04_Klassifikation Flashcards
Formen klinisch-psychologischer Diagnostik
1) Klassifikatorische Diagnostik:
- Zuweisung von Symptomen zu einer Störung (Diagnose)
2) Funktionale Diagnostik:
- Bedingungsanalyse zur Mikroplanung der Indikation und Therapie
3) Prozessdiagnostik:
- Verlaufsmessung und Adaptation
4) Strukturdiagnostik:
- Zuweisung von Störungsbildern Typen zu Behandlungskonstrukten
• Diagnostisches Verhalten:
o z. B. Gesprächsführung
Klassifikatorische Diagnostik
- Zuweisung von Symptomen zu einer Störung
- Dazu Klassifizierung verschiedener Störungen
- -> Verhalten/Beschwerden zusammengefasst zu Symptomen (z.B. Vermeidungsverhalten)
- -> Werden zusammenfasst zu Syndromen (z.B. Agoraphobie)
- -> Führt im Abgleich zu anderen Syndromen zur Diagnose (wenn eine bestimmte Anzahl und Kombination von Symptomen vorhanden ist)
Traditionelle deskriptive Klassifikationssysteme
Bis 1980 (vor DSM-III und ICD-10):
- Diagnosen eher nach Expertenurteil
- Viel weniger Klassifikationen, die über Symptome definiert waren
- vor allem psychiatrische Klassifikationssysteme
- Regelwerke waren eine Kunst und konnten nur von Psychiatern angewandt werden
- relativ breiter Interpretationsspielraum in der Terminologie
–> wenige explizite Definitionen
–> viele ungeprüfte theoretische Annahmen
–> unzählige Schulen (mit unterschiedlichen ätiologischen Modellen)
Vorteile klassifikatorischer Diagnostik
- Reliabilität und klinische Validität (vergleichbar mit anderen medizinischen Diagnosen)
- Für alle Schulen verbindlich
- Internationale Akzeptanz
- Verbesserte Kommunikation zwischen Forschung und Praxis
- Standardisierung diagnostischer Entscheidungen
- Eindeutige Nomenklatur
- Explizite deskriptive Kriterien
- Terminologie ohne Interpretationsspielraum
- Neutralität in Hinblick auf Ätiologie
ICD-10 - International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
• „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“
• 1900: ICD-1 von französischer Regierung herausgegeben
• Seit 1940er: (seit ICD-6) von WHO herausgegeben und kontrolliert
• Aktualisierung alle 10-15 Jahre in Expertenkonsensus
alle Länder müssen mitwirken und sich einverstanden erklären
• Klassifikation aller Krankheiten und Störungen
• Kapitel F für psychische Störungen
• Verpflichtend für das Gesundheitssystem in Deutschland
ICD-10 - Kapitel F
- F0 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
- F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
- F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
- F3 Affektive Störungen
- F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
- F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
- F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
- F7 Intelligenzminderung (auch „Intelligenzstörung“)
- F8 Entwicklungsstörungen
- F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
- F99 Psychische Störung ohne nähere Angabe
DSM-IV-Text Revision
- Herausgebraucht von American Psychiatric Association
• DSM-IV 1994-2000 (USA) bzw. 1996-2003 (Deutschland)
• DSM-IV-TR 2000-2013 (USA) bzw. 2003-2014 (Deutschland)
• Historisch noch bedeutsam (v.a. Terminologie)
• Ausführlicher als ICD
o bezieht sich jedoch oft auf ICD
o beinhaltet Diagnosekriterien (genau wie ICD)
o beinhaltet zusätzlich experimentelle Störungen (z.B. negativistische Persönlichkeitsstörung)
• Aufteilung der Störungen auf 5 Achsen
o Jeder Patient ist nicht nur sein Störungsbild, sondern hat auch ein soziales Leben
o Man bekommt ein multidimensionales Bild
Achsen des DSM-IV-TR
Achse I: Klinische Störungen, Andere Klinisch Relevante Probleme (Veränderung möglich)
Achse II: Persönlichkeitsstörungen, Geistige Behinderung (andauernd)
Achse III: Medizinische Krankheitsfaktoren (nur Faktoren, die für Störung relevant sein können)
Achse IV: Psychosoziale oder Umgebungsprobleme (z.B. Arbeitslosigkeit, Überschuldung)
Achse V: Globale Beurteilung des Funktionsniveaus (wie funktionsfähig ist die Person im Alltag?)
ICD-11
- Am 18.06.2018 offiziell von WHO vorgestellt
- Soll 2019 noch verabschiedet werden
- Einführung/verpflichtende Diagnostik in Deutschland noch nicht absehbar
- Online kostenlos verfügbar (icd.who.int)
- Kapitel 06 für psychische Störungen („Mental, behavioural or neurodevelopmental disorders“) – statt Kapitel F
- Einige Umstrukturierungen (z.B. Trennung von Angst- und Belastungsstörungen)
- Homo-, Bi- und Transsexualität nicht mehr als psychische Störungen
ICD-11 - Kapitel 06
06 Mental, behavioural or neurodevelopmental disorders
ICD-11 Kodierung
• Kodierung mithilfe des „Coding-Tools“ (online)
- -> Deutlich vereinfachte Nutzung
- -> Weniger Trainingsaufwand für Kodierer
- -> Sprachunabhängig
- -> Patienten könnten in Zukunft ihre Diagnose überprüfen
DSM 5
- Seit 2013 (USA) bzw. seit 2014 (Deutschland)
- Nicht mehr multiaxial
- Insgesamt weniger Diagnosen als im DSM-IV
• Zahlreiche Veränderungen gegenüber DSM-IV:
- „geistige Behinderung“ ersetzt durch „Intellektuelle Beeinträchtigung“ bzw. „Intellektuelle Entwicklungsstörung“
- „Autismus-Spektrum-Störung“ führt verschiedene Autistische Störungen zusammen
- liberalere Kriterien für ADHS (wird zu noch mehr Diagnosen bei Jugendlichen und Erwachsenen führen, die dann mit Ritalin behandelt werden)
- Einführung Spezifischer Lernstörungen
- weniger Subtypen der Schizophrenie
- Disruptive Affektregulationsstörung als „Depression für Minderjährige“
- Zwangs- und Belastungsstörungen nicht mehr unter Angststörungen
- Panikattacken als Zusatzkodierung für alle Störungen möglich
DSM-5 Klassifikation für Persönlichkeitsstörungen
- Neuartiges alternatives (dimensionales) Klassifikationssystem für Persönlichkeitsstörungen
- „Persönlichkeitsstörung – Merkmalsspezifiziert“ für problematische Persönlichkeitsmerkmale, die nicht durch spezifische Persönlichkeitsstörungen kodiert werden (da es sehr viele Überlappungen gab)
• Charakterisierung über Funktionsniveau und problematische Persönlichkeitsmerkmale
o Schätzung der Störungen in Selbst- und interpersonellen Funktionen auf einem Kontinuum
o Problematische Persönlichkeitsmerkmale auf den Domänen: Negative Affektivität Verschlossenheit Antagonismus Enthemmtheit Psychotizismus
- Schätzung der Stabilität/Flexibilität problematischer Muster
- Trotzdem Beibehaltung der spezifischen Persönlichkeitsstörungen