6/10 (§ 212, 211; 216; 222; 221; Sterbehilfe) Flashcards

Totschlag (§ 212); Mord (§ 211); Täterschaft und Teilnahme bei den §§ 212, 211; Tötung auf Verlangen (§ 216); Sterbehilfe; Strafbare Fremdtötung und grundsätzlich straflose Teilnahme an einer Selbsttötung oder Selbstgefährdung; Fahrlässige Tötung (§ 222); Aussetzung (§ 221)

1
Q

§ 212: Mensch: Beginn und Ende des Menschseins

A
  • Beginn:
  • > mM: auch Leibesfrucht umfasst
    pro: Art. 1 I, 2 II GG
    con: Systematik, §§ 218 ff. StGB
  • > hM: mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen
    pro: § 217 aF (nicht erst mit Vollendung der Geburt)
  • > es reicht aus, wenn das Neugeborene zumindest kurz unabhängig von der Mutter lebt
  • Ende:
  • > Hirntod, d. h. irreversibler und totaler Ausfall der Gehirnfunktionen
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2
Q

§ 212: Tötung

A

= den Tod eines Menschen verursachen

  • auch kurzfristige Lebensverkürzungen sind erfasst
  • auch Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen (§ 13)
  • > beachte jedoch: in dubio pro reo
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3
Q

§ 212: Subjektiver Tatbestand

A
  • Hemmschwellentheorie (BGH)
  • > tw. Lit: bei als lebensgefährlich erkannten Handlungen setzt das erforderliche billigende Inkaufnehmen des Todes die Überwindung einer erhöhten Hemmschwelle voraus
  • > BGH (klärend): keine erhöhten Anforderungen per se, sondern lediglich eine besonders sorgfältige Prüfung
  • HIV-Infektion
  • > Rspr: typischerweise bloß Körperverletzungs- und nicht Tötungsvorsatz
    pro: Behandlungsfortschritte führen zu erheblichen Zweifeln, ob Krankheit überhaupt ausbricht und darüber hinaus zum Tod führt
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4
Q

§ 213: Charakteristik und Anforderungen

A
  • Strafzumessungsvorschrift
  • „schweren Beleidigung‟ = über die §§  185 ff. hinausgehende schwere Kränkungen jeder Art
  • „Ohne eigene Schuld‟ = der Täter hat bezogen auf den Tatzeitpunkt keine oder keine vorwerfbare Veranlassung zur tatauslösenden Provokation gegeben
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5
Q

§ 211: P: Verhältnis von § 211 und § 212

A
  • alle in der Lehre: § 211 als Qualifikation
    con: üblichweise ist systematisch die Qualifikation nach dem Grundtatbestand normiert
  • > dagegen con: Bedeutsamkeit des Mordvorwurfs
  • nur der BGH: eigenständige Tatbestände
    con: Schutz des gleichen Rechtsguts vor gleicher Beeinträchtigung
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6
Q

§ 211: verfassungsrechtliche Problematik

A
  • BVerfG: aus Schuldprinzip und Rechtsstaatsprinzip folgt, dass Strafe in angemessenem Verhältnis zu Schwere der Tat und Maß der Schuld stehen muss
  • > aufgrund der lebenslangen Freiheitsstrafe muss auch in jedem Einzelfall die besondere Verwerflichkeit der Tat festgestellt werden
  • -> Mordmerkmale somit in der Tendenz restriktiv auszulegen
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7
Q

§ 211: Prüfung: gemeinsame Prüfung von §§ 211, 212

A

I .Tatbestandsmäßigkeit

  1. Objektiver Tatbestand
    a) Tötung eines anderen Menschen
    b) Tatbezogene Mordmerkmale (mit subjektiven Komponenten)
  2. Subjektiver Tatbestand
    a) Vorsatz bezüglich 1.a und b
    b) Täterbezogene Mordmerkmale

II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

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8
Q

§ 211: Mordlust

A

= wem es allein darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen (dolus directus 1. Grades)
-> Tötung als einziger Zweck

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9
Q

§ 211: zur Befriedigung des Geschlechtstriebs

A

= wer

  • > im Tötungsakt selbst geschlechtliche Befriedigung sucht (Lustmord)
  • > tötet, um danach seine sexuelle Lust an der Leiche zu befriedigen
  • > die Tötung seines Sexualobjekts zumindest in Kauf nimmt, um typischerweise den Geschlechtsverkehr durchführen zu können

-> auch, wer sein Opfer tötet, um die Tat auf einem Video aufzuzeichnen, bei dessen späterer Betrachtung er sich sexuell befriedigen will

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10
Q

§ 211: Habgier

A

= rücksichtsloses Streben nach Vermögensvorteilen um jeden Preis

  • > auch, wenn Aufwendungen erspart werden sollen
  • > nicht jedoch, wenn Täter tötet, um einem ihm rechtmäßigerweise zustehenden Vermögensvorteil zu erlangen
    pro: Parallelwertung aus §§ 242, 249
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11
Q

§ 211: Niedriger Beweggrund

A

= wenn der Beweggrund nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist

  • > besondere Verwerflichkeit typischerweise bei hemmungslosen (krassen) Eigensucht oder rücksichtslosem Egoismus
  • > auch verdeckungsnahe Beweggründe (bspw. Tötung zur Verdeckung einer Handlung, die nicht einmal eine Straftat darstellt)
  • > Tötung aus Eifersucht: Umstände des Einzelfalls, aber idR (+), wenn Exklusivanspruch auf Partner durchgesetzt werden soll
  • > Maßstab: nicht die Werte einer fremden Kultur sind maßgeblich (hM, BGH), sondern diejenigen der deutschen Rechtsgemeinschaft
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12
Q

§ 211: Heimtücke

A

= heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt

  • > Arglosigkeit: wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (= Zeitpunkt des § 22) keines erheblichen tätlichen Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht
  • -> Fähigkeit zum Argwohn muss vorliegen (bei Schlafendem kommt es darauf an, ob er Argwohn mit in den Schlaf nimmt) -> wenn (-), kann jedoch auch die Arglosigkeit schutzbereiter Dritter ausgenutzt werden
  • > Wehrlosigkeit: wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist
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13
Q

§ 211: Heimtücke: P: Restriktive Auslegung

A
  • eA: Tatbestandslösungen
  • > tückisch-verschlagenes (listiges, hinterhältiges) Vorgehen erforderlich
  • > verwerflicher Vertrauensbruch
  • -> con: unklare Konturen des Vertrauens
  • -> con: hinterhältige Attentate entfielen
  • > Typenkorrektur: Tatbestand entfällt nach einer Gesamtwürdigung
  • -> con: dogmatisch inkonsistent
  • > Feindliche Willensrichtung erforderlich
  • aA: Rechtsfolgenlösungen
  • > § 213 analog mit Strafrahmen des § 212
  • > BGH: § 49 I Nr. 1 gem. §§  13 II, 17 S. 2, 21 analog (gesetzliche Milderungsvorschriften), sofern Entlastungsfaktoren vorliegen, die den Charakter „außergewöhnlicher Umstände‟ aufweisen und die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen lassen
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14
Q

§ 211: Heimtücke: P: Restriktive Auslegung: missglückter Mitnahmesuizid

A
  • Rspr. früher: “feindliche Willensrichtung” erforderlich (= wenn der Täter glaubt, zum vermeintlich Besten des Opfers zu handeln)
  • Rspr. heute: “feindselige Willensrichtung” nur dann nicht gegeben, wenn Tötung dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht
    con (Lit): dann liegt in aller Regel keine Heimtücke mehr vor, sodass die “feindselige Willensrichtung” als Restriktionsmoment leer läuft
    -> Rechtsfolgenlösung bleibt möglich
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15
Q

§ 211: Restriktive Auslegung: Besondere Anforderung an die innere Tatseite

A

= nur aus niedrigem Beweggrund oder Heimtücke, wenn Täter sich der Umstände, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, bewusst gewesen ist, und dass er die Bedeutung seiner Beweggründe und Ziele für die Bewertung der Tat erfasst hat

-> insb. zur Einschränkung bei Spontan- oder Affekttaten oder Taten aus großer Verzweiflung

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16
Q

§ 211: Grausamkeit

A

= wer dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt
-> “besonders”: über das für die Tötung als solche erforderliche Maß hinaus

17
Q

§ 211: Gemeingefährliches Mittel

A

= wer ein Tötungsmittel so einsetzt, dass er in der konkreten Tatsituation die Ausdehnung der Gefahr auf andere Personen als das oder die individualisierte(n) Opfer nicht beherrschen und dadurch eine Mehrzahl weiterer Menschen in Lebensgefahr bringen kann
-> bei allgemeinen Mehrfachtötungen: zu den Opfern einer Allgemeingefahr ist jeder zu zählen, der als (letztlich austauschbarer) Repräsentant der Allgemeinheit und nicht als ausgesuchte, bestimmte Individualperson betroffen wird

18
Q

§ 211: Verwirklichung der Mordmerkmale durch Unterlassen (insb. Heimtücke, gemeingefährliches Mittel)

A

1) Heimtücke
pro: wenn der unterlassende Garant das Opfer pflichtwidrig in Unkenntnis von einem drohenden Angriff, also im Zustand der die Abwehrfähigkeit mindernden Arglosigkeit gelassen und dadurch auch den Zustand der Wehrlosigkeit aufrechterhalten hat -> gleiche Gefährlichkeit
pro: § 13 II (gesetzliche Milderungsmöglichkeit)

2) Gemeingefährliches Mittel
con: Wortlaut “mit” (hM)
pro: mitunter gleiche Gefährlichkeit des Ingerenzgaranten (Rengier)
pro: § 13 II (gesetzliche Milderungsmöglichkeit)

19
Q

§ 211: Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht: Allgemein

A
  • Dolus directus I. Grades erforderlich
  • eigene wie fremde strafbare (d. h. tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte) Tat
  • > subjektive Vorstellung des Täters maßgeblich (unabhängig von Rechts- oder Tatsachenirrtümern)
20
Q

§ 211: Ermöglichungsabsicht

A

= Tötung als Mittel, um durch eine andere Tathandlung weiteres kriminelles Unrecht begehen zu können

  • > früher: gerade und nur Tötungserfolg als Mittel
  • > heute: auch Tötungshandlung -> keine Einschränkung
21
Q

§ 211: Verdeckungsabsicht

A

= wem es darauf ankommt, durch die Tötung entweder die Aufdeckung der Vortat in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang oder die Aufdeckung seiner Täterschaft zu verbergen

  • > wegen Flucht oder Entziehung der Festnahme nicht erfasst
  • > wegen Vermeidung von außerstrafrechtlichen Konsequenzen (Entdeckung des Betrugs durch Geschäftspartner):
  • -> BGH: (+)
    pro: Wortlaut und Unrechtsgehalt
  • -> Lit: Verdeckungsnahe Motive -> niedrige Beweggründe
  • > auch durch Unterlassen möglich
22
Q

§ 211: Teilnahme bei tatbezogenen Merkmale (2. Gruppe)

A
    1. Gruppe als objektive Tatbestandsmerkmale, sodass § 28 nicht einschlägig ist
  • > allgemeine Vorsatzregeln
23
Q

§ 211: Teilnahme bei täterbezogenen Merkmalen (1. und 3. Gruppe)

A
  • ganz hL: Mord als Qualifikation -> § 28 II einschlägig
  • > Akzessorietätslockerung: Sichtweise des jeweiligen Teilnehmers maßgeblich
    1. Prüfung, ob der Teilnehmer in seiner Person täterbezogene Mordmerkmale verwirklicht
    2. Wenn (-), kommt nur eine Teilnahme an § 212 in Betracht, auch wenn der Haupttäter wegen eines täterbezogenen Mordmerkmals § 211 erfüllt und der Teilnehmer das genau weiß
    3. Verwirklicht dagegen der Teilnehmer in seiner Person ein täterbezogenes Mordmerkmal, so liegt immer eine Teilnahme am Mord vor
  • BGH: Mord als eigenständiger Tatbestand -> § 28 I einschlägig -> Geltung der allgemeinen Akzessorietätsregeln
    1. Feststellung täterbezogener Mordmerkmale beim Haupttäter und entsprechender Teilnehmervorsatz.
    2. Wenn (-), fehlt die Haupttat und eine Teilnahme am Mord scheidet aus
    3. Sind dagegen (zumindest) ein täterbezogenes Mordmerkmal und der Teilnehmervorsatz zu bejahen, muss § 28 I angesprochen und gesehen werden, dass es bezüglich der §§ 211, 26 oder 27 zu einer Strafrahmenverschiebung kommen kann. § 28 I ordnet eine obligatorische Strafmilderung an, wenn der Haupttäter ein täterbezogenes Mordmerkmal verwirklicht, das in der Person des Teilnehmers nicht vorliegt (Normalfall)
  • > Ausnahme „gekreuzte‟ Mordmerkmale: § 28 I greift nicht ein, wenn der Teilnehmer ein anderes täterbezogenes Mordmerkmal als der Haupttäter verwirklicht und insoweit beim Teilnehmer ein solches im Ergebnis nicht „fehlt‟
    con: Einordnung überhaupt
    con: wenn Haupttat Totschlag, kann Mordmerkmal bei Teilnehmer keine Berücksichtigung (außer in Strafzumessung) finden
    con: Ausnahme “gekreuzte Mordmerkmale” findet keine gesetzliche Grundlage
24
Q

§ 211: Teilnahme bei täterbezogenen Merkmalen (1. und 3. Gruppe): Prüfung

A

I. Tatbestandsmäßigkeit

  1. Objektiver Tatbestand
    a) Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat: Feststellung, inwieweit die §§ 212, 211 einschließlich etwaiger tat- und täterbezogener Mordmerkmale vorliegen
    b) Teilnahmehandlung (Bestimmen oder Hilfeleisten)
  2. Subjektiver Tatbestand
    a) Vorsatz bezüglich 1.a (Merkmale des § 212 I und tatbezogene Mordmerkmale)
    b) Vorsatz bezüglich 1.b
  3. Eventuell, auch bloß gedanklich, Zwischenergebnis festhalten: Tatbestandsmäßige Teilnahme an § 212 und an §  211 bezüglich tatbezogener Mordmerkmale
  4. Teilnahme an den §§ 212, 211 bezüglich täterbezogener Mordmerkmale
    a) Lösung nach Literatur (§ 28 II)
    b) Lösung nach Rechtsprechung (§ 28 I)
    c) Bei unterschiedlichen Ergebnissen: Diskussion der Streitfrage und Entscheidung

II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

25
Q

§ 211: Mittäterschaft

A
  • BGH: Mörder und Totschläger können in Mittäterschaft handeln
  • > wenn einem Mittäter ein tatbezogenes Mordmerkmal mangels Tatherrschaft oder Tatvorsatzes nicht nach § 25 II zugerechnet werden kann
  • > wenn der Mittäter ein täterbezogenes Mordmerkmal nicht in seiner Person (!) verwirklicht (§ 25 II gilt nicht)
  • Literatur: Qualifikationscharakter von § 211 -> Geltung des § 28 II
  • > gleiche Ergebnisse
26
Q

§ 216: Charakteristik und Verhältnis zu §§ 212, 211

A
  • Privilegierung (Strafmilderungsvorschrift)
  • Sperrwirkung ggü §§ 212, 211
  • > auch wenn Mordmerkmal (in seltenen Fällen) vorliegt, ist rein aus §§ 216 zu bestrafen
27
Q

§ 216: objektiver Tatbestand

A
  • (kausale und zurechenbare) Tötungshandlung
  • > Abgrenzung zur (straflosen) Teilnahme an Selbsttötung
  • Verlangen: mehr als bloße Einwilligung
  • ausdrücklich: in eindeutiger, nicht misszuverstehender Weise
  • ernstlich: auf freier und fehlerfreier Willensbildung beruhend
  • bestimmen: entspricht § 26
  • durch: Bestimmung muss das Täterhandeln dominieren, dh tatsächlich handlungsleitend sein (subjektive Komponente des objektiven Tatbestandes)
  • > gewisser gegenseitiger Ausschluss von § 216 und § 211 (da bei § 211 idR diese Motive dominieren)
28
Q

§ 216 II: Verhältnis zu §§ 224, 226

A
  • Einwilligung wegen des verfolgten Tötungszwecks gemäß §  228 unwirksam
    pro: Wertung des § 216
    con: im Versuchsfall darf Täter wegen tw. höherer Strafmöglichkeit aus §§ 224, 226 nicht schlechter stehen als bei Vollendung des § 216 I (Sperrwirkung des milderen Gesetzes)
  • > Einzelheiten str., Rengier
  • -> § 226 I wird gesperrt, da Verbrechenseinstufung vermieden werden soll
  • -> § 224 I wird nicht gesperrt, jedoch kann ein minder schwerer Fall angenommen werden
29
Q

§ 216: Tötungsverlangen als tat- oder täterbezogenes Merkmal

A
  • hM: Täterbezogen -> § 28 II
    pro: Mitleidsmotivation, die hinter Tötungsverlangen steht, ist täterbezogen
    pro: Unrechtswert von Teilnehmerhandlungen kann erfasst werden (wenn nicht durch Tötungsverlangen motiviert oder sogar Mordmerkmale erfüllen)
  • mM: Tatbezogen -> streng akzessorisch
30
Q

Aktive Sterbehilfe: Strafbarkeit

A
  • gem. § 216 (+), auch die einverständliche aktive (oder: direkte) Sterbehilfe (Euthanasie) durch gezieltes täterschaftliches Töten selbst bei aussichtsloser Prognose und schweren Leiden ist strafrechtlich sanktioniert
    pro: Lebensschutz wirkt gegenüber jedem Leben
  • > auch keine Rechtfertigung gem. § 34
31
Q

Indirekte Sterbehilfe: Strafbarkeit

A

= die mit (mutmaßlicher) Einwilligung eines todkranken und schwer leidenden Patienten erfolgende ärztlich gebotene Schmerzbekämpfung mittels bestimmter Medikamente, die zur Linderung unerträglicher Schmerzen verabreicht werden und dabei als nicht vermeidbare, unbeabsichtigte Nebenwirkung den Todeseintritt beschleunigen

  • eA: straflos wegen mangelnder objektiver Zurechenbarkeit
    pro: in lege artis durchgeführter palliativmedizinischer Behandlung kann keine rechtlich missbilligte Gefahr gesehen werden (Schutzzweck der Norm)
  • aA: straflos wegen § 34
    pro: einverständliche Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit als höherwertiges Rechtsgut denn die Aussicht, unter schwersten Schmerzen noch eine kurze Zeit länger leben zu müssen
32
Q

Passive Sterbehilfe: Konstellation

A

= Sterbehilfe durch Sterbenlassen

  • > Selbstbestimmungsrecht des verantwortungsfähigen Kranken, der jede (weitere) ärztliche Behandlung ablehnen darf, selbst wenn die Weigerung einer sinnvollen Lebensverlängerung/-erhaltung im Wege steht und von daher unvernünftig erscheinen mag
  • > keine ärztliche Pflicht zur Lebensverlängerung mit allen Mitteln
  • > vom Patientenwillen nicht gedeckte Ausschöpfung medizinischer Technologie ist rechtswidrig
33
Q

Passive Sterbehilfe: Strafbarkeit

A
  • ganz hM: (-)
    pro: Respektierung des gewollten Behandlungsabbruchs, sodass es weiter keine Rolle spielen, ob der Abbruch durch bloßes Nichtweiterhandeln bewerkstelligt werden kann oder aktive Eingriffe insbesondere des Behandlungspersonals erfordert
  • Lit: Aktive Eingriffe sind schwerpunktmäßig/normativ als “Unterlassen durch Tun” zu sehen (entspricht somit dem erlaubten (vom Patientenwillen gedeckten) Ausbleiben der Weiterbehandlung)
    con (BGH): dogmatischer “Kunstgriff”
  • BGH: Einwilligungslösung (Rechtfertigung):
    (1) Lebensbedrohende Krankheit
    (2) Behandlungsabbruch: Eine im Zusammenhang mit der Erkrankung stehende Behandlung wird unterlassen, begrenzt oder beendet (auch durch nach außen hin aktives Tun)
    (3) Patientenwille: Behandlungsabbruch entspricht dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen
    pro: Differenzierung zwischen erlaubtem Unterlassen und unerlaubtem Tun wird eingeebnet (Rechtssicherheit)
  • > auch §§ 216, 13 (-), da bei Patienten mit Bewusstsein keine Tatherrschaft und bei bewusstlosen Patienten Entfallen der Garantenpflicht (durch Voraussetzungen 1-3)
  • Mindermeinungen
  • > keine objektive Zurechenbarkeit
  • > teleologische Reduktion der Norm
  • > Nothilfe
34
Q

Passive Sterbehilfe: Strafbarkeit: Anforderung an die Ermittlung der Sterbehilfe

A
  • eA: Wahrung der Voraussetzungen des § 1901a BGB (Patientenverfügung)
    con: für Wille ist allein materiell-rechtliche Lage maßgeblich
    con: sonst würde nicht Leben geschützt, sondern Einhaltung von Verfahrensvorschriften
  • aA: allein Vorliegen des tatsächlichen Patientenwillens maßgeblich
  • > bei Entscheidungsunfähigkeit: mutmaßlicher Patientenwille
  • -> Indiz: Patientenverfügung, § 1901a BGB
35
Q

Abgrenzung: Strafbare Fremdtötung vs. straflose Teilnahme an Selbsttötung

A

I. Freiverantwortlichkeit der Selbsttötung

  • > Vorsatz
  • > Einwilligungslösung (hM) vs. Exkulpationslösung

II. Tatherrschaft des Suizidenten
-> bzgl. unmittelbar lebensbeendenden Akt

36
Q

P: Strafbarkeit aus Unterlassungsdelikten trotz strafloser Teilnahme an der Selbsttötung

A
  • frühere Rspr (Wittig): Tötung durch Unterlassen bei Garantenstellung möglich (Garantenpflicht besteht ab Bewusstloswerden des Suizidenten)
    con: Privatautonomer Wille wird nicht respektiert
    con: Handlungspflicht des Garanten wurde vom Suizidenten (gemäß dessen Dispositionsfreiheit) wirksam aufgehoben
    con: straflose Beihilfe zur Selbsttötung wird in strafbares Unterlassensdelikt umgewandelt - Wertungswiderspruch: dasselbe Verhalten, das aktiv getan werden dürfte (bspw. Reichen des Gifts), wäre strafbar, wenn aufgrund der Wirkweise ein Unterlassenszeitraum verbleibt
  • neuere Rspr.:
  • > Beschützergaranten (bspw. Arzt): (-), soweit Handlungspflichtentbindung nach Selbstbestimmungsrecht des Suizidenten
    pro: Patientenverfügung maßgeblich unabhängig von „Art und Stadium einer Erkrankung‟ (§ 1901a III BGB)
  • > Ingerenzgaranten (bspw. Person, die tödlichen Medikamentcocktail mixt/bereitstellt): Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch freiverantwortliche Selbstschädigung der Suizidenten
    pro: Selbstbestimmungsrecht
37
Q

P: Strafbarkeit aus Unterlassungsdelikten trotz strafloser Teilnahme an der Selbsttötung: § 323c

A
  • Rspr.: jeder Suizid ist ein Unglücksfall
    pro: freiverantwortlich oder nicht tw. schwer zu bestimmen
    pro: bei Freiverantwortlichkeit wird auf Ebene der Zumutbarkeit der entgegenstehende Suizidentenwille berücksichtigt
  • hL: freiverantwortliche Suizide sind kein Unglücksfall
    pro: Wertung der Selbstbestimmung
    pro: keine Strafbarkeit der straflosen Teilnahme durch Unterlassensdelikte
38
Q

§ 221: Prüfung

A

I. Tatbestandsmäßigkeit

  1. Objektiver Tatbestand
    a) Tathandlung
    aa) Versetzen eines Menschen in eine hilflose Lage (Nr. 1), oder
    bb) Im-Stich-Lassen eines Menschen in einer hilflosen Lage durch einen Garanten (Nr. 2)
    b) Taterfolg: Eintritt einer konkreten Gefahr
    aa) des Todes oder
    bb) einer schweren Gesundheitsschädigung
    c) Kausalität und objektive Zurechnung zwischen a und b („dadurch der Gefahr aussetzt‟)
  2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
    II. Rechtswidrigkeit
    III. Schuld
    IV. Qualifikationen (§ 221 II, III)
  • § 221: konkretes Gefährdungsdelikt
39
Q

§ 221: hilflose Lage

A

= Situation, in der das Opfer außerstande ist, sich aus eigener Kraft oder mit Hilfe schutzbereiter und schutzfähiger anderer Personen vor drohenden abstrakten Lebens- oder schweren Gesundheitsgefahren zu schützen