05.2_Affektive Störungen Flashcards
Lebenszeitprävalenzen affektiver Störungen (Daten 2000-2005)
Affektive Störungen (Oberbegriff):
19% (Frauen: 25%; Männer: 12%)
Unipolare Depression:
17% (Frauen: 20%; Männer: 10%)
Depressive Episode:
~8% (ca. die Hälfte aller Betroffenen)
Dysthymie: 6%
Bipolare Störung: 1%
12-Monats-Prävalenzen affektiver Störungen (neure Daten)
Affektive Störungen:
9,8% (Frauen: 13,1%; Männer: 6,4%)
Unipolare Depression:
8,2% (Frauen: 11,3%; Männer: 5,1%)
Major Depression:
6,8% (Frauen: 9,5%; Männer: 4,0%)
Dysthymie:
1,7% (Frauen: 2,1%; Männer: 1,2%)
Bipolare Störung:
1,5% (Frauen: 1,7%; Männer: 1,3%)
Mögliche Ursachen für Zunahme Affektiver Störungen
- Zunahme des Lebensalters (dadurch Zunahme der Einsamkeit)
- Zunahme chronischer körperlicher Erkrankungen (kardiovaskulär, cerebroventrikulär, neurologisch)
- Zunahme der Belastung durch eine sich rasch wandelnde psychosoziale Umwelt
- Abnahme traditioneller Normen und Werte (damit Zusammenhalt)
- Isolation und Vereinsamung
- Exzessiver Drogen- und Medikamentenkonsum (verkürzt wahrscheinlich Remissionsphasen zwischen depressiven Episoden, sodass Medikation möglicherweise dazu beiträgt!)
- Verbesserte Diagnostik zur Erkennung von Depressionen und wirksamere Therapien
Symptomatik: Emotional
- niedergedrückte Stimmung
- Minderwertigkeitsgefühle
- Mangel an positiven Gefühlen
- Angstzustände (häufig Überschneidungen zu Angststörungen) – in den meisten Fällen eine sehr unspezifische, allgemeine Angst
- emotionale Distanz (innere Leere)
- Weinanfälle und Unfähigkeit zum Weinen
- Schuldgefühle
Symptomatik: Motivational
- Passivität
- Wunsch, sich zu verbergen (Scham, Rückzug)
- (soziale) Abhängigkeit (Andere sollen sagen, was sie tun sollen; selbst nicht mehr in der Lage, einen Wunsch oder Willen umzusetzen)
- Willenlosigkeit
- Suizidwünsche
Symptomatik: Kognitiv
- verzerrtes, negatives Selbstbild
- Hoffnungslosigkeit
- Entschlusslosigkeit
- Hilflosigkeit (Personen denken, sie können nichts an ihrem Leben ändern)
- besorgte Grundhaltung
- Wahnvorstellungen (Verarmungswahn,paranoide Fehldeutungen …)
- Schizophrene und depressive Anteile = schizo-affektive Störung
Symptomatik: Verhaltensebene
• Aktivitätsniveau: o Verlangsamung/Retardierung o Agitiertheit (bei Manien) • Vermeidungsverhalten • Suizidversuche • Grübelzwang • Konzentrations- und Denkstörungen • Hypochondrie: o Angst vor Krankheiten o Beschäftigen sich mit Krankheiten und finden Symptome an sich o körperlich erhöhte Krankheitsneigung
Symptomatik: Somatische Ebene
- Appetitverlust
- Gewichtsverlust
• Schlafstörungen:
o frühes Erwachen
o Ein- und Durchschlafstörungen
o teilweise abnorm viel Schlaf
• Libidoverlust
• Körperliche Beschwerden:
o Kopfschmerzen
o gastrointestinale Beschwerde
o …
• Vegetative Störungen:
o Hitzewallungen
o Zittern
o Kreislauf-Regulationsstörungen
Verlauf einer Depressiven Episode
Depressive Episode:
• Ein einziges Mal im Leben eine depressive Phase, dann nie wieder
• Knapp die Hälfte aller Betroffenen
• Durchschnittliche Dauer einer Episode: 4-8 Monate
• Mindestens 2 Wochen Dauer als Kriterium
• Wiedererkrankungsrate aber über 50%
Danach bei vollständiger Remission alles so, als wäre nichts gewesen
Unvollst. Rem.: Stimmung zwar wieder heller, aber nicht auf Ursprungsniveau
Verlauf Schwere Depression
- Auch phasische Depression oder Major Depression
- Zeit zwischen depressiven Phasen = freie Intervalle
- Folgephasen können intensiver sein als vorherige
- Freie Intervalle werden mit zunehmender Erkrankungsdauer kürzer
- Kürzere freie Intervalle möglicherweise als Folge neuerer Medikamente
Verlauf Dysthymie
- Auch neurotische Depression
- Symptomatik nicht so stark ausgeprägt, wie bei Major Depressen
- Nur wenige Symptome, dafür über mindestens 2 Jahre
- Erkrankte sind habituell deprimiert
- Personen können Alltag mehr oder weniger bewältigen, wirken aber immer unglücklich und traurig
Verlauf Doppelte Depression
- Auch Double Depression
- Neuere Störung (wird erst seit einigen Jahren verwendet)
- Übereinanderliegen von Major Depression und Dysthymie
- Depressive Grundstimmung mit vermehrten schweren depressiven Phasen
Bipolare Störung - Symptome
- Erhöhung des Aktivitätsniveaus (Arbeit, sozial, sexuell)
- Ungewöhnliche Geschwätzigkeit, schnelle Rede
- Ideenflucht oder der subjektive Eindruck, dass die Gedanken rasen
- Es wird weniger als die übliche Menge an Schlaf benötigt
- Übertriebenes Selbstwertgefühl; die Überzeugung, über besondere Talente, Macht oder Fähigkeiten zu verfügen
- Ablenkbarkeit; die Aufmerksamkeit gleitet leicht ab
- Übermäßige Beteiligung an Aktivitäten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen haben (z.B. übermäßige Geldausgaben)
Bipolare Störung - Verlauf
- Neben depressiven Phasen treten Zustände übermäßiger Aktivität, gehobener Stimmung, allgemeiner Angetriebenheit und manchmal Gereiztheit auf
- Andere Behandlung für manische als für depressive Phasen (medikamentöse Behandlung erforderlich)
- Freie Intervalle zwischen Manie und Depression nicht vorhanden oder nur sehr kurz
- Hypomanische Phase: Wenn Manie etwas kleiner ist
Genetische Ursachen affektiver Störungen
• Bipolare Störungen: 72% Konkordanz bei eineiigen Zwillingen
• Sonst konstante Prävalenz von 1%
• Unipolare Störungen:
o 40% Konkordanz bei eineiigen Zwillingen
o 11% Konkordanz bei zweieiigen Zwillingen
–>Genetik spielt definitiv eine Rolle
Biochemische Theorien zu Ursachen affektiver Störungen
• Annahme, dass Depression Folge einer Nordadrenalin- und Serotonin-Fehlfunktion ist
Schildkraut (1984) – früher wichtige Theorie:
o niedriger Serotonin-Spiegel geht mit Depression einher
o hoher Serotonin-Spiegel geht mit Manie einher
Serotonin-Hypothese (Coppen, 1967):
o niedriger Serotonin-Spiegel generell entscheidend für affektive Störungen
Heute:
Depression: niedriger Serotonin-, niedriger Noradrenalinspiegel
- verminderte Serotoninausschüttung
- Ziel von Behandlung deshalb: Erhöhung v. Serotonin
Manie: niedriger Serotonin-, hoher Noradrenalinspiegel
- Medikamentengeneration
MAO-Hemmer
- Wirken im synaptischen Spalt
- Spalten Catecholamine (NA, Serotonin, Dopamin), wodurch diese langsamer abgebaut werden
- Falsche Dosierung kann zu Manie führen
- Zu hohe MAO-Hemmer-Dosierung führt ohnehin zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen (massive Blutdruckerhöhungen, weil unspezifische Wirkung – also an allen Stellen wo Catecholamine freigesetzt werden)
- Medikamentengeneration
• Wiederaufnahmehemmer
• Grundgerüst aus 3 oder 4 Benzolringen
• Unterscheidung: z.B. Imipramin und Amitriptylin-Typ
• Imipramin: wirkt auf Noradrenalin und somit stimmungsaufhellend
• Amitriptylin: wirkt auf Serotonin und somit antidepressiv und antriebssteigernd – hat manchmal zu Suizid geführt, wenn die Wirkung vor Stimmungsaufhellung eintrat
–> Hauptnachteil dieser Stoffgruppe
- Medikamentengeneration
- Selektive Wiederaufnahmehemmer
- Insiwischen gibt es auch SNRIs – Selektive Noradrenalin..
- Haben weniger Nebenwirkungen als tri- & tetracyklische Antidepressiva (keine Appetitsteigerung oder Antrieb vor Stimmung; ABER: Libidoverlust)
- Sind dafür teurer als tri- & tetracyklische Antidepressiva
- Erhöhen bei jungen Patienten die Suizidrate
Schwächen biochemischer Theorien
• Substanzen wirken bei ca. 1/3 aller Patienten nicht
Biochemische Faktoren:
o könnten notwendige, aber keine hinreichende Bedingung sein
o könnten nur bei einem Teil der Patienten auftreten
o könnten nur ein Korrelat sein
Neuroendokrine Aspekte affektiver Störungen
• Serotonin hat wesentliche Effekte auf Schlaf
• Reduzierter Serotonin-Spiegel führt zu:
o mehr REM-Schlaf (Serotonin unterdrückt REM-Schlaf)
o mehr emotionale Gedächtniskonsolidierung (durch mehr REM-Schlaf)
o mehr Interferenz ( schlechteres Gedächtnis)
• Etwa 40% der depressiv Erkrankten zeigen Auffälligkeiten in der Schlafarchitektur
• Typisch sind:
o verkürzte REM-Latenz
o mehr REM-Schlaf
o weniger Tiefschlaf
- Depressiv Erkrankte erreichen Schlafstadien 3 und 4 oft nicht
- Es fehlt Tiefschlaf, dafür mehr REM-Schlaf
- Trotzdem nur korrelatives Ereignis
- Schlafentzug kann therapeutische Wirkung haben (durch Resynchronisation)
Psychoanalytische Theorien zu Ursachen affektiver Störungen
• Fixierung auf die orale Phase ist Risikofaktor für Depression
• Zusätzlich muss aber weiterer Stressor auftreten (Verlust eines nahen Angehörigen)
• Verlust führt dazu, dass der Verstorbene „verinnerlicht“ wird (Identifikation und Introjektion)
• Negative Gefühle gegenüber dem Verstorbenen (Vorwürfe) werden auf den Patienten umgelenkt (Introjektion)
ruft Schuldgefühle hervor
folgender Selbsthass führt zur Depression
- Empirisch nur schwer überprüfbar
- Wird z.B. experimentell „überprüft“ anhand von Trauminhalten
- Hypothese dabei: Masochismus durch Selbsthass geht in Träume über
Aber: Verluste im 1. Lebensjahr sind tatsächlich wesentlicher Prädiktor für Depression
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Auffassung zu Ursachen affektiver Störungen
- Aaron Beck
Die wichtigsten kognitiven Fehleinstellungen depressiver Menschen:
- Willkürliche Schlüsse: Schlüsse, die ohne jeglichen Beweis oder überhaupt jegliche externe Grundlage gezogen werden
- Selektive Abstraktionen: Schlüsse, die nur auf der Grundlage eines von vielen Elementen einer Situation gezogen werden
- Übergeneralisierung: Ein alles umfassender Schluss auf der Grundlage eines einzelnen, möglicherweise trivialen Ereignisses
- Über- oder Untertreibung: Grobe Fehleinschätzung von Leistungen
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Auffassung zu Ursachen affektiver Störungen
- Erlernte Hilflosigkeit nach Seligman
Erweiterung der Theorie der erlernten Hilflosigkeit: Attributionsschema zur Erklärung der Depression
Depressives Attributionsschema:
global + internal + stabil (z.B. “Ich bin dumm”)
• Auf deprimierende Ereignisse reagieren alle zwei Tage lang global, internal und stabil
–> Danach differenzieren sich die tendenziell nicht-depressiv Gefährdeten
• Attributionsstile sind relativ stabil
Entwicklung der Hilflosigkeitstheorien:
1) Gelernte Hilflosigkeit
Unkontrollierbare aversive Ereignisse -> Hilflosigkeit -> Depression
2) Attributionsbezogene Umformulierung
aversive Ereignisse -> Attribution auf globale & stabile Faktoren -> Hilflosigkeit, Gefühl, Sit. nicht ändern zu können -> Depression
3) Hoffnungslosigkeit