwicklung (körperliche und/oder psychische Abhängigkeit)
Schutzfaktoren
Bedingungsfaktoren der Person
- Internale Kontrollüberzeugungen
- Selbstwirksamkeitserwartungen
- Risikowahrnehmung
- Stressbewältigung
- Widerstandsfähigkeit
- Optimismus
- Kommunikationsfähigkeit
Umweltfaktoren
- Soziale Unterstützung in Krisensituationen
BIOPSYCHOSIZIALES MODELL DER ABHÄNGIGKEIT
Alkoholkonsum führt zu:
intrapsychischer Teufelkreis:
- Beeinträchtigte Selbstwahrnehmung
- Unrealistische Wirkungserwartung
- Copingdefizite
- Suchtbezogene Grundannahmen
Neurobiologischer Teufelskreis:
- Toleranzsteigerung
- Endorphinmangel
- Suchtgedächtnis
- Cue reactivity
Psychosozialer Teufelskreis
- Gestörte Trinkkultur
- Veränderte Familieninteraktionen
- soziale Folgeschäden
- Mangel an Alternativressourcen
führt zu erhöhtem Anreiz und Automatisierung des Alkoholkonsums
neurobiologischer Erklärungsansatz
- Dopaminausschüttung im Belohnungssystem durch Alkoholkonsum
-> Nucleus Accumbens: Glücksgefühle
-> Hippocampus: speichert Erinnerungen
-> Amygdala: erzeugt auf bestimmte Reize konditionierte Antwort - Je höher die Dosis ist & je schneller sie aufgenommen wird, desto mehr Dopamin wird im Nucleus Accumbens ausgeschüttet
- Adaption des Gehirns, indem es Wirkung von Dopamin mindert
- Daher wird höhere Dosis für denselben Kick benötigt Toleranzentwicklung
sozial kognitives Rückfallmodell (Marlatt & Gordon)
allgemein kritische Lebenssituation (Dysbalance von angenehmen/unangenehmen Gefühlen)
->
Konfrontation mit Risikosituationen (Risikoverhalten - am Kiosk vorbeilaufen) - Verlockung
->
wenn Bewältigungsstrategie vorhanden: erhöhte Selbstwirksamkeit - geringe Wahrscheinlichkeit des Rückfalls
wenn keine Bewältigungsstrategie vorhanden:
- verringerte Selbstwirksamkeit, positive Erwartungen an Substanzkonsum
-> erneuter Substanzkonsum (Vorfall)
-> Abstinenzverletzungseffekt, positive Effekte des Substanzkonsums
-> erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit
BEHANDLUNG NACH LINDENMEYER
- Therapieschritt: Anhalten
- Bewusste Entscheidung für Entzug - Therapieschritt: Die Weiche suchen
- Professionelle Unterstützung suchen - Therapieschritt: Reparatur des Alternativgleises
- Diagnostik & Therapie - Therapieschritt: das Alternativgleis blankfahren
- Üben des Abstinent-Bleibens in den Situationen, die vorher zu Alkoholkonsum geführt haben
Epidemiologie
- 1,4% begeben sich mit schädlichem Gebrauch in Therapie - häufig wegen komorbiden Störungen
- professionelle Hilfe wird sehr spät in Anspruch genommen (ca. 12 J nach ersten Schwierigkeiten)
- häufigste Erkrankung bei Männern, zweithäufigste bei Frauen
- Beginn meist 2. Lebensjahrzehnt, hochrisikophase im 2. & 3. Lebensjahrzehnt
- meist variabler Verlauf
- Rückfallraten liegen zwischen 40-80% (Alkohol bis harte Drogen)
Prävalenz - Alkohol
- riskanter Konsum: 29,7%
- Missbrauch: 3,8%
- Abhängigkeit: 2,4%
Behandlungsmöglichkeiten - Entstehung der Abhängigkeit
- Situationsmerkmale & Stimmungsmerkmale identifizieren
- Toleranzentwicklung erklären
- negative Nachwirkungen des Konsums erörtern
Bsp.: sozialer Stressor als Trigger -> Cue reactivity (Anblick von Alkohol) -> Kognitive Grundannahmen (ein schluck täte gut) -> neurobiologsiche Aktivität (Dopamin) -> Alkoholeinnahme -> Wahrscheinlichkeit von Konsum fällt ab
-> steigt wieder an wenn negative Nachwirkung eintritt ( Resignation, Verzweiflung, psychosoziale Auswirkungen (Streit), Entzugssymptome)
Behandlungsverfahren
- Motivationssteigerungsansatz
- Kognitives-verhaltenstherapeutisches Bewältigungstraining
- Soziales Kompetenztraining
- Paar- & Familientherapie
- Gemeindenahes Verstärkermodell
- Reizexposition
- Psychopharmaka -> Rückfallprophylaxe
Therapieziele
- Ideal: Lebenslange Abstinenz
- Auch schon wesentlicher Therapieerfolg: abstinente Episoden, die von Rezidiven unterbrochen werden
- auch Frühintervention wichtig
- Primäres Ziel:
-> kritische Betrachtung des eigenen Alkoholkonsums
-> Unterstützung der Veränderungsbereitschaft - Motivation zur Trinkmengenreduktion/Abstinenz
Motivational Interviewing
zur Steigerung der Abstinenzmotivation in der Therapie
- Hauptmerkmal: Fragen ohne implizierte Wirkung statt Konfrontationen (Konfrontationen führen oft zu Abwehrhaltung)
- Veranlassung zur Selbsteinschätzung durch Reflektieren und positive Rückmeldungen – führt zur Problemerkennung und Veränderungsbereitschaft
- Empathische Grundhaltung
- Aufbau von Vertrauen in die Selbstwirksamkeit
- Vereinbarung von gemeinsam festgelegten Behandlungszielen
- Einbezug von Angehörigen
Entzugsbehandlung
Ambulant:
- wenn keine Hinweise auf drohende Entzugskomplikationen
- ärztlich begleitete Trinkmengenreduktion
- bei 1/3 pharmakologische Behandlung notwendig
Stationär:
- bei schwereren Fällen
- ärztlich begleitet
- Therapie zur Motivationsbildung