6/10 (§ 212, 211; 216; 222; 221; Sterbehilfe) Flashcards
Totschlag (§ 212); Mord (§ 211); Täterschaft und Teilnahme bei den §§ 212, 211; Tötung auf Verlangen (§ 216); Sterbehilfe; Strafbare Fremdtötung und grundsätzlich straflose Teilnahme an einer Selbsttötung oder Selbstgefährdung; Fahrlässige Tötung (§ 222); Aussetzung (§ 221)
§ 212: Mensch: Beginn und Ende des Menschseins
- Beginn:
- > mM: auch Leibesfrucht umfasst
pro: Art. 1 I, 2 II GG
con: Systematik, §§ 218 ff. StGB - > hM: mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen
pro: § 217 aF (nicht erst mit Vollendung der Geburt) - > es reicht aus, wenn das Neugeborene zumindest kurz unabhängig von der Mutter lebt
- Ende:
- > Hirntod, d. h. irreversibler und totaler Ausfall der Gehirnfunktionen
§ 212: Tötung
= den Tod eines Menschen verursachen
- auch kurzfristige Lebensverkürzungen sind erfasst
- auch Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen (§ 13)
- > beachte jedoch: in dubio pro reo
§ 212: Subjektiver Tatbestand
- Hemmschwellentheorie (BGH)
- > tw. Lit: bei als lebensgefährlich erkannten Handlungen setzt das erforderliche billigende Inkaufnehmen des Todes die Überwindung einer erhöhten Hemmschwelle voraus
- > BGH (klärend): keine erhöhten Anforderungen per se, sondern lediglich eine besonders sorgfältige Prüfung
- HIV-Infektion
- > Rspr: typischerweise bloß Körperverletzungs- und nicht Tötungsvorsatz
pro: Behandlungsfortschritte führen zu erheblichen Zweifeln, ob Krankheit überhaupt ausbricht und darüber hinaus zum Tod führt
§ 213: Charakteristik und Anforderungen
- Strafzumessungsvorschrift
- „schweren Beleidigung‟ = über die §§ 185 ff. hinausgehende schwere Kränkungen jeder Art
- „Ohne eigene Schuld‟ = der Täter hat bezogen auf den Tatzeitpunkt keine oder keine vorwerfbare Veranlassung zur tatauslösenden Provokation gegeben
§ 211: P: Verhältnis von § 211 und § 212
- alle in der Lehre: § 211 als Qualifikation
con: üblichweise ist systematisch die Qualifikation nach dem Grundtatbestand normiert - > dagegen con: Bedeutsamkeit des Mordvorwurfs
- nur der BGH: eigenständige Tatbestände
con: Schutz des gleichen Rechtsguts vor gleicher Beeinträchtigung
§ 211: verfassungsrechtliche Problematik
- BVerfG: aus Schuldprinzip und Rechtsstaatsprinzip folgt, dass Strafe in angemessenem Verhältnis zu Schwere der Tat und Maß der Schuld stehen muss
- > aufgrund der lebenslangen Freiheitsstrafe muss auch in jedem Einzelfall die besondere Verwerflichkeit der Tat festgestellt werden
- -> Mordmerkmale somit in der Tendenz restriktiv auszulegen
§ 211: Prüfung: gemeinsame Prüfung von §§ 211, 212
I .Tatbestandsmäßigkeit
- Objektiver Tatbestand
a) Tötung eines anderen Menschen
b) Tatbezogene Mordmerkmale (mit subjektiven Komponenten) - Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz bezüglich 1.a und b
b) Täterbezogene Mordmerkmale
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
§ 211: Mordlust
= wem es allein darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen (dolus directus 1. Grades)
-> Tötung als einziger Zweck
§ 211: zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
= wer
- > im Tötungsakt selbst geschlechtliche Befriedigung sucht (Lustmord)
- > tötet, um danach seine sexuelle Lust an der Leiche zu befriedigen
- > die Tötung seines Sexualobjekts zumindest in Kauf nimmt, um typischerweise den Geschlechtsverkehr durchführen zu können
-> auch, wer sein Opfer tötet, um die Tat auf einem Video aufzuzeichnen, bei dessen späterer Betrachtung er sich sexuell befriedigen will
§ 211: Habgier
= rücksichtsloses Streben nach Vermögensvorteilen um jeden Preis
- > auch, wenn Aufwendungen erspart werden sollen
- > nicht jedoch, wenn Täter tötet, um einem ihm rechtmäßigerweise zustehenden Vermögensvorteil zu erlangen
pro: Parallelwertung aus §§ 242, 249
§ 211: Niedriger Beweggrund
= wenn der Beweggrund nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist
- > besondere Verwerflichkeit typischerweise bei hemmungslosen (krassen) Eigensucht oder rücksichtslosem Egoismus
- > auch verdeckungsnahe Beweggründe (bspw. Tötung zur Verdeckung einer Handlung, die nicht einmal eine Straftat darstellt)
- > Tötung aus Eifersucht: Umstände des Einzelfalls, aber idR (+), wenn Exklusivanspruch auf Partner durchgesetzt werden soll
- > Maßstab: nicht die Werte einer fremden Kultur sind maßgeblich (hM, BGH), sondern diejenigen der deutschen Rechtsgemeinschaft
§ 211: Heimtücke
= heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt
- > Arglosigkeit: wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (= Zeitpunkt des § 22) keines erheblichen tätlichen Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht
- -> Fähigkeit zum Argwohn muss vorliegen (bei Schlafendem kommt es darauf an, ob er Argwohn mit in den Schlaf nimmt) -> wenn (-), kann jedoch auch die Arglosigkeit schutzbereiter Dritter ausgenutzt werden
- > Wehrlosigkeit: wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist
§ 211: Heimtücke: P: Restriktive Auslegung
- eA: Tatbestandslösungen
- > tückisch-verschlagenes (listiges, hinterhältiges) Vorgehen erforderlich
- > verwerflicher Vertrauensbruch
- -> con: unklare Konturen des Vertrauens
- -> con: hinterhältige Attentate entfielen
- > Typenkorrektur: Tatbestand entfällt nach einer Gesamtwürdigung
- -> con: dogmatisch inkonsistent
- > Feindliche Willensrichtung erforderlich
- aA: Rechtsfolgenlösungen
- > § 213 analog mit Strafrahmen des § 212
- > BGH: § 49 I Nr. 1 gem. §§ 13 II, 17 S. 2, 21 analog (gesetzliche Milderungsvorschriften), sofern Entlastungsfaktoren vorliegen, die den Charakter „außergewöhnlicher Umstände‟ aufweisen und die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen lassen
§ 211: Heimtücke: P: Restriktive Auslegung: missglückter Mitnahmesuizid
- Rspr. früher: “feindliche Willensrichtung” erforderlich (= wenn der Täter glaubt, zum vermeintlich Besten des Opfers zu handeln)
- Rspr. heute: “feindselige Willensrichtung” nur dann nicht gegeben, wenn Tötung dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht
con (Lit): dann liegt in aller Regel keine Heimtücke mehr vor, sodass die “feindselige Willensrichtung” als Restriktionsmoment leer läuft
-> Rechtsfolgenlösung bleibt möglich
§ 211: Restriktive Auslegung: Besondere Anforderung an die innere Tatseite
= nur aus niedrigem Beweggrund oder Heimtücke, wenn Täter sich der Umstände, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, bewusst gewesen ist, und dass er die Bedeutung seiner Beweggründe und Ziele für die Bewertung der Tat erfasst hat
-> insb. zur Einschränkung bei Spontan- oder Affekttaten oder Taten aus großer Verzweiflung