06 Gastrointestinaltrakt Flashcards
Eine 45-jährige Frau kommt zu Ihnen in die Praxis und klagt über Gewichtsabnahme und einen massigen hellen Stuhl.
Wie würden Sie diagnostisch vorgehen, um die Verdachtsdiagnose einheimische Sprue zu sichern?
Beim nicht-tropischen Spruekranken werden ein Stuhlgewicht von über 250 g/d und ein Stuhlfettgehalt über 8 g/d gemessen. Folgende funktionsdiagnostische Untersuchungen untermauern die Verdachtsdiagnose:
• D-Xylose-Test (Kohlenhydratmalabsorptionsbestimmung)
• H2-Atemtest nach Laktosegabe (beim Vollbild einer Sprue besteht meist auch ein Laktasemangel)
In der MDP (= Magen-Darm-Passage) sind segmentierte und dilatierte Dünndarmschlingen mit fehlendem Schleimhautrelief zu beobachten. Gesichert wird die Diagnose der Zöliakie durch einen positiven IgA-anti- Transglutaminase (Anti-TG)-Antikörper-Test und mikroskopische Untersuchung einer Dünndarmschleimhautbiopsie. Typische Befunde sind:
• Zottenreduktion bzw. -atrophie der Dünndarmschleimhaut
• Kryptenhyperplasie mit Abflachung des Oberflächenepithels
• Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten
Sie haben die Diagnose einer einheimischen Sprue gesichert. Welches diätetische Behandlungskonzept leiten Sie ein?
Da die Schleimhautveränderungen der einheimischen Sprue durch eine allergische Reaktion gegenüber der Gliadinfraktion des Glutens („Klebereiweiß des Weizens“) hervorgerufen werden, ist die lebenslange Einhaltung einer glutenfreien Kost obligat. Ab 2012 müssen glutenfreie bzw. glutenhaltige Speisen im Verkauf gekennzeichnet sein. Dabei ist der Verzehr folgender Nahrungsmittel verboten:
• Weizen, Gerste, Roggen, Hafer bzw. daraus hergestelltes Brot, Kekse und Kuchen
• Fleisch- und Gemüsekonserven
• Milch und Milchprodukte bzw. daraus hergestellte Produkte (z. B. auch Schokolade)
• Trockensuppen
Erlaubt sind Mehlprodukte aus Hirse, Reis und Mais. Mineralien, insbesondere Kalzium und Vitamine (besonders Vit. A, D, E, K) sollten oral substituiert werden. Eine ausreichende Zufuhr dieser Stoffe durch die Nahrung ist bei glutenfreier Kost kaum möglich.
Welche Ursachen liegen bei einer erworbenen Laktoseintoleranz des Erwachsenen vor? Nennen Sie einige klinische Symptome.
Folgende Ursachen führen durch Laktasemangel im Bürstensaum der Dünndarmmukosa zur Laktoseintoleranz des Erwachsenen:
• Restzustand nach hereditärem Defekt
• Folge von Erkrankungen der Dünndarmschleimhaut, z. B. Sprue, nach Magenresektion oder totaler Gastrektomie
Klinisch äußert sich die Milchzuckerunverträglichkeit nach Milchgenuss und Laktosezufuhr durch Blähungen, Flatulenz, Bauchkrämpfe und Durchfälle.
Beschreiben Sie eine funktionsdiagnostische Untersuchung, die Sie bei Verdacht auf Laktoseintoleranz durchführen.
Zum Nachweis des Laktasemangels kann der Laktosetoleranztest durchgeführt werden. Beim Laktosetoleranztest werden zunächst 50g Laktose oral gegeben. Danach werden je 25 g Glukose und Galaktose verabreicht (insges. 100g Zucker). Nach Laktosegabe bleibt der Glukoseanstieg wegen Laktasemangels aus (BZ-Anstieg < 20 mg/dl), jedoch steigt der Blutzucker nach der Gabe von Glukose und Galaktose an (BZ-Anstieg > 20 mg/dl). Dies beruht auf der enzymatischen Aktivität der vorhandenen glukose- und galaktosespaltenden Enzyme im Dünndarm.
Wo ist das Dickdarmkarzinom am häufigsten lokalisiert? Wie äußert es sich im fortgeschrittenen Stadium?
Das Dickdarmkarzinom ist am häufigsten (ca. 80 %) im Rektosigmoid lokalisiert (› Abb. 3.4). Folgende Symptomatik kann dabei auftreten:
• Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Schmerzen
• Ileus
• chronische Eisenmangelanämie
• Bleistiftstühle
• Wechsel von Obstipation und Durchfall
• rektale Blutungen und Blutbeimengungen (häufig)
Durch die rektal-digitale Untersuchung können ca. 30 % der Dickdarmkarzinome erfasst werden.
Bei welcher Lokalisation eines Dickdarmkarzinoms tritt die klinische Symptomatik früher auf? Beim rechtsseitigen oder beim linksseitigen Dickdarmkarzinom?
Die klinische Symptomatik tritt im Allgemeinen beim linksseitigen Dickdarmkarzinom, besonders des Rektosigmoids, früher auf als beim rechtsseitigen (› Abb. 3.4). Dies lässt sich dadurch erklären, dass im Colon descendens die größte Menge an Wasser und Elektrolyten resorbiert wird und es somit zur Eindickung des Stuhls kommt. Der eingedickte Darminhalt kann die durch das Karzinom entstandene linksseitige Darmstenose schlecht passieren, wodurch möglicherweise Beschwerden (Meteorismus, Flatulenz, Ileus) ausgelöst werden. Im Colon ascendens werden dagegen nur wenig Wasser und Elektrolyte dem Stuhl entzogen, sodass ein relativ weicher Stuhl eine karzinombedingte Stenose passiert.
Beschreiben Sie die Dukes-Klassifikation des Kolonkarzinoms.
Neben dem TNM-System ist die Dukes-Klassifikation eine weitere Stadieneinteilung des Kolonkarzinoms (› Tab. 3.8).
Tab. 3.8 Stadien beim Kolonkarzinom
Stadium : Definition
A : Tumor ist auf Kolon- und Rektumwand begrenzt
B : infiltrierender Tumor ist in das umgebende Gewebe eingebrochen
C : Metastasierung in Lymphknoten
C1 : regionäre LK (perirektal, mesenterial) befallen
C2 : paraaortale LK befallen
D : Fernmetastasen (häufig Leber)
Welche Karzinom-Lokalisation hat die schlechteste Prognose?
Karzinome im Analbereich bzw. tiefen Rektumbereich haben die schlechteste Prognose. Es kommt rasch zu einer lymphogenen Metastasierung. Diese kann analog zur Gefäßversorgung in mesenteriale, iliakale und inguinale Lymphknoten erfolgen.
Was besagt ein Karnofsky-Index von 30 %?
Der Karnofsky-Index ist ein gebräuchliches Schema zur groben Beurteilung des Allgemeinzustands von onkologischen Patienten. Dabei wird der Allgemeinzustand des Patienten in 10%-Abständen von 10 bis 100% quantifiziert (› Tab. 3.9). Ein Karnofsky-Index von 30 % besagt, dass der onkologische Patient dauernd bettlägerig ist und deswegen eine geschulte Pflegekraft braucht. Ein Karnofsky-Index von 100 % bedeutet, dass ein Patient keine Beschwerden hat, kein Hinweis auf Tumorleiden besteht und seine Aktivität normal ist.
Tab. 3.9 Karnofsky-Index
100 % volle Aktivität
90–80 % einige Einschränkungen/Beschwerden
60–70 % arbeitsunfähig, jedoch selbstversorgend
40–50 % regelmäßige Hilfe notwendig
< 40% Pflegefall
10% moribund
Was versteht man unter einer Dickdarmdivertikulose? Wo ist sie meist lokalisiert?
Dickdarmdivertikel sind Ausstülpungen der Darmschleimhaut durch Gefäßlücken der muskulären Darmwand. Es handelt sich um sog. Pseudodivertikel (d. h., nicht alle Wandschichten sind beteiligt), besonders bei Sigmadivertikeln (2⁄3 aller Fälle). Die Mehrzahl der älteren Menschen weist eine Divertikulose auf. Eine einfache Divertikulose ist im Allgemeinen asymptomatisch. Die Hauptlokalisationen sind das Sigma und das Colon descendens.
Zu Ihnen in die Ambulanz kommt eine 65-jährige leicht adipöse Patientin aufgrund von Schmerzen im linken Unterbauch. Die Beschwerden seien schon mehrfach aufgetreten, aber nicht so stark wie jetzt, und bisher seien sie auch immer wieder von selbst weggegangen. Sie gibt an, schon immer „Last mit der Verdauung“ gehabt zu haben. Sie messen eine Temperatur von 38,8 oC rektal. Bei der klinischen Untersuchung ertasten Sie eine druckschmerzhafte Walze im linken Unterbauch. Neben dem Druck- besteht ein deutlicher Loslass-Schmerz.
Wie lautet Ihre klinische Diagnose? Welche Diagnostik leiten Sie ein? Und welche Differenzialdiagnosen berücksichtigen Sie?
Der klinische Befund spricht für eine Sigmadivertikulitis. Die Symptome sind ähnlich wie die einer Appendizitis. Aus diesem Grund wird sie auch als „Linksappendizitis“ bezeichnet. Meist tritt sie bei alten Menschen auf. Es handelt sich um eine bakterielle Entzündung der Divertikelwand, die fast immer im Sigma lokalisiert ist. Zur Basisdiagnostik gehören neben Anamnese und Untersuchung eine Blutabnahme (Leukozytose, CRP-Erhöhung, BSG-Beschleunigung) und ein Ultraschall (Darstellung wandverdickter Kolonabschnitte mit schießscheibenartigem Querschnitt, evtl. freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle). Bei Verdacht auf eine Perforation oder eine Abszessbildung oder bei unklarem Bild ist eine CT des Abdomens indiziert.
Wichtige Differenzialdiagnosen sind das Dickdarmkarzinom, gynäkologische Erkrankungen und v. a. bei jüngeren Patienten chronisch-entzündliche Darmerkrankungen.
Welche pflegerischen oder diagnostischen Maßnahmen sollten bei einer akuten Divertikulitis vermieden werden?
Im akuten Schub einer Divertikulitis ist die Darmschleimhaut sehr vulnerabel. Es sollten daher keine hohen Einläufe und keine endoskopische Diagnostik erfolgen, da es zu einer Darmperforation kommen kann. Ebenfalls sind starke Laxanzien zu vermeiden. Bei Verdacht auf einen Abszess, einen Ileus, eine Fistelbildung oder bei prolongiertem Krankheitsverlauf ist eine chirurgische Intervention (Sigmaresektion) anzustreben.
Was ist die Langzeittherapie der Divertikulose und Divertikulitis?
Die Therapie besteht in einer ballaststoffreichen und faserreichen Kost mit reichlicher Flüssigkeitszufuhr und Bewegung. Bei Entzündungszeichen ist eine parenterale Ernährung mit antibiotischer Therapie (z. B. Ciprofloxacin + Metronidazol) indiziert. Bei Komplikationen (Abszess, Perforation) oder rezidivierenden Entzündungsschüben ist die Darmresektion indiziert. Diese wird, wenn möglich, im symptomfreien Intervall durchgeführt
Was sind die Leitsymptome einer gastrointestinalen Blutung?
Die gastrointestinale Blutung äußert sich meist in Bluterbrechen (Hämatemesis) oder Teerstühlen (Melaena). In ca. 80 % der Fälle liegt die Blutungsquelle im oberen Intestinaltrakt. Bei der unteren GI-Blutung ist die Hämatochezie (rote Darmblutung) häufig das Leitsymptom. Diagnostisches Kernstück ist die Notfallendoskopie. Häufige Blutungsursachen sind bei der oberen GI-Blutung:
• peptische Läsionen (Ulcera duodeni/ventriculi)
• gastroduodenale Erosionen
• Refluxösophagitis
• Varizen (Ösophagus/Magenfundus)
• Mallory-Weiss-Syndrom (= Schleimhauteinrisse im Ösophagus-Kardia- Bereich nach heftigem Erbrechen)
Nennen Sie eine endoskopische Klassifikation für eine Ulkusblutung.
Tab. 3.10 Endoskopische Einteilung der Blutungsaktivität nach Forrest Forrest-Typ Definition Ia arterielle spritzende Blutung Ib Sickerblutung IIa inaktive Blutung mit sichtbarem Gefäßstumpf IIb Koagel auf Ulkusläsion IIc Hämatin auf Ulkusläsion III Läsion ohne Blutungszeichen
Nennen Sie mindestens drei Medikamente, die zu einer akuten Ulkusblutung führen können.
Schmerzmittel werden zunehmend rezeptfrei konsumiert und können eine Blutung verursachen. Typische ulzerogene Substanzen sind: • ASS • Ibuprofen • Diclofenac • Glukokortikoide
Worin besteht die Therapie der Ulkusblutungen vom Typ Forrest Ia und Ib?
Die spritzende Blutung (Ia) stellt eine Indikation zur Sofortintervention dar. Nach Stabilisierung des Kreislaufs kann ein versierter Endoskopiker eine Blutung mit Laser- bzw. Thermokoagulation zum Stillstand bringen. Bei Erfolglosigkeit wird der Patient zur Operation (operative Ulkusumstechung + extraluminäre Gefäßligatur der A. gastroduodenalis) übergeben.
Sickerblutungen (Ib) sistieren in 80 % der Fälle spontan. Die verbleibenden Blutungen lassen sich mit einer endoskopischen Sklerosierungstherapie, Laser- oder Thermokoagulation zum Stillstand bringen. Aufgrund der hohen Rezidivrate ist eine engmaschige Überwachung unbedingt nötig.
Was ist die häufigste Ursache für Darmblutungen bei kleinen Kindern?
Die Darminvagination ist die häufigste Blutungsursache bei kleinen Kindern. In 10 % der Fälle bildet sich die Invagination spontan zurück, 80 % der Fälle lassen sich durch einen Kontrasteinlauf reponieren. Die übrigen Fälle müssen operiert werden.
Definieren Sie das Krankheitsbild „Hepatitis“ und nennen Sie einige ätiologische Faktoren.
Die Hepatitis ist eine Entzündung der Leber unterschiedlicher Genese, die u.a. durch Hepatomegalie, Gelbsucht und abdominelle Beschwerden gekennzeichnet ist. Bei schweren Verläufen kann auch die Lebersyntheseleistung eingeschränkt sein. Folgende Faktoren können zu einer Hepatitis führen: • infektiös: – Hepatitisviren A, B, C (= Non-A/Non-B), D, E – Gelbfieber, Coxsackieviren, Herpesviren wie EBV und CMV – Malaria – Salmonellen – Morbus Weil, Brucellose • toxisch: – Alkohol – Methyldopa – Halothan – Isoniazid • endogen bzw. metabolisch: – autoaggressive Hepatitiden – Glykogenosen – Kollagenosen
Wie äußert sich klinisch eine akute Virushepatitis?
Die klinische Symptomatik der Virushepatitiden A, B, C, D, E ist mehr oder minder ähnlich. Man unterscheidet zwischen einem Prodromalstadium und einem Stadium der hepatischen Organmanifestation.
• Prodromalstadium: Reicht von 27 Tagen bei der Hepatitis A bis zu mehreren Wochen und Monaten bei der Hepatitis B. Prodromalstadium ist nicht gleichzusetzen mit Inkubationszeit.
– Allgemeinerscheinungen: Müdigkeit, katarrhalische Symptome, Kopfschmerz, Fieber meist < 39 °C
– gastrointestinale Symptome: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Diarrhö, Erbrechen
– Dunkelfärbung des Harns bzw. Stuhlentfärbung und Übergang in die ikterische Phase
– evtl. Arthralgien, Exantheme
• Stadium der hepatischen Organmanifestation: 4–8 Wochen, kürzer bei Hepatitis A.
– beim ikterischen Verlauf (1⁄3 der Fälle) Gelbsucht und langsame Zurückbildung der Prodromalsymptome
– anikterischer Verlauf in 2⁄3 der Fälle
– druckempfindliche und vergrößerte Leber
– Splenomegalie und LK-Schwellungen
Die extrahepatischen Manifestationen, die bei den Virushepatitiden unterschiedlich in Art und Häufigkeit auftreten, können neben den Gelenken (Immunkomplexsyndrom mit Arthralgien und eventuellem Exanthem in 5–10 % aller Hepatitis-B-Patienten) auch die Hämatopoese (aplastische Anämie) oder das Gefäßsystem (z.B. Panarteriitis nodosa, besonders assoziiert mit Hepatitis B) betreffen.